Montag, 31. Januar 2022

Gern gespielt im Januar 2022

ARCHE NOVA: Tiere schön und gut. Aber im Grunde ist mein ganzer Zoo nur symbolisch gemeint.

PALEO – EIN NEUER ANFANG: Ganz schlechter Trip zu den Xrip.

DUNGEON, DICE & DANGER: Roll & die.

KHORA: Warum können die Griechen sich eigentlich nicht riechen?

SO KLEEVER: Endlich ein Spiel, das mich versteht!








UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM JANUAR:

ULTIMATE RAILROADS: Wo wären Kettenzüge passender als in einem Eisenbahnspiel?







Freitag, 28. Januar 2022

Harry Potter – Kampf um Hogwarts: Die Zauberkunst und Zaubertränke-Erweiterung

HARRY POTTER – KAMPF UM HOGWARTS ist ein kooperatives Wohlfühlspiel. Trotz niedriger Schöpfungshöhe und klarer Design-Schwächen übt das Spiel einen schwer erklärlichen, hohen Wiederspielreiz aus.
Die erste Erweiterung (DIE MONSTERBOX DER MONSTER, besprochen in spielbox 1-2021) schlägt in dieselbe Kerbe. Sie bringt wenig originell „Nachsitzen“-Karten ins Spiel (in DOMINION heißt so etwas „Fluch“), und gelangt die Gruppe nicht rechtzeitig an Karten, die „Nachsitzen“ entsorgen, setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, die sich nur noch selten aufhalten lässt. Die Szenarien sind schwer und können etliche Anläufe erfordern.
Auch DIE MONSTERBOX DER MONSTER ist wieder nur eine Komposition längst bekannter Zutaten, die obendrein nicht mal besonders kunstvoll verknüpft wurden – übt aber dank des Themas und der Koop-Mechanik einen großen Sog aus. Man will es einfach schaffen, und notfalls probiert man es noch mal. Und wenn man es geschafft hat, will man es mit anderen Charakteren schaffen. Und so weiter.


Was bringt die Erweiterung ZAUBERKUNST UND ZAUBERTRÄNKE? Zaubertränke natürlich. Das ist eine neue Kartensorte, die wir ebenfalls für unsere Decks erwerben können und mit Zutaten bezahlen müssen. Zutaten wiederum sind Chips, die wir bekommen, falls in unseren Zügen bestimmte Dinge passiert sind. Oft ist das gar keine Kunst. Anweisungen können beispielsweise lauten: „Du hast eine zusätzliche Karte gezogen“ oder „Es liegt ein Verbündeter bei den Hogwarts-Karten aus.
Die Zutaten benötigen wir zweitens für eine neue Art von Dunkle-Künste-Karten, genannt „Dunkle-Künste-Tränke“. Die haben einen dauerhaften negativen Effekt, und um sie loszuwerden, muss man Zutaten sammeln. Sozusagen für das Gegengift.
Ansonsten ist als neuer Charakter Ginny Weasley dabei, und es gibt natürlich auch wieder neue Begegnungen, neue Feinde und neue Hogwarts-Karten, wobei aber auffällt, dass die Buch- und Filmvorlagen mittlerweile wohl so ziemlich abgegrast sind. Die neuen Bösewichte sind notgedrungen ziemliche No-Names, zweite Garnitur.


Was passiert? ZAUBERKUNST UND ZAUBERTRÄNKE ist deutlich leichter zu gewinnen als DIE MONSTERBOX DER MONSTER. Das liegt an mindestens vier Dingen: 1. Alle Charaktere haben nun noch eine Zauber-Fähigkeit. Jeder startet also mit drei statt mit zwei Sondereigenschaften. 2. Es sind noch mal etliche Karten mit Entsorge-Möglichkeit ins Spiel gekommen. Selbst wenn man mit „Nachsitzen“ spielt, wird man nicht überflutet. 3. Die Bösewichte sind nicht so stark. 4. Zaubertränke sind relativ leicht zu erwerben, sogar ohne dass die normale Kaufkraft dadurch verloren geht. Unsere Decks werden schneller stärker.
Wir haben nicht nur jede Partie gewonnen. Wir haben überhaupt nie einen Ort verloren. Das muss man nicht schlimm finden. Der Sieg über das Böse ist ja im Sinne der Buchvorlage. Und falls gewünscht, gibt es sicher Wege, das Spiel mit eigenen Anpassungen so zu verändern, dass es wieder anspruchsvoller und spannender wird.
Meine Kritik betrifft hauptsächlich den Zutaten-Mechanismus, der das Spiel aufbläht und verzögert. Nach jedem Zug muss erst mal rekapituliert werden, welche Zutaten-Bedingungen erfüllt worden sind, dann ordnet man die freigeschalteten Zutaten den Tränken zu, bei erworbenen Tränken muss man nun entscheiden, ob sie sofort eingesetzt werden sollen oder später, und schließlich rutschen alle Zutaten auf dem Tableau nach unten. Und das Spiel gewinnt durch all das leider nichts.


