Samstag, 31. Dezember 2022

Gern gespielt im Dezember 2022

AKROPOLIS: Nach den Sternen greifen.

WOODCRAFT: Wenn werdende Tischler:innen fragen: „Wozu brauche ich eigentlich Mathe?“

KUZOOKA: Endlich wird publik, was zwischen zwei Partien ARCHE NOVA geschieht.

COUNCIL OF SHADOWS: Miese Tour, wenn man die angehäuften Energie-Schulden nicht einfach der nächsten Generation überlassen darf, sondern am Ende selbst ausbaden muss.

ATIWA: Ja, es ist immer ziemlich gleich. Nämlich immer ziemlich gleich gut.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM DEZEMBER:

DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL: Ich weiß nicht recht, was das Romantische in DORFROMANTIK sein soll, möglicherweise die enthaltenen roten Herzen. Mein Spielgefühl wäre besser wiedergegeben, enthielte das Spiel kuschelige Sofas.


Freitag, 30. Dezember 2022

QE

Ach, wäre ich doch bloß systemrelevant! Dann hätte ich meine Million schon längst beisammen. Und wenn ich sie verprasste, bekäme ich eine neue.

Wie geht QE? Um sie zu „retten“, ersteigern wir „systemrelevante“ Unternehmen. Die zählen Punkte. Wer am meisten Geld ausgibt, scheidet aus. Unter den Übrigen gewinnt, wer die meisten Punkte gesammelt hat.
Alle Unternehmen kommen in zufälliger Reihenfolge unter den Hammer. Reihum wechseln wir uns als Auktionator:innen ab. Bekleide ich dieses Amt, gebe ich zuerst mein Gebot öffentlich bekannt. Alle anderen Spieler:innen reichen daraufhin ihre Gebote geheim bei mir ein. Ich sehe sie mir an, das Höchstgebot erhält den Zuschlag. Wie hoch genau dieses Gebot ist, erfahren die Unterlegenen nun allerdings nicht (wenn es nicht gerade mein Gebot war). Sie wissen nur, sie wurden überboten. Man ahnt also immer nur so ungefähr, wie viel Geld die anderen Spieler:innen schon ausgegeben haben.

Die Unternehmen haben einen Punktwert von eins bis vier. Außerdem zählt es Extrapunkte, wenn ich Unternehmen meines Landes ersteigere. Ebenfalls positiv wirkt es sich aus, viele Unternehmen aus gleichen und / oder viele aus verschiedenen Industriezweigen zu kaufen.
Die verwegenste Regel von QE lautet: Wir dürfen bieten, wieviel wir wollen. Tausende, Hundertausende, Millionen, Milliarden ... Alles ist nur Fantasiegeld, welches wir in dem Moment schöpfen, wo wir es ausgeben.


Was passiert? QE funktioniert tatsächlich! Normalerweise würde ich das nicht extra herausstellen. In diesem Fall, der so sehr vom Gängigen abweicht, weil wir uns unsere Ressourcen einfach ausdenken, ist es mir aber doch eine Meldung wert.
QE funktioniert sogar sehr gut. Trotz der theoretischen Narrenfreiheit regiert am Tisch die Angst, sich zu überreizen. Bloß nicht am Schluss als Pleitegeier disqualifiziert werden! Vor allem zu Beginn wird oft noch vorsichtig geboten. Doch irgendwann wird die Angst, am meisten Geld auszugegeben, abgelöst durch die Panik, zu kurz zu kommen. Steht zu befürchten, dass die anderen schon mehr Punkte haben als ich, muss ich nachkaufen. Dringend! Und schon zahle ich Preise, die mir zwei Runden zuvor noch total übertrieben erschienen.
Wenn ich weiß, dass zum Ende des Spiels sowieso alles viel teurer wird als noch zu Beginn, kann ich natürlich gleich richtig hoch einsteigen in der sicheren Erwartung, dass die Inflation mir langfristig zuarbeitet. Aber ganz so sicher ist die Erwartung dann doch nicht. Sind die anderen noch im Tausenderbereich, und ich biete schon Millionen, kann sich eine stille Übereinkunft ergeben, mich da oben hängen zu lassen. Es kann aber auch sein, dass die Übereinkunft wieder zerbricht, weil irgendwer dann doch die Nerven verliert und unbedingt was kaufen möchte; koste es, was es wolle.
QE ist ein sehr psychologisches Spiel. Es spielt mit unserer Angst und mit gruppendynamischen Prozessen. Oft hat man das Gefühl, alles, was man noch machen könne, sei falsch, weil man entweder auf die eine oder auf die andere Weise verliert. Oder dass andere schuld sind, weil sie komplett unsinnige Preise bieten und dadurch Dritte zu Siegern küren.


