Donnerstag, 14. März 2024

Comet

Comet: Cover

Aah! Multi-Use-Karten! Seit wann haben die sich eigentlich durchgesetzt? Mir fällt spontan SAN JUAN ein, aber wer weiß …

Wie geht COMET? Wir retten Tiere, indem wir sie auf dem Spielplan von ihren Startfeldern zur Höhle schaffen, bevor der Komet einschlägt. Der Komet ist da sehr zuverlässig, er prallt auf, kurz nachdem der Kartenstapel verbraucht ist.
Gerettete Tiere zählen Punkte. Die meisten bringen darüber hinaus noch einen Effekt, den ich nach erfolgreicher Rettung nutzen darf. Die Tierkarte wird dazu getappt, und wenn ich statt meines Zuges „raste“, werden alle getappten Karten wieder enttappt.
Meistens werde ich in meinem Zug aber nicht rasten, sondern entweder ein Tier auf dem Spielplan einsetzen und somit ins Rennen schicken oder meine Tiere, die schon unterwegs sind, Richtung Höhe bewegen.

Comet: Karten

Um sie als Tier einzusetzen, wähle ich eine Karte aus meiner Hand. Sie zeigt, auf welchem Feld ein Spielstein für das Tier platziert wird. Je wertvoller das Tier, desto größer ist die Entfernung von der Höhle.
Fürs Bewegen wähle ich ebenfalls eine Handkarte, nutze nun aber ihre Landschaftssymbole. Sind Wiese und Wüste abgebildet, bedeutet das, ich darf eins meiner Tiere auf eine angrenzende Wiese, eins auf eine angrenzende Wüste setzen. Auch zweimal dasselbe Tier. Der Clou: Besetzte Felder darf ich überspringen. So entsteht ein Halma-Effekt. Je voller der Spielplan, desto tollere Kettenzüge sind möglich.
„Rasten“ wähle ich üblicherweise dann, wenn meine Handkarten zur Neige gehen. Eventuell noch vorhandene Karten darf ich abschmeißen, dann ziehe ich auf mein Handkarten-Limit hoch.

Was passiert? Das Überspringen anderer Tiere macht viel Spaß: sowohl gegnerische Spielsteine auszunutzen als auch eigene teamdienlich so zu positionieren, dass sie mir schöne Kettenhüpfer erlauben.

Comet: Spielbrett

Phasen mit vielen oder wenigen Tieren auf dem Brett wechseln sich ab. Stets hoffe ich, auf den großen Tierwellen mitreiten zu können, um mit geringem Aufwand in die Höhle gespült zu werden. Aber immer wieder haben einzelne Tiere natürlich das Pech, übrigzubleiben. Sie müssen nun deutlich verlangsamt zum Ziel krabbeln oder warten, bis das Brett wieder belebter wird. Jede:r versucht also, in einen guten Rhythmus zu kommen und nicht ausgerechnet dann rasten zu müssen, wenn der Spielplan voll ist.
Einige Tiere bilden Sets und zählen Extrapunkte, sofern ich eine bestimmte Menge davon rette. Die Hoffnung auf Sets ist ein Kriterium, nach dem ich entscheide, welche Tiere ich ins Rennen schicke. Orientierung bietet mir auch meine individuelle Startbedingung, die etwa besagt, dass gerettete Biber für mich Extrapunkte zählen. Manche Tiere wähle ich, weil ich scharf auf ihren Effekt bin. Und manche rein situativ, weil ihr Startpunkt in der aktuellen Rennsituation günstig zu sein scheint.
Beim Nachziehen bekomme ich die meisten Karten verdeckt. Deswegen habe ich wenig Kontrolle über mein Blatt und meine Tierauswahl, und COMET ist eher taktisch als strategisch geprägt. Je länger das Spiel dauert, desto planerischer und tüfteliger wird es. Jede:r besitzt durch die geretteten Tiere ein Arsenal von Zusatzeffekten, und die richtige Reihenfolge und somit den perfekten Zug auszuknobeln, kann schon etwas dauern.

Was taugt es? COMET ist wegen der vielen Sondereffekte ein recht komplexes Wettrennen. Was ich schade finde, denn nicht wegen der komplexen Elemente erlebe ich in COMET den Spielspaß. Sondern der besondere Reiz liegt im Rennen an sich, im Hüpfen, im Ausnutzen, im Zurücklassen anderer. Weshalb ich COMET auch nicht unbedingt zu zweit spielen würde; da ist auf dem Plan weniger los.
Ohne es beweisen zu können, glaube ich, es hätte dem Spiel gutgetan, einige Einzelheiten rauszuredigieren, um es einfacher und für eine größere Zielgruppe spielbar zu machen. Ein Strategiespiel ist es wegen des Kartenzufalls sowieso nicht. Und in der jetzigen Form erlebe ich, dass viele, die von dem tollen Thema und der attraktiven Grafik angezogen werden, beim Spielen ins Stolpern kommen.
Einige Kartentexte und Symbole erzeugen Nachfragen. Dass es Effekte auch zwischen den Spielzügen und zwei Klassen von Karten (Gold und Silber) gibt, macht die Abläufe hakelig. Kombinationsmöglichkeiten aus Tierfähigkeiten und Geländesymbolen werden schwer verstanden.

Comet: Rettertableau

Unintuitiv ist auch die Konstruktion, dass wir (anders als in meinem Text dargestellt) streng genommen keine Tierfiguren bewegen, sondern Retterfiguren. Laut Spielgeschichte schlüpfen an den jeweiligen Startpunkten Tiere aus Eiern, sind aber noch so schwach und winzig, dass sie von Retter:innen getragen werden müssen. Das muss man wissen, sonst versteht man einige Kartentexte nicht. Allerdings bleibt rätselhaft, warum die Retter:innen immer nur den Hinweg zu Höhle machen und dann wie durch Teleportation an neuen Startplätzen aufploppen. Merkwürdig auch, dass aus den Eiern sehr, sehr viele Säugetiere schlüpfen.
Neben diesen Kritikpunkten, die vielleicht kleinlich und Geschmackssache sind, gibt es auch klare Schnitzer: Einige Symbole sind auf den Karten so winzig abgebildet, dass man raten muss, worum es sich handelt. Und vor allem die Anleitung hakt. Wenn ich das Spiel nicht erkläre, sondern von Gruppen erarbeiten lasse, wird die Bewegungsregel fast immer falsch verstanden. Die Anleitung suggeriert, man dürfe andere Spielsteine nur gradlinig überspringen und nicht dabei abbiegen. Darf man aber, und das ist auch besser so.


**** solide

COMET von Peter Prinz für zwei bis vier Spieler:innen, Funtails / Huch.