Was taugt es? Fans von HARRY POTTER – KAMPF UM HOGWARTS benötigen natürlich auch diese Erweiterung, allein schon der Vollständigkeit halber. Der Reiz des Spiels besteht in der Überraschung, welche Kombination aus Kreaturen und Bösewichten uns entgegentritt, welche Wechselwirkungen mit Begegnungen und Dunklen Künsten eintreten und wie wir uns dessen erwehren. Mehr Bösewichte, Dunkle Künste usw. zu haben ist also schon ein Gewinn, weil noch mal andere krasse Kombinationen entstehen können.
Zusätzlichen Mehrwert würde ich dieser Erweiterung allerdings nicht zubilligen. Obendrein stört, dass die Kartenbeschaffenheit anders ist als im Grundspiel und in der ersten Erweiterung, auch der Druck ist deutlich heller, und es sind seltsamerweise nur zwei Kartentrenner enthalten.


*** mäßig

HARRY POTTER – KAMPF UM HOGWARTS: DIE ZAUBERKUNST UND ZAUBERTRÄNKE-ERWEITERUNG von Forrest Pruzan für zwei bis fünf Spieler:innen, Kosmos.

Montag, 24. Januar 2022

Chakra

Ein Lieblingsvorwurf meiner Spielerunden lautet: Ich erkläre die Spiele immer technisch, nicht thematisch. Bei thematischer Erklärung würde man das alles viel besser verstehen.
Zur Hälfte mag das stimmen. Nämlich: Ja, ich bevorzuge tatsächlich die technische Erklärung. Aber: Nein, eine thematische Erklärung führt meiner Erfahrung nach nicht zu einem besseren Verständnis.
Warum mir das ausgerechnet bei CHAKRA einfällt? Ähm, ich sage nur: Chakren ausrichten, Bhagya-Blase, gelinderte Energie, Inspirationsstelle, Beutel des Universums.


Wie geht CHAKRA? Auf unseren Tableaus veranstalten wir ein Wettrennen mit Kristallen. Grüne Kristalle sollen zum grünen Sammelpunkt, gelbe zum gelben und so weiter. Sind drei passende Kristalle auf ihrem Zielfeld beisammen, zählt das Punkte, und das Feld wird fortan von anderen Kristallen übersprungen, was Bewegungsschritte einspart.
Blöde schwarze Kristalle stören dabei. Erst wenn sie die gesamte Laufstrecke absolviert haben, bin ich sie los, und sie zählen einen Punkt. Leider kriege ich immer wieder schwarze. Nämlich beim Nehmen neuer Kristalle, was einer der möglichen Spielzüge ist. Ich darf aus drei Portionen in der allgemeinen Auslage wählen, auch Teilmengen. Aber: Ich darf nur verschiedenfarbige Steine nehmen. Und: Einen schwarzen darf ich nie weglassen.
Neue Kristalle setze ich üblicherweise am Startpunkt meiner Laufstrecke ein. Ich darf auch abkürzen und die Steine mittendrin beginnen lassen, zum Beispiel auf dem Zielfeld von Grün. Das kostet einen meiner fünf Aktions-Chips, den ich hier als Pfand hinterlegen muss und erst zurückerhalte, wenn alle grünen Kristalle im Ziel sind.
Ansonsten benötige ich meine Chips für den am häufigsten gewählten Zug: das Kristallhopsen. Dafür belege ich ein Aktionsfeld und führe die dort abgebildeten Bewegungsanweisungen aus, zum Beispiel: „ein Stein zwei Felder vorwärts, ein anderer ein Feld vorwärts“. Meine Möglichkeiten schränken sich fortwährend ein. Besetzte Aktionsfelder kann ich nicht mehr nutzen, und irgendwann habe ich keine Chips mehr. Dann muss ich einmal aussetzen, um die Chips von den Aktionsfeldern zurückzunehmen.


