Dienstag, 31. Juli 2018

Gern gespielt im Juli 2018

CODENAMES DUETT: Yeah, in neun Monaten einmal um die ganze Welt gespielt! Und jetzt Feierabend und Füße hoch? Natürlich nicht. Noch einmal um die Welt mit den alten CODENAMES-Begriffen und dann noch einmal um die Welt mit einem Mix!


KRASSE KACKE: Können diese Katzenaugen lügen?


PAPER TALES: Erst vier, dann fünf: Die Einwohnerzahl meines Reiches entspricht exakt Lummerland.


CENTURY – FERNÖSTLICHE WUNDER: Meine offensichtliche Hochbegabung für Gewürzhandel hat etwas sehr Beruhigendes. Wenn es mit dem Spielejournalismus mal nicht mehr so gut laufen sollte, gibt es Alternativen.


DOMINION: Bei vielen Spielen mit x Erweiterungen fragt man sich ja: Wer soll denn bloß die Zielgruppe für Erweiterung x+ 1 sein? Bei DOMINION weiß ich es: Ich!



ASYL: Seit ich erfahren habe, dass es bei dem Spiel darum geht, Schiffbrüchige auf dem Mittelmeer zu retten, spiele ich es sogar noch lieber.



Samstag, 28. Juli 2018

Bring mich nicht mit (24): Conex

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Doch REZENSIONEN FÜR MILLIONEN macht keine Sommerferien. Völlig folgerichtig geht es hier deshalb um solche Spiele, die man besser nicht mitbringt.


So geht Marketing: Obwohl viele Spiele mittelmäßig sind, gilt es, unverdrossen immer wieder so zu tun, als sei das vorliegende irgendwie besonders. Sonst kauft es ja keiner. Und so geht die Bring-mich-nicht-mit-Serie: Obwohl alle vorgestellten Spiele langweilig sind, gilt es, unverdrossen immer wieder so zu tun, als sei das vorliegende irgendwie besonders langweilig. Sonst liest das ja keiner.

CONEX – so steht es als Präambel in der Anleitung – sei „kein normales Kartenspiel“. Seine Entwicklung sei – und das wiederum steht auf der Schachtel – das Ergebnis „orchestrierter Handwerkskunst“ „multidisziplinär“ arbeitender „Produzenten, Designer, Künstler und Spiele-Enthusiasten“.

Außerdem ist CONEX ein Legespiel. Farbsegmente auf den Spielkarten zeigen, wie Karten auf bereits liegende Karten gelegt werden dürfen. Entsprechend der Zahl im Farbsegment zählen sie dann Punkte. Achtung, Spoiler, ich verrate die beste Strategie: Sie besteht darin, so zu legen, dass es möglichst viele Punkte bringt. Habe ich die Wahl, meine Karte für vier oder für zwei Punkte anzulegen, wähle ich die Variante mit vier Punkten.

Um den strategischen Ansatz des Spiels zu vertiefen, lösen manche Karten zudem einen Würfelwurf aus. Mit unterschiedlichen Folgen: Vielleicht darf ich außer der Reihe eine Karte ziehen. Oder ich darf zwei ziehen. Zukünftig habe ich mehr Auswahl. Oder ich gewinne einen „2x-Stern“. Der bringt, wenn man ihn einsetzt, doppelte Punktzahl. Und, Achtung, ich spoilere erneut: Die beste Strategie im Umgang mit dem 2x-Stern ist: ihn einzusetzen!

Gewiss: Man hat meist mehrere Karten auf der Hand und muss somit mehrere Möglichkeiten prüfen. Und es gibt ein paar Legeregeln: Karten dürfen nicht mehrere Karten berühren und auch nicht über die Tischkante ragen. Aber nur weil man Dinge beachten muss und DesignerProduzentenKünstler den Spiele-Enthusiasten bei der Komposition unter die Arme gegriffen haben, wird aus einer Gruppenübung an Belanglosigkeit noch kein besonderes Spiel.

