Montag, 31. Dezember 2018

Gern gespielt im Dezember 2018

NEWTON: Für ’nen Appel und ’ne Bücherei.


MAGNASTORM: Typisch. Welcher Verlag schickt uns zu einem lauschigen Planeten namens Magnastorm? Feuerland.


FUJI: Typisch. Welcher Verlag hält einen Vulkanspaziergang für eine famose Idee? Feuerland.



WETTLAUF NACH EL DORADO – HELDEN & DÄMONEN: Die ersehnte Erweiterung! Oder: Die Dämonen, die ich rief.


MOUNTAINS: Uuuuu, with a little help from my friends.


7 WONDERS – ARMADA: Die Schiffe haben schon vor der Partie eine Seereise hinter sich: „Figuren hergestellt in China“.*






* Bei dieser Gelegenheit mein Wunsch für 2019: Mehr Umweltbewusstsein bei der Produktion von Spielen!

Donnerstag, 27. Dezember 2018

City of Rome

Zu Weihnachten hatte ich mir ein Zehnerpack Einleitungen gewünscht ...

aber leider nicht bekommen.


Wie geht CITY OF ROME? Weil Wege nun mal Wege sind, führen sie uns Baumeister – unvermeidlich – nach Rom. Du baust dein Rom, ich baue mein Rom. Mein Rom soll mehr Punkte zählen als deins.
Jedes Rom entsteht als Raster aus vier mal vier Karten. Kriterien? Wohngebiete sollten möglichst groß sein und an viele verschiedene öffentliche Gebäude grenzen. Bei Aquädukten zählt die schiere Masse, allerdings zerstückeln ihre Platzierungsvorschriften oft ungewollt die Wohngebiete. Tempel punkten individuell. Einer beispielsweise nur dann, wenn man vier Produktionsgebäude hat, ein anderer zählt Punkte für einen bestimmten Wohnhaus-Typ.
Ein Spielzug besteht darin, eins der Gebäude aus der Auslage zu wählen, dann eventuell eins zu bauen (muss nicht das gewählte sein, denn man hat von Spielbeginn an ein weiteres Gebäude auf der Hand) und eventuell die Produktionsgebäude produzieren zu lassen.
Wann ich an die Reihe komme, entscheide ich selbst, indem ich meine Figur weiter vorne oder hinten auf dem „Aktionsstreifen“ platziere. Vorne bedeutet: Ich habe freie Auswahl unter den Gebäuden. Allerdings schenkt mir die Bank jetzt kaum Aktionspunkte, was bedeutet, dass ich entweder nur ein billiges Gebäude bauen kann und vielleicht nicht produziere. Oder ich muss viel Geld dazubezahlen. Stehe ich dagegen hinten, kriege ich nur, was übrig bleibt, kann aber kostenlos ein beliebiges meiner Gebäude bauen und produziere garantiert.


Was passiert? Obwohl gar nicht so sehr viele verschiedene Gebäude im Spiel sind, macht die Zufälligkeit, zu welchem Zeitpunkt sie auftauchen, CITY OF ROME variabel. Frühe Produktionsgebäude schwemmen Ressourcen (hauptsächlich Geld) ins Spiel. Späte öffentliche Gebäude lassen jene Spieler zittern, die auf wertvolle Wohngebiete spekulieren.
Das Schicksal spielt auch eine Rolle. Es ist ärgerlich, wenn zwei gut passende Gebäude in derselben Runde ins Spiel kommen, so dass man höchstens eins davon bekommt. Oder wenn man beim Auftauchen des lange ersehnten Gebäudes erst als Letzter seinen Platz auf dem Aktionsstreifen wählen darf. Der vorderste Platz dürfte jetzt vergeben sein; eventuell bekommt man sein Wunschgebäude nicht.
Je häufiger ich CITY OF ROME gespielt habe, desto besser ist es mir aber gelungen, abzuschätzen, auf welche Gebäude die anderen abzielen. Oft muss man sich gar nicht sicherheitshalber an die erste Position stellen. Jedenfalls solange man nicht gerade dieselbe Strategie spielt wie ein anderer. Ebenfalls gelingt es mit Erfahrung besser, einen guten Bau-Rhythmus einzuhalten: Auf dem Aktionsstreifen vorne stehend, wähle ich ein teures Supergebäude, baue aber ein billiges von meiner Hand. Das teure baue ich, wenn ich mal weit hinten stehe und viele Aktionspunkte zur Verfügung habe.


Was taugt es? Es steckt eine ganze Menge in CITY OF ROME. Das Platzieren der Karten erfordert Planung und manchmal auch ein bisschen Spekulation. Wohngebiete möchte ich möglichst groß bauen, also sollte ich mir viele Optionen dafür offenhalten. Öffentliche Gebäude möchte ich möglichst zwischen mehreren Wohnsiedlungen platzieren, gleichzeitig möchte ich sie tendenziell spät bauen, weil ihr Soforteffekt größer ist, wenn sie mehr Nachbargebäude haben. All das lässt sich nicht immer unter einen Hut bringen, zumal ich jede Runde nur ein Gebäude bauen darf und somit niemals mit dem Bauen aussetzen sollte.
Einige Gebäude schütten die Währung „Einfluss“ aus. Viermal im Spiel gewinnt der mit dem meisten Einfluss Punkte, muss aber seinen gesamten Einfluss dafür bezahlen – was eine weitere taktische Ebene ins Spiel bringt: Weder wäre es gut, einem Spieler die Wertungen zu billig zu überlassen, noch Einfluss zu sammeln und am Ende darauf sitzen zu bleiben. Und so wählt und baut man abweichend vom großen Städtebauplan manche Gebäude einfach nur, weil sie Einfluss bringen.
CITY OF ROME ist ein kleines, feines Spiel. Alles hängt sinnvoll zusammen, kein Element ist überflüssig. Dass ich es nicht als großes, feines Spiel ansehe, liegt erstens und vor allem an der Optik. Technisch und kühl – CITY OF ROME sieht nach Planungsamt aus und nicht nach Rom.
Mit Ausnahme der Grafik hat der Verlag nach meinem Empfinden das Beste aus der Spielidee herausgeholt. Und die Idee ist auch gut – aber nicht sehr gut. Damit ein Spiel langfristig attraktiv bleibt, muss es auch beim zehnten Mal noch dieselbe Herausforderung oder Neugierde oder Emotion erzeugen wie am Anfang. Oft ist es nur ein kleiner Dreh, der aus einem soliden ein besonderes Spiel mit außergewöhnlichem Wiederspielreiz macht. Diesen Dreh zu kreieren oder zu finden, ist die ganz große Erfinderkunst. In CITY OF ROME entdecke ich viel gutes Handwerk, allerdings ohne den speziellen Kick.


