Samstag, 22. Mai 2010

Identik

„Auf dem Bild ist ein Junge zu sehen. Vor dem Jungen liegt ein aufgeklapptes Buch, dessen Seiten wie ein Schachtbrett gemustert sind. Auf diesem Schachtbrett stehen vier Figuren: ein König, ein Turm, ein Pferd, ein Läufer. Der Junge hat einen Pullover mit zwei Streifen an und hat seinen Kopf auf beide Hände gestützt. Der Junge sitzt übrigens rechts hinten im Bild...“ – Argh! Prinzipiell sind Gewaltanwendungen gegen Mitspieler natürlich zu verurteilen; manchmal aber sind sie unerlässlich.
Die Sanduhr läuft erbarmungslos, und mangels genauerer Anweisungen ihres „Meisters“ und in der Not, irgendetwas aufs Papier bringen zu müssen, haben die „Künstler“ den Jungen eben mittig ins Bild gesetzt. - Und nun plötzlich rechts...?

Wie geht IDENTIK? Schlechte Zeichnungen, notdürftige Korrekturen und dilettantisch ins Bild gequetschte nachträgliche Details sind bei IDENTIK an der Tagesordnung.
Der reihum wechselnde „Meister“ beschreibt ein Bild, das die anderen Spieler in der Rolle von „Künstlern“ so exakt wie möglich nachmalen müssen. Ohne es zu sehen, versteht sich. Doch selbst der „Meister“ tappt teilweise im Dunkeln, denn er hat keine Ahnung, um welche Kriterien es bei der anschließenden Punktewertung gehen wird.
Ist die Sanduhr durchgelaufen (erschütternd früh), wird anhand eines Kriterienkataloges ausgewertet: „Mindestens eine der Schachfiguren trägt eine Krone“, „Auf dem Pulli des Jungen ist mindestens ein waagrechter Strich“, „Auf dem Schachbrett sind mindestens 16 Felder“, „Im Käse sind mindestens vier Löcher“. – Argh! Welcher Käse??? Tja, so weit war der „Meister“ in seiner Beschreibung leider nicht gekommen.

Was passiert? Wir spielen ein völlig sinnfreies, albernes und ungerechtes Spiel und haben Spaß dabei. Und das ist eine verwirrende Erfahrung. Insbesondere für alle, die Mal-Spiele eigentlich verabscheuen und sich gegen das Gefühl von Amüsiertheit trotzdem kaum wehren können.
Die entstehenden Kunstwerke reizen zum Lachen. Und das Gelächter schwillt sogar noch stärker an, wenn jemand für seine krakelige Strichmännchen-Skizze die Höchstpunktzahl einheimst (oben im Bild: ein Original und seine Top-Interpretation).

Was taugt es? IDENTIK ist ein gutes, unterhaltsames Partyspiel. Zu einem sehr guten Partyspiel fehlen jedoch ein paar Prozent: Der Aufschreibblock zum Notieren der Punkte verwirrt und verschwendet jede Menge Papier. Die Punktwertung - so egal sie für ein Spiel dieser Art auch sein mag - bestraft den „Meister“ für gute Bildbeschreibungen, anstatt ihn zu belohnen. Und eine Obergrenze für die Mitspielerzahl festzulegen, hätte auch nicht geschadet. Ab sieben oder acht Teilnehmern zieht sich IDENTIK dann doch.

IDENTIK von William P. Jacobson und Amanda A. Kohout für drei oder mehr Spieler, Asmodee.

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