Trotzdem bin ich bereit, mich mit dem Marketing von Haba darauf zu einigen, dass CONEX ungewöhnlich ist. Denn wären alle Kartenspiele wie CONEX, müsste man das Kartenspielen aufgeben und zu einem der großen Irrtümer der Menschheit erklären.

Und nachdem sich nun herausgestellt hat, dass die angebliche Besonderheit von CONEX nur ein Lockvogel war, damit es jemand kauft, nehmen Sie es mir hoffentlich nicht übel, dass sich auch die von CONEX ausgehende Langweilige nicht wesentlich von anderen langweiligen Spielen unterscheidet. Übrigens habe ich das in der Einleitung auch gar nicht behauptet, sondern allenfalls als Möglichkeit in den Raum gestellt. Sie wissen schon: damit es jemand liest.


** misslungen

CONEX von Prospero Hall für zwei bis vier Spieler, Haba.

Dienstag, 24. Juli 2018

Bring mich nicht mit (23): Black Stories Investigation

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Doch REZENSIONEN FÜR MILLIONEN macht keine Sommerferien. Völlig folgerichtig geht es hier deshalb um solche Spiele, die man besser nicht mitbringt.


Verbrecher lauern im Verborgenen. Um ihrer dennoch habhaft zu werden, gibt es Deduktionsspiele. Das Geld der Kunden lauert ebenfalls im Vorborgenen. Um seiner habhaft zu werden, schreibt man „Black Stories“ auf Deduktionsspiele, selbst wenn sie überhaupt nicht darauf abzielen, ähnlich skurrile Stories zu erzählen wie die eigentlichen BLACK STORIES. Also etwas ziemlich anderes sind als das, was man unter "Black Stories" kennt.

In BLACK STORIES INVESTIGATION zieht jeder Spieler eine Mordfallkarte. Sie definiert, ob ein Mann / eine Frau bei Tag / bei Nacht draußen / drinnen erschossen / erstochen wurde. Was genau passiert ist: Das sollen die Mitspieler herausfinden.

Dazu haben alle Spieler drei weitere Karten mit zwei bis vier Mordfall-Merkmalen auf der Hand. Wer am Zug ist, legt eine vor einem Mitspieler ab, der nun verraten muss, wie viele Merkmale mit seinem Fall übereinstimmen. Wer meint, dass er einen Fall lösen kann, darf dies versuchen. Im Erfolgsfall gewinnt er Punkte.

Bislang hatte ich ja angenommen, dass Ermittler nach dem Täter fahnden, nicht nach dem Mordopfer, aber wie ich immer wieder feststelle, sind meine Annahmen über das Justizwesen verklärt oder schlichtweg falsch. Deshalb mag es durchaus so sein, wie in BLACK STORIES INVESTIGATION dargestellt. Die Schuldigen, das ist in vielen Lebensbereichen zu beobachten, stehen sowieso vor Beginn der Untersuchung fest, weshalb man am besten gar nicht länger untersucht.

Der Killer des Spiels steht übrigens auch fest, weshalb man BLACK STORIES INVESTIGATION am besten gar nicht länger spielt. Killer des Spiels ist folgende Regel: Das Spiel endet am Ende der Runde, nachdem jemand seinen dritten Lösungsversuch unternommen hat. Völlig egal, ob alle Versuche erfolgreich waren. Es zählt auch keine Minuspunkte, wenn nicht.

Wer sich um gründliche Recherche bemüht, ist der Dumme. Nicht nur weil er auf Rateversuche verzichtet. Auch weil gelöste Fälle abgeräumt und durch neue ersetzt werden. Spieler A löst den Fall von Spieler B, Spieler B löst den Fall von Spieler A. Und Spieler C sieht sich in seinem letzten Spielzug mit zwei völlig neuen Fällen konfrontiert, zu denen noch keinerlei Informationen vorliegen.

