Freitag, 4. November 2022

Planet B

Das „B“ in Planet B steht natürlich für Bartsch, und eine Partie PLANET B ist dazu da, auch die anderen Beteiligten hiervon zu überzeugen.

Wie geht PLANET B? Als böse Politiker:innen streben wir nach Ämtern, machen Geschäfte, platzieren News. Ziel bei allem: Das meiste Schwarzgeld auf die eigene Seite zu bringen.
In jedem Zug wähle ich eines von drei ausliegenden „Konzernplättchen“ und damit eine festgeschriebene Kombination aus drei Aktionen. Beispielsweise darf ich a) Rohstoffe produzieren und b) ein Gebäude bauen und c) eine News platzieren.
Um zu bauen, wähle ich eine von drei Gebäudekarten aus meiner Hand, bezahle die Kosten und erhalte auch gleich etwas Schwarzgeld. In einer späteren Aktion („Workie setzen“) darf ich Workie-Figuren aus meinem Besitz auf das Gebäude stellen und dort arbeiten lassen. Die Pharmafabrik beispielsweise benötigt eine violette und eine orangefarbene Figur, um Globuli herzustellen. Anschließend steigt die Stimmung in meiner Bevölkerung, und ich kassiere einen Batzen Geld.

Habe ich Gebäude, will ich also auch Workie-Aktionen. Ich muss mir erstens einen Workie-Vorrat zulegen und die Figuren zweitens möglichst effektiv einsetzen. Wofür ich manchmal wiederum bestimmte Rohstoffe benötige. Lama-Hotdogs in meinem Stadion zu servieren, bringt richtig viel Schwarzgeld, verbraucht allerdings Fleisch und … psst … Plastik.
Und mehrmals während der Partie wird gewählt. Jede:r bekleidet hinterher ein Amt von Präsidentin über Vize bis hin zu den tieferen Rängen. Standesgemäß bringt das höchste Amt das meiste Schwarzgeld ein, außerdem darf die Präsidentin in jedem ihrer Züge eine „Gesetzeskarte“ ziehen und einen von zwei dort aufgeführten Vorteilen wählen.
Wahlen finden zwischen den Spieler:innenzügen statt. Es gibt Möglichkeiten, Wahltermine zu beschleunigen oder zu verzögern. Wer schon alle Workies eingesetzt hat, möchte die Wahl meistens beschleunigen, denn die Workies kehren vor der Wahl aus den Produktionsstätten zurück und können endlich neu arbeiten gehen. Die Präsidentin mag vielleicht an einer Verschleppung der Wahl interessiert sein, weil sie dann etwas länger ihre Amtsvorteile genießt.
Wie läuft die Wahl ab? Im Verlauf des Spiels bewirken Aktionen immer wieder mal, dass jemand Stimmsteine in den Wahlbeutel werfen darf. Aus diesem Beutel ziehen wir reihum drei Steine (bei Freischaltung bestimmter Fähigkeiten auch mehr), bis er leer ist. Wer die meisten eigenen Stimmen gezogen hat, wird Präsidentin. Fremdfarben werden einfach ignoriert.


Was passiert? PLANET B bietet eine Fülle von Optionen: Ich kann auf drei Skalen aufsteigen, was mir ein Zusatzeinkommen generiert; ich kann betont viel bauen, weil allein das schon eine ganzen Packen Schwarzgeld bringt; ich kann versuchen, eine lukrative Engine ins Laufen zu bringen.
Dass ich mich für ein Bündel aus drei Aktionen entscheiden muss, provoziert gründliche Abwägungen, weil ausgerechnet die Aktionen, die ich am besten gebrauchen könnte, selten in Kombination angeboten werden. Ich muss, um die richtige Entscheidung zu treffen, meine Ressourcen genau durchrechnen. Wenn mir etwas fehlt, muss ich planen, ob ich es im Rahmen meines Zuges nicht doch noch besorgen kann … und all das dauert. Vor allem zu viert gibt es lange Wartezeiten.
Dabei sind viele der komplexen Auswirkungen meines Zuges gar nicht wirklich zu überblicken: Ob die Stimmen im Beutel mir tatsächlich den Wahlsieg bringen. Ob ein Wahlsieg angesichts des nötigen Aufwandes überhaupt wichtig ist. Ob ich meine Engine klein halten sollte oder ob das Spiel noch lange genug dauert, um größer zu planen. Und so weiter. PLANET B fühlt sich auch nach mehreren Partien noch diffus an.
Vieles, was ich machen oder nicht machen kann, hängt von der Situation ab. Bei der News-Aktion darf ich zwischen drei ausliegenden Newskarten wählen, um dann eine anzuwenden. Und da geschieht es immer wieder, dass Person A eine ideale Karte vorfindet, während für Person B alle drei News uninteressant oder nicht ausführbar sind. Und man hat nicht den Eindruck, dass A irgendwas für sein Glück getan hätte. Es ergab sich einfach.
Ähnliche Effekte gibt es bei den Konzernplättchen. Sie werden nach einer gewissen Zeit ausgetauscht und es kann vorkommen, dass jemand über mehrere Züge hinweg keine einzige Produktionsmöglichkeit vorfindet. Was natürlich sehr bremst, wenn das Warenlager leer ist.


Was taugt es? Der Grundmechanik von PLANET B fehlt Eleganz. Der einzelne Zug ist sehr umfangreich. Die anderen Spieler:innen können währenddessen wenig vorplanen. Obendrein kommen die Mechaniken nicht auf einen Punkt. Statt zu reduzieren oder zu fokussieren oder neuartig zu komponieren, häufen sie an und mixen viel mit vielem.
Aber jenseits der Mechaniken sind da ja noch die Spielgeschichte, die Illustrationen und die Wahlen. – Oder? Ja, PLANET B ist zynisch und frech, es lässt uns freundvoll unmoralische Dinge tun. Jedoch nur in den Texten. Indem ich Klötzchen von hier nach da verschiebe, habe ich „Social Media verboten“. Allein deswegen fühlt sich PLANET B aber nicht so an, als steckten wir in einer Geschichte. PLANET B findet nur frechere Benennungen für etwas, das in anderen Eurogames anders heißt.
Die Wahlen sind der ungewöhnlichste und, vor allem im Spiel zu viert, auch spannendste Mechanismus. Man kann riesiges Pech und riesiges Glück haben. Die meisten Stimmen im Beutel, selbst gepaart mit hilfreichen Features, garantieren für nichts. Die Wahlen bringen Emotionen ins Spiel. Thematische Tiefe bewirken aber auch sie nicht.
Die Wahlen machen nicht das, was Wahlen eigentlich machen. Sie verteilen nicht die Machtverhältnisse neu, es gibt keine Gesetzesinitiativen oder politischen Ziele. Die Wahlen sind nur ein weiterer Faktor im großen Siegpunkte-Salat. Sie bewirken lediglich, dass die Präsidentin vorübergehend mehr Schwarzgeld kassiert als die anderen.
Dass Wahlen nichts bedeuten, kann man nun als die bitterböse, zynische Aussage von PLANET B interpretieren. Meine Auffassung allerdings ist anders: Es ist nicht die Aussage von PLANET B, sondern der Makel. PLANET B spielt sein Thema nicht, sondern bildet es nur vordergründig ab. Das würde ich, wenn der Mechanismus mehr Spaß machte, gar nicht weiter kritisieren, schließlich ist es in vielen Spielen so. Aber – siehe oben – der Mechanismus macht nun mal nicht so viel Spaß.


*** mäßig

PLANET B von Johannes Natterer für zwei bis vier Spieler:innen, Hans im Glück.

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