Sonntag, 31. Dezember 2017

Gern gespielt im Dezember 2017

HEAVEN & ALE: Ah! Die Spielertableaus von HEAVEN & ALE erklären, warum es Helles und Dunkles gibt. (Oder ich habe den Themenbezug immer noch nicht verstanden.)


EXIT. DER TOTE IM ORIENT-EXPRESS: Mit bislang ungelöstem Karo-3-Bonusrätsel.


LOVECRAFT LETTER: Liebesbriefe aus der Hölle.


MUTABO: Ein Erdmännchen mit Boxhandschuhen träumt von einer Weihnachtsgans. -> Ein Bär wünscht sich, dass die bösen anderen Bären von einem Gespenst zu Tode erschreckt werden.


AZUL: Alles wäre perfekt, wenn ich den Enthusiasmus, mit dem ich den Königspalast verschönere, jetzt noch auf meine eigenen vier Wände übertragen könnte.


GAIA PROJECT: Ich muss zugeben, das All im Allgemeinen hat mich nie sonderlich interessiert. Das Faszinierendste am Weltraum sind für mich immer wieder die Spiele, die darin stattfinden.



Samstag, 23. Dezember 2017

Heaven & Ale

Was könnte schöner sein: ein tolles Spiel spielen und dabei Bier brauen? Haha ... Weil ich als gestandener Eurogamer auf solche Versprechungen natürlich nicht mehr hereinfalle, hatte ich an HEAVEN & ALE keine besonderen Erwartungen. Und ich hatte Recht: Bier wird hier tatsächlich nicht gebraut, es fühlt sich nicht mal annähernd so an. Und ich hatte Unrecht. Das Spiel nämlich ...

Wie geht HEAVEN & ALE? Es ist ein Legespiel. Plättchen, die ich auf die helle Seite meines Tableaus lege, treiben – wenn sie aktiviert werden – meine Punktemarker voran, Plättchen auf der dunklen Seite bringen – wenn aktiviert – Geld. Die Krux ist eben das Aktivieren. Na ja, und die Punktemarker auch. Und, verdammt, das Geld.

Der Reihe nach: Fünf farbige Pöppel will ich auf ihrer Skala möglichst weit voranmarschieren lassen, denn am Schluss zählt von ihnen der schlechteste. Wie viel er zählt, hängt vom Voranschreiten meines Braumeisters ab. Im seltenen Bestfall erreicht er das Multiplikatorfeld 6. Steht mein schlechtester Farbpöppel auf der Fünf, sind das 6 x 5 = 30 Punkte. Weitere Punkte gewinne ich durch Fässer, die ich wiederum nach Erreichen bestimmter Spielziele einsammle.
Plättchen entnehme ich den Feldern eines Rundkurses, der von allen Spielern mehrfach durchlaufen wird. Jeder zieht so weit er möchte, allerdings immer nur vorwärts (wie beispielsweise auch in EGIZIA oder TUTANCHAMUN). Das erreichte Plättchen (Rohstoff oder Mönch) platziere ich sofort. Je höherwertiger, desto teurer ist es auch. Auf der hellen Seite zu legen, kostet den doppelten Preis.
Ebenfalls auf dem Rundkurs befinden sich „Wertungsscheiben“, und insbesondere sie liefern Gründe für gelegentliche größere Sprünge. Denn ich will werten. Oder ich muss es. Aus Geldmangel. Eine Farbwertung bedeutet, dass alle Plättchen dieser Farbe aktiviert werden und entsprechend ihres Wertes Schritte oder Geld bringen. Eine Mönchswertung bedeutet, dass alle Plättchen rund um diesen Mönch aktiviert werden (und Schritte oder Geld bringen). Jede der zehn möglichen Wertungen kann ich pro Spiel nur einmal machen. Aber im Regelfall bekomme ich ohnehin keine zehn Wertungsscheiben ab.