Völlig unnötig degradiert sich das Deduktionsspiel zum Ratespiel. Je länger ich drüber nachdenke: Vielleicht steht genau deswegen „Black Stories“ im Titel?


** misslungen

BLACK STORIES INVESTIGATION von Lisbeth Bos für zwei bis vier Spieler, moses.

Freitag, 20. Juli 2018

Bring mich nicht mit (22): Emoji Twist!

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Doch REZENSIONEN FÜR MILLIONEN macht keine Sommerferien. Völlig folgerichtig geht es hier deshalb um solche Spiele, die man besser nicht mitbringt.


Emojis sind allgegenwärtig. Und es entspricht der Logik des Marktes, Allgegenwärtiges noch allgegenwärtiger zu machen, indem man es auf Kleidung, Bettwäsche, Lebensmittelverpackungen, Klopapier und andere Dinge des täglichen Lebens druckt. Die Hoffnung ist, dass der Kunde dann zwei Rollen Klopapier kauft statt einer oder, wenn doch nur eine, dann wenigstens die mit dem Aufdruck.

In jüngster Zeit kommen vermehrt Spieleverlage auf die Idee, Emojis auf Spieleschachteln zu drucken, allerdings ist das im Detail nicht ganz so einfach wie bei Klopapier. Das Problematische ist die Ware. Bei Klopapier, klaro, ist es Klopapier. Bei Spielen … ein Spiel. Aber was für eins?

Wie kann man mit Emojis spielen? Welche Spielidee ergibt sich aus der Emoji-Welt? Welchen Twist können Emojis einem Spiel verleihen? Das sind Fragen, mit denen sich ein Verlag vorab beschäftigen muss. Und es kann natürlich sein, dass die Antwort lautet: „Ist doch wurscht, bei Klopapier fragt auch keiner.“

Die Idee von EMOJI TWIST! ist folgende: Es wird ein Wimmelbild mit ganz vielen Emojis aufgedeckt: Einhörner, Palmen, Herzchen, Affen und so weiter. Per Drehpfeil wird ausgelost, um welche der acht Sorten es in der laufenden Runde geht. Sagen wir: Palmen. Und nun zählen alle Spieler ganz schnell, wie viel Palmen zu sehen sind, und schnappen sich die entsprechende Zahlenkarte von fünf bis 15. Wer die richtige greift, gewinnt einen Punkt.

Die Runden zwei bis 21 laufen genauso, nur mit anderem Wimmelbild. Der Witz von Emojis? Kommt nicht vor. Die kreativen Ausdrucksmöglichkeiten mit Emojis? Kommen nicht vor. Die Vielfalt der Emoji-Welt? Kommt nicht vor. Emojis fungieren in EMOJI TWIST! lediglich als Abbildungen ohne weitere Bedeutung.

Bei Kleidung, Bettwäsche, Lebensmittelverpackungen, Klopapier ist das legitim. Kaum jemand dürfte erwarten, dass die Nudeln anders schmecken, nur weil ein Spieler der deutschen Nationalmannschaft darauf abgebildet ist. Spiele allerdings wollen als urheberrechtlich relevante Werke gesehen werden. Austauschbare Inhalte mit wechselndem Aufdruck tragen sicher nicht dazu bei, um dieses ambitionierte Selbstbild in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken.


** misslungen

EMOJI TWIST! von Arno Steinwender für zwei bis sechs Spieler, Ravensburger.

Montag, 16. Juli 2018

Vor 20 Jahren (64): Der Spieleladen

Dort, wo das weiße Auto parkt, war früher "Der Spieleladen"

Ich war schon immer Spieler. Aber so richtig Spieler wurde ich erst, nachdem ich die coolen Spiele kennenlernte. Also andere als RISIKO, PLAYBOSS, DIPLOMACY, von denen ich bis dahin bloß dachte, sie seien cool.