**** solide

CITY OF ROME von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert für zwei bis vier Spieler, Abacusspiele.

Mittwoch, 19. Dezember 2018

Roll for Adventure

Dass Spiele selbstverständlich Kulturgüter sind, erkennt man auch daran, dass sich aus Spielen immer wieder Erkenntnisse für die Realität ableiten lassen. In diesem Fall: Das Böse stirbt nie! Obwohl man glaubt, sämtliche Monster eliminiert zu haben, sind im nächsten Spiel alle wieder da.

Wie geht ROLL FOR ADVENTURE? Wir Helden gegen die Monster. Wer am Zug ist, wirft alle Würfel, die er gerade besitzt, und platziert anschließend einen oder mehrere mit derselben Augenzahl auf einem Gebiet. Die übrigen Würfel werden erneut geworfen und eingesetzt und immer so weiter, bis man entweder keine Würfel mehr hat oder Würfel auf dem „Strudel der Erinnerung“ setzt.
In drei Gebieten lassen sich Edelsteine gewinnen. Was gut ist, denn eine vor Partiebeginn festgelegte Anzahl Edelsteine zu erwerben, ist das Ziel. Welche Augenzahlen eingesetzt werden dürfen und wie viele Würfel nötig sind, ist in jedem Gebiet ein bisschen anders geregelt.
Und natürlich gibt es auch in der schönen Würfelwelt das Böse. Nach jedem Spielerzug kommt eine Monsterkarte ins Spiel. Das Monster fügt entweder einem der Gebiete Schaden zu, und sobald ein Gebiet zerstört ist, haben die Spieler verloren. Oder es schubst einen oder mehrere Spielerwürfel in den „Strudel des Vergessens“, woraus sie erst wieder befreit werden, sobald sich im Strudel der Erinnerung eine Augensumme von mindestens zehn angesammelt hat.


Was passiert? Erst bei Abschluss einer Edelstein-Mission gibt es die Würfel zurück, was bedeutet, dass die Spieler zwischenzeitlich weniger Würfel zur Verfügung haben und nutzen dürfen. Und das wiederum bedeutet, dass man sich besser auf wenige Projekte fokussiert, um diese auch rasch zu beenden.
Würfel können auch eingesetzt werden, um Monster zu eliminieren – was dringend geboten ist, da bereits vorhandene Monster durch neu auftauchende abermals aktiviert werden können. Und beachten sollte man schließlich, dass sich nicht zu viele Würfel im bösen Strudel ansammeln. Falls die Gruppe den Würfelrücklauf nicht organisiert oder wegen Würfelpech nicht hinkriegt, kann eine Partie ganz plötzlich in eine unaufhaltsame Niederlage abrutschen.
Da sitzen wir also und würfeln und beraten uns gegenseitig: „Nein, setz’ lieber da!“, „Ich bin dafür, dass …“, „Achtung, wir müssen …!“ Wir hoffen auf einen passenden Wurf, damit ein Edelstein erobert wird und fünf blockierte Würfel zurückkommen. Und wir hoffen, dass das unbesiegbare Obermonster, das nach jedem Auftauchen in den Stapel zurückgemischt wird, nicht zu häufig kommt und nicht ausgerechnet dasjenige Gebiet angreift, das ohnehin schon kurz vor dem Exitus steht. ROLL FOR ADVENTURE baut Spannung und ein gutes Gruppengefühl auf.


Was taugt es? Mir gefällt einiges an ROLL FOR ADVENTURE. Das beginnt mit der guten Idee, ein Würfeleinsetzspiel kooperativ zu gestalten. Auch Thema und Gestaltung passen. Und dass es auch aufs Würfel-Management ankommt und nicht bloß darauf, bestimmte Zahlen zu erzielen, gibt dem Spiel etwas Tiefe.
ROLL FOR ADVENTURE hat zudem viele Variationsmöglichkeiten: Drei zusätzliche Monster-Sorten könnten ins Spiel kommen, zu jedem der vier Orte existiert noch eine Alternative, es gibt zehn Helden-Charaktere mit Spezialeigenschaften. Dass nicht alle gleichermaßen stark sind, ist für mich kein Manko. Als Würfelspiel hat ROLL FOR ADVENTURE sowieso mit Glück zu tun. Ob mir mein Held gefällt, ist dann eben ein weiterer Faktor.
Was mich hindert, ROLL FOR ADVENTURE so richtig abzufeiern, ist meine Beobachtung, dass ich bei aller Variation doch immer denselben Stiefel runterspiele. Klar, in Details ist es jedes Mal etwas anders (andere Heldeneigenschaften, andere Gebietseigenschaften). Doch keine Variante erfordert, die generelle Marschroute zu verändern. Erfahrene Spieler werden in ROLL FOR ADVENTURE recht bald nichts Neues mehr entdecken und die Partien planvoll abarbeiten. Reizvolle Abwägungen gibt es dann nur noch, wenn es nicht so läuft, und man Risiken einschätzen oder Prioritäten festlegen muss.
Bei einer Partie mit genügend hohem Schwierigkeitsgrad wäre ich trotzdem wieder dabei. Einfach nur, um mich bei lockerem Gewürfel der Spannung und dem Schicksal hinzugeben: Packen wir das noch oder packen wir es nicht mehr? Und weil der Kampf gegen das Böse – siehe oben – ja sowieso niemals endet.


**** solide

ROLL FOR ADVENTURE von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert für zwei bis vier Spieler, Kosmos.

Dienstag, 11. Dezember 2018

Crown of Emara

Dass Spiele selbstverständlich Kulturgüter sind, erkennt man auch daran, dass sie immer wieder unsere Lebenswirklichkeit reflektieren und reale Probleme aufgreifen. Wie zum Beispiel die Unterbringung von Zuwanderern im … ähm, Königreich Emara.