Was passiert? Man puzzelt unbedarft drauflos, und falls einem niemand vorab einbläut, dass man schnell pleite gehen kann, geht man schnell pleite. Und dann muss man was werten und will es eigentlich noch gar nicht.
Natürlich wertet man eine Farbe viel lieber, nachdem man zuerst viele Teile dieser Farbe legen konnte. Und natürlich wertet man einen Mönch lieber, wenn der Mönch komplett umbaut ist oder wenn man gar mehrere entsprechende Mönche besitzt. Aber hält man finanziell solange durch?
Und selbst wenn man Wertungen kunstvoll hinauszögert: Lässt man dann nicht viel zu viele Wertungsscheiben für die Konkurrenz liegen? Wer häufig wertet, schaltet sich Privilegkarten frei. Das Spielsystem belohnt also häufiges Werten, was den Run auf die Scheiben noch verschärft.
Zum Glück gibt es eine weitere Möglichkeit, Plättchen zu aktivieren: Jedes Tableau zeigt sieben „Scheunenplätze“. Umbaut man einen, aktiviert man bis zu vier der sechs umliegenden  Plättchen. Wie viele und welche, hängt von deren Gesamtwert ab. Also fängt man an, auch die genaue Positionierung der Teile zu bedenken: Die besten sollten direkt neben Mönchen liegen. Aber auch rund um die Scheunen kommt es drauf an: Erreicht die Scheune einen Wert von 12 bis 17, dann aktiviere ich zwei direkt gegenüberliegende Plättchen. Kommen Plättchen im Wert von 18 zusammen, aktiviere ich drei, die sich nicht gegenüber liegen.
Wenn man dann noch weiß, dass einige der Fässer bestimmte Scheunen- und Plättchenwerte erfordern, sind alle Zutaten für die totale innere Zerrissenheit beisammen: Ich will die perfekten Plättchen, ich will sie perfekt positionieren, ich habe aber gar nicht alle Informationen, um vorab zu wissen, welches die perfekte Position ist. Die Plättchen kommen in zufälliger Reihenfolge ins Spiel, die Mitspieler schnappen mir welche weg, für manche fehlt mir das Geld und an anderen muss ich schweren Herzens vorbeilaufen, um die nächste Wertungsscheibe zu ergattern.
Auf Basis eines unkomplizierten Sammel- und Legeprinzips ballert HEAVEN & ALE die Spieler mit Dilemmata, Zwängen und Nöten nur so zu. Und das ist: geiler Scheiß!
Die erste Partie brauchte ich, um zu verstehen, was das Spiel eigentlich von mir will. Ab Partie zwei aber war ich vom ersten bis zum letzten Zug voll unter Strom: Was liegt aus? Von welcher Plättchensorte kann ich erst mal ein bisschen was ansammeln? Wie lange reicht mein Geld? Wie schnell ziehen die anderen vorwärts? Kann ich noch ein Plättchen neben den Mönch legen und erst dann werten oder ist die Wertungsscheibe dann weg?

Was taugt es? HEAVEN & ALE enthält nichts Überflüssiges, es kommt genau auf den Punkt. Seit ich das Spiel besitze, habe ich es bei jeder Gelegenheit spielen wollen, habe es jeder Spielerunde aufgeschwatzt. Wie selten ein Spiel weckt HEAVEN & ALE meinen Ehrgeiz, mich verbessern zu wollen. Ich will das optimale Ergebnis schaffen – wissend, dass ich es nie erreichen werde.
Von meinen Mitspielern wird HEAVEN & ALE nicht ganz so sehr abgefeiert. Das Manko des Spiel ist sein vollkommen aufgesetztes Thema. Oft entsteht ja der allerletzte, entscheidende Kick durch die Geschichte, die das Spiel miterleben lässt. HEAVEN & ALE lässt nur eine Mechanik miterleben.


****** außerordentlich

HEAVEN & ALE von Michael Kiesling und Andreas Schmidt für zwei bis vier Spieler, eggertspiele.

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Vor 20 Jahren (54): Doppelkopf

Wer bisher geglaubt hat, dass ich diese ganzen alten Geschichten nur erfinde (auf den „Scheißtrick“ bei ACQUIRE reinfallen und trotzdem Rezensent werden – das passt doch nicht zusammen!?), kriegt nun eine harte Nuss serviert. Denn das (dezent anonymisierte) Foto rechts beweist ganz eindeutig, dass … ja, was eigentlich? … ich mir beim Erfinden zumindest sehr viel Mühe gebe.

