Dienstag, 13. September 2022

Vor 20 Jahren (117): Dr. Jekyll & Mr. Hyde

Neulich schrieb ich zu JEKYLL VS. HYDE: „Unter den uuunzähligen Stichspielen mit Jekyll-and-Hyde-Thema, die ich so kenne, könnte dieses glatt das zweitbeste sein.“ Daraufhin kamen Rückfragen von … äh, weiß ich jetzt gar nicht mehr so genau: Waren es eine Million Leser:innen oder waren es null? Eins von beidem auf jeden Fall. Rückfragen wie diese: „Oh, bitte, bitte, sag es uns, welches ist denn das Spiel, das das beste ist?“

Tadaa! Antwort naht.

Es ist DR. JEKYLL & MR. HYDE von Wolfgang Werner, vormals erschienen als TWILIGHT, beides beim Bambus Spieleverlag. Ziehe ich boardgamegeek zu Rate, stellt sich heraus: Das Spiel ist weder mega-bekannt noch mega-beliebt. Ersteres wundert mich nicht, weil: Kleinverlag, Nischenprodukt, lange her. Zweiteres wundert mich schon, weil: originell, unterhaltsam, zeitlos.

DR. JEKYLL & MR. HYDE ist ein Stichspiel. Wir spielen zu viert, zwei Personen bilden jeweils ein Team: Jekyll spielt gegen Hyde. Die Rangfolge der Karten ist in jeder Partie dieselbe. Hohe Karten zählen wenige Punkte, niedrige Karten viele. Dafür gewinnen hohe Karten natürlich häufiger den Stich, niedrige Karten seltener.


Komme ich an die Reihe, spiele ich aus oder … lasse für mich ausspielen. Und das genau ist das Originelle. Im Jekyll-Team muss ich in meinem Zug dafür sorgen, dass eine Jekyll-Karte in den Stich gelegt wird. Von wem auch immer. Anhand der Kartenrückseiten sehe ich, wer wie viele Jekyll- und wie viele Hyde-Karten hat. Denn die sind – unabhängig von Teamzugehörigkeiten – zufällig verteilt worden. Ich spiele also selbst oder bestimme jemanden. Die anderen machen das in ihrem Zug genauso. Und nach vier Karten gewinnt die Partei mit der höchsten gespielten Karte den Stich.

Schon klar, dass ich mich, wenn ich für diesen Mr. Hyde spielen soll, nach Kräften bemühe, etwas möglichst Unsinniges zu legen. Aber oft genug gelingt das nicht und ich werde zu meinem Leidwesen dazu gezwungen, etwas Wertvolles reinzubuttern oder den Stich für die Gegenseite einzufahren. Das ist ärgerlich – aber fürs Spielgefühl gleichzeitig so toll und ungewöhnlich, dass ich mich wundere, warum mir ein vergleichbarer Mechanismus seit 20 Jahren nicht mehr untergekommen ist.

Das Spiel passt auch thematisch sehr gut. Ich bin hier nicht immer Herr meiner eigenen Handlungen. So stelle ich mir den inneren Kampf zwischen Jekyll und Hyde vor. Und weil Jekyll und Hyde zwei Facetten einer Persönlichkeit sind, finde ich es sehr folgerichtig, dass hier jede:r Karten beider Seiten zugeteilt bekommt.

Allerdings ist das Spiel natürlich gewöhnungsbedürftig. Als Anfänger:in macht man die schaurigsten Fehler; die gesamte Gruppe muss sich reingrooven. Will man gut spielen, muss man Karten exakt mitzählen und sehr konzentriert sein. Und es ist ein Spiel nur für vier Personen. Die Sonderregel für drei ist ein Notbehelf.

Das alles hat leider dafür gesorgt, dass DR. JEKYLL & MR. HYDE sehr lange nicht mehr auf meinen Tisch gekommen ist. Wenn ich Altes hervorkrame, wähle ich ja doch am liebsten den Weg des geringsten Widerstandes. Also etwas, das wir alle kennen. Oder das zumindest ich sofort erklären kann. Und schon gar nicht irgendwas, das wir uns über mehrere Partien erst wieder erschließen müssen. Das nämlich ist mein eigener innerer Jekyll-and-Hyde-Kampf: der Widerspruch, gern alte Schätzchen wiederbeleben zu wollen – und es dann doch nie zu tun.


4 Kommentare:

Bressi hat gesagt…

Super, das kenne ich noch;)

Markus hat gesagt…

Oh, interessant! Das Spiel wurde gerade als Tatsu neu verlegt 🤔

Willi hat gesagt…

Und ich kenne das nur zu gut: "der Widerspruch, gern alte Schätzchen wiederbeleben zu wollen – und es dann doch nie zu tun." :)

Marco hat gesagt…

Das kennt doch jeder, der nicht nur 2-3 Spiele im Regal hat, oder? ;-)

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