Wie geht CROWN OF EMARA? Wir wollen möglichst vielen Neubürgern Wohnraum schaffen, was bedeutet, dass wir a) viele Menschen anlocken und b) viele Häuser bauen wollen. Übersetzt auf Spielerdeutsch: In CROWN OF EMARA gibt es Einwohner-Punkte und Häuser-Punkte, und am Ende zählt für jeden Spieler der schlechtere seiner beiden Werte.
Um die entsprechenden Punkte zu sammeln, existieren mehrere Möglichkeiten. Einwohner gewinne ich beispielsweise über den Erwerb von Adelstiteln, für die ich Münzen und Siegelringe bezahlen muss. Oder durch die Abgabe von Brot, das ich zuvor mit Getreide backe. Oder ... oder ... Kurz gesagt: Ich holte mir Rohstoffe, teilweise muss ich sie später noch veredeln, anschließend tausche ich sie gegen die eine oder andere Sorte Punkte ein.
Je vier Orte sind CROWN OF EMARA kreisförmig auf zwei Spielplänen angeordnet. Auf jedem dieser Rondelle läuft eine meiner Figuren. Ein Durchgang umfasst drei Spielzüge. Dafür stehen mir drei meiner neun Aktionskarten und drei Bewegungsaktionen (einmal ein Schritt, einmal zwei Schritte, einmal drei Schritte) zur Verfügung. Pro Spielzug kombiniere ich eine Aktionskarte mit einer Schrittweite und führe die am Zielort möglichen Handlungen aus.


Was passiert? Weil viele Aktionen an den Standort einer meiner beiden Figuren geknüpft sind, bedeutet Optimieren in CROWN OF EMERA vor allem Orts-Management. Am Ort „Baustelle“ kann ich Punkte für Stein, für Holz und für Brot kaufen. Im Bestfall reise ich mit sämtlichen geforderten Rohstoffen an und nutze alle Möglichkeiten zugleich.
Manche Errungenschaften bringen mehr Punkte, wenn man sie früher erreicht als die Konkurrenz. Das ist ein Grund, um nicht denselben Weg einzuschlagen, den schon mehrere andere gehen. Ansonsten spielt man eher nebeneinander her. Aktionen können nicht blockiert werden, jeder bleibt stets handlungsfähig, CROWN OF EMARA ist gut planbar. Als ernsthaften Härtefall habe ich lediglich mal erlebt, dass einem im allerletzten Zug die dringend ersehnte „Beraterkarte“ (kauft man für vorgegebene Rohstoffkombination, bringt Sofort- oder Dauereffekt) weggeschnappt wurde.
Entsprechend der eingeschlagenen Strategie wird man bestimmte Orte häufiger besuchen wollen als andere. Weil man aber nicht vier Schritte gehen kann, sondern maximal drei, gibt es unvermeidlich auch immer wieder Zwischenstationen und Züge mit Kompromiss-Charakter. Sich zwischen mehreren verlockenden Optionen zu entscheiden und eine gute Zugfolge auszutüfteln, macht den Reiz von CROWN OF EMARA aus.


Was taugt es? CROWN OF EMARA ist sehr gut ausgestattet, Anleitung und Grafik sind wunderbar klar, alles wirkt sehr sorgfältig gemacht. Die Aktionsmöglichkeiten sind gut aufeinander abgestimmt und gut balanciert. Man kann mal dies oder mal jenes ausprobieren und sich auf die Stabilität des Designs voll verlassen. Wer gut tüftelt und optimiert, wird sich trotz kleiner Zufallsfaktoren Vorteile erarbeiten.
Die Kehrseite dieser Sicherheit ist die geringe Originalität. Unbestritten: Im Detail sind die Elemente durchaus anders als in anderen Spielen. Doch kreiert dies kein anderes Spielgefühl. CROWN OF EMARA ist offensichtlich mechanisch und ganz konservativ ein weiteres Spiel, bei dem man Dinge gegen Dinge und am Ende gegen Punkte tauscht. Alle Partien fühlen sich ähnlich an, auch wenn man nicht denselben Punkte-Weg beschreitet.
Weil ich CROWN OF EMARA als x-te Variante eines inzwischen ziemlich ausgelatschten Spielepfades empfinde, beeindruckt oder reizt es mich trotz handwerklicher Gekonntheit nicht. Wenn ich die Wahl habe, spiele ich lieber ein anderes Kennerspiel. Irgendeins, bei dem ich mehr zu entdecken hoffe.


*** mäßig

CROWN OF EMARA von Benjamin Schwer für einen bis vier Spieler, Pegasus.

Freitag, 7. Dezember 2018

Vor 20 Jahren (72): Kahuna

Dezember 2018. Ich stelle mit dem üblichen Bedauern fest, dass ich auch in diesem Jahr mal wieder Etliches leider nicht erledigt habe, das noch unerledigt aus dem Vorjahr liegengeblieben war. Aber mindestens eine Ausnahme fällt mir dann doch ein. Sehr wichtig: Diese Rubrik ist bei 72 Teilen angekommen. Juhu!

Hintergrund: Nachdem ich „Vor 20 Jahren“ 2015 und 2016 dreizehnmal habe ausfallen lassen, ist eine Situation entstanden, die ich als Zahlen-Nerd sehr schlecht ertragen kann: Ich finde nämlich, dass die Folgen-Gesamtzahl einer im Januar begonnenen monatlichen Rubrik bei Jahresende durch 12 teilbar sein sollte. Alles andere wirkt grässlich unaufgeräumt. Ende 2016 stand ich aber bei schrecklichen 35 (statt 48), Ende 2017 bei immer noch unschönen 54 (statt 60), Ende 2018 ist endlich wieder alles im Lot. 72 Monate – 72 Teile. So soll es sein.

Klappt allerdings nur mit Improvisation, denn nicht zu jedem Spiel erlebt man Dinge, die für die Öffentlichkeit interessant sind. Und nicht alles, was für die Öffentlichkeit interessant sein könnte, ist für die Öffentlichkeit gedacht.

Zu genau derselben Feststellung bin ich übrigens auch schon vor ungefähr 20 Jahren gelangt. Ich hatte mir damals als Masche überlegt, in Form kleiner Anekdoten möglichst oft auch meine Freunde in meinen Rezensionen vorkommen zu lassen. Meine KAHUNA-Rezension in der Fairplay leitete ich deshalb mit einer Geschichte über meinen Freund Karim ein, mit dem ich auch viel KAHUNA gespielt hatte.

Bei FREIBEUTER hatte ich meine verrückte ACQUIRE-Runde erwähnt, bei FIRESIDE FOOTBALL tatsächliche FIRESIDE FOOTBALL-Partien nacherzählt, bei URSUPPE die brachiale Methode eines Mitspielers beim Zusammenbau der Figuren beschrieben. Und so weiter. Aber es zeigte sich: Auf Dauer hatte ich nicht genug Geschichten. Oder nicht genug Freunde.

Ach ja, KAHUNA. Der Anstand verlangt, dass ich noch ein paar Worte über das Spiel verliere, um das es hier laut Überschrift angeblich geht. Kein Problem. KAHUNA ist von Günter Cornett, erschienen bei Kosmos, und ich habe es sehr lange nicht mehr gespielt.