Sonntag, 10. März 2024

Vor 20 Jahren (135): San Juan

San Juan: Cover

Immer wieder denke ich: Ach, ich wünsche mir ein Lexikon der Brettspielmechanismen! Keine Ahnung, ob da jemand gerade dran arbeitet. Oder ob es das schon gibt, mir aber entgangen ist. Ich fürchte, so wie ich es mir vorstelle, gibt es das nicht. Und es sitzt auch niemand dran, denn es wäre sauviel Arbeit für eine saukleine Zielgruppe.

Falls doch jemand dransitzt: Ich stelle es mir, bitte, folgendermaßen vor: Es sollten alle möglichen (aber natürlich nur die relevanten) Mechanismen aufgelistet sein, wie zum Beispiel die Mehrfunktionalität von Karten als entweder Gebäude, das ich vor mir auslege, oder Geld, das ich von der Hand abwerfe, um den Bau eines Gebäudes zu bezahlen, oder Waren, die in Produktionsgebäuden hergestellt werden.

Mir kommt es so vor, als wäre ich diesem grandiosen Mechanismus erstmals in SAN JUAN begegnet. Aber ich mag mich irren, und es war schon irgendwo vorher, und ich habe es vergessen. Oder ich kenne den Vorläufer nicht. Und das wäre jetzt genau die Gelegenheit, um im Mechanismen-Lexikon nachzuschlagen und zu erfahren: Aha, diese Form von Mehrfunktionalität für Karten taucht tatsächlich in SAN JUAN zum ersten Mal auf. Oder aber: Ach, das gab es schon früher, nämlich im Spiel XY.

Allerdings: Wie will man bewerten, wo ein Mechanismus seinen Ausgang nahm? Mag ja sein, dass es etwas Ähnliches schon etliche Jahre früher gegeben hat. Aber vielleicht blieb das Spiel unbekannt und konnte deshalb niemanden zur Nachahmung oder Weiterführung inspirieren. Oder der Mechanismus war anders umgesetzt und glänzte deshalb nicht so, weshalb ein späteres Werk, das den Mechanismus besser einbindet, viel mehr zu seiner Verbreitung und Durchsetzung beigetragen hat.

Es ist also kompliziert, und ich könnte mich auf der sicheren Seite fühlen, indem ich ganz subjektiv feststelle: Ich verbinde diesen Mechanismus mit SAN JUAN.

Äh … allerdings ist es sogar noch komplizierter, denn seit 2007 verbinde ich den Mechanismus ebenfalls mit RACE FOR THE GALAXY, wo er fast identisch auftaucht.

Angesichts der zeitlichen Abfolge könnte man nun mutmaßen, RACE FOR THE GALAXY habe SAN JUAN nachgeahmt. Aber nach allem, was ich weiß und gelesen habe, sind Ideen von Tom Lehmann und Richard Borg (die parallel zu Andreas Seyfarth ebenfalls an einem Kartenspiel zu PUERTO RICO arbeiteten) mit Zustimmung der beiden Autoren in Seyfarths SAN JUAN geflossen. Und RACE FOR THE GALAXY wiederum ist Tom Lehmanns spätere Weiterentwicklung jenes ursprünglichen PUERTO RICO-Kartenspiels.

Hut ab, wer das alles untersuchen und mein persönliches Lieblingslexikon schreiben möchte!

SAN JUAN fand ich seinerzeit herausragend. Ich war begeistert, wie es gelungen war, wesentliche Elemente von PUERTO RICO in ein Kartenspiel zu übertragen. Ich mochte die Klarheit der Strategien. Und vor allem fand ich die Idee genial, dass ich Karten abwerfen muss, um das Ausspielen anderer Karten zu bezahlen. So gab es keine schlechten Karten. Jede hatte ihren Zweck. Welchen, war meine Entscheidung.

Als aber RACE FOR THE GALAXY erschien, änderte ich teilweise meine Meinung. Obwohl ich die Reduziertheit von SAN JUAN immer als Pluspunkt empfunden hatte, stellte sich heraus, dass mich Vielfalt und Variation wie in RACE FOR THE GALAXY langfristig noch mehr in den Bann zogen. Übrigens auch bei einem Kartenspiel, das 2008 erschien, sehr stilbildend war und bis heute um immer neue Kartenpakete erweitert wird. Aber dazu ein anderes Mal, sobald es 20 Jahre her ist.


Mittwoch, 6. März 2024

Zug um Zug Legacy – Legenden des Westens

Zug um Zug Legacy: Cover

Achtung, der folgende Text enthält Spoiler, unter anderem meine Meinung zu dem Spiel.

Wie geht ZUG UM ZUG LEGACY? Grundsätzlich natürlich wie ZUG UM ZUG. Wir sammeln Farbkarten, die wir später bezahlen müssen, um mit unseren Waggons Routen zu besetzen. Möglichst nicht irgendwelche Routen, sondern entsprechend unseren Verbindungs-Aufträgen.
Bin ich an der Reihe, ziehe ich entweder bis zu zwei Karten oder spiele eine Farbserie aus und übernehme damit eine Route oder ich ziehe neue Aufträge. Erledigte Aufträge zählen Plus-, nicht erledigte Minuspunkte. Im Unterschied zum Grundspiel gibt es nicht generell Punkte beim Besetzen der Routen. Am Ende der Partie aber zählt es Punkte, möglichst viele Waggons aufgestellt zu haben – was auf einfachere Weise ungefähr denselben Effekt hat, indem es lange Routen belohnt.

Zug um Zug Legacy: Material

Während des Bauens kann ich trotzdem Punkte sammeln, zum Beispiel wenn ich eine Route besetze, die meiner Spielfarbe entspricht. Oder bei Ereignissen. In den Stapel der Farbkarten hineingemischt sind „Zeitungen“, die uns eine Ereigniskarte ziehen lassen. Manche Ereignisse bringen einen Sofort-, andere einen Dauereffekt, der bis zur nächsten Ereigniskarte gilt.

Was passiert? Grundsätzlich passiert, was immer bei ZUG UM ZUG passiert: Ich versuche, zielgerichtet Karten anzuhäufen und rechtzeitig auszuspielen, bevor mir jemand eine wichtige Strecke vor der Nase wegschnappt. Ich muss umplanen, wenn es doch geschieht. Ich muss mich beeilen, denn die letzte Runde einer Partie beginnt, sobald jemand nur noch zwei oder weniger Waggons hat.
Ich entscheide, welche und wie viele meiner Startaufträge ich behalte und ob ich während der Partie weitere ziehe. Weil unerledigte Aufträge hart bestraft werden, ist das Finale sehr spannend: Schaffe ich noch alles, was ich mir vorgenommen habe, oder schaffe ich es nicht?
Nun kommen noch Legacy-Elemente hinzu: Nach jeder Partie vergrößern wir den Spielplan um ein Segment, und abhängig davon, welchen Landstrich wir ranpuzzeln, kommen neben neuen Aufträgen auch neue Regeln ins Spiel. Die meisten dieser Regeln gelten nur für einige Partien. Wie lange genau, hängt oft von unserem Spielverhalten ab. Man kann sagen: Jedes Spielplan-Segment bringt seine eigene Mini-Erweiterung mit.
Zum Beispiel initiieren diese Erweiterungen nochmals Wettläufe innerhalb der Partie. Oder sie belohnen oder bestrafen oder verteuern bestimmte Spielzüge. Oder sie bringen Zocker-Elemente. Oder wir verändern durch Aufkleber den Spielplan, möglichst natürlich zum eigenen Vorteil.
Manche Aufträge, sofern erledigt, bringen mir neben Punkten noch eine „Postkarte“. Die kann man sich als eine Aktionskarte vorstellen, deren genauen Inhalt zunächst nur ich kenne. Postkarten zählen ebenfalls Punkte. Bei manchen muss ich dafür erst noch ein bestimmtes Ziel erreichen. So aktiviere ich sie. Manche funktionieren andersherum: Ich deaktiviere sie. Ihr Punktwert sinkt, je häufiger ich die Aktion anwende.