Das erste coole Spiel, das mich erkennen ließ, welch falsches Leben ich führe, wenn ich in großen Kaufhäusern nach Spielen stöbere, war KREML. Denn KREML und Ähnliches gab es natürlich nicht in großen Kaufhäusern. Sondern im legendären „Der Spieleladen“ am Schwarzen Bären. Der wurde, als ich 1987 in Hannover zu studieren begann, immer häufiger mein Anlaufpunkt.

Man kann es Zufall nennen oder Vorhersehung, aber der Laden lag an derselben U-Bahn-Linie wie die Landesbibliothek. Man musste lediglich das Aussteigen verpennen oder sich im entscheidenden Moment zu schwach fühlen – eine Station weiter war man schon am Ziel … ähm, ich meine natürlich am Laden, also allenfalls am unterbewussten Sekundärziel.

In diesem Laden gab es ungefähr alles, was es damals geben konnte. Kleinverlage, Kleinstverlage und Importware. Und alle Spiele geöffnet. Man konnte reingucken und staunen, und so habe ich viele seinerzeit hochgehandelte Spiele von innen gesehen (aus Faszinationsgründen auch mehrmals), lange bevor ich sie jemals gespielt habe. Oder auch ohne sie jemals zu spielen.

Zeitweilig hing ich so oft in dem Laden ab, dass ich mich befugt fühlte, andere Kunden bei ihrem Einkauf zu beraten oder mich mit Leuten dort zum Spielen zu verabreden. Ich entdeckte hier Spielezeitschriften und abonnierte die spielbox und – auf Anraten des Ladenbesitzers – die Fairplay. Und ich kaufte natürlich ein. Es war einfach großartig (aber seinerzeit normal), dass man, wenn man soeben BILLABONG oder TITAN kennengelernt hatte, spontan losmarschieren und sich das Spiel kaufen konnte und es dann sofort in Händen hielt. Lechz!

Warum ich das alles erzähle? Erstens natürlich weil früher alles besser war. Zweitens weil vor genau 20 Jahren dieser tolle Laden schloss. Die Miete sollte – so hörte ich – drastisch erhöht werden, weil der Vermieter wohl meinte, aus seiner Immobilie mehr herauspressen zu können. Was offenbar aber ein Irrtum war. Gefühlt fünfzehn der letzten zwanzig Jahre stand die Ladenfläche nun leer.

Die vielen Jahre vor der Ladenschließung waren mein Glück. Durch den Spieleladen bekam ich einen überwältigenden optischen Eindruck, was es an Spielen alles gab: Moskito, Hans im Glück, franjos, Doris & Frank, Fata Morgana, White Wind … Und obwohl ich niemals Mitglied der internen Ladenspielerunde werden durfte – was ich, wie man an meiner häufigen Erwähnung dieses Umstands vielleicht ablesen kann, bis heute nicht verwunden habe –, konnte ich in den 90ern dank freundlicher Leihgaben die ganzen Neuheiten gezielt durchspielen.

Ohne diesen Spieleladen wäre ich womöglich niemals der Spielemaniac geworden, der ich heute bin. Nicht auszudenken, vielleicht wäre ich jetzt Lehrer oder so etwas. Danke, Spieleladen! Danke!

Donnerstag, 12. Juli 2018

Gaia Project

„Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“, heißt es in einem Schlager der 1930er-Jahre. Im Gegensatz zu vielen anderen Parolen jener Zeit würde ich dieser sogar zustimmen, denn tatsächlich konnte ich neulich zwei Nächte nutzen, um mich endlich einmal auch dem Solo-Spiel von GAIA PROJECT zu widmen. Sobald ich jetzt noch herausfinde, welche Tageszeit für den Restschlaf vorgesehen ist, fängt ein ganz neues Leben für mich an.