  • Vor 20 Jahren (71): Samurai
  • Vor 20 Jahren (73): Ra

Montag, 3. Dezember 2018

Men at Work

Die untergehende Sonne auf dem Cover der SIEDLER VON CATAN dürfte zum Erfolg des Spiels einiges beigetragen haben. Man stelle sich stattdessen ein übliches Eurogame-Cover vor (so wie es für das Spiel ursprünglich auch vorgesehen war):



Tja, man kann es sich kaum vorstellen. Es wären nicht mehr DIE SIEDLER VON CATAN.
Hin und wieder gelingt es, Spiele perfekt in Szene zu setzen. Mit der Folge, dass die Spiele dann a) herausragend schön aussehen und vor allem b) beim Betrachter Bilder und Emotionen hervorrufen. Das Spiel berührt etwas in einem. Es macht neugieriger als andere Spiele. Schon auf den ersten Blick fühlt man sich in dem Spiel zu Hause, obwohl man es noch gar nicht kennt.
Und da bin ich bei MEN AT WORK. Egal, in welche Spielegruppe ich gehe: MEN AT WORK wird immer herausgegriffen. Das Cover ist ein Versprechen: Hier geht’s in die Höhe, hier wird’s wacklig, das könnte interessant sein. Bauarbeiter auf Stahlträgern. – Einigen kommt da sofort das berühmte Foto „Mittagspause auf einem Wolkenkratzer“ in den Sinn. Und beim Öffnen der Schachtel ist es endgültig geschehen: Diese niiiedlichen Arbeiterfiguren mit ihren gelben Helmen! Großartig!


Wie geht MEN AT WORK? Es geht tatsächlich in die Höhe und es wird tatsächlich wacklig. Eine Aufgabenkarte sagt dem Spieler am Zug, was zu tun ist: ein Arbeiter oder ein Stahlträger muss auf den Gemeinschaftsbau gesetzt werden. Mal muss der Arbeiter noch Ziegel oder Balken auf der Schulter tragen, mal muss der Stahlträger bestimmte Farben berühren oder der höchste sein.
Fallen Teile von der Baustelle herunter, muss der Verursacher ein Sicherheitszertifikat bezahlen. Wer keins mehr hat, scheidet aus. Es gewinnt, wer übrigbleibt. Oder es gewinnt, wer mehrmals „Mitarbeiter des Monats“ wurde. Diese Auszeichnung kriegt, wer ein Teil so platziert, dass es die höchste Position der Baustelle einnimmt.


Was passiert? Alles, was man von einem guten Geschicklichkeitsspiel erwarten kann: Man fühlt sich herausgefordert, sucht nach kreativen Lösungen, atmet auf, wenn es klappt, und jubiliert, wenn man dem nächsten ein nahezu einsturzreifes Konstrukt überlässt.
Viele Bauspiele enden, wenn der Turm einstürzt. MEN AT WORK nicht. Das hat Vorteile: 1. Das Spiel ist nicht gleich vorbei, wenn einer patzt. 2. Man kann Fehler wieder ausbügeln. 3. Es gibt einen eindeutigen Sieger.
Und es hat Nachteile: 1. Wer nach dem Unfall an die Reihe kommt, muss die Baustelle aufräumen. Was kein Problem ist, falls nur zwei oder drei Teile gefallen sind. Doch im fortgeschrittenen Spielstadium sind die Unfälle komplexer und der Aufräumer löst womöglich einen neuen Unfall aus. Und weil der Schuttberg wieder für den nächsten liegen bleibt, habe ich auf diese Weise mehrmals stimmungsraubende Kettenunfälle erlebt.
Im Sinne des Spielspaßes muss man da wohl kulant sein. Genauso wie in diversen anderen strittigen Situationen, die in Bauspielen nun mal auftreten können. Und genauso wie bei einigen Kartenanweisungen, die präziser sein könnten und verlangen, dass sich die Mitspieler vernünftig einigen.
Von mir aus Schwamm drüber. Aber da ist noch etwas: 2. Die Partien können sehr lange dauern. Während die beiden Geschicktesten im Finale den Sieger ausspielen, gucken die Ausgeschiedenen zu. Im besten Fall. Ich habe auch schon erlebt, dass sie vom Tisch aufstehen und Getränke holen oder im Spielestapel wühlen, was sie als nächstes spielen möchten.
Und sogar bei den noch Beteiligten flaut die Spannung ab, weil sie merken: Oh, oh, das geht aber gar nicht zu Ende hier, die anderen warten schon, und so wichtig ist es mit dem Gewinnen nun auch wieder nicht. Weil die zweite Siegbedingung selten greift, habe ich mich schon dabei ertappt, wie ich insgeheim hoffte, das Material gehe endlich aus und MEN AT WORK sei vorbei.

Was taugt es? MEN AT WORK ist ein äußerst sympathisches Spiel mit extrem hohem Aufforderungs-Charakter. Aber das Spiel kann bei seiner Aufmachung nicht ganz mithalten. Und insofern hinkt der Vergleich zu den SIEDLERN VON CATAN dann doch.


**** solide

MEN AT WORK von Rita Modl für zwei bis vier Spieler, Pretzel Games.

Freitag, 30. November 2018

Gern gespielt im November 2018

CITY OF ROME: Achtung, Trend! Gute Rom-Spiele müssen jetzt nicht mehr hübsch aussehen.


ROLL FOR ADVENTURE: Würfel sind seit eh und je die einzige Sprache, die Monster verstehen.


REEF: Die Schönheit der Ökosysteme – gepriesen mit einem Berg Plastik.


COIMBRA: Nur echt mit Münzbürgern und Schildbürgern.


JUST ONE: Bitte, bitte gib mir nur ein Wort.


KNAPP DANEBEN: Die Rettung für alle, die immer knapp daneben würfeln. Aber wer denkt an die, die auch knapp daneben knapp verfehlen?




Montag, 26. November 2018

Holding On

HOLDING ON wird zur Gruppe der „Serious Games“ gezählt. Und wenn man sich vor dem Spielen klarmacht, dass Unterhaltsamkeit definitionsgemäß nicht das Hauptanliegen von Serious Games ist, wird man nicht so sehr enttäuscht.