Zug um Zug Legacy: Spielplan

Während die ersten Partien auf dem kleinen Spielplan und mit zunächst nur 20 Waggons pro Person noch sehr schnell gehen, dauert es im Laufe der Kampagne immer länger, weil wir nun bis zu 56 Waggons besitzen und einen sehr großen Spielplan zu überqueren haben. Es dauert aber auch deshalb länger, weil immer mehr Regeln und Effekte ins Spiel kommen. Auch wenn manches wieder rausfliegt: In Summe wird es immer mehr: Hier muss ich was extra zahlen, da kriege ich was extra, da darf ich eine Figur versetzen und jemandem schaden, an anderer Stelle muss ich würfeln und die Folgen abwickeln, und neben den Aufträgen muss ich auch noch weitere umfangreiche Wertungen mitbedenken, die parallel ablaufen und einiges an Überblick erfordern, welche Städte und Routen mir noch fehlen.
Es sind bald sehr viele Regeln und Kleinigkeiten, die wir kollektiv im Gedächtnis und im Blick behalten müssen. Schon nach wenigen Partien kommt ZUG UM ZUG LEGACY im Kennerspielbereich an.


Zug um Zug Legacy: Karten

Was taugt es? Das sehe ich etwas zwiegespalten. Die vielen Mini-Spiele erzeugen Spannung, was als Nächstes kommt. Man muss entscheiden, wie viel Energie man in das neue Mini-Spiel investieren möchte oder ob man sich zugunsten des Gesamtspiels nicht so sehr darauf fokussiert, auch wenn es vermutlich Punkte kostet. Teilweise kann man bewusst forcieren, dass bestimmte Spielelemente wieder verschwinden. Was man gerne tut, wenn das Vorteile verspricht.
Die Mini-Spiele an sich finde ich unterschiedlich gut gelungen. Es ist einiges ist dabei, was ich nur im Rahmen einer solchen Kampagne akzeptabel finde, weil es mehr als den Spielreiz den Aufwand erhöht. Vieles ist dabei, was eine Redaktion aus Vereinfachungsgründen aus dem Spiel herauswerfen würde – wäre es nicht gerade ein Legacy-Spiel, das auf diesem Mini-Spiel-Prinzip beruht. Und es ist nichts dabei, das ZUG UM ZUG substanziell verbessert und was ich nun immer in ZUG UM ZUG haben wollte.
Ein klarer Schwachpunkt von ZUG UM ZUG LEGACY ist die Spielgeschichte. Sie soll eine inhaltliche Klammer sein, die die Mini-Spiele irgendwie miteinander verbindet, was aber nicht gelingt. Bald begreift man: Es ist für das Spielgeschehen egal, welche Texte da vorgelesen werden. In meiner Runde haben wir teilweise nicht mehr hingehört oder haben uns das Vorlesen gespart.
Andererseits gibt es auch Elemente, die mir gut gefallen: Für jede Partie wählt jede:r von uns einen Charakter, der bestimmte Sonderaktionen ermöglicht. Wer die vorherige Partie verloren hat, wählt zuerst; wer gewonnen hat, wählt zuletzt. Das hat merklich dazu beigetragen, das Feld beisammenzuhalten. Außerdem trifft man hier eine strategische Entscheidung, während ZUG UM ZUG LEGACY ansonsten überwiegend taktisch und situativ geprägt ist. Die Gesamtwertung am Ende der Kampagne ist sehr schlüssig. Zum Glück fällt nicht irgendein überraschender Wertungsdreh vom Himmel.

Zug um Zug Legacy: geheime Boxen

Gemessen an meinen hohen Hoffnungen und Erwartungen, bin ich fast sogar enttäuscht von ZUG UM ZUG LEGACY. So manches Element hat mich eher genervt als gereizt. Ich habe deshalb mit der Wertung „solide“ geliebäugelt. Dafür spricht, dass das, was mir an ZUG UM ZUG LEGACY am meisten Spaß macht (das Sammeln der Karten, das Timing beim Ausspielen, das Pokern mit den Aufträgen, die Spannung im Finale), auch schon im Grundspiel enthalten ist. Dafür brauche ich kein Legacy.
Am Ende habe ich mich doch knapp für „reizvoll“ entschieden. Es ist schon interessanter, ZUG UM ZUG LEGACY zu spielen als zwölf Partien ZUG UM ZUG, deren Ergebnisse ich am Ende aufsummiere. Also trägt eindeutig auch die fortwährende Veränderung zum besonderen Spielerlebnis bei. Und würde ich ein zweites ZUG UM ZUG LEGACY spielen wollen, sofern es eines Tages erscheint? Ja. Ich wäre wieder neugierig.
ZUG UM ZUG ist einfach ein sehr gutes Spielprinzip, weshalb es auch schon so viele Versionen und Länderausgaben trägt. Und weshalb es eine saugute Idee war, auf dieses Prinzip ein kompetitives Legacy-Spiel aufzusetzen – auch wenn ich mir einiges darin anders gewünscht hätte.



***** reizvoll

ZUG UM ZUG LEGACY – LEGENDEN DES WESTENS von Rob Daviau, Matt Leacock und Alan R. Moon für zwei bis fünf Spieler:innen, Days of Wonder.

Donnerstag, 29. Februar 2024

Gern gespielt im Februar 2024

PATTERNS: Bei der Musterung.

JEKYLL & HYDE VS. SCOTLAND YARD: Eins, zwei, Polizei.

QUANDO: Sag mir quando, sag mir, wann hören endlich diese schlechten Kalauer auf?

CAT IN THE BOX: Nein, nicht wegen der Katzen. Aber ich bin Schachtel-Fan!

SCHÄTZ IT IF YOU CAN: Ein Schätzchen.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM FEBRUAR:

BIER PIONIERE: Zwar trinken wir auf Spieleabenden üblicherweise kein Bier, trotzdem habe ich das Gefühl, mit Tee-Thema wäre das Spiel weit weniger überzeugend.





