Mittwoch, 9. Februar 2022

Vor 20 Jahren (110): Alles im Eimer

In meinen Spielerunden bin ich oft der Erinnerer: „Du musst noch eine Karte ziehen.“ „Du kriegst noch drei Geld.“ „Du musst noch deinen Bonus nehmen.“ Und während ich aufpasse, dass alle alles schön richtig machen, vergesse ich durchaus mal selbst, mir Geld zu nehmen oder meine Sonderfunktion mitzubedenken. Und niemand erinnert mich.

Das schreibe ich aber nicht als Vorwurf. Es ist nun mal so, weil ich fast immer der Erklärer bin und das Spiel bereits kenne, während die anderen sich neu einfinden müssen. Umgekehrt geht es mir ja genauso: Bekomme ich ein Spiel beigebracht, unterlaufen mir Fehler. Ich nehme ein falsches Einkommen oder mache unerlaubte Züge und muss daran erinnert werden, wie es richtig geht.

Und obwohl das alles der normale Lauf der Dinge ist, empfand ich es als gerechte Wohltat, als vor 20 Jahren ein Spiel erschien, bei dem ich mal niemanden an irgendwas erinnern musste. Denn Stefan Dorra hatte es in ALLES IM EIMER einfach so geregelt: Wer das Nachziehen vergisst, kriegt nachträglich nichts mehr. Ätsch!

Ein Spielzug besteht in ALLES IM EIMER hauptsächlich darin, eine oder mehrere Karten zu spielen und anschließend eine nachzuziehen. Mehr nicht. Da selbständig ans Nachziehen zu denken, halte ich in Erwachsenenrunden für absolut zumutbar.

In einer meiner Spielerunden, die damals regelmäßig ALLES IM EIMER spielte, brachten trotzdem nicht alle die nötige Konzentration auf. Insbesondere eine Mitspielerin vergaß das Nachziehen dauernd. Und wenn sie mal dran dachte, freute sich so ausgiebig über ihre Glanzleistung, dass – von ihrer eigenen Verzückung noch völlig überwältigt – sie im Folgezug erneut darüber hinwegkam. Und so verlor sie natürlich, weil sie bald keine Karten mehr hatte, mit denen sie die Zahlenwerte anderer Spieler:innen hätte überbieten können. Wessen Eimerpyramide zuerst zerstört werden würde, stand eigentlich schon bei Spielbeginn fest.

ALLES IM EIMER war eins von zwei Spielen (das andere war ZOKI), das ich von der Spielwarenmesse 2002 mit nach Hause brachte. Kosmos probierte es damals mit Spielen in länglichen Packungen in der Größe einer halben SIEDLER-Box: BALI, EDEN, ZAUBERCOCKTAIL und GNADENLOS hatten 2001 den Anfang gemacht, 2002 folgten ALLES IM EIMER und TYROS. Und dann war schon Schluss.

Wahrscheinlich lag das aber weniger an den Schachteln als an dem, was drin war. Obwohl einige der Spiele durchaus etwas hatten, war nur ALLES IM EIMER richtig gut. Und selbst ALLES IM EIMER ist heute nicht mehr bei Kosmos im Programm, obwohl es immerhin noch in zwei anderen Ausgaben erschien, zuletzt 2016 mit Plastikeimern. Das ist auch die Version, die ich letztlich behalten habe.

Doch inzwischen befürchte ich, das Original wegzugeben, war ein Fehler. Ja, es war peinlich naiv illustriert. Und ja, das Schachtelformat war ein Fremdkörper im Regal. Aber es war nun mal das Spiel, bei dem ich erlebt hatte, wie meine Mitspielerin dauernd das Ziehen vergaß und sich über ihre eigene Unzulänglichkeit köstlich amüsierte. So missraten es aussah und so durchgespielt die Karten waren: Alle guten Erinnerungen hingen an diesem Original.


1 Kommentare:

Jan Norek hat gesagt…

Oh ja, das Problem des Aussortierens kenne ich.
Einige Spiele, wie KOHLE oder AMUN RE habe ich mir später einfach wieder in meiner Originalausgabe gekauft - es ist zwar nicht genau DAS Exemplar, aber es tröstet doch mehr darüber hinweg, als ich dachte.
Und außerdem geht die Funktion von Spielen weit über das Gespieltwerden hinaus - sie sind auch Einrichtungsgegenstände, die ich immer wieder gerne betrachte. Ein Buch bleibt schließlich auch im Bücherregal, obwohl ich es vielleicht nie wieder lesen werde.
Lieber Udo: kaufe dir deine alte Version von ALLES IM EIMER - es wird gut tuen. Und beim Aussortieren immer ganz genau auf den Bauch hören - der rumort, wenn die Sache noch mit Erinnerungen verwoben ist...
LG Jan Norek

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