Wie geht HOLDING ON? Wir sind Pflegekräfte einer Palliativstation. Ein Patient namens Billy Kerr wurde eingeliefert. Wir sollen ihm seine letzten Tage so angenehm wie möglich machen. Das bedeutet in diesem Falle: Billy kennenlernen und ihn zum Erzählen bringen, dass er sich bestimmte Dinge von der Seele reden kann.
Das Spiel findet auf zwei Ebenen statt. Erstens: Arbeitsorganisation. Vom Stapel wird dreimal pro gespieltem Tag eine Karte aufgedeckt, die anzeigt, wie es um Billy steht. Wir müssen mehr oder weniger Personal und bei Notfällen Versorgungsmarker einsetzen.
HOLDING ON ist so angelegt, dass es immer wieder Tage geben wird, an denen das Personal Doppelschichten fahren muss. Das bedeutet Stress. Nach zu viel Stress fällt eine Figur aus und steht einen gesamten Tag nicht zur Verfügung.
Billys Zustand wird trotz temporärer Erholungen immer schlechter werden. Stirbt Billy, haben wir verloren. Trotzdem müssen wir mit unseren Markern gut haushalten, denn wir benötigen sie für die zweite Spielebene: das Erinnern.
Wenn Billy nicht gerade akut versorgt werden muss, dürfen wir Marker einsetzen, um zufällige Erinnerungskarten aus dem Stapel zu erhalten. Dies sind zunächst nur „vage Erinnerungen“. Der Text der Karte wird vorgelesen. Ein verschwommenes Bild deutet an, worum es gehen könnte. Für das Ziel eines Szenarios benötigen wir aber „klare Erinnerungen“, meistens sogar ganz bestimmte.
Um an sie heranzukommen, ziehen wir aus einem anderen Stapel. Auf diese Weise erhaltene Karten dürfen wir nur dann behalten, wenn wir bereits die zugehörige vage Erinnerung besitzen. Wir brauchen also erst mal einen Vorrat an vagen Erinnerungen, um mit gewisser Erfolgsaussicht klare Erinnerungen gewinnen zu können.
Die Kampagne läuft über zehn Szenarien, in denen die Anforderungen immer ein wenig variieren.


Was passiert? Zunächst passiert nicht sehr viel, weil die Anleitung es verhindert. Aufgrund einiger Ungereimtheiten der deutschen Version habe ich mir zusätzlich die englische heruntergeladen und siehe da: Dort steht es in Details anders.
Aber eine gute Anleitung ist auch die englische nicht. Das Regelheft krankt daran, dass über den kompletten Ablauf eines Krankenhaustages nur überblicksweise Auskunft gegeben wird und man sich die Einzelheiten an mehreren Stellen zusammensuchen muss. Manche Dinge werden überhaupt nicht erklärt und stattdessen auf die Symbolübersicht verwiesen, die wiederum nicht selbsterklärend ist.
Und lohnt sich die Mühe mit der Anleitung wenigstens? Ähm, äh ... Der Reiz, die Figuren einzusetzen, um die Arbeit klug zu organisieren, flacht schnell ab. Tag für Tag wiederholen sich dieselben Schemata. Eine echte Wahl haben wir selten. Wir müssen Billys Zustand nehmen, wie er kommt, und darauf reagieren. Man kann beim Personaleinsatz ein bisschen zocken, man kann sich auch verzocken, aber dadurch wird es nicht reizvoller. Letztendlich ist es sogar egal, wie man spielt. Geht das Szenario verloren, beginnt man es einfach wieder von vorn.
Die Erinnerungen wirken anfangs sehr interessant. Man liest die Texte aufmerksam und versucht, sich einen Reim auf die Bilder zu machen. Doch für das Spiel ist es unerheblich, was man hier entdeckt oder interpretiert. Vor dem nächsten Szenario werden alle Karten wieder eingemischt, so als hätte das Krankenhauspersonal komplett vergessen, was Billy ihm erzählt hat.
Billys Geschichte wird nur durch den Stapel der Szenariokarten weitererzählt. Und das eigentliche Spiel ist nur dazu da, dass wir uns durch einen Sieg die Qualifikation erwerben, zum nächsten Szenario überzugehen und dadurch im Szenariostapel voranzukommen. Alles, was kommen wird, steht unabhängig vom Spielverlauf fest. Unsere einzige Einwirkung besteht darin, ob wir fürs Abarbeiten dieses vorgegebenen Skriptes mehr oder weniger Partien benötigen.


Was taugt es? HOLDING ON fühlt sich sehr schnell repetitiv an. Gestaltung und Inhalte der Erinnerungskarten rücken in den Hintergrund, weil die Erinnerungen durch die Spielmechanik zum bloßen Mittel degradiert werden, um ins nächste Level aufzusteigen.
Wenn man wegen Kartenpech ein Szenario verliert, ist die Motivation gering, es noch einmal anzugehen und den gesamten Ablauf erneut zu durchlaufen. Es ist wie Nachsitzen: ein rein formaler Akt ohne Erkenntnis- oder Erfahrungsgewinn.
Wer bis zum Finale durchhält, wird mit einem interessanten Story-Twist belohnt. Ohnehin ist die erzählte Geschichte als solche respektabel, denn über den fiktiven Anteil hinaus erzählt sie reale Zeit- und Sozialgeschichte. Doch die Erzählmöglichkeiten eines Spiels reichen nun mal nicht an die eines Buches oder Filmes heran, und wenn dann noch die Spielmechanik langweilt, ist das ambitionierte und grafisch bemerkenswerte HOLDING ON am Ende gescheitert.


** misslungen

HOLDING ON von Michael Fox und Rory O’Connor für zwei bis vier Spieler, Hub Games.

Mittwoch, 21. November 2018

Vor 20 Jahren (71): Samurai

In FARBEN, einem aktuellen Spiel der Edition Spielwiese, geht es darum, Begriffe mittels persönlicher Geschichten mit Farben zu verbinden. Beispielsweise fällt mir zum Begriff „Entspannung“ sofort die Farbe Gelb ein, weil ich beim Spielen grundsätzlich Gelb nehme und mich das Spielen immer sehr entspannt. (Außer ich bekomme nicht Gelb, grrr!)

Angenommen nun, es gäbe zu FARBEN eine Geek-Edition, in der man Farben mit Spielen verknüpfen soll, wäre meine Wahl bei Schwarz: SAMURAI. Der Grund sind die wunderbaren, an leckeres Lakritz erinnernden Spielsteine aus schwarzem Plexiglas. „Verschluckbare Kleinteile in ihrer Vollendung“, jubelte der damalige Rezensent der Fairplay und – höhö! – das war ich. SAMURAI empfinde ich wegen seines Materials, seiner Illustrationen und des atmosphärischen Spielbretts noch heute als sehr schönes Spiel.


Deswegen ist es auch immer noch Bestandteil meiner Sammlung, obwohl ich es schon ewig nicht mehr gespielt habe und dies auch für die kommenden Jahrzehnte nicht anpeile. SAMURAI besitzt zwar einen interessanten Wertungskniff (es gibt drei Sorten Trophäen; wer nicht von mindestens einer Sorte die alleinige Mehrheit besitzt, scheidet aus; die übrigen beiden Sorten zählen), basiert aber auf einem Mechanismus, den ich nicht mag: Abstauberei.