Dienstag, 27. Februar 2024

After Us

After Us: Cover

In der Postapokalypse wird die Welt von Affen dominiert! Krassomat. Aber ... was genau ist daran ungewöhnlich?

Wie geht AFTER US? Es ist ein Wettrennen und ein Deckbauspiel. Wer zuerst 80 Punkte erreicht, gewinnt. Und das Ganze funktioniert mit Karten. Acht besitze ich von Beginn an, immer vier ziehe ich für einen Zug auf die Hand. Ich kann Karten entsorgen, ich kann neue Karten kaufen.
Der erste Unterschied zu herkömmlichem Deckbau: Es gibt drei verschiedene Währungen für den Kauf: mit Blumen kaufe ich Mandrille, mit Früchten Orang-Utans, mit Körnern Gorillas. Schimpansen akzeptieren jedes der drei Zahlungsmittel.
Die verschiedenen Affensorten bewirken Unterschiedliches: Mandrille erzeugen tendenziell Punkte, Orang-Utans Batterien (eine vierte Währung, mit der ich Sonderaktionen ausführe), Gorillas erzeugen Zorn (eine fünfte Währung, die zum Entsorgen da ist). Schimpansen haben eine unterstützende Funktion für andere gespielte Affen.

After Us: Tableau

Zweiter und größerer Unterschied: Die Ausspielphase durchlaufen wir gleichzeitig. Und puzzeln mit unseren Karten. Jede Karte zeigt Boxen in drei Zeilen. Viele der Boxen sind am linken oder rechten Rand der Karte abgeschnitten. Das, was in der Box abgebildet ist, erhalte ich dann, wenn ich die vier Karten so nebeneinanderlege, dass die Box geschlossen ist. Das wird nicht mit allen Boxen klappen. Manche bleiben offen und bringen dann eben nichts.
Die Boxen der ersten Zeile (die ich zuerst auswerte) bringen Rohstoffe, die Boxen der anderen Zeilen definieren oft ein Tauschverhältnis. Beispielsweise darf ich eine Blume und eine Batterie abgeben, um einen Punkt zu erhalten. Oder zwei Körner für drei Zorn. Jede:r puzzelt, jede:r wertet aus, jede:r darf anschließend einen Affen kaufen, um ihn direkt auf den Nachziehstapel zu legen.


After Us: Spielplan

Was passiert? Dass wir nebeneinanderher puzzeln, macht AFTER US zu sechst überhaupt erst sinnvoll spielbar. Dass wir nebeneinanderher puzzeln, bewirkt allerdings auch, dass man ausschließlich mit sich selbst beschäftigt ist und es fast keine Rolle spielt, ob noch andere Personen am Tisch sitzen.
Das Puzzle selbst empfinde ich als mäßig interessant. Man probiert es ein bisschen so und ein bisschen anders, aber weil manche Boxen (vor allem die auf den zugekauften Karten) stärker und wichtiger sind, wird man mit Priorität auf den Abschluss dieser Boxen bald zu einem akzeptablen Ergebnis gelangen, und alles weitere Herumprobieren erzeugt nur Varianten ähnlicher Qualität. (Und wenn jemand vorhätte, sämtliche Varianten von vorne bis hinten systematisch durchzurechnen, säße ich lieber nicht mit am Tisch.)
Man sammelt seine Ressourcen ein, und zumindest teilweise ergibt sich daraus auch schon, welchen Affen man überhaupt kaufen kann. Ich brauche drei Ressourcen einer Sorte für einen schwächeren Affen, sechs für einen stärkeren. Einen Grund, einen schwächeren zu nehmen, wenn ich einen stärkeren haben kann, gibt es üblicherweise nicht.


After Us: Kärtchen

Was taugt es? Was genau der gekaufte Affe kann und wie seine Boxen angeordnet sind, erfahre ich erst hinterher. Denn wir kaufen die Karten von verdeckten Stapeln. Ich sehe ein, dass das Spiel zu kompliziert werden würde, lägen diese Informationen offen und jemand versuchte allen Ernstes, da irgendwas vorauszuberechnen. Also ist es im Rahmen dieses Spiels schon okay so, die Karten verdeckt zu verkaufen.
Mir stellt sich aber die Frage, ob das Spiel als solches okay so ist. Zunächst einmal: Gut finde ich, wie klar die Strategien voneinander abgegrenzt sind. Ich kann mal versuchen, möglichst nur Gorillas zu kaufen, um alle schwächeren Karten aus dem Deck zu entsorgen. Oder nur Mandrille, um mit vielen Punkten schnell ins Ziel zu laufen. Oder eine sinnvolle Kombination aus zwei oder mehr verschiedenen Affen. Es gibt einiges auszuprobieren.
Allerdings fühlt sich AFTER US in keiner Phase für mich spannend an. Das Puzzle finde ich nicht raffiniert genug, um allzu viel Denkzeit in den Versuch investieren zu wollen, ob sich nicht doch noch eine Winzigkeit mehr herausholen ließe.
Und das Ergebnis der Puzzlephase ist einfach nur ein anderer Kontostand: Ich gehe x Schritte auf der Punkteskala voran und erhalte y Rohstoffe in den diversen Währungen. Es passiert nichts, was mich irgendeinen Bezug zum Spielthema herstellen lässt. Es passiert auch nichts Erzählerisches. AFTER US ist emotionslose Mechanik. Und zur Emotionslosigkeit trägt auch das verdeckte Kaufen bei. So kann eben nie irgendwas im Markt sein, von dem ich denke: Das will ich unbedingt haben! Hoffentlich nimmt es mir niemand weg!
Immerhin: Das Spiel kommt mit einer neuen Idee daher, es funktioniert auch gut zu sechst, mechanisch ist es rund und ohne unnötige Verkomplizierungen. Doch in Erinnerung bleibt AFTER US nicht.


*** mäßig

AFTER US von Florian Sirieix für eine:n bis sechs Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Montag, 19. Februar 2024

Die Weiße Burg

Die Weiße Burg: Cover

Zwölf Züge dauert AUF DEN WEGEN VON DARWIN, und man denkt, das sei schon krass reduziert, da kommt DIE WEISSE BURG und unterbietet es mit neun. Man staunt: Wow! Aber natürlich gab es das alles längst. Beim Schach kann ich mich in nur zwei Zügen mattsetzen lassen. Das ist das „königliche Spiel“!