Heute eine Geschichte, die vor exakt 20 Jahren spielte und deshalb genau heute erzählt werden muss. Ein Freund und Mitspieler initiierte ein jährliches Doppelkopfturnier. Mit ziemlichem Aufwand. Denn einfach nur zu sagen: „Hey, Leute, kommt mal zum DOPPELKOPF vorbei“, widersprach seinem Naturell. Das Turnier musste zelebriert werden. Mit Buffet. Mit Urkunden. Mit Preisen. Und mit Background.

Besagter Freund hatte DOPPELKOPF in Kindheitstagen von seinem Opa erlernt. Zu Ehren dieses (damals schon verstorbenen) Großvaters wurde das Turnier nach ihm benannt und nach seinen Regeln gespielt. Und weil es aus dieser Tradition heraus ein Turnier nicht nur für Freunde, sondern eben auch für Familie sein sollte, kam es zu einem Zusammenprall der Kulturen. Onkel vom Land trafen auf Durchhänger aus der Stadt.

Das Turnier fand zehn Jahre lang statt, immer in der Vorweihnachtszeit. Weil der Gastgeber beruflich mit Medienerstellung zu tun hat, wurden Einladungen und Urkunden von Jahr zu Jahr ausgefeilter. Allerdings sind Mediengestaltende gerade in der Vorweihnachtszeit sehr eingespannt, erst recht, wenn sie außerhalb ihrer Arbeitszeit eine Familie gründen. Und weil auch andere Teilnehmer Familien gründeten, älter, gesetzter, lethargischer wurden und es von Jahr zu Jahr unmöglicher fanden, einen Tag in der Vorweihnachtszeit für etwas Schönes zu reservieren, war es 2006 dann vorbei.

Vielleicht hat es nach all den Jahren auch gereicht. Ich bin im Laufe der Zeit ohnehin DOPPELKOPF-Skeptiker geworden. Mit dem Spiel muss etwas faul sein! Denn ginge es mit rechten Dingen zu, dann ...

1. würden doch Freaks, die fast täglich Spiele spielen, auch gut DOPPELKOPF spielen. (War aber leider nicht so.)
2. würden doch Onkel vom Land, die fast nie Spiele spielen, nicht ausgerechnet gut DOPPELKOPF spielen. (War aber leider doch so.)
3. würden doch Teilnehmer, die das Turnier überhaupt nicht ernst nehmen, sondern rauchen, Bier trinken, quatschen und am Ende nicht mal wissen, wer eigentlich die Kreuzdamen hatte, mit Ach und Krach untergehen. (War aber leider nicht so. Empörend!)
4. hätte doch niemals ich zweimal dieses Turnier gewinnen können. (War aber doch so und nicht mal Parawissenschaftler haben bislang eine Erklärung dafür gefunden.)


P.S. Wer wissen will, wie DOPPELKOPF-Spieler in den 90ern aussahen: Ich sah so aus. Das Foto stammt von genau diesem Tag vor 20 Jahren.





Freitag, 15. Dezember 2017

Dice Forge

Wer der Meinung ist, dass man Spiele nicht mit Noten bewerten sollte, findet in DICE FORGE ein Paradebeispiel. Das Spiel vereint höchst Gelungenes und höchst Misslungenes, viel Originalität und verlegerischen Mut, aber auch redaktionelle Fehler, bei denen man wunderbar diskutieren kann, wie sehr sie nun den Spielreiz beeinträchtigen oder auch nicht. Dies alles in eine Note zu pressen, ist unmöglich, aber vielleicht auch gar nicht erforderlich, da Rezensionen dankenswerterweise die Möglichkeit bieten, mehr über ein Spiel auszusagen, als ihm nur eine Note zu verpassen.