Wie geht GAIA PROJECT? So ungefähr wie TERRA MYSTICA. Das darf es auch, weil es der Nachfolger von TERRA MYSTICA sein soll und von denselben Autoren stammt. GAIA PROJECT ist also wieder ein friedliches Ausbreitungsspiel, bei dem jeder mit einem anderen Volk, anderen Startbedingungen und Fähigkeiten antritt.
GAIA PROJECT spielt im Weltraum, die Optik ist futuristischer, statt Holzfiguren gibt es nun welche aus Kunststoff. Im Unterschied zu TERRA MYSTICA wird im eigentlichen Sinne nicht mehr terraformt. Zwar kostet es genau wie früher (mehr oder weniger) Ressourcen, um fremdes Land bewohnbar zu machen, doch die besiedelten Planeten behalten ihre Farbe, was sich für weitere Effekte im Spiel nutzen lässt und in meinen Augen einen kleinen Vorteil darstellt … wie übrigens so einiges. GAIA PROJECT erfindet TERRA MYSTICA zwar ganz bestimmt nicht neu, rundet aber ab, verfeinert, fügt hinzu.


Was sind die Unterschiede? Das All (also das Spielfeld) in GAIA PROJECT kann in jeder Partie etwas anders aussehen, indem man die zehn Spielplatten anders zusammenfügt. Auch die Schlusswertungen variieren. Sechs mögliche Wertungen gibt es, zwei davon werden zu Spielbeginn ausgelost. TERRA MYSTICA war durch die verschiedenen Völker bereits sehr variabel. Und GAIA PROJECT ist nun noch variabler.
Während man bei TERRA MYSTICA seine Priester für Aufstiege in den Kulten einsetzen konnte oder zur Verbesserung von Schifffahrt bzw. Terraforming, sind nun beide Anliegen zusammengefasst: Ich steige in sechs Forschungsbereichen auf, was mir wie die Kulte Punkte und Macht einbringt. Gleichzeitig verbessere ich mein Können in bestimmten Sparten. Drittens ist die Forschung mit dem Erwerb von Technologien verknüpft und der Erwerb von Technologien wiederum mit Forschung. Das ist sehr elegant und – weil die Technologien in jeder Partie anders mit der Forschung zusammenhängen können – in jeder Partie eine neue Herausforderung.
Der Machtkreislauf wurde ebenfalls etwas variiert, es gibt eine zusätzliche Ressource namens Q.I.C, und eine Planetenart verhält sich anders als die anderen. Insgesamt ist GAIA PROJECT ein bisschen umfangreicher.


Lohnt sich das? Für alle, die das Originalspiel für perfekt halten, lohnt sich GAIA PROJECT wohl nicht, da jede Änderung des perfekten Spiels eine Verschlechterung sein muss.
Insofern kann ich mich glücklich schätzen, dass ich trotz Wertschätzung nie zu den riesengroßen Fans von TERRA MYSTICA zählte. Aus meiner Warte hat GAIA PROJECT gewonnen: Es ist (noch) variabler. Das wunderbar verdichtete Forschungstableau empfinde ich als sehr großen Fortschritt. Und wenn man will, kann man GAIA PROJECT sogar solo spielen. Wie ich allerdings festgestellt habe, will ich das eher nicht.
Zwar simuliert das Solospiel sehr gut das Vorhandensein eines Mitspielers, der mir Planeten und Einsetzfelder wegschnappt, durch seine Bauten Möglichkeiten zum Machtgewinn eröffnet, sich je nach gewähltem Volk unterschiedlich verhält, passt oder nicht passt, Punkte sammelt und womöglich sogar gewinnt. Das Solospiel ist nahe am Original und beileibe kein Spaziergang. Es kann helfen, um GAIA PROJECT einzuüben und mit den Völkern zu experimentieren.
Mir fällt aber auf, dass ich GAIA PROJECT – trotz langer Spieldauer – mit Menschen als wesentlich spannender erlebe. Wenn Menschen statt Zufallsfaktoren entscheiden, habe ich mehr Angst, dass mir Aktionen weggeschnappt werden, ärgere ich mich mehr, falls mir jemand zuvorkommt, freue ich mich mehr, wenn es läuft. Das spricht trotzdem nicht gegen das Solospiel als solches. Es ist ein gelungenes zusätzliches Angebot, das man nutzen kann oder eben auch nicht.
Mich überzeugen viele Dinge an GAIA PROJECT: Mein Volk verlangt, dass ich strategisch spiele, um seine Stärken bestmöglich auszunutzen. Die Rundenboni und Aktionen der Gegner verlangen, dass ich taktisch spiele. Es geht nicht nur darum, was ich mache. Sondern auch um Zeitpunkt und Reihenfolge. Manchmal will ich Mitspielern zuvorkommen, manchmal will ich ihre Entscheidungen aussitzen und reagieren.
Und schließlich natürlich: die 14 Völker! Vierzehn! Jedes, das ich zum ersten Mal ausprobiere, versieht GAIA PROJECT mit einem kleinen Dreh, bringt neue Möglichkeiten, stellt andere Herausforderungen. Dank GAIA PROJECT bin ich nun auch endlich Fan des TERRA MYSTICA-Spielsystems. Ich würde jederzeit mitspielen. Auch nachts.