Wie geht DIE WEISSE BURG? Wir platzieren Würfel, um damit Aktionen auszuführen. Irgendwer hat zu Rundenbeginn alle Würfel geworfen. Aus diesem Vorrat bedienen wir uns. Würfel gibt es in Rot, Schwarz und Weiß. Bei manchen Einsetzfeldern ist die Farbe des Würfels vorgegeben. Bei den meisten Einsetzfeldern bestimmt die Farbe des Würfels, welche Aktion ich ausführen darf. Die Augenzahl des Würfels besagt, ob ich beim Einsetzen Geld erhalte oder Geld zahlen muss.
Je mehr meiner Figuren ich aufs Brett bringe, desto mehr Punkte erhalte ich in der Schlusswertung. Figuren platzieren zu dürfen, erfordert allerdings nicht nur die passende Aktion, sondern kostet auch Rohstoffe. Gleichzeitig wertet es aber drei Aktionsfelder auf meinem Tableau auf: Je mehr Figuren ich einsetzen kann, desto stärker werden diese Aktionen.

Die Weiße Burg: Spielplan

Drei Arten Figuren gibt es: Krieger, Höflinge und Gärtner. Krieger lösen Sofortaktionen aus und gewinnen Punkte für die Anzahl meiner eingesetzten Höflinge. Höflinge können innerhalb der Burg aufsteigen. Dabei erhalten sie einen Sofortbonus, außerdem erwerben sie eine Karte, die – verkürzt gesagt – Aktionen auf meinem Tableau verändert und verbessert. Höflinge in höheren Positionen zählen mehr Punkte als niedere Höflinge.
Und schließlich die Gärtner: Sie zählen einen festen Punktwert, der mit den Rohstoffkosten fürs Einsetzen korreliert. Auch Gärtner bekommen eine Sofortaktion. Und bei Rundenende (nach drei Zügen) dürfen sie diese Aktion noch einmal ausführen, wenn die Würfel einer bestimmten Würfelfarbe nicht aufgebraucht wurden. Einen Gärtner zu platzieren, ist also wie eine Wette auf den Verlauf der Spielrunde. Wobei gehäuft kleine Augenzahlen bei einer Farbe ein ganz guter Indikator sind.


Die Weiße Burg: Tableau

Was passiert? Ich muss mit meinem Geld haushalten, ich brauche immer wieder Rohstoffe, und ich versuche möglichst oft, mit dem gewählten Würfel nicht nur Einnahmen zu erzielen, sondern obendrein eine Figur zu platzieren. Und noch besser natürlich so, dass Kettenzüge entstehen und ich durch das Platzieren einer Figur eine weitere Figur entsenden darf.
Wenn ein Höfling eine der Karten aus der Burg nimmt, wird eine andere vom Stapel nachgelegt. Dadurch verändern sich während der Partie die Aktionsmöglichkeiten auf dem Spielplan, und es existieren mal mehr oder mal weniger Möglichkeiten, um eine bestimmte Figurensorte ins Spiel zu bringen. Ohnehin ist DIE WEISSE BURG variabel angelegt. Der Spielaufbau wird jedes Mal ein bisschen anders sein.

Was taugt es? DIE WEISSE BURG ist ein Optimierungsspiel, in dem es darum geht, neunmal den bestmöglichen Zug zu finden. Dass sich die Auslage durch Aktionen meiner Mitspieler:innen ändert, ist zwar eine Form von Interaktion, jedoch eher die chaotische, zufällige Form, die mich möglicherweise zwingt, einen Zug komplett neu zu durchdenken, weil der ursprüngliche Plan nicht mehr funktioniert.
Es ist ein sehr kompaktes, fast schon minimalistisches Spiel. Kettenzüge dehnen sich nicht ins Unendliche, und mittels der Symbole ist alles schlüssig erklärt. Wenn alle die Regeln beherrschen, kann DIE WEISSE BURG auch zu viert in etwas über einer Stunde gespielt sein, was sich verglichen mit anderen Spielen ähnlicher Komplexität kurz anfühlt – ohne dass dafür Tiefe geopfert wird. (Na gut, mit grübelnden Mitspieler:innen kann es auch locker über zwei Stunden hinausgehen, und dann fühlt es sich natürlich nicht mehr kurz an.)
Obwohl ich anerkenne, dass das Spiel gekonnt konstruiert ist, gehört es doch zu einer Art Spiel, die mich nicht mehr sonderlich lockt. Es ist einerseits kein neuer, augenfällig origineller Mechanismus da, mit dem ich herumspielen und den ich ausloten wollen würde. Und zweitens steckt kein Leben drin. DIE WEISSE BURG ist eine komplexe Verzahnung irgendwelcher abstrakter Mechanismen, die am Ende auf irgendeine Weise Punkte generieren. Sich in der Symbolwelt zurechtzufinden, ist wie Vokabellernen. Das vermeintliche Thema unterstützt die Abläufe nicht.
Es gibt sicher Fans dieser Spielegattung, die versuchen werden, noch mehr Figuren aufzustellen und noch mehr Punkte herauszuholen. Und für solche Optimierer:innen, die die Ästhetik einer gut verzahnten Spielmaschine genießen, ist DIE WEISSE BURG ein gutes Spiel, weil es sauber auf den Punkt kommt. Wie gesagt, gehöre ich nicht zu dieser Fangruppe. Wenn ich über den Spielspaß einer Partie nur berichten kann „Wir haben ganz viel getüftelt und gerechnet“, dann ist mir das angesichts der Konkurrenz auch erzählerisch stärkerer Expert:innenspiele mittlerweile zu wenig.


**** solide

DIE WEISSE BURG von Sheila Santos und Isra Cendrero für eine:n bis vier Spieler:innen, Kosmos.

Donnerstag, 15. Februar 2024

Auf den Wegen von Darwin

Auf den Wegen von Darwin: Cover

„Segelt auf der Beagle um die Welt“ steht auf der Schachtel. Aber was für ein Drama: Gerade mal drei mal drei Plättchen misst die Auslage, um die wir herumtuckern. Also, wenn die Welt tatsächlich soo winzig ist, will ich darauf natürlich keinen Platz für meine Einleitungen beanspruchen.

Wie geht AUF DEN WEGEN VON DARWIN? Wir segeln auf der Beagle um die Welt. Aus der Zeile oder Spalte, vor der das Schiff steht, muss ich ein Plättchen wählen und auf meinem Tableau ablegen. Die meisten Plättchen zeigen Tiere und gehören an eine fest definierte Stelle meines Ablagerasters: der Heimatkontinent des Tiers (Farbe) bestimmt die Spalte, die Tierklasse (Symbol) die Zeile.
Kann ich eine komplette Zeile oder Spalte füllen, bringt mir das fünf Punkte. Einige Tiere zählen obendrein einen festen Punktwert, manche geben mir einen Kompassmarker. Und alle Kompassmarker multipliziere ich am Schluss mit allen meinen auf Plättchen sichtbaren Kartografie-Symbolen.
Warum sichtbar? Weil überbaut werden kann – und auch muss, wenn ich ein zweites Tier desselben Kontinents und derselben Klasse nehme. Punktwerte zu überbauen, ist nicht so gut, denn dann sind sie futsch. Kompasse zu überbauen stört nicht, denn den Kompassmarker habe ich schon eingesackt. Überbauen hat übrigens auch Vorteile, denn jedes Mal, wenn ich dies tue, bekomme ich einen „Theorie-Marker“, der eine Punktebedingung für meine Schlusswertung definiert: beispielsweise ein Punkt pro Tier aus Australien oder ein Punkt pro Reptil.