Wie geht DICE FORGE? Jeder hat zwei Würfel und baut sie im Laufe des Spiels um. Die Würfelseiten lassen sich ab- und andere Seiten lassen sich anmontieren. Der Sinn dieses Umbaus sind die zu erwartenden besseren Würfelergebnisse.
Am Ende geht es um Punkte. Auf dem Weg dorthin sind drei andere Ressourcen wichtig: Gold, Sonnensplitter, Mondsplitter. Man erhält sie, wenn man sie würfelt. Und um mehr zu erhalten, installiert man Würfelseiten, die in einem Wurf zwei, drei oder noch mehr dieser Dinge bringen. Allerdings darf man nur eine begrenzte Menge Ressourcen lagern. Überbestände verfallen.
In jedem Spielerzug würfeln alle Spieler. Nur der Spieler am Zug darf anschließend etwas kaufen: Entweder für Gold neue Würfelseiten. Oder für Splitter eine „Heldentat-Karte“. Karten bringen Sofort- oder Dauereffekte, unter anderem auch besondere Würfelseiten, die man nur auf diese Weise erwerben kann. Außerdem zählen die Karten Punkte. Weitere Punkte gewinnt man, sobald man die Punkteseiten seiner Würfel würfelt.


Was passiert? Eine grundsätzliche Herausforderung ist die Vorsorge, dass erwürfelte Ressourcen nicht verfallen. Als Anfänger setzt man gerne auf Gold und erlebt schon nach wenigen Runden, wie der Gold-Besitzmarker ans Ende seiner Skala klatscht und stehen bliebt. Um das zu verhindern, gibt man das Gold mit vollen Händen aus – und hat daraufhin noch bessere Würfelseiten, die womöglich noch mehr Gold ausschütten.
Besser wäre es, rechtzeitig in Karten zu investieren, die das Lager vergrößern oder erlauben, überschüssiges Gold in Siegpunkte umzuwandeln. Allerdings: Kaufe ich eine Karte, darf ich (normalerweise) keine Würfelseiten kaufen. Das heißt, ich gebe in diesem Zug kein Gold aus, was dazu führen kann, dass Gold verfällt. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden.
Oder man spielt gar nicht erst auf brutale Goldvermehrung. Ziele ich auf Karten ab, die besondere Würfelseiten bringen, sollte ich meine Würfel im Vorfeld so konstruieren, dass die erworbene Spezialseite den optimalen Nutzen erwirtschaftet. (Beispielsweise gibt es eine Würfelseite, die das Ergebnis des anderen Würfels verdreifacht. Logischerweise sollten sich meine besten Würfelseiten nicht auf demselben Würfel befinden wie die „x3“.)
Die Stärke mancher Karten offenbart sich nicht auf den ersten Blick. Ohne hier alles aufzählen zu wollen, lassen sich von Partie zu Partie etliche Karten- und Würfel-Kombinationen, Misch- und Extremstrategien ausprobieren und entdecken. Wobei das Wort „Strategie“ vielleicht etwas hochgegriffen ist: Kein Plan funktioniert ohne Würfelerfolg. Ich kann noch so gezielt die tollsten Seiten anmontieren: Wenn ich sie nicht auch würfle, habe ich nichts davon.
So weit, so nett ... ABER: Anleitung und Material erschweren den Einstieg erheblich. Ich habe erlebt, wie sogar recht erfahrene Spieler daran gescheitert sind, DICE FORGE zu Spielbeginn regelkonform aufzubauen (die Startwürfel korrekt zusammenzustecken und die richtigen Karten auszulegen). Und dass Spielwillige nicht losspielen können, ist das Schlechteste, was einem Spiel passieren kann.
In DICE FORGE geht Kunst über Funktionalität. Das Spielregel-Layout ist unpraktisch und unübersichtlich, Beispielgrafiken sind auf fast schon absurde Weise unverständlich. Die Materialgrafiken sind nicht klar genug, die Farben zu blass. Ob auf den Würfelseiten ein „+“ oder ein „?“ abgebildet ist, macht einen großen Unterschied, ist aus der Entfernung, wenn die Teile noch im Markt liegen, aber kaum zu erkennen.


Was taugt es? Hat man die Anfangsschwierigkeiten überwunden, bleibt ein gutes und vor allem innovatives Spiel. Dass man Würfel umbauen kann, hatten zwar schon die Legospiele gezeigt. Doch wurde die grandiose Idee dort verschenkt.
Ich habe Lust, DICE FORGE weiterzuspielen und mit den Möglichkeiten zu experimentieren, vor allem mit Leuten, die das Spiel schon kennen, weil es dann richtig schön schnell geht.
Wegen der eklatanten Schwächen von DICE FORGE hoffe ich allerdings, dass irgendwann ein verbessertes Spiel derselben Art erscheint, um DICE FORGE zu ersetzen. DICE FORGE stufe ich vor allem deshalb als „reizvoll“ ein, weil es derzeit nichts anderes dieser Art gibt.