Was taugt es? QE ist ein spezielles Spiel, und es polarisiert. Genau das, was für mich hier den Witz ausmacht, fanden einige in meinen Runden gar nicht lustig. Sie haben QE als wenig unterhaltsam empfunden, auch die kapitalismuskritische Komponente des Spiels ließ sie kalt.
Für mich wird QE durch die realwirtschaftliche Dimension sogar noch ein bisschen besser. Gewiss ist QE weit davon entfernt, geldpolitische Gegebenheiten zu simulieren. Aber zumindest wirft das Spiel Fragen auf; es regt Gedanken an, es hinterlässt das ungute Gefühl, dass so manches in unserer Welt auf tönernen Füßen gebaut sein könnte.
Mit sehr einfachen Mitteln und schlanken Regeln und einer Portion Aberwitz erzeugt QE große Dynamik und große Spannung. Während Versteigerungsspiele häufig durch kühle Berechnung entschieden werden, ist es hier eher irrationale Psychologie. Wenn man mehrfach erlebt hat, was QE auslösen kann, lässt der Reiz allerdings nach. Man ist nicht mehr so überrascht. Das ist für mich das Manko des Spiels. Ein kleines Manko.


***** reizvoll

QE von Gavin Birnbaum für drei bis fünf Spieler:innen, Strohmann Games.

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Dorfromantik – Das Brettspiel

Ui, es sieht so aus, als sei DORFROMANTIK aktuell ausverkauft. Ein perfekter Anlass, um es genau jetzt zu rezensieren. Schließlich ist das keine Kaufberatungs-Seite hier!

Wie geht DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL? Wir legen kooperativ Landschaftsplättchen. Die Kooperation besteht darin, sich über den besten Anlegeort des (von wem auch immer) gezogenen Teils zu beraten.
Beim Anlegen der Sechseck-Teile wollen wir Aufgaben erfüllen. Immer drei unerledigte Aufgaben sind gleichzeitig im Spiel. Beispielsweise soll sich ein bestimmter Wald (der mit dem Auftragsmarker) über fünf Plättchen erstrecken, der Fluss mit Auftragsmarker soll eine Länge von vier Plättchen erreichen. Sobald ein Auftrag geschafft ist, nehmen wir den Marker an uns und ziehen ein neues Teil vom Stapel der Auftragsplättchen, das nun wieder einen zufälligen Marker verpasst bekommt und von uns angelegt wird. Auch die Auftragsplättchen zeigen Landschaften, tragen also zum Wachstum unserer Auslage bei.

Die Partie endet, wenn der Stapel mit Landschaftsplättchen aufgebraucht ist. Je mehr Auftragsplättchen wir vorher ins Spiel bringen können, desto größer ist unsere Welt insgesamt und desto höher ist die Chance, Punkte zu gewinnen. Außer den Aufträgen zählen auch noch andere Dinge Punkte, beispielsweise der längste Fluss und die längste Schienenstrecke.
Und es werden immer mehr Dinge. Denn nach und nach schalten wir Errungenschaften frei; teilweise indem wir vorgegebene Bauaufgaben erfüllen, teