Sonntag, 10. April 2022

Im Schatten der Pagode

IM SCHATTEN DER PAGODE bringt mich ins Grübeln: Bin ich einfach nur gimmickskeptisch? Oder bin ich gar gimmickfeindlich?

Wie geht IM SCHATTEN DER PAGODE? Wir sammeln Baustoffe, um damit Landschaftskarten zu vervollständigen. Das zählt Punkte. Mehrere gleichfarbige Landschaften bilden ein Set. Ist mein Set komplett, erhalte ich einen Spielbonus. Außerdem punkten bei jedem neu erstellten Teilstück eines Sets die alten noch mal mit. Kleine Sets bedeuten somit, dass ich früher an Boni komme, große Sets spendieren mehr Punkte.
Pro Zug führe ich drei Aktionen aus, wofür ich jeweils eine Karte spielen muss. Logischerweise erlaubt nicht jede Karte alles. Nutze ich eine Karte, um Baustoffe zu sammeln, kommt die große Pagode in der Tischmitte zum Einsatz. Sie hat vier Etagen. Auf ihren Seiten sind die Ressourcen Holz, Wasser, Stein und Pflanze abgebildet: keinmal, einmal, zweimal oder dreimal.
Die gespielte Karte bestimmt, welches der vier Pagodenelemente ich drehen muss und ob ich die nun für mich auf den Pagodenwänden sichtbaren Ressourcen in der Reihenfolge von oben nach unten oder von unten nach oben erhalte. Das ist sehr wichtig, denn ich darf auf nichts verzichten und muss alles in mein Lager tun. Welches allerdings nur vier Plätze hat. Und muss ich drei Holz nehmen, brauche aber eigentlich nur eins, blockiert das unnötig Lagerraum.


Was passiert? Anders als in den vielen anderen Spielen, in denen man mit Ressourcen etwas baut, ist bei IM SCHATTEN DER PAGODE die Vorratshaltung das Problem. Man will nicht möglichst viele Baustoffe ranholen, sondern exakt die benötigten. Und so knobelt man anhand seiner fünf Handkarten aus, welche Karte man als neue Landschaft auslegt, welche für Ressourcen, welche man für eine spätere Runde aufbewahren muss und welche übrig ist und benutzt werden kann, um Baustoffe vom Lager auf die Landschaften umzuschaufeln. Das kann nämlich jede Karte.
Da man auch Notaktionen einstreuen darf, ist man nie völlig blockiert. Aber natürlich bedeuten Notaktionen Tempoverlust. In meinen Partien durfte sich, wer gewinnen wollte, kaum suboptimale Züge erlauben. Die betrifft auch die Auswahl neuer Karten am Ende des Zuges. Meine Hand fülle ich vom Nachziehstapel und der offenen Auslage. Ich brauche passende Karten, die ich als Landschaft spielen kann, um bei meinen Sets voranzukommen. Und ich muss, so gut das eben geht, abschätzen, welche Karten mir zukünftig bei der Baustoffbeschaffung helfen könnten.


Was taugt es? Indem ich stets passende Karten benötige, um meine Ziele zu erreichen, besitzt IM SCHATTEN DER PAGODE einen gewissen Glücksfaktor. Aber er ist nicht sonderlich groß – mit eher nachteiligen Auswirkungen. Wegen der Zwänge und Beschränkungen erfordert IM SCHATTEN DER PAGODE präzises Vorausplanen. Doch so richtig beginnen kann ich damit erst, wenn ich an die Reihe komme. Ich muss abwarten, wie die Pagode gedreht ist und welche Karten im Markt liegen. Selbst kleine Veränderungen haben hier mitunter große Auswirkungen.
Dass man gezielt Ressourcen sammelt, um sie in bestimmten Kombinationen wieder auszugeben, ist inzwischen Brettspiel-Standard. Das Alleinstellungsmerkmal von IM SCHATTEN DER PAGODE soll mutmaßlich die 35 Zentimeter hohe drehbare Papp-Pagode sein. Doch so gut sie funktioniert und so hübsch sie aussieht: Sie versperrt auch immer irgendwem die Sicht.
Und auch wenn mir jetzt kein anderes Spiel einfällt, bei dem die erzwungene Rohstoff-Erwerb-Reihenfolge Lagerprobleme und damit spielerische Nöte beschert: Diese Neuartigkeit macht fürs Spielgefühl keinen großen Unterschied. IM SCHATTEN DER PAGODE ist dann doch nur eine Variation des Herkömmlichen: Wir taktieren, wir grübeln, wir optimieren. Und unser Instrument ist diesmal eine Papp-Pagode. Die sich übrigens nicht mal thematisch erklärt. Denn soweit ich weiß, drehen sich Pagoden-Etagen gar nicht.


*** mäßig

IM SCHATTEN DER PAGODE von Martin Doležal für zwei bis vier Spieler*innen, Board Game Circus.

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