***** reizvoll

DICE FORGE von Régis Bonnessée für zwei bis vier Spieler, Libellud.

Freitag, 8. Dezember 2017

Oh Captain!

Ich mag Visionen. Deshalb gefällt mir die Idee, eine ganze Spielefamilie rund um die „sagenumwobene Welt von Luma“ aufzubauen: die „Legends of Luma“.
Was ich allerdings weniger mag, sind uneingelöste Versprechen. Zwar verfügt man in Luma über die Gabe, Spiele wunderschön zu gestalten. Ansonsten ist das bislang einzig Coole der Schriftzug: Auch verkehrt herum liest sich „Luma“ „Luma“. Das ist tricky, und Menschen, die Kopfstand machen, werden endlich nicht mehr ausgegrenzt.

Wie geht OH CAPTAIN? Wir wollen das meiste Geld: a) in bar, b) auf Karten abgebildet, c) als Schlussbonus, weil wir von einer Kartensorte (Pistole, Echse, Enterhaken) die meisten besitzen. Für den Besitz von Nukha-Eiern müssen wir blechen, also wollen wir solche Karten logischerweise nicht.

Wer an der Reihe ist, zieht die oberste Karte vom Stapel, sagt, worum es sich (angeblich) handelt und bietet sie verdeckt dem Kapitän an. Der Kapitän kann die Karte im guten Glauben kaufen. Dann wird aufgedeckt. Ist es der behauptete Gegenstand, darf der Kapitän sofort dessen Angriffs-Effekt nutzen. Mit beispielsweise dem Enterhaken darf er einem anderen Spieler eine Karte wegnehmen.
Kauft der Kapitän nicht, nutzt der Anbieter den Angriffs-Effekt und bestimmt sein Opfer. Das Opfer kann den Angriff über sich ergehen lassen. Oder es zweifelt die Karte an. Auch in dem Fall wird aufgedeckt. Ist es tatsächlich der Gegenstand, wird der Angriff ausgeführt und das Opfer muss noch eine Münze extra zahlen. War es gelogen, zahlt der Spieler am Zug, und der Angriff entfällt.
Drei Dinge noch: Wer dummerweise ein Ei gezogen hat, muss lügen und etwas anderes behaupten. Das Kapitänsamt wechselt nach bestimmten Regeln. Das Spiel endet nach etwa 25 Ansagen.


Was passiert? Die Spieler sind verwirrt. Und das ist schlecht. Damit ein Bluffspiel gut funktioniert, muss allen klar sein, warum man blufft und was die Konsequenzen sind. Hier jedoch sind die Abläufe so unintuitiv, dass man sich immer wieder am Ablaufplan entlanghangeln muss: Häh, was war jetzt noch mal, wenn der Kapitän gekauft hat und belogen wurde? Wann muss ich meine Karte aufdecken? Was passiert bei der Echse? Und so weiter.
Ich will nicht behaupten, OH CAPTAIN sei generell unverständlich. Aber der Zeitpunkt des Verstehens kommt für ein Spiel dieser Art sehr spät. Und selbst wenn man es endlich verstanden hat, entsteht kein Flow, der einen zu weiteren Partien hinreißt. Man vollzieht die Abläufe jetzt korrekt, trotzdem fühlt es sich nicht richtig an, nicht rund, nicht organisch. Sondern wie eine ziemlich gewollte Konstruktion, die sich übrigens auch kein bisschen aus der immerhin sechs Seiten langen Spielgeschichte herleitet.
Obendrein fehlt OH CAPTAIN ein merklicher Spannungsbogen. Einerseits weil Spieler schnell abgeschlagen sein können, andererseits weil es kaum Anhaltspunkte gibt, ob jemand lügt oder nicht. Und das wiederum hängt mit den verqueren Abläufen zusammen. Die Motivlage ist in OH CAPTAIN zu verworren, um abzuleiten, in welcher Lage sich jemand gerade befindet und was daraus folgen könnte. Ich kann den Bluff meines Mitspielers nicht einschätzen, es fühlt sich wie Raten an.

