Sonntag, 24. April 2022

Trauer um Wieland Herold


Viele Menschen haben Wieland Herold viel zu verdanken. Einer davon bin ich.


Wieland war ein Förderer. Jemand, der andere auf ihrem Weg unterstützte, jemand, der Projekte anschob, die ihrerseits etwas initiierten. Diesem Leitgedanken folgte er nicht nur als Lehrer und später als Schulleiter. Sein Beruf und seine Berufung spiegelten sich auch in seiner Arbeit als Spielekritiker wider.


Lehrer bewerten. Und als Kritiker bewertete Wieland Spiele, schrieb unermüdlich Rezensionen, gehörte 24 Jahre lang der Kritikerjury „Spiel des Jahres“ an und betrieb einen großen zeitlichen Aufwand, um durch die Auswahl, Präsentation und Würdigung der Top-Spiele eines Jahrgangs das Spielen in der Gesellschaft weiter zu verbreiten. Wielands Kritikertätigkeit war aber stets mehr als das reine Urteilen. Und es war äußerst selten ein Aburteilen. Wielands Kritik war wohlwollend. Auch als Kritiker lebte er den Fördergedanken.


Gerne richtete er den Fokus auf kleine, unbekannte Verlage und verschaffte ihnen Aufmerksamkeit. Genauso war es ihm ein wichtiges Anliegen, neue Autor:innen in den Fokus zu rücken, ihre Leistungen zu beachten und ihnen eine Chance zu geben. Somit war es nur folgerichtig, dass Wieland jahrzehntelang mit der Zeitschrift „Spiel & Autor“ ein Publikationsmedium zur Veröffentlichung von Spielideen bot, das Göttinger Spieleautorentreffen mitorganisierte und der Jury des Hippodice-Autorenwettbewerbs angehörte. Wieland organisierte und betreute das Nachwuchs-Spieleautoren-Stipendium des Vereins Spiel des Jahres, nachdem er mit dafür gesorgt hatte, dass der Verein das einst von Friedhelm Merz begründete Stipendium weiterführte. Für viele Autorinnen und Autoren war dieser Wettbewerb ein entscheidendes Sprungbrett.


Wieland ging es aber ebenso um den Spieler:innennachwuchs. Um zum Spielen hinzuführen, baute er an seinen Schulen Brettspiel-AGs auf. Um die besten Spiele in Kinderhände gelangen zu lassen, widmete er seine Kritikertätigkeit stets auch dem Kinderspiel, auch als seine vier Kinder längst dieses Alter verlassen hatten. Wieland hatte Anteil daran, dass aus dem ehemaligen „Sonderpreis Kinderspiel“ ein eigenständiger Hauptpreis, das „Kinderspiel des Jahres“, wurde. Viele Jahre war er Koordinator der Kinderspieljury.


Und Wieland ging es auch um den Kritiker:innennachwuchs, womit nun unsere gemeinsame Geschichte beginnt. Ich lernte Wieland 1995 nach meinem Umzug nach Göttingen kennen. Wo man sich eben kennenlernt: in einer Spielerunde. Er war der erste Spielekritiker, mit dem ich jemals gemeinsam spielte. Sein Vorbild animierte mich, es ebenfalls als Kritiker zu probieren.


Schon immer hatte ich viel gespielt, schon immer hatte ich gern geschrieben. Auf die Idee, über Spiele zu schreiben, war ich trotzdem nie gekommen. Ich dachte wohl, das machen Menschen, die irgendwie anders sind als ich. Und nun begegnete ich einem von ihnen, und er hatte ähnliche spielerische Vorlieben, er schätzte Spiele ähnlich ein wie ich, er hatte denselben Berufsweg eingeschlagen und mit Deutsch und Geschichte obendrein genau dieselben Fächer studiert. Und: Er spielte genau wie ich mit Gelb! Wieland ermunterte mich, es mal mit dem Rezensieren zu probieren, und er vermittelte mir einen ersten Kontakt zu einem Printmedium, in dem ich meine erste Kritik unterbringen konnte.


Obwohl er ein Vorbild war, ließ Wieland nichts Lehrmeisterhaftes heraushängen. Er war herzlich und großzügig, interessiert und zugewandt, offen und engagiert. Es machte Spaß, mit Wieland zu spielen, weil er am Spielen Spaß hatte. Weil er mit Ernst und Leidenschaft dabei war, aber trotzdem nicht spielte, um hinterher der Sieger zu sein. Weil er wusste, dass beim Spielen alle gewinnen.


Am 21.April 2022 ist Wieland Herold gestorben. Ich werde weiter an ihn denken.

4 Kommentare:

nosferrari hat gesagt…

Das Wichtigste an Göttingen für mich war immer die kurze Begegnung mit Wieland - ich fürchte - aber hoffe auch - es wird lange dauern, bis ich aufhöre, dort nach ihm Ausschau zu halten.

Unknown hat gesagt…

Auch ich gehöre zu denen, die er gefördert hat.
Danke Wieland

Unknown hat gesagt…

Ich bins: Martin Schlegel

Anonym hat gesagt…

Ich bin dankbar, Wieland begegnet zu sein und seine Unterstützung als neue Spieleautorin erfahren zu haben. In 2004 saß Wieland, gemeinsam mit Jens-Peter und Marco in der Jury zur Vergabe des Stipendiums für Nachwuchsautoren (m,w,d). Gewonnen hat es erstmals eine Autorin. In den Folgejahren habe ich als Gewinnerin dieses Stipendiums gemeinsam mit Wieland in der Jury gesessen. Wieland hatte eine sehr offene und zugewandte Haltung. Ich erinnere mich an viele positive, humorvolle Momente, wenn wir über die Nominierung und Prämierung der nächsten Nachwuchsautoren (m,w,d) sprachen. Diese Erinnerung werde ich stets bewahren. Máren

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