Auf den Wegen von Darwin: Tableau

Was passiert? Ganze zwölfmal komme ich an die Reihe, ein Plättchen zu nehmen. Es ist also unmöglich, mein komplettes Vier-mal-vier-Raster zu befüllen. Man schafft höchstens einige Reihen. Und apropos Reihen: Anfangs zielen viele Spieler:innen intuitiv auf Zeilen und Spalten. Dabei kann es lukrativer sein, ein Tier zu überbauen, das seinen Zweck schon erfüllt hat, und dafür einen Theoriemarker mitzunehmen, der möglicherweise allein schon genauso viele Punkte einbringt wie eine komplette Reihe.
Allerdings bin ich in meiner Wahl eben sehr eingeschränkt. Zwischen gerade mal drei Plättchen wähle ich. Ob ich das vom Schiff aus gesehen erste, zweite oder dritte Plättchen nehme, bewirkt übrigens, dass das Schiff eins, zwei oder drei Schritte weitersegelt. Ich beeinflusse die Möglichkeiten der nachfolgenden Spieler:innen.
Manche Tiere bringen mir „Ortskundige-Marker“. Und diese Marker darf ich verwenden, um das Schiff zu versetzen, bevor ich ein Plättchen wähle. Oft besitzt man aber keinen Marker oder man besitzt nur einen, möchte das Schiff aber am liebsten um zwei bewegen. Oder es liegt auf der ganzen Welt gar kein Plättchen aus, das man gebrauchen könnte. (Nur zu fünft spielen alle Plättchen mit. In kleinerer Besetzung bleiben irgendwelche zufälligen Plättchen draußen.)
Soll in Summe heißen: Man muss es in AUF DEN WEGEN VON DARWIN öfter mal nehmen, wie es kommt. Gerade am Schluss kann es etwas unbefriedigend sein, wenn gar nichts mehr passt. In einem Spiel, das gerade mal zwölf Züge dauert und kaum Regeln hat, darf das aber mal sein.


Auf den Wegen von Darwin: Spielplan

Was taugt es? Die Regeln und die Wertungen sind absolut klar. In den Abläufen steckt nichts Hakeliges oder Überflüssiges. Weil mechanisch wenig Spektakuläres passiert und jeder der zwölf Spielzüge demselben Muster folgt, fühlt sich das Spiel leichtgewichtig an, Vielspieler:innen könnten schnell zu der Bewertung „seicht“ kommen. Die ich so nicht unterschreiben würde. Es lohnt sich schon, AUF DEN WEGEN VON DARWIN mehrmals zu spielen, weil man lernt, auf Auslage und Mitspieler:innen besser zu reagieren.
AUF DEN WEGEN VON DARWIN ist ein sehr rundes Spiel, zumal es auch hübsch gestaltet und hübsch ausgestattet ist. Auf zwei Seiten der Anleitung kann man mehr über Charles Darwin und seine Reisen erfahren. Um mich immer wieder an den Tisch zu locken, fehlen mir dann allerdings Abwechslung und auch irgendetwas Emotionalisierendes.


**** solide

AUF DEN WEGEN VON DARWIN von Grégory Grarg und Matthieu Verdier für zwei bis fünf Spieler:innen, Sorry We Are French.

Sonntag, 11. Februar 2024

e-Mission

e-Mission: Cover

Es ist die A-Mission, die wichtigste Mission, die Mission überhaupt: die globalen Temperaturen nicht immer noch weiter steigen zu lassen. Dass E-MISSION statt des A lediglich das E, also gerade mal den fünften Buchstaben des Alphabets, voranstellt, so als gäbe es von A bis D noch Besseres zu tun, irritiert – bis man das Titelwortspiel versteht: Ach so, es geht um Emission. Bei mir jedenfalls hat das länger gedauert. Aber ich bin ja auch schon über 35 und somit b-tagt.

Wie geht E-MISSION? Wir sind die Welt bzw. verschiedene Weltmächte. Unser Ziel ist es, weniger CO2 in die Luft zu blasen, als von Wäldern und Ozeanen gebunden werden kann. Das muss uns binnen sechs Runden gelingen. Die globale Temperatur darf derweil nicht zu sehr ansteigen, und alle Weltmächte müssen gesellschaftlich stabil bleiben.
Jede:r startet mit etwas anderen Voraussetzungen, China beispielsweise hat einen großen Energiebedarf, in den USA sind die Emissionen durch den Verkehr sehr hoch. Jede Weltmacht startet außerdem mit fünf etwas unterschiedlichen Projekten.

e-Mission: Weltmacht-Tableau

Ein Projekt ist eine Kartereihe. Bei Spielbeginn bestehen alle Projekte aus gerade mal einer Karte. Ich darf später weitere Karten anlegen: entweder obendrauf oder dahinter. Die vorderste Karte eines Projektes definiert, worum es in dem Projekt geht. Man könnte sagen, sie definiert eine Spielregel für mich. Beispielsweise: Ich darf eine Handkarte abwerfen, um meine Erzeugung sauberen Stroms um eine Einheit zu erhöhen.
Und ich könnte für die abgeworfene Karte sogar mehr als einen Marker für sauberen Strom bekommen: nämlich einen pro Stromnetz-Symbol in dem Projekt. Und das ist der Grund, um Karten auch mal hinterzuschieben: um dem Projekt hilfreiche Symbole hinzuzufügen. Alle Karten eines Projekts hinter der vordersten bringen ihre Symbole ein.

e-Mission: Projektkarten

Zu Beginn der nächsten Runde bekommen alle ein paar neue Handkarten: je unstabiler die Weltmacht schon geworden ist, desto weniger. Und bei Rundenende wird auf sehr einfache Weise ausgerechnet, wie viele Emissionen wir produzieren und um wie viele Schritte die globale Durchschnittstemperatur steigt. Höhere Temperaturen haben zur Folge, dass wir mehr negative Ereigniskarten („Krisen“) ausführen und häufiger den Globale-Folgen-Würfel werfen müssen. Dessen Ergebnisse sorgen dafür, dass wir Marker auf Skalen, die „Wetterextreme“ oder „Versauerung der Meere“ heißen, vorwärts schieben müssen, und wenn sie dort bestimmte Felder namens „Kipppunkt“ erreichen, passiert irgendetwas Negatives.