****** außerordentlich

GAIA PROJECT von Helge Ostertag und Jens Drögemüller für einen bis vier Spieler, Feuerland.

Mittwoch, 4. Juli 2018

Imaginarium

In IMAGINARIUM produzieren wir Träume und das finde ich großartig! Tatsächlich träume ich recht häufig von Spielen, was wohl daran liegt, dass ich auch sehr häufig an Spiele denke. IMAGINARIUM allerdings war noch nie mein Traumgegenstand. Was läuft da schief?

Wie geht IMAGINARIUM? IMAGINARIUM ist eins der vielen Spiele, in denen man Rohstoffe produziert, um mit Rohstoffen etwas zu bauen, das dann noch mehr Rohstoffe produziert. In der Wertung spielen die Rohstoffe aber nur eine kleine Rolle. Punkte gibt es beim Erreichen bestimmter Spielziele, die in jeder Partie etwas anders gemixt sind.
Maschinen stellen die Rohstoffe her. Jeder Spieler hat nur für vier Maschinen Platz, doch glücklicherweise lassen sich manche Maschinen zusammenschrauben. Sie zählen dann nur als eine und werden außerdem produktiver. Logischerweise strebt man solche Verbindungen an.
Zweite Besonderheit von IMAGINARIUM ist die Aktionsauswahl. Jeder Spieler führt pro Durchgang zwei von sechs möglichen Aktionen aus. Deren Kombination ist nicht beliebig. Jede Aktion darf nur mit zwei anderen kombiniert werden: das Zusammenschrauben mehrerer Maschinenteile beispielsweise nur mit dem Anwerben eines Assistenten oder dem Verschrotten einer Karte. Wer kein Geld für einen Assistenten hat oder keine Karte zum Verschrotten lässt das Zusammenschrauben vielleicht bleiben, weil er sonst eine Aktion verfallen lassen müsste.
Die Spielziele bringen drei bis fünf Punkte für denjenigen, der sie als Erster erreicht. Alle, die das später schaffen, erhalten einen Punkt weniger. Ziele können sein: zwei Angriffsmaschinen besitzen, eine kombinierte Maschine aus drei Maschinenteilen besitzen, drei Assistenten besitzen, 15 Geld besitzen usw. Das Spiel endet, wenn jemand 20 Punkte hat. Am Schluss gibt es noch Mehrheitswertungen in jeder der vier Ressourcen-Arten.