Trophäen werden vergeben, sobald sie komplett von Plättchen umschlossen sind, und gehen an den Spieler mit den wertvollsten Plättchen. Weil es Plättchen mit Sonderfunktionen gibt, lassen sich viele scheinbare Mehrheiten noch knacken. Meistens entscheidet das letzte Plättchen, wer nun welche Trophäen bekommt. Somit ist es im Regelfall ungünstig, das vorletzte zu legen und dem Nachfolger die Entscheidung zu überlassen.

Das führt zu einer Spielweise, die man „subtil“ nennen kann, von mir aber als langweilig empfunden wird: Wenn ich am Zug bin, schaue ich, ob ich ohne viel Aufwand eine Trophäe einsacken kann. Kann ich nichts abstauben, mache ich irgendwas Unverfängliches, das möglichst keinem anderen eine Vorlage bietet.

Ich bin ein geduldiger Mensch und deshalb sogar recht begabt darin, Entscheidungen in Spielen auf derartige Weise obersubtil auszusitzen. Das ist nicht das Problem. Sondern und wie schon bei KOHLE, KIES & KNETE beschrieben: Es macht mir keinen Spaß, einfach nur zu warten, bis sich was ergibt.

Denn ich will ja in jedem meiner Spielzüge spielen, ich will gestalten, ich will handeln. Genau deshalb spiele ich! Wenn ich einfach nur nichts tun wollte, könnte ich mir dafür viel besser einen Job suchen.

Freitag, 16. November 2018

Lighthouse Run

Fazit: Für Vielspieler eventuell nicht anspruchsvoll genug, für Gelegenheitsspieler und Familien aber wohl einen Blick wert. Wer Leuchttürme mag und sich vom Spielablauf angesprochen fühlt, kann bedenkenlos zugreifen.

Oh, pardon, falscher Textbaustein ...

Wie geht LIGHTHOUSE RUN? Unsere Schiffe liefern sich, verfolgt von einer Sturmwolke, ein Wettrennen. Schiffe, die von der Wolke eingeholt werden, scheiden aus. Je weiter ein Schiff gefahren ist, desto mehr Punkte zählt es.
Wer am Zug ist, spielt eine seiner drei Handkarten. Es gibt drei Sorten: Ich darf entweder a) ein eigenes Schiff oder b) (sofern sie auf demselben Feld stehen) alle eigenen Schiffe oder c) von jedem Spieler eins vorwärts setzen.
Die besondere Spielidee besteht darin, dass immer ungefähr die Hälfte der Strecke unpassierbar im Dunklen liegt. Welche Abschnitte befahren werden dürfen, bestimmen die Leuchtfeuer auf den Leuchttürmen. Und jede Bewegungskarte bestimmt auch, auf welchen Turm ein Feuer gesetzt werden muss. Wo man es wegnimmt, darf man wählen.


Was passiert? Die Leuchtfeuer wirken sich überraschend wenig auf das Spiel aus. Am Anfang stehen sowieso alle Schiffe am Start oder auf den ersten Flussfeldern. Es gibt keinen Grund, hintere Passagen zu beleuchten. Wer es tut, schadet genauso wie den anderen auch sich selbst. Und im Endspiel fahren die Schiffe ebenfalls in derselben Flusshälfte bzw. die, die es nicht tun, wurden bereits von der Wolke gefressen.
Somit bleibt das Mittelspiel als einzige Phase übrig, in der sich das Feld eventuell weiter auseinanderziehen und die Beleuchtung eine größere Rolle spielen könnte. Man hofft, fehlendes Feuer könne den Führenden bremsen. Aber genauso häufig behindert es den Letzten.
Oft wird das Versetzen des Feuers ohnehin vergessen oder irgendwer verguckt sich, welche Bereiche nun ausgeleuchtet sind oder nicht, und möchte seinen Zug rückgängig machen. Kurzum: Das Feuer macht das Auswählen der Spielkarte etwas kniffliger, weil man ein zusätzliches Detail beachten muss. Aber es macht den Spielablauf nicht reizvoller, weil es nur sehr selten von Bedeutung ist.
Spannender ist tatsächlich der herkömmliche Part von LIGHTHOUSE RUN: das kartengesteuerte Wettrennen. Wo positioniere ich mich, dass andere Spieler möglichst häufig meine Schiffe mitziehen müssen? Wie versammle ich mehrere eigene Schiffe auf einem Feld? Und ziehe ich dann auch beizeiten eine der raren Karten, die meine gesamte Flotte von demselben Feld wegbewegen?


Was taugt es? LIGHTHOUSE RUN ist ein flottes Wettrennen, das nicht zu lange dauert, aber eben auch nicht sonderlich originell ist. Ausgerechnet dasjenige Element, das nach meinem Verständnis LIGHTHOUSE RUN von ähnlichen Spielen abheben soll, verpufft zu oft wirkungslos und unterbricht obendrein den Flow.
Das ist die Hauptkritik, der Rest sind Kleinigkeiten. Der große Spielplan ist sehr einladend, allerdings verdecken die (instabilen) Leuchttürme die Sicht auf die Schiffe. Die Schiffe, obwohl aus Holz, wirken nicht sehr wertig und wurden vielleicht deshalb von meinen rüpeligen Mitspielern oft auf dem Kopf fahrend oder auf der Seite liegend vorwärtsgeschaufelt. Und mehrfach wurde die Karte, die alle eigenen Schiffe bewegt, falsch interpretiert. Weil nur drei Schiffe abgebildet sind, wurde angenommen, es dürften maximal drei Schiffe fahren.


** misslungen

LIGHTHOUSE RUN von Jim Harmon für zwei bis vier Spieler, Amigo.

Dienstag, 13. November 2018

Vor 20 Jahren (70): Schach (2)

In meinem Leben hatte ich drei Schach-Phasen. Während meiner ersten war ich noch Schüler und hielt mich für ein Genie (irrte aber), während meiner zweiten lernte ich als Angegriffener viel über das Angriffsspiel und während meiner dritten spielte ich nur, um mein Gehirn am Verdorren zu hindern.

Es geschah während einer einjährigen beruflichen Fortbildung „Journalist“. Deren Programm hatte sich super angehört. Nach 48 peinlichst durchgetakteten Ausbildungswochen sollte man fit gemacht werden für mindestens den sofortigen Eintritt in ein Volontariat und langfristig den Chefsessel der SPIEL DOCH. In Oldenburg lief die Maßnahme angeblich schon seit mehreren Jahren höchst erfolgreich und die Absolventen waren an solch hervorragenden Zeitungen wie der NWZ gelandet.