e-Mission: Spielplan

Was passiert? Auch wenn wir kooperativ agieren und uns absprechen dürfen, tüftelt jede:r auch für sich. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, um Karten an andere weiterzugeben, es gibt nur wenige Projekte, an denen sich alle beteiligen dürfen. Im Großen und Ganzen muss ich zusehen, wie ich meine eigene Weltmacht auf Kurs bringe. Deswegen können einige Aktionen parallel abgewickelt werden. Jede:r knobelt mit seinen Handkarten aus, ob und in welche Projekte sie gespielt werden sollen, ob sie zur Bezahlung benutzt oder mit in die nächste Runde genommen werden.
Kartenglück und Würfelglück sind nicht unerheblich. In meinen Runden wurde E-MISSION trotzdem meistens gewonnen, teilweise so ungefährdet, dass ich schon etwas enttäuscht war, wie leicht der Klimawandel im Spiel zu stoppen ist. Und ich war überrascht, hier und da im Netz zu lesen, E-MISSION sei zu schwer. Aber wie auch immer: Die Autoren haben diverse Varianten vorgesehen, um die Schwierigkeit nach oben oder unten anzupassen. Insofern sollte jede Gruppe das für sie passende Level finden können.


e-Mission: Krisenkarten

Was taugt es? Rein mechanisch gesehen ist E-MISSION gar nicht so spektakulär. Mit irgendeinem 08/15-Thema hätte mich das Spiel vermutlich weit weniger gekickt. Aber das ist eine müßige Überlegung, denn E-MISSION hat nun mal das Thema, das es hat. Und es bildet sein Thema hervorragend ab. Natürlich vereinfacht, aber gleichzeitig anschaulich und konkret. Ganz offenbar haben sich die Autoren sehr darum bemüht, den Stand der Forschung abzubilden (wobei mich persönlich stört, dass die Atomenergie im Spiel als positive Alternative gilt).
E-MISSION ist ein ambitioniertes Spiel. Auf jeder Karte befindet sich ein Barcode, den ich scannen kann, um detaillierte Erklärungen und weiterführende Links zu den einzelnen Karten zu erhalten. Theoretisch. Scannt man tatsächlich, erfährt man, dass dies bei der deutschen Ausgabe alles noch in Vorbereitung sei und erst „in Kürze“ realisiert werde.
Ich finde, wenn man ein solches Angebot verspricht, sollte man es vier Monate nach Veröffentlichung des Spiels auch realisiert haben. Und auch bei den wackeligen Tableaus und der Materialaufbewahrung wäre noch Luft nach oben gewesen.
Aber das ändert nichts daran, für wie bedeutsam ich E-MISSION halte: Endlich kommt der Kampf gegen den Klimawandel im Brettspiel an. Und zwar nicht als Alibithema, um dann doch nur wieder Siegpunkte zu sammeln. Endlich geht es um echte Themen, um DAS echte Thema, um das A-Thema. Endlich wird der Beweis angetreten, dass Spiele auch zum Klimadialog beitragen können.
Zu ATIWA hatte ich geschrieben: „Wir leben in der Klimakatastrophe, aber den meisten Spielen merkt man dies nicht an. Sie sind genau wie all die Jahre vorher auch. So als sei nichts.“ Ich bin froh, dass sich dies durch E-MISSION wieder ein bisschen ändert.


****** außerordentlich

E-MISSION von Matt Leacock und Matteo Menapace für eine:n bis vier Spieler:innen, Schmidt.

Mittwoch, 7. Februar 2024

Vor 20 Jahren (134): Nah dran!

Cabanga!

2004 – das war übrigens vor 20 Jahren – schrieb ich noch mehr Artikel für noch mehr Zeitungen als 2003. Es nahm langsam die Ausmaße einer Vollzeitbeschäftigung an, auch wenn ich diesen Schritt erst 2010 wagte, nachdem es tatsächlich noch mehr Artikel bei noch mehr Zeitungen geworden waren.

Die Presseverantwortlichen einiger Verlage flüsterten mir, ich sei „der Fleißigste“, womit gemeint war, dass ich besonders viele Belege schickte. In Tageszeitungen schrieb ich meistens Positivkritiken. Wenn ich monatlich eine Kolumne hatte oder dreimal im Jahr eine halbe Seite, wäre es aus meiner Sicht unklug, kostbaren Platz dafür herzugeben, ein Spiel erst vorzustellen, um dann zu resümieren, dass es doof sei. Ausnahme: irgendwelche seltenen Hype-Titel mit Lizenzthemen und Fernsehwerbung. Titel, von denen die Leute potenziell schon gehört haben könnten und besser gewarnt werden sollten.

Obwohl in der Fairplay hin und wieder ein Spiel von mir was auf den Deckel bekam, empfand ich meinen Beliebtheitswert bei den Pressestellen in Summe als recht hoch. Jedenfalls legte man mir vor der Spielwarenmesse von mehreren Seiten nahe, es könne doch auch Sinn machen, sich mal separat zu treffen, nicht nur mit den Fairplayern. Mir war der Sinn nicht so ganz klar. Und ich wollte das sowieso nicht. In mündlicher Kommunikation bin ich deutlich weniger fleißig als in schriftlicher Kommunikation. Gerne überließ ich den anderen Fairplayern das Wort und stellte mich daneben.

Einige Tageszeitungen traten mit Vorschlägen für Spielthemen jenseits von Rezensionen an mich heran. Ich sagte fast nie nein, auch wenn ich manche Themen nicht gut gewählt fand. Üblicherweise verrieten die Vorschläge, dass der Redakteur oder die Redakteurin von Spielen keine Ahnung hatte und sich von den üblichen Klischees leiten ließ. In der Folge bot ich also lieber selber Themen an, wenn mir welche einfielen.

Und ich fing auch an, für die Fairplay größere Berichte zu schreiben. Der erste im Jahr 2004 war fünf Heftseiten lang und handelte vom Nachwuchsautor:innen-Stipendium der Jury Spiel des Jahres. Während der Recherche wurde mir klar, dass ich trotz Fleißkärtchen in der Branche noch nicht wirklich bekannt war. Einem Verlagsredakteur, den ich interviewte und von dem ich gemeint hätte, dass jemand in seiner Position meinen Namen doch vielleicht schon mal gehört haben sollte, war offenbar ein Zettel hingelegt worden: „Udo Bartsch wegen Stipendium“. Als ich anrief, dachte er, ich sei der neue Stipendiat.



P.S. NAH DRAN! ist ein Schätzspiel von Franz-Benno Delonge aus dem Jahr 2004 (erschienen bei Piatnik), dessen Titel ich mir für die Überschrift ausgeborgt habe. In einem knappen Ausscheidungsrennen erschien mir das passender als GROSSE GESCHÄFTE, YES, GESCHENKT oder DER UNTERGANG VON POMPEJI. Das Foto zeigt verwirrenderweise CABANGA! (Michael Modler bei Amigo).