Was passiert? Obwohl IMAGINARIUM nur über etwa zehn Durchgänge geht, fühlt sich das Spiel langsam an. Das liegt erstens am Einstieg. Welche Maschinenteile wie kombiniert werden dürfen und mit welchem Effekt, muss trotz eindeutiger grafischer Hilfestellung sehr gründlich erklärt werden und sorgt dennoch für Nachfragen. Dies ist aber nur ein Problem der ersten Partie.
Dass IMAGINARIUM auch in späteren Partien lange dauert, liegt am Spielrhythmus. Erst entscheiden sich die Spieler, welche Maschinenkarte sie kaufen möchten, was im Nebeneffekt die zukünftige Spielerreihenfolge definiert. Anschließend und in der neuen Reihenfolge produziert jeder, kauft die gewählte Karte und führt seine zwei Aktionen durch. Alles passiert also nacheinander, nichts gleichzeitig. Und weil man von den Entscheidungen anderer abhängt, kann man nicht komplett vorausplanen.
In den ersten Durchgängen sind die Ziele noch weit entfernt, die Spieler kommen scheinbar kaum voran. Im Finale erreicht man die Ziele Schlag auf Schlag und oft auch mehrere gleichzeitig. Nach behäbigem Beginn stürmt IMAGINARIUM plötzlich seinem Ende entgegen – was gewiss besser ist als der behäbige Beginn. Doch erscheint mir IMAGINARIUM recht mühsam für das, was es letztendlich bietet.
IMAGINARIUM könnte ein Strategiespiel sein, denn die Partie-Ziele stehen von Beginn an fest. An welche Maschinenteile ich herankomme, ob ich gute Kombinationen bilden und Synergien herstellen kann, hängt jedoch davon ab, welche Karte wann in den Markt gelangt, an welcher Position ich dann sitze und wie sich die Spieler vor mir entscheiden. Es geht darum, Gelegenheiten zu erkennen und zu ergreifen. Aber es sind nur Gelegenheiten, die sich ergeben ... oder eben nicht ergeben.
Oft sind die Assistenten (sie verleihen bestimmte Fähigkeiten) spielentscheidend. Auch wenn ich einige Assistenten für arg schwach halte, finde ich dieses von Cathala schon häufiger verwendete Element in IMAGINARIUM generell gelungen, denn mittlerweile habe ich etliche Assistenten-Kombinationen als siegbringend erlebt. Und nach jeder Partie sind die Verlierer sofort der Meinung, die Kombination des Siegers sei die ultimativ beste. Tatsächlich lässt sich die angeblich unschlagbare Kombination schon deshalb nicht so leicht reproduzieren, weil die Verfügbarkeit der Assistenten genauso zufällig ist wie die Verfügbarkeit der Maschinenteile.


Was taugt es? IMAGINARIUM ist ein Spiel der Nöte: zu wenig Platz für die Maschinen, keine freie Aktionswahl, immer zu wenig Geld. Auch wenn im Detail neue Ideen enthalten sind, fühlt sich das Spiel insgesamt herkömmlich an. Und sogar etwas zäh.
Eine eingeschlagene Richtung lässt sich nicht mehr wesentlich korrigieren. Die Zwänge sind wie ein Korsett; außerdem geht das Spiel über zu wenige Durchgänge, um viel Bewegung zuzulassen.
IMAGINARIUM bindet das vollkommen aufgesetzte Thema an keiner Stelle des Spiels ein. Es erzählt keine Geschichte und hat auch kein logisches Ende, sondern bricht mitten im Prozess des Maschinenpark-Aufbaus ab – dürfte aber auch kaum länger dauern, weil das System vermutlich gar nicht länger tragen würde: Hinter den Sichtschirmen der Spieler häufen sich Ressourcen an, die sich nicht mehr verarbeiten oder eintauschen lassen. Um der unvermeidlichen Überproduktion künstlich Sinn zu verleihen, gibt es die Mehrheitswertungen.
Um es ganz kurz zu sagen: IMAGINARIUM ist taktisch interessant und deshalb nicht „misslungen“, aber weit entfernt von gut, originell oder elegant und für mich deshalb nicht mehr als „mäßig“.


*** mäßig

IMAGINARIUM von Bruno Cathala und Florian Sirieix für zwei bis fünf Spieler, Bombyx.