Freitag, 10. September 2021

Vor 20 Jahren (105): Sternenschiff Catan

Vor 20 Jahren gab es kein YouTube! Neben allen anderen entsetzlichen Folgewirkungen war deswegen auch das Gesicht von Spielekritiker:innen weit weniger bekannt als heute. Mit der Zeit konnte man trotzdem so langsam herauskriegen, wer wie aussah. Man lernte sich auf Messen kennen. Oder Zeitschriften wie spielbox oder Fairplay stellten ihre Autor:innen mit Fotos im Heft vor.

Oder man nahm, wie ich im Jahr 2001, an einem Journalist:innen-Treffen teil, bei dem der Kosmos-Verlag seine Herbstneuheiten vorführte. Viele Kolleg:innen, denen ich da begegnete, erkannte ich sofort und wusste, welchem Medium ich sie zuzuordnen hatte. Umgekehrt galt das allerdings überhaupt nicht, auch wenn so ziemlich alle freundlicherweise behaupteten, sie hätten meinen Namen wohl irgendwo schon mal gelesen … vielleicht.

Und das war auch okay. Denn in meiner Eigenwahrnehmung war ich damals noch ganz jung. Es gab ja kein YouTube, da konnte ich das denken. Als YouTube dann kam, wurde mir schlagartig klar: Ich hatte mich geirrt. Ich bin alt! Aber lassen wir das.

Übrigens war ich ja auch gar nicht zum Netzwerken hingefahren. Netzwerken liegt mir ungefähr so gut wie Töpfern oder Reckturnen, also kein bisschen. Anlass meines Kommens waren die Herr-der-Ringe-Neuheiten, die Kosmos präsentieren wollte. Ich hatte einen Artikelauftrag einer Literaturzeitschrift ergattert und wollte frühestmöglich Eindrücke der Spiele sammeln können.

Vor Ort faszinierte mich dann aber ein ganz anderes Spiel viel mehr. Genau deshalb steht sein Name auch in der Überschrift, und man fragt sich, warum ich erst im fünften Absatz endlich dazu komme: STERNENSCHIFF CATAN von Klaus Teuber!

Im Zentrum des Spiels stehen vier verdeckte Stapel mit je zehn Karten. Im Laufe des Spiels erwerbe ich Fähigkeiten, a) um tiefer in diese Stapel hineinzufliegen, also mehr Karten davon aufdecken zu dürfen, und b) um mehr der aufgedeckten Karten zu nutzen. Dieser Mechanismus mischt auf sehr elegante Weise Taktik mit Gedächtnis mit Glück mit Zock.

In jedem Spielzug entscheide ich mich zwecks Befliegung für jeweils einen dieser Stapel. Natürlich überlege ich, welcher mir am ehesten weiterhilft (Taktik). Hilfreich wäre es, mir so halbwegs gemerkt zu haben, was drin ist (Gedächtnis). Dann sollten die Karten möglichst auch noch in einer für mich günstigen Reihenfolge aufgedeckt werden und möglichst ohne blöde Überraschungen wie Piraten (Glück). Und immer bevor ich die jeweils nächste Karte kennenlerne, muss ich entscheiden, ob ich die aufgedeckte Karte für eine Aktion nutzen möchte oder auf Besseres warte (Zock). Es kann sein, dass ich meine erhofften Ziele mangels Reichweite gar nicht finde. Und es kann sein, dass ich mich zu früh mit Mittelmaß zufriedengebe.

Den Hineinflieg-Mechanismus finde ich so stark, dass ich mich wundere, wie selten er mir in der Folgezeit untergekommen ist. Klaus Teuber selbst hat ihn noch mal in NORDERWIND verwendet, kleine Parallelen sehe ich auch bei GALAXY TRUCKER. Überhaupt hat Klaus Teuber gern mit dem Entdecken von Kartenstapeln gearbeitet. In LÖWENHERZ (Goldsieber-Version) gibt es zwei, in VERNISSAGE sogar sieben zufällig zusammengestellte Haufen, die man im Laufe des Spiels entdeckt. Der Unterschied: Man nimmt sich Karten von dort, die Stapel dünnen aus. Ansonsten ändert sie ihre Zusammenstellung aber nicht, also lohnt es sich auch hier, im Kopf zu behalten, welche Karte wo war. Und auch hier zockt man. Wenn zwischenzeitlich wer anders den Stapel genommen hatte, weiß man nämlich nicht: Ist das Erhoffte noch drin?

Wie viel Spielreiz man mit dem Erkunden von Kartenstapeln erzeugen kann, hat mir zuletzt PALEO gezeigt. Vielleicht wird die Folgewirkung diesmal eine größere sein und der Grundmechanismus von PALEO häufiger kopiert und variiert als der von STERNENSCHIFF CATAN. Damals, so mein Eindruck, ist das Spiel irgendwie in einem Weltraumloch verloren gegangen (keine Empfehlung von Spiel des Jahres, nicht unter den Top 10 beim Deutschen Spielepreis). Für die Freaks war es womöglich zu sehr „Ach, schon wieder CATAN!“ und für die CATAN-Gemeinde wiederum nicht catanig genug und auch zu schwierig.


1 Kommentare:

gutzumerken hat gesagt…

Tatsächlich hat mich das Catan-Branding damals abgeschreckt.

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