Was passiert? Die liebliche Anmutung von CHAKRA führt auf die falsche Fährte: CHAKRA ist ein Taktikspiel, es geht um Effektivität. Ich will die Kristalle schnell zu ihren Zielorten bugsieren, ich will möglichst wenige Züge mit Aussetzen vergeuden, und dazu wiederum will ich Chips, die ich als Pfand hinterlegt habe, möglichst schnell zurückholen.
Dabei gibt es einiges zu optimieren. Beispielsweise sind die Aktionsfelder nicht allesamt gleichstark. Im besten Fall erhalte ich drei Kristallschritte, im schlechtesten Fall nur einen. Den Bestfall darf ich aber nur wählen, wenn er auch ausführbar ist. Das ist er manchmal nicht, weil ich ungenügend vorausgeplant und die Kristalle so ungünstig platziert habe, dass sie sich gegenseitig blockieren.
Einiges ist auch schlichtweg Glück: Das Kristallangebot passt mal besser, mal schlechter. Manchmal dauert es ewig, bis ich endlich den ersehnten dritten einer Farbe bekomme. Womit er zwar noch immer nicht am Ziel ist, aber wenigstens besteht nun die Chance. Nichts ist ärgerlicher als eine am Ende nur fast fertige Sammlung: Alle Züge für ihren Aufbau waren dann für die Katz.
Manchmal ist das auch gar kein Pech. Oder höchstens Pech mit den Mitspieler:innen: Irgendeine gehässige Bhagya-Blase fand, ich solle den dritten gleichfarbigen nicht haben und hat ihn lieber selber genommen.


Was taugt es? CHAKRA ist ein ordentliches Spiel. Es ist nicht der x-te Abklatsch von irgendwas, es ist spannend, unsere Entscheidungen sind relevant, vor allem das Chip-Management reizt. Ich würde CHAKRA jederzeit mitspielen, aber die Kernidee ist nun auch nicht so unwiderstehlich, um das Spiel selber vorzuschlagen. Zumal es gar nicht so leicht ist, das passende Zielpublikum zu finden. Als mittelschweres Taktikspiel ist es vielen Normalos nicht spaßig, vielen Freaks jedoch nicht fordernd genug.
Zwei Dinge gefallen mir nicht so: 1. die Haptik. Die kleinen Edelsteine sind als Setzsteine recht ungeeignet. 2. die Wertung. Komplettierte Farben zählen am Schluss zwischen einem und vier Punkten. Wie viel genau, ist völliger Zufall. Den Wert einer der sieben Farben kenne ich von Beginn an, bei jedem Aussetzen darf ich mir den Wert einer weiteren Farbe geheim ansehen.
Meine Hoffnung, dieses Wissen taktisch nutzen zu können, hat sich selten erfüllt. Es ist uneffektiv, eine begonnene Sammlung abzubrechen und nutzlos im Weg herumliegen zu lassen, nur weil sich herausgestellt hat, dass eine andere Farbe mehr Punkte zählt. Mir bleibt während einer Partie gar nicht die Zeit, um groß umzuschwenken. Und wenn ich merke, dass andere, die den Wert von Dunkelblau kennen, wie besessen Dunkelblau sammeln, wird es mir auch nicht mehr so leicht gelingen, jetzt noch drei dunkelblaue Kiesel abzubekommen.


**** solide

CHAKRA von Luka Krleža für eine:n bis vier Spieler:innen, Game Factory.

Donnerstag, 20. Januar 2022

Paleo – Ein neuer Anfang

Ein neuer Anfang ist immer das Schwerste.