Ich war sehr interessiert und motiviert, hatte aber von Journalismus und der Realität in Zeitungsredaktionen keine Ahnung. Nach den zwölf Monaten war ich dann etwas schlauer und hatte gelernt: Ich schreibe zwar gerne, aber eigentlich nur über Spiele. Und deshalb will ich auch gar keinen Volontariatsplatz haben, ätsch.

Trotzdem hätte ich in der Fortbildung mehr lernen wollen, als es tatsächlich der Fall war. Doch schon nach einer Woche hinkten wir dem angeblichen Lehrplan arg hinterher, und spätestens nach einem Monat begriff ich: Es gab gar keinen Plan.

Schwer zu sagen, woran die Sache scheiterte. Sicherlich waren zu viele im Kurs, die nur ihre Zeit absitzen wollten und die Gruppe langsam, aber sicher runterzogen. Das durchführende Institut wirkte von seinem eigenen Bildungsangebot zudem vollkommen überrascht und bot gar nicht die technischen Voraussetzungen.

Und drittens: Nach einigen Wochen wurde der Kursleiter abgesägt und nicht so richtig durch irgendwen ersetzt. Es entstand ein diffuses Vakuum mit unvorhersehbar wechselnden Dozenten. Es war wie monatelanger Vertretungsunterricht. Und es gab sehr, sehr viel Leerlauf. Und ich spielte sehr, sehr viel Schach.

Ein Mitschüler hatte das Programm Fritz auf unserem Rechner installiert. Ich sah es als Chance: Wenn ich schon nicht als Journalist groß rauskam, dann wollte ich bei dieser Fortbildung doch wenigstens Schachmeister werden. Also ließ ich Fritz unsere Partien analysieren und druckte hinterher (wenn es niemand bemerkte) seine Bewertungen aus, um daraus zu lernen.

Einige besitze ich noch heute. Hier: Angenommenes Damengambit, 2. Oktober 1998. In 55 Zügen hatte ich Fritz glorreich mattgesetzt, und er nörgelte, es sei viel zu langsam gegangen:
„Sxd2 wäre im Gewinnsinne präziser.“
„Txc6! erleichterte Schwarz die Gewinnführung.“
„Txd4! und Schwarz ist direkt am Ziel.“
Blablabla.

Wer kennt das nicht? Man hat gewonnen und muss sich hinterher anhören, wie scheiße man eigentlich gespielt hat! Von solchen Spielertypen halte ich mich heutzutage lieber fern. Doch vor 20 Jahren konnte ich mir das nicht aussuchen. Fritz war mein Freund und im Gewinnsinne erschien es präziser, meine Zeit mit ihm statt mit den angebotenen Lehrinhalten zu verbringen. Man sagt, Spielen sei ein Kulturgut. Aber noch vor der Kultur kommt das reine Überleben. Und siehe da: Spielen gewährleistet auch das.


Freitag, 9. November 2018

Krass kariert

Relativ unbemerkt hat KRASS KARIERT den „À la carte“-Preis der Fairplay gewonnen. Weil es sich bei BELRATTI ganz gut bewährt hat, aus der Prominenz der Fairplay Klickzahlenkapital zu schlagen, versuche ich den Trick einfach ein zweites Mal und richte mich bei der Auswahl meiner Besprechungen weiter nach dem, was bei der Fairplay heiß ist.

Wie geht KRASS KARIERT? In diesem Stichspiel wollen wir unsere Handkarten loswerden. Wer als Letzter noch Karten hat oder sich dreimal nicht am Stich beteiligt, verliert ein Leben. Ist einer mausetot, verliert er das Spiel und alle anderen gewinnen.
Um bei einem Stich mitzumachen, muss man, wie man es zum Beispiel aus KARRIERE POKER kennt, die Kombination des Vorgängers überbieten, indem man entweder eine wertvollere Kombination oder dieselbe Kombination mit höheren Kartenwerten spielt. Drilling schlägt Dreier-Straße schlägt Paar schlägt Zweier-Straße schlägt Einzelkarte.
Hinzu kommt: Wie bei BOHNANZA werden die Handkarten nicht umsortiert. Als Kombination darf man nur solche spielen, die direkt nebeneinander stecken. Wenn ich das Blatt wie auf dem Foto unten hätte, müsste ich also erst die 4 loswerden, um später 9, 10 und 11 als Dreier-Straße spielen zu können.
Solange man es nicht dreimal tut, ist es gar nicht schlecht, auch mal zu passen, denn: Jetzt erhält man eine von zwei „Reservekarten“ und steckt sie an beliebiger Stelle ins Blatt. Zum Beispiel würde ich eine 4 gerne neben die andere 4 stecken, weil ich die beiden als Paar erheblich leichter loswerde. Meine Reservekarten darf ich mir allerdings nicht aussuchen. Der Kartengeber hat beim Austeilen zufällig irgendwelche zwei vor mir abgelegt, und das sind sie dann.


Was passiert? KRASS KARIERT ist ein Spiel, das man im ersten Anlauf möglicherweise noch nicht so ganz erfasst. Die Kombination der Elemente wirkt etwas gewollt und unintuitiv. Das Spiel wird besser, wenn man es häufiger spielt.
Erst dann offenbaren sich die Möglichkeiten und es zeigt sich, dass auch die Sonderkarten fein abgestimmt sind. Einerseits gibt es solche, die gute Blätter noch stärken und dabei helfen, die Hand schnell runterzuspielen. Und es gibt reine Stänkerkarten, die man dem glücklichen Gewinner in seinen Stich werfen darf und die ihn zwingen, Karten vom Stapel nachzuziehen.
KRASS KARIERT ist deshalb dreierlei: Erstens ein Ärgerspiel, das schön emotional werden kann, wenn einer ordentlich Karten reingedrückt bekommt. Zweitens ein vordergründig herkömmliches Kartenloswerd-Stichspiel, bei dem man sich sein Blatt klug einteilen und manchmal auch ein bisschen zocken muss und bei dem man drittens taktisches Karten-Management betreibt, um bestimmte Kombinationen auf der Hand überhaupt erst entstehen zu lassen.

