Mittwoch, 14. März 2018

Charterstone

Spoiler: Achtung, diese Rezension enthält Spoiler!

Wie geht CHARTERSTONE?
Es ist ein Legacy-Spiel. Das heißt, wir kennen am Anfang noch nicht sämtliche Regeln, erfahren vieles erst unterwegs, und unser Spielbrett, unser Spielmaterial und auch unsere Regeln werden am Ende der Kampagne anders sein als am Ende der CHARTERSTONE-Kampagne einer anderen Spielrunde.
CHARTERSTONE beginnt als schnörkelloses Arbeitereinsetzspiel. Jeder startet mit zwei Figuren. Wer am Zug ist, entsendet eine Figur zu einem Aktionsfeld. Steht dort eine andere Figur, geht sie zurück an den Besitzer. Der freut sich darüber, denn spätestens sobald man keine Figuren mehr hat, müsste man einen Zug dafür opfern, alle Arbeiter wieder nach Hause zu holen.

noch leerer Spielplan

Die Arbeiter erledigen Dinge, die Arbeiter üblicherweise erledigen: Baustoffe ranholen, Gebäude bauen, weitere Arbeiter rekrutieren, Dinge gegen Siegpunkte eintauschen. Manche Aktionen lassen den Zeitmesser auf seiner Skala voranschreiten, und so ist nach etwa einer Stunde Schluss. Einige Ressourcen dürfen mit in die nächste Partie genommen werden, was für den Zurückliegenden Motivation schafft, sauber zu Ende zu spielen, um nächstes Mal einen guten Start zu haben.
Neue Elemente kommen immer dann ins Spiel, wenn Spieler „Kisten auspacken“. Das ist nicht wörtlich zu nehmen. Kisten sind eine Sorte Spielkarten. Besitzt man eine und besucht das zugehörige Aktionsfeld und zahlt die Kosten, darf man aus der zunächst sehr gut gefüllten Kartenbox Karten heraussuchen. Teilweise definieren sie neue Regeln, teilweise definieren sie Privilegien, die der Spieler mindestens bis zum Ende der Partie besitzt, teilweise sind es Häuser, die man später bauen und auf den Spielplan kleben darf. Von Partie zu Partie wird es immer mehr.


Geld und Rohstoffe

Was passiert? Von Partie zu Partie wird es immer mehr ... aber nicht spannender. Nicht raffinierter. Nicht intensiver. Nur wird dies durch die Vielzahl an Dingen und Kartentypen und Krimskrams übertüncht. Was am Ende herauskommt, ist ein Spiel, bei dem ein Redakteur dem Autor raten würde: „Speck das mal ordentlich ab!“ Und zu Beginn ist es ein Spiel, bei dem ein Redakteur fragen könnte: „Was ist das Besondere?“ Der Autor würde wohl entgegnen: „Das Besondere ist das, was zwischen Anfang und Ende liegt: das Legacy-Element.“ Reden wir also darüber.
Wenn Legacy für Ungewissheit und Überraschung steht, erfüllt CHARTERSTONE diesen Anspruch. Man weiß nicht, was kommt. Man ist gespannt. Zumindest anfangs noch. Bis klar wird, dass das, was kommt, oft nur mehr desselben ist, was man schon kennt.
Ebenfalls durchwachsen steht es um den übergeordneten Spannungsbogen. Auch wenn man zu Beginn nur erahnen kann, worin die Endwertung besteht, ist eine Motivation da, die Ausgangslage für künftige Partien zu verbessern, im eigenen Viertel starke Gebäude zu errichten, dauerhafte Privilegien zu erwerben. Die Motivation lässt allerdings nach. Es entsteht der Eindruck, gar nicht viele Wahlmöglichkeiten zu haben, wie man sein Viertel gestaltet. Vielmehr ergibt es sich daraus, was man in den Kisten findet.
Und obwohl es immer mehr Dinge und Kartensorten gibt (so viele, dass manches kaum noch einen Effekt hat), wiederholt man während der Partien doch immer ähnliche Routinen: Häuser bauen, Kisten öffnen. Zwölf Partien lang. Es gibt keine Gründe, von einer erfolgreichen Marschroute abzuweichen.
In normalen Spielen, die jedes Mal komplett bei Null starten, kann ich mal experimentieren und etwas Neues wagen. In einer Kampagne könnte mich ein Experiment für alle Zukunft weit zurückwerfen. Also spiele ich meinen üblichen Stiefel herunter. Und falls möglich, nehme ich meine besten und bewährten Privilegien mit in die nächste Partie und setze sie wieder ein.
Der schwächste Bestandteil von CHARTERSTONE allerdings ist die Geschichte. Oder sagen wir lieber: die „Geschichte“. Die fortlaufende Erzählung empfinde ich als naiv, im Rahmen eines Legacy-Spiels sogar als peinlich. Der Versuch, die Spieler auf Basis dieser Geschichte Entscheidungen treffen zu lassen, wurde in meiner Spielerunde als unfreiwillige Komik aufgefasst.


fast geleerte Kartenbox

Was taugt es? Der Einstieg in CHARTERSTONE ist sperrig. Die Regeln gibt es häppchenweise in Form von Aufklebern, die sich im Regelheft zu einem großen Ganzen ergänzen sollen, dies aber nicht tun, weil Informationen an Stellen stehen, wo man sie nicht erwartet. Das ist unausgereift.
Prinzipiell finde ich es sehr ehrenwert, wenn Autoren sich die Mammutarbeit aufhalsen, ein Legacy-Spiel zu entwickeln. Weil dieses Genre noch neu ist, ist auch das Spielgefühl noch neu – selbst wenn am Spiel nicht alles stimmt.
Allerdings hatte sich das Neue und das Gespannt-Sein für mich schon bei Halbzeit der Kampagne verbraucht. Und hätte ich vorher gewusst, wie viel Mittelmaß CHARTERSTONE zu bieten hat, hätte ich lieber zwölf Partien anderer Spiele gespielt.


*** mäßig

CHARTERSTONE von Jamey Stegmaier für einen bis sechs Spieler, Feuerland.

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