Was bringt EIN NEUER ANFANG? Wie zu erwarten war: neue Module. Aber nicht einfach nur mehr desselben: Unsere Steinzeitzivilisation hat sich ein bisschen weiterentwickelt. Statt nur jagend und sammelnd von der Hand in den Mund zu leben, unternehmen wir nun auch erste Schritte zu Landwirtschaft und Tierzucht.
Damit das funktionieren kann, werden einige Kartenstapel (Träume, Erfindungen, Geheimnisse) ergänzt; die Stammeskarten und die Basiskarten werden komplett durch andere ersetzt. Das bedeutet auch, wieder neu überrascht zu werden, was im Wald, im Gebirge und am Gewässer so geschieht. Obendrein kommen auch zusätzliche Kartenrückseiten ins Spiel, mit denen wir erst Erfahrungen sammeln müssen. Unsere Welt justiert sich also neu.
Wesentliche Regeländerung: Nahrung verdirbt jetzt am Ende der Runde, mit Ausnahme von Getreide, das allerdings roh nicht essbar ist und deshalb immer wieder mal in Nahrung umgewandelt werden muss. Und Tiere können wir, statt sie zu töten, auch einfangen. Dann geben sie ein regelmäßiges Einkommen (üblicherweise Nahrung oder Fell), allerdings müssen wir Zäune bauen, um die Tiere von den Vorzügen der Sesshaftigkeit zu überzeugen. Und Tierzucht lohnt sich erst so richtig mit einer vollen Weide. Das wiederum kann dauern, und bis dahin ist eine Hungerstrecke zu überwinden.


Was passiert? Das Spielgefühl ist dem des Grundspiels sehr ähnlich. Wieder ist das Entdecken unserer Welt das zentrale Grundprinzip. Wieder sprechen wir uns ab und koordinieren unsere Handlungen, wägen ab, welcher Schritt als nächster kommen soll und wie wir langfristig unsere Siegpunkte sammeln. Wir fallen an einigen Stellen herein, haben mal Glück und mal Pech, aber lernen dazu, und das Wissen befähigt uns schließlich, die Szenarios zu bestehen.
Im Gegensatz zum Grundspiel haben meine Mitspieler:innen und ich diesmal kein einziges Szenario im ersten Anlauf geschafft. Schwierigkeiten bereitete uns vor allem der Stamm der Xrib bei seinen beiden Auftritten. Die Dramaturgie der Szenarios ähnelt aber trotzdem dem Gewohnten: Anfangs sind wir schwach, kriegen dauern eins auf den Deckel und müssen um unser Überleben bangen. Wenn es halbwegs gut läuft, kommen wir irgendwann an den Punkt, wo wir unsere Ohnmacht überwinden und selbst Dinge gestalten können. Und kommt dieser Punkt früh genug, reicht es schließlich zum Sieg.
Während es im Grundspiel nach Erreichen dieses Punktes meist schnell ging (und auch schnell gehen musste, weil man sonst den Wald leergejagt hätte), dauerten die erfolgreichen Partien bei EIN NEUER ANFANG erheblich länger. Manchmal gab es über mehrere Runden ein Patt: Wir hatten keine Verluste, aber wir gewannen auch keinen Punkt.


Was taugt es? Die Erweiterung bereitet mir nicht weniger Spaß als das Grundspiel, und das Grundspiel finde ich weiterhin „außerordentlich“, somit könnte man fragen, warum ich hier nur „reizvoll“ vergebe. Auf keinen Fall will ich damit ausdrücken, das Spiel sei durch die Erweiterung schlechter geworden. Die Erweiterung entwickelt die Gedanken und Leitlinien des Grundspiels weiter. Das ist völlig okay, mehr hätte ich gar nicht erhofft – aber es ist nicht mehr ganz so überraschend. Der wesentliche Teil an Innovation und Schöpfungshöhe steckt nun mal im Grundspiel.
Es gibt wieder einiges auszuprobieren, einiges herauszufinden, wir erleben ein paar neue Geschichten, es eröffnen sich neue Wege. Nicht alle haben sich als gleichermaßen erfolgreich erwiesen. Für PALEO-Fans ist die Erweiterung eine klare Bereicherung, sie wird aber wohl niemanden neu zu PALEO bekehren.
Mein einziger Kritikpunkt ist die Anleitung. Hans im Glück ist für mein Empfinden wie schon im Grundspiel zu optimistisch, dass alle Karten und Anweisungen von allen verstanden werden. Ja, zugegeben, vermutlich ist es uns letztendlich gelungen, alles richtig zu deuten. Doch manchmal hatten wir Zweifel, und bei einem kooperativen Spiel stört mich das tatsächlich noch mehr als bei einem kompetitiven. Rein um den Spielenden Sicherheit zu geben, wünschte ich mir, die Anleitung hätte einen noch ausführlicheren Teil zum Nachschlagen.