Freitag, 2. Februar 2024

Mischwald

Mischwald: Cover

Zurück zu den Reimen: MISCHWALD reimt sich auf „bis bald“, und das könnte bedeuten, dass es in naher Zukunft wieder Einleitungen gibt. Vielleicht auch nicht, schließlich ist der Reim echt grottig.

Wie geht MISCHWALD? Wir legen aus Karten einen heimischen Wald. Mit Bäumen und anderen Pflanzen, Pilzen und Tieren. Jeder Baum bietet Platz für vier andere Karten: eine unterhalb, eine oberhalb, eine links, eine rechts des Baumes. Was man wohin legen muss, ist leicht zu erkennen, denn außer den Bäumen sind alle Karten zweigeteilt: vertikal oder horizontal.
Auf beiden Hälften sind stets verschiedene Dinge abgebildet. Schiebe ich eine Karte von links unter den Baum, entscheide ich mich somit gegen das, was auf der rechten Kartenseite abgebildet ist.
Manche Karten sind kostenlos; sie auszuspielen kostet lediglich die Aktion. Für andere Karten muss ich bis zu drei meiner Handkarten abwerfen, um sie zu spielen. Manche bringen dann sofort einen Bonus (Doppelzug, Karte ziehen etc.), andere bringen einen Bonus, wenn die Karten, die ich zur Bezahlung einsetze, die geforderten Symbole zeigen.

Mischwald: Karten

Die Karten spiele ich natürlich, weil sie Punkte zählen sollen. Die einen zählen einen festen Punktwert, andere erfordern Mehrheiten. Die meisten zählen in Abhängigkeit von anderen Karten. Beispielsweise punktet ein Buchfink nur, wenn er auf einer Buche sitzt. Oder der Rothirsch bringt Punkte für alle Baum- und Pflanzensymbole in meinem Wald. Manche Karten zählen gar keine Punkte, sondern bringen Dauereffekte. Der Steinpilz besagt etwa, dass ich immer eine Karte ziehen darf, nachdem ich eine Karte oben an einen Baum lege.
In meinem Zug spiele ich entweder eine Karte. Oder ich nehme zwei vom Stapel oder aus der offenen Auslage. MISCHWALD endet sofort, sobald die dritte von drei Winterkarten auftaucht, die in den unteren Teil des Stapels gemischt wurden.


Mischwald: Kartenauslage

Was passiert? Ich sammle auf meiner Hand Karten, die wegen ihrer Wertungen zueinander passen. Ich sammle zugleich Symbole, um beim Ausspielen von Karten einen Bonus zu erhalten. Weil ich aber nur zehn Karten halten darf, kann ich nicht allzu viele Vorhaben gleichzeitig verfolgen. Immer wieder muss ich auch zwischendurch was ausspielen, ohne die perfekten Symbole zu besitzen oder ohne dass ich schon absehe, ob die gespielte Karte Teil einer glorreichen Kombination sein wird.
Ohnehin sitzt mir die Zeit im Nacken. Spätestens wenn die erste Winterkarte auftaucht, kommt eine gewisse Panik auf, ob man noch alles schafft, was man sich so erhofft und teilweise auch schon vorbereitet hat. Umgekehrt kann es auch Spieler:innen geben, die aus taktischen Gründen das Spielende beschleunigen wollen und für schnellen Kartendurchsatz sorgen.
Ein ganz wesentlicher Reiz von MISCHWALD besteht darin, die Kartenkombinationen überhaupt zu erforschen. Manche Zusammenhänge offenbaren sich schneller, andere erst nach mehreren Partien, zumal man in einem Durchlauf längst nicht alle Karten kennenlernen wird. Es macht Spaß, immer etwas Neues auszuprobieren. Aber interessanterweise macht es auch Spaß, immer dasselbe zu machen. Einige meiner Mitspieler:innen versuchen es mit immer gleichen Kombinationen und verlieren dennoch nicht die Lust an MISCHWALD. Es ist der Reiz, aus Lieblings-Masche beim nächsten Mal noch ein paar mehr Punkte herauszuholen.

Mischwald: Karten

Zwar kann ich in MISCHWALD Strategien verfolgen, dennoch hat das Spielgefühl wesentlich mehr mit Hoffen, Bangen und Spekulieren zu tun als mit Durchplanen und Vorausberechnung. Zu vieles ist ungewiss: welche Karten überhaupt im Spiel sind, auf welche ich je Zugriff habe, welche mir weggeschnappt werden – vielleicht nicht mal in böser Absicht, sondern nur wegen eines Symbols. Zu fünft spielt sich MISCHWALD unberechenbarer als zu zweit. Und mit geduldigen Sammler:innen spielt es sich anders als mit Runden, die viele Karten verklappen und schnell den Stapel schrumpfen lassen.

Was taugt es? In MISCHWALD muss man eine Menge Text- und Symbolinformationen verdauen. Die erste Partie wird deshalb wahrscheinlich recht langsam verlaufen. Die Regeln selbst sind aber gar nicht schwierig, und die Grafik unterstützt die Abläufe sehr gut.
MISCHWALD ist sehr schön illustriert. Und auch das Thema ist toll. Dadurch, dass wir Tiere und Pflanzen ausspielen, die wir kennen, ist der emotionale Bezug zum eigenen Tun viel höher als in einer ausgedachten Welt oder einer abstrakten Spielumgebung. Vieles ist thematisch auch absolut schlüssig: Dass etwa Kröten und Beeren unten am Boden und Vögel in die Baumkronen gespielt werden, dass Füchse für Hasen punkten oder Wölfe für Rehe. Oder überhaupt: dass in diesem Ökosystem alles miteinander verbunden ist.
MISCHWALD ist für mich ein Wohlfühlspiel: aufgrund des Idylls und aufgrund des Spielgefühls. Es hat Tiefe, ich treffe Entscheidungen, und weil ich mich nicht genötigt fühle, jedes Detail zu optimieren, geht es leicht von der Hand.


***** reizvoll

MISCHWALD von Kosch für zwei bis fünf Spieler*innen, Lookout Spiele.

Mittwoch, 31. Januar 2024

Gern gespielt im Januar 2024

AEON’S END LEGACY: Gegen Gefahren bestehen wir in vielen Spielen mit Gemeinschaft und Magie. In der Realität genügt hoffentlich Gemeinschaft.

PICK A PEN – GÄRTEN: Grüner Stift ersetzt grünen Daumen.

DARWIN’S JOURNEY: „Wachssiegelanforderung“, „Korrespondenzmehrheit“, „Linse-Ort“ – Du weißt, das Spiel ist nicht soo thematisch, wenn Begriffe vorkommen, die in Wortspielen garantiert niemand gelten ließe.

DER HERR DER RINGE – ADVENTURE BOOK GAME: Ringlein, Ringlein, du musst wandern.

PASST NICHT: Passt!







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM JANUAR:


BIER PIONIERE: Hier hat man bei den Worker-Figuren mal wirklich auf Diversität geachtet.