Was taugt es? Das ist in Summe zweifellos eigenständig und originell. Es hat seinen Reiz, das Beste aus seinem Blatt herauszuholen oder anderen in die Suppe zu spucken, indem man unerwartet eine noch bessere Kombination zückt oder jemandem kurz vor Schluss drei Karten aufhalst.
Dennoch schätze ich KRASS KARIERT nur als schönes Spiel für eine Saison ein. Weil oft viele Runden gespielt werden müssen, bis endlich ein Verlierer feststeht, ziehen sich die Partien in die Länge. Vor allem aber erreicht KRASS KARIERT dabei nicht den Spielfluss und die Eleganz, die ein (trotz taktischer Elemente) glücksbetontes Ärger- und Ablegespiel zum Dauerbrenner machen.
KRASS KARIERT ist von vielem ein bisschen, wegen seiner Kleinschrittigkeit dann aber doch nichts so richtig. Die besten Erfahrungen mit KRASS KARIERT habe ich mit geübten Spielern gesammelt. Der Ausgang der „À la carte“-Wahl ist für mich deshalb nachvollziehbar.


**** solide

KRASS KARIERT von Katja Stremmel für drei bis fünf Spieler, Amigo.

Donnerstag, 1. November 2018

Belratti

Nach mehr als zehn Jahren REZENSIONEN FÜR MILLIONEN kann ich das Interesse meiner Leserinnen und Leser recht gut einschätzen: Kurze Spiele, kleine Spiele, Kartenspiele oder Kreativspiele locken kaum jemanden auf meine Website. Dass ich unbelehrbar trotzdem eins bespreche, geschieht im Rahmen eines aufregenden Experiments: Sind kurze, kleine, kreative Kartenspiele für meine Leserschaft interessanter, wenn sie beim Fairplay-Scout-Ranking in Essen ganz vorne gelandet sind?
(Ähm, um ehrlich zu sein: Ich wollte BELRATTI sowieso demnächst besprechen. Aber es liest sich gleich viel besser, wenn man ein bisschen Wissenschaftlichkeit vortäuscht. Was mir zugleich erlaubt, meine Fragestellung zu erweitern: Sind kurze, kleine, kreative Kartenspiele für meine Leserschaft sogar noch interessanter, wenn sie beim Fairplay-Scout-Ranking in Essen ganz vorne gelandet sind UND im Rahmen eines aufregenden Experiments besprochen werden?)


Wie geht BELRATTI?
BELRATTI ist ein kooperatives Assoziationsspiel mit Bildern. Reihum wechselnd nehmen wir die Rollen „Maler“ oder „Museumsleiter“ ein. Zufällige zwei von 168 Bildkarten werden aufgedeckt, beispielsweise Küken und UFO. Sie sind in diesem Durchgang die Oberthemen zweier Ausstellungen.
Die Museumsleiter fordern nun bei den Malern zwei bis sieben Bilder an. Jeder Spieler hat (spielerzahlabhängig) eine bestimmte Menge Bildkarten auf der Hand, und die Maler diskutieren, wer wie viele Bilder beisteuert. Dabei darf niemand seine Karten zeigen und auch nicht verraten, zu welchem Oberthema er etwas Passendes hätte.
Die gespielten Karten werden mit vier Karten vom Stapel („Fälschungen“) zusammengemischt und aufgedeckt. Die Museumsleiter müssen herausfinden, welche Bilder von den Malern stammen und für welche der beiden Ausstellungen sie gedacht sind. Sobald die Museumsleute auf insgesamt sechs Fälschungen hereingefallen sind, endet die Partie und die Gruppe gewinnt, wenn bis dahin mindestens 15 Bilder korrekt zugeordnet wurden.

Was passiert? Es gibt viel zu diskutieren. Manche Kartenverbindungen scheinen offensichtlich. Der Astronaut wurde doch sicherlich zum Ausstellungsthema UFO eingereicht. Aber wie ist es mit dem Elefanten? Der ist zwar wie das Küken ein Tier, aber doch ein ziemlich anderes. Gehört also wegen ihrer gelben Farbe eher die Glühlampe zum Küken? Oder die Straßenbahn als Fortbewegungsmittel zum UFO?
Je länger man nachdenkt, desto mehr mögliche Verbindungen fallen einem ein. Am Ende scheint sogar die Tasse Kaffee zum UFO zu passen, weil man ja auch „fliegende Untertasse“ sagt. Dass die besten Karten manchmal vom Stapel kommen, bringt Würze und Emotion ins Spiel. Wir lernen ein wenig was über die Denkweisen der anderen und sind eine halbe Stunde lang gut unterhalten.


Was taugt es? Spiele in der Art von BELRATTI gab es zuletzt häufiger (FACECARDS, CODENAMES PICTURES, MYSTERIUM und andere). Gelungen finde ich hier, dass die Rollen während der Partie ständig wechseln. So erlebt jeder Beteiligte stets beide Facetten des Spiels. Und vor allem kann BELRATTI für sich verbuchen, dass es mit geringem Material- und Regelaufwand schnörkellos zur Sache kommt. Als kleine Details gibt es lediglich vier hilfreiche Sonderaktionen, die die Gruppe einmalig einsetzen darf.
Weniger glücklich bin ich mit der thematischen (und damit auch grafischen) Einkleidung. Die Anspielung auf den ehemaligen Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi versteht fast niemand. Warum die Museumsleiter Katzen und die Maler Eulen sind, erschließt sich ebenfalls nicht.
Auch die Regelung, dass und wie die Museumsleiter Bilder bestellen, sehe ich als kleine Schwäche. Erstens gibt es kaum Indizien, anhand derer man seine Entscheidung diskutieren könnte. Ob die Maler aktuell viele oder wenige passende Bilder besitzen, lässt sich kaum erahnen. Zweitens dürfen die Museumsleiter vorab nicht inhaltlich über die Themen sprechen. Dieses Verbot ist sinnvoll; zu leicht könnte man den Malern sonst eine gewünschte Richtung vorgeben. Aber fürs Spiel bringt die gesamte Phase so nicht sehr viel.
Zumal ich in meinen Partien erlebt habe, dass echte Anreize für hohe Ansagen fehlen. Gewiss, nur mit hohen Ansagen kann man die Sonderaktionen zurückgewinnen. Aber: Mit hohen Ansagen steigt die Fehlerquote. Und bei niedrigen Ansagen kommt man auch gut ohne Sonderaktionen aus. Das mit gigantischem Abstand beste Punkteergebnis habe ich in einer Gruppe erlebt, in der meist zwei und seltener maximal drei Karten verlangt wurden. Diese (sicherlich auch glücklich verlaufene) Partie zog sich dann arg, sodass wir am Ende gar froh über die sechste Fälschung waren.
Mir ist BELRATTI trotzdem sympathisch und ich werde es weiterhin gerne mitspielen. Ich glaube nur, dass die vorliegende Umsetzung das Potenzial der Spielidee nicht vollständig ausschöpft.


**** solide

BELRATTI von Michael Loth für drei bis sieben Spieler, Mogel.