***** reizvoll

PALEO – EIN NEUER ANFANG von Peter Rustemeyer für zwei bis vier Spieler:innen, Hans im Glück.

Mittwoch, 12. Januar 2022

Scout

FAQ Rezensionen für Millionen (Auszug)

Frage: Das letzte außerordentliche Spiel ist kaum länger als fünf Wochen her. Werden hier künftig mehr Spiele mit „außerordentlich“ bewertet?
Antwort: Nur wenn sie außerordentlich sind.

Wie geht SCOUT? Irgendwas mit Zirkus. Aber das vergessen wir gleich wieder. Und ersetzen es durch: Irgendwas mit Karten.
Wir wollen unser Blatt loswerden und dabei viele Stiche machen. Gewonnene Karten zählen je einen Pluspunkt, übrige Handkarten je einen Minuspunkt.
Spiele ich aus, muss ich die derzeit liegende Kombination (= eine beliebige Menge gleicher Zahlen oder eine beliebig lange Straße) übertrumpfen. Dazu muss ich mehr Karten spielen. Oder mindestens genauso viele, dann aber bessere: Gleiche Werte schlagen Straßen, höhere Werte schlagen niedrigere.
Kann oder will ich nicht übertrumpfen, spiele ich nicht aus, passe aber auch nicht. Sondern: Ich nehme eine der Karten aus der ausliegenden Kombination (deren Besitzer:in dafür einen Punkt erhält) und füge sie meinem Blatt hinzu. Und zwar an beliebiger Stelle und in beliebiger Ausrichtung.
Das ist deshalb wichtig, weil wir Kombinationen nur ausspielen dürfen, wenn die Karten auf der Hand direkt nebeneinander stecken. Anfangs, nach dem zufälligen Austeilen, passt naturgemäß wenig zueinander. Gelingt es mir aber später, zwischen der Sieben und der Neun eine Acht einzufügen, habe ich schon mal eine akzeptable Straße beisammen.
Und die Ausrichtung? Jede Karte zeigt zwei mögliche Werte. Was so herum eine Drei ist, ist andersherum vielleicht die Sechs. Das ist schon bei Spielbeginn wichtig. Wir dürfen das Blatt zwar nicht verändern, aber immerhin entscheiden, was oben und was unten sein soll.


Was passiert? Üblicherweise starte ich mit einem mittelmäßigen Blatt in die Runde und hoffe, diese oder jene störende Karte loszuwerden, damit von beiden Seiten zusammenwächst, was zusammengehört. Ich verfolge also von Beginn an einen gewissen Plan, aber ob ich ihn auch durchsetzen kann, muss sich zeigen.
Ich verstärke mich mit Karten aus den Serien der Konkurrenz. Teils gezielt. Manchmal auch nur aus der Not heraus, weil ich das Vorgelegte nicht überbieten kann und irgendwas nehmen muss. Ich versuche, mir eine Mega-Kombination auf der Hand anzusparen, gleichzeitig darf ich mich nicht darin verlieren. Die Runde ist nicht nur vorbei, wenn jemand alle Karten wegspielt. Sie endet auch, wenn ein Stich ungeschlagen die Runde macht.
Um das zu verhindern, muss ich meine Mega-Kombination eventuell schon früher raushauen als gewünscht. Statt sie weiter zu verstärken, opfere ich sie. In ihrer Unvollkommenheit wird sie nun wohl leider von irgendwem übertrumpft werden können. Doch manchmal ist dies das kleinere Übel. Man schätzt ab: Kann A den Stich von B schlagen? Dann soll A das mal tun, ich schraube weiter an meinem Blatt. Oder ist A zu schwach und ich muss eingreifen?
Zu fünft darf man sich längere Sammelpausen gönnen, weil Stiche weite Wege machen müssen und nur selten ungeschlagen die Runde drehen. Zu dritt ist diese Gefahr deutlich größer, hier wird deshalb aggressiver abgestochen. Aber wie auch immer: SCOUT balanciert und justiert sich selbst: Stiche, die als gefährliches Monstrum auf die Reise gehen, werden an jeder Station ein bisschen gerupft und auf ein zähmbares Maß heruntergestutzt.