Was taugt es? Ich könnte nun schreiben, dass man solche Spiele eben mögen muss. Doch entspräche das nicht meiner Wahrnehmung. Ich mag Bluffspiele. Meine Mitspieler mögen Bluffspiele. Die passende Runde konnte ich dennoch nicht finden. Ich denke, man muss OH CAPTAIN nicht mögen.


** misslungen

OH CAPTAIN! von Florian Sirieix für drei bis sechs Spieler, Ludonaute.

Montag, 4. Dezember 2017

Vor 20 Jahren (53): Caesar & Cleopatra

Es war einmal ein Spiel. DAS Spiel. Es hieß DIE SIEDLER VON CATAN, und die Leute konnten nicht genug davon bekommen. Deswegen ging es bald auch zu fünft und zu sechst, obwohl es eigentlich nur zu viert ging. Und aus demselben Grund ging es bald auch zu zweit, obwohl es eigentlich eben nicht zu zweit ging.

Als SIEDLER-Ersatz für zwei Spieler erschien 1996 DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL. Und bei Kosmos erkannten sie: Zwei ist eine gute Zahl. Es gibt nämlich sehr viele Menschen, die exakt zu zweit sind. Und die zu zweit spielen. Warum also diese Zielgruppe nicht regelmäßiger bedienen? Nicht nur mit SIEDLER-Produkten, auch mit anderen Zweierspielen. Sie durften allerdings nicht so staubtrocken und wissenschaftlich daherkommen wie Schach.

Kosmos machte eine ganze Serie aus den „Spielen für Zwei“ und hatte über viele Jahre ein glückliches Händchen bei der Auswahl. Bis andere Verlage die Idee kopierten, mehr Spiele neu erschienen, als gleichzeitig gute Spiele neu erfunden wurden, und auch Kosmos nicht mehr ein ganz so glückliches Händchen hatte. Aber das ist Zukunftsmusik. Wir sind im Jahr 1997. Zur SPIEL in Essen erschien CAESAR & CLEOPATRA, das ich sogar noch lieber mochte als das SIEDLER-Kartenspiel, weil es weniger Kartenkenntnis erforderte und sich unbeschwerter runterzocken ließ.

1997 war ich von Göttingen nach Hannover zurückgezogen und gleich am ersten Wochenende wurde ich auf einer WG-Party für eine Spielerunde akquiriert: von einer Freundin, mit der ich schon früher in Hannover gespielt hatte und die jetzt, nach ihrer Schwangerschaft, wieder voll ins Spielen einsteigen wollte. Lediglich ihre Mitbewohner, die wir der Einfachheit halber schon mal als künftige Spielerunde einkalkuliert hatten, wollten das nicht so richtig. Oder nur spontan. Oder nur an bestimmten Wochentagen, wenn nichts anderes los war. Oder jedenfalls nicht, wenn die Alternative bestand, irgendwo zu einer Party zu gehen oder in der Kneipe Bier zu trinken.

Kurzum: Zum Zeitpunkt der Verabredung waren wir noch zu viert. Drei Tage vorher sagte einer ab und wir waren zu dritt. Und am Tag des Spieleabends fiel kurzfristig einem weiteren ein, dass er nicht mitmachen konnte, und wir waren: zu zweit. Ohne Kosmos hätten wir jetzt Schach spielen müssen. So aber spielten wir CAESAR & CLEOPATRA, CAESAR & CLEOPATRA, CAESAR & CLEOPATRA.

Meistens gewann übrigens Cäsar. Er war einfach ein überlegener Stratege. Tja, und an dieser Stelle werde ich oft gefragt: „Warst du damals Cäsar? Oder warst du Kleopatra?“ – „Yeah“, antworte ich dann. Denn „yeah“ klingt cool. Supercool.

P.S. Mein fataler Hang, Spiele zu verleihen und nicht zeitnah zurückzufordern, verhindert, dass ich mein CAESAR & CLEOPATRA fotografieren kann. Anders als bei LIGRETTO weiß ich aber wenigstens noch, wo es ist. Oder … äh, hoffentlich ist.