Sonntag, 16. Februar 2020

Dinosaur Island

Spielen bildet? Das wird allgemein behauptet. Aber während ich spiele, verpasse ich das Kinoprogramm, die tollsten Serien, Theater, Literatur, Musik und überhaupt das halbe Leben. Nicht mal JURASSIC PARK habe ich gesehen; unzählige Referenzen von DINOSAUR ISLAND gehen vermutlich an mir vorbei. Dinosaurier als solche sind mir immerhin bekannt, weshalb ich mich für DINOSAUR ISLAND als gerade noch so eben qualifiziert ansehe.

Wie geht DINOSAUR ISLAND? Wir bauen einen Dinopark. DINOSAUR ISLAND nutzt dafür zahlreiche Eurogame-Mechanismen. Wir setzen Figuren ein, kaufen Ausbauten, erwerben spezielle Fähigkeiten. Das Erschaffen der Dinos ist „wie SIEDLER“: Gebe ich bestimmte Materialkombinationen ab (in diesem Fall DNS), bekomme ich einen Stegosaurus, T-Rex oder was immer.

Je mehr und je bessere Dinos ich in meinem Park heranzüchte, desto mehr Leute lockt dies an. Sie bringen mir Eintrittsgelder und Punkte. Allerdings mischt auch der Zufall mit. Die Kundschaft ziehen wir aus einem Beutel. Ein Achtel seines Inhalts sind „Rowdys“, die man lieber nicht erwischt. Sie mogeln sich nämlich an der Eintrittskasse vorbei und zählen nicht mal Punkte.
Auch verstorbene Gäste sind problematisch. Und leider sterben immer wieder mal welche, denn mit der Zahl der Dinos wächst in meinem Park auch die Bedrohung. Übersteigt sie meine Sicherheitsvorkehrungen, büßen einige Schaulustige ihr Leben und ich wertvolle Punkte ein.

Was passiert? Wir spielen keine feste Zahl von Runden. Sondern wir losen zu Spielbeginn Zielkarten aus. Wurden alle bis auf eine von irgendwem erfüllt, endet die Partie. Das hält die Spielzeit in Grenzen, führt aber – vor allem bei Verwendung der Ziele für „kurze Spieldauer“ oder auch „mittlere Spieldauer“ – dazu, dass manche Spielelemente kaum greifen.
Ziele und „Variationskarten“, die pro Partie zwei Spielregeln ändern, bewirken unterschiedliche Verläufe. Mal pflastern wir die Parks mit Souvenirläden voll. Oder bauen wie besessen das Labor aus. Oder horten DNS. Abwechslung ist natürlich gut, weil man seine Spielweise immer wieder anders justieren muss. Allerdings führen manche Ziele vom eigentlichen Anliegen weg, mit vielen Dinos viele Leute anzulocken. DINOSAUR ISLAND bleibt seinem Thema da nicht ganz treu.
Mit zunehmender Partienzahl wächst sogar mein Verdacht, dass die Variabilität Schwächen im Spieldesign übertüncht. Einige Expert*innen und einige Bauten sind saustark, andere praktisch überflüssig. Der Kosten-Nutzen-Effekt so mancher Anschaffung scheint mir fraglich. Immer wieder kommt es vor, dass man Aktionen durchführen dürfte – aber es ist gar nichts Interessantes mehr möglich. Man tröstet sich dann damit, dass in der nächsten Partie vielleicht eine Variante kommt, die die Sache in ein anderes Licht rückt.


Was taugt es? DINOSAUR ISLAND hat mich in den ersten Partien ziemlich begeistert. Das Thema ist toll; etwas aufzubauen und mit Ressourcen zu haushalten, macht sowieso Spaß. Und dass man stets am schmalen Grat zwischen Attraktivität und Mortalität herumtänzelt, macht die Angelegenheit extraspannend.
Besonders gut gefällt mir der Mechanismus rund ums Labor. Das Labor ist wie ein Figureneinsatz-Spielplan – aber nur für mich allein. Jedes Labor startet mit derselben Ausstattung. Nach und nach wertet man Segmente auf, so dass wir bald individuelle Labore besitzen.
DINOSAUR ISLAND hat noch diverse andere Mechanismen und diverse andere Schauplätze. Sie sind jedoch nur locker miteinander verwoben. Die erste Phase findet mit Würfeln und einer weiteren Sorte Figuren auf Spielplan A statt, die zweite Phase mit jeder Menge Plättchen und Karten auf Spielplan B und so weiter. Das ist nicht nur ein großer Platz- und Materialaufwand. Der vorgegebene Ablauf leitet die Spieler*innen stark, anstatt ihnen Freiheiten zu schaffen.
Mittelmäßig finde ich vor allem die erste Phase. Würfel bestimmen, welche DNS verfügbar ist. Fällt das Ergebnis unattraktiv aus, hat DINOSAUR ISLAND hier viel Staub aufgewirbelt, aber wenig Spiel erzeugt. Von JURASSIC-PARK-Fans habe ich erfahren, dass die DNS natürlich aus Bernstein gewonnen werden muss und dass die aufwändigen Würfel diesen Bernstein symbolisieren. Okay, das erklärt’s. Doch rein nach Nutzwert betrachtet: Eine zufällige Materialauswahl hätte man auch einfacher, zum Beispiel per Karte, herstellen können, und dann auch ausgewogener und bedarfsorientierter.
Man kann aber auch anders argumentieren: DINOSAUR ISLAND hat vielleicht ein paar kleine Unwuchten, es hat Ecken und Kanten, aber damit zurechtzukommen ist unsere spielerische Aufgabe. DINOSAUR ISLAND ist nicht so durchdesigned, dass unzählige gleichwertige Wege zum Erfolg führen und man sogar in der x-ten Partie noch neue Strategieansätze findet. Es ist ein Spiel der Sorte „Nimm’s, wie es kommt, und mach’ das Beste draus“.
Auch wenn ich die Mechanismen nicht als besonders originell und optimal verdichtet empfinde und mir mehr Tiefe gewünscht hätte, wäre ich bei weiteren Partien ohne zu zögern dabei. Die trashige Leitmotiv, dass wir eine unkontrollierbare Bedrohung auf die Menschheit loslassen, nur um damit Geld und Ruhm zu erwerben, macht vieles wett. In der Realität wäre so etwas zum Glück undenkbar.


**** solide

DINOSAUR ISLAND von Jonathan Gilmour und Brian Lewis für einen bis vier Spieler*innen, Feuerland.

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