Was taugt es? SCOUT mischt Zutaten, die bekannt wirken. Auch in ABLUXXEN und KRASS KARIERT spielen wir Kombinationen, um unsere Karten loszuwerden. Auch in ABLUXXEN verbessern wir unsere Blätter gezielt mit Tischkarten und dürfen dabei den Bogen nicht überspannen, weil wir sonst auf ganz viel Minus sitzen bleiben. Und auch in KRASS KARIERT dürfen wir wie in SCOUT die Karten nicht umstecken.
Aber: SCOUT fügt die Prinzipien in ungekannter Eleganz zusammen. Das Geschehen ist schlüssig und harmonisch und braucht weder Sonderkarten wie KRASS KARIERT noch Entscheidungsbäume wie ABLUXXEN. SCOUT wirkt im Vergleich klassisch-reiner, weil es auf wenigen klaren Grundregeln basiert. Neben dem Stich gibt es keine weiteren Auslagen. Es gibt keine Joker. Es gibt einfach nur 45 Karten mit Zahlen von eins bis zehn. Aber eben doppelt! Allein der Kniff, alle Karten mit zwei alternativen Zahlen zu versehen, genügt, um SCOUT hinreichend Würze und Tiefgang zu geben.
Nicht so gelungen ist neben der pseudothematischen Einbettung die Anleitung, die in Oink-typischer Mikro-Schrift verfasst ist und hohe Aufmerksamkeit für inhaltliche Details erfordert. Unnötigerweise lassen sich die Karten nur in eine Richtung auffächern. Und die Sonderregeln für zwei Personen sind ein Behelf. Selbst eine Partie zu dritt ist wegen der geringen Fehlertoleranz für den Anfang nicht optimal. Zu viert oder fünft klappt der Start am besten.


****** außerordentlich

SCOUT von Kei Kajino für zwei bis fünf Spieler:innen, Oink Games.

Freitag, 7. Januar 2022

Vor 20 Jahren (109): Zoki

Ich! Da! 2002! (C) Wolfgang Friebe

ZOKI stammt laut Boardgamegeek aus dem Jahr 1996 und hat gerade mal 20 Bewertungen mit einem Durchschnitt von sehr mäßigen 5,2. Ein schreckliches Missverständnis? Wahrscheinlich. Denn ZOKI ist, folgt man den Ausführungen des Autors (der nach eigenen Angaben auch Mathematiker, Berufsmusiker, Unternehmer, Philosoph, Erfinder und Spieltheoretiker ist) weit mehr als nur ein Spiel. ZOKI ist vielmehr ein universelles System, das alle positiven Elemente des Spielens in sich vereint.

Okay, man hätte auch einfach nur „Spielesammlung“ dazu sagen können. Aber wie mittelmäßig klingt das denn?

ZOKI besteht aus 34 Plättchen, die an ihren Seiten in verschiedenen Kombinationen bis zu drei farbige Balken zeigen. Die erfinderische Leistung besteht nun darin, dass sich mit diesem reduzierten Material recht viele Spiele spielen lassen. Und nicht irgendwelche, sondern „das ultimative Kombinationsspiel“, das „A und O der Memory-Spiele“ sowie das „Strategiespiel des 21. Jahrhunderts“. Und viele mehr.

Man mag es kaum glauben: Wolfgang Friebe und ich wären auf der Spielwarenmesse 2002 in Nürnberg beinahe am ZOKI-Stand vorbeigelatscht, ohne die Sensationen auch nur eines Blickes zu würdigen. Zum Glück schlug das Personal Lärm und wandte sanfte Gewalt an, bis wir uns am Tisch niederließen und einige der Spieleperlen sofort probieren mussten.

Spiel eins: neun der Teile zu einem passenden 3-mal-3-Raster puzzeln! Möglicherweise wirkten wir schon jetzt gar nicht so begeistert. Aber egal: „If you don’t like the game, no problem“. Schon kam das nächste: ein Memo-Spiel, bei dem Plättchen-Paare mit exakt zwölf Balken gesucht sind. Auch nicht gut? „If you don’t like the game, no problem“. Wie wär’s mit einem Legespiel, bei dem man für jeden zusammengefügten Balken einen Punkt gewinnt? Was laut Eigenwerbung übrigens sogar Schach in den Schatten stellt. Und natürlich: „If you don’t like the game, no problem“ …

In der Annahme, ZOKI müsse eine Neuheit sein (sonst hätten wir von einer derartigen Granate doch sicher schon mal gehört), schaffte es das Spiel sogar in den 2002er-Messebericht der Fairplay. Und zwar als einer von fünf Beiträgen, die ich schrieb, um meine Anwesenheit in Nürnberg zu rechtfertigen.

Ich war nämlich erstmals vor Ort, kannte mich kein bisschen aus und stolperte den anderen Fairplayern hinterher. Die Hallenstruktur war verwirrend, das über zig Orte verstreute Gesamtangebot an Spielwaren war überhaupt nicht zu erfassen. Und es gab unfassbar viel Trash. Plastikscheiß. Billig-Elektronik. Wegwerfspielzeug. Müll, den hoffentlich niemand je kaufen würde.

Ich hatte nicht viel erwartet, aber ich war trotzdem enttäuscht von der Messe. Viel Business, wenig Atmosphäre. Ich fühlte mich nicht heimisch, und wenn ich mein Foto von damals anschaue, passte ich auch schon rein optisch überhaupt nicht dazu. Ich beschloss, nie wieder hinzufahren. Und dass dieser Vorsatz goldrichtig war, sieht man schon daran, dass ich ihn seitdem erst 18 Mal gebrochen habe.


Dienstag, 4. Januar 2022

Die Rote Kathedrale

Neues Jahr, altes Problem.

Wie geht DIE ROTE KATHEDRALE? Wir bauen die Moskauer Basilius-Kathedrale. Aber nicht kooperativ. Wie es bei Großbauten häufig der Fall ist, wurden auch hier mehrere Bautrupps gleichzeitig angeheuert, und sie konkurrieren nun darum, als ruhmreichster aller Bautrupps ausgezeichnet zu werden.
Ein Spielzug könnte darin bestehen, dass ich einen der noch nicht vergebenen Bauabschnitte für mich reklamiere. Oder bis zu drei Materialien zu meinen Bauabschnitten liefere (und bei Fertigstellung Punkte und Geld erhalte). Oder Materialien beschaffe und einlagere.
Die Materialbeschaffung ist der Kernmechanismus. Auf einem achtfeldrigen Rondell kreisen fünf Würfel. Um Ressourcen zu erhalten, setze ich einen Würfel um seine Augenzahl vorwärts. Die Multiplikation der Symbole des erreichen Feldes (beispielsweise zwei Holz) mit der Anzahl der nun hier versammelten Würfel (maximal drei) ergibt meinen Ertrag.
Jedem Feld ist außerdem eine von vier Sonderaktionen zugeordnet (in jeder Partie andere), die ich zusätzlich ausüben darf. Und: Im Laufe des Spiels werden meine Würfel weitere Eigenschaften annehmen. Dann kassiere ich vielleicht, wenn ich mit dem gelben Würfel ziehe, obendrein immer einen Ziegel, oder beim blauen Würfel auch den Ertrag des Feldes, auf dem gerade der rote Würfel liegt.


Was passiert? Obwohl nur die Wahl zwischen fünf Würfeln besteht, fällt einigen Mitspieler:innen die Entscheidung schwer. Die vielfältigen Folgen, die ein einziger Zug haben kann, überblickt man nicht so leicht. Oder weiß nicht recht, wie man sie gewichten soll: Der grüne Würfel könnte zum Edelstein ziehen, wo schon ein anderer Würfel wartet, was deshalb schöne zwei Edelsteine einbringt. Allerdings hat der grüne Würfel noch keine zusätzliche Eigenschaft, und die Sonderaktion des Feldes passt aktuell auch nicht so gut. Und jeder Zweitwürfel an einem Ort ist auch immer eine potenzielle Vorlage für einen dritten. Womöglich sahnt hier später irgendwer noch mehr ab … grübel, grübel.
Bei Beendigung der Aktion werden alle Würfel am aktivierten Ort neu geworfen, was spielmechanisch wohl sinnvoll ist, aber nicht sehr intuitiv, weshalb es wieder und wieder vergessen wird. Dass die Würfelzahlen sich schnell ändern können, erschwert die Planung und provoziert, dass man erst nachzudenken beginnt, sobald man am Zug ist.

Den Sammelmechanismus prägen Augenblicksentscheidungen. Eine strategische Komponente kommt über die Mehrheitenwertung ins Spiel. Die Kathedrale besteht aus mehreren verschieden hohen Türmen, die abhängig vom Grad ihrer Fertigstellung bei Spielende Punkte ausschütten. Wer am meisten beigetragen hat, bekommt die volle Punktzahl, die anderen bestenfalls die Hälfte. Das kann gerade bei hohen Türmen ein großer Unterschied sein, weshalb die Mehrheiten umkämpft sind.
Sie sind außerdem – und das ist interessant –, recht leicht angreifbar. Außer mit langfristig reklamierten Bauabschnitten kann man sich nämlich auch mit kurzfristig angebrachten Verzierungen beteiligen. So kippen Führungspositionen oder jemand zeckt sich in ein Projekt ein und kassiert mit minimalem Aufwand ordentlich mit. Die Schlusswertung hat in meinen Partien mehrfach die vorherige Reihenfolge verändert. Das war anfangs noch überraschend; später hat man deshalb mehr Überlegungen angestellt, in welchem Turm man sich in welchem Ausmaß engagieren möchte.


Was taugt es? DIE ROTE KATHEDRALE ist eins von vielen Spielen, bei denen wir Rohstoffe sammeln und bauen. Die fürs Spielgefühl wesentliche Abweichung vom bekannten Muster besteht in der Rohstoffbeschaffung auf dem Rondell. Wie hier ein einziger Würfelzug viele Nebeneffekte und damit Zwiespälte auslöst, habe ich aber nicht als reizvoll empfunden, sondern als mühsam und überladen.
Ketteneffekte an sich können Spaß machen. Meiner Beobachtung nach gehört aber das Gefühl dazu, sich diese Kette aufgebaut und darauf hingearbeitet zu haben. In DIE ROTE KATHEDRALE hat weitgehend der Würfelzufall die Situation auf dem Brett geschaffen, nicht ich. Während die anderen am Zug sind, habe ich wenig zu tun und wenig zu planen. Erst mein eigener Zug reißt mich aus dieser Passivität. Jetzt checke ich alle fünf Möglichkeiten samt ihrer Kleineffekte durch und entscheide mich für eine davon.
Das ist nicht direkt schlecht – aber eben auch nicht raffiniert oder originell. Ich empfinde es als eine Verkomplizierung der Verkomplizierung willen. Auf mich wirkt DIE ROTE KATHEDRALE so, als hätte man einem einfachen Grundmechanismus (zieh entsprechend der Würfelaugen vorwärts und nimm Rohstoffe) nicht getraut, ihn aber auch nicht fallen lassen wollen und deshalb kunstvoll verschachtelt in der Hoffnung, dadurch werde es reizvoller.
Nicht zuletzt finde ich auch das kleinteilige Material unschön und unkomfortabel. Der Zählstein ist zu klein, die Zählskala ist zu klein, die Rohstoff-Ablage auf meinem Tableau ist zu klein. Kosmos begründet es mit ökologischen Erwägungen, das Spiel nicht in eine größere Schachtel gepackt zu haben. Gewiss, das spart Containerplatz und somit Ressourcen.
Aber erstens stört mich nicht die kleine Schachtel, sondern ihr kleinteiliger Inhalt. Zweitens sieht mir das Spiel generell nicht sehr ökologisch produziert aus. Und drittens ist es bestimmt auch nicht nachhaltig, in Fernost zu fertigen und das Spiel um die halbe Welt zu schicken. Ich bin aber nicht kompetent, um den Umweltaspekt von Spielen zu beurteilen. Und hätte Kosmos sich nicht extra selbst gelobt, wäre ich darauf auch gar nicht eingegangen. So hatte ich nun aber das Gefühl mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass mir die Aufmachung nicht zusagt.


*** mäßig

DIE ROTE KATHEDRALE von Sheila Santos und Israel Cendrero für eine:n bis vier Spieler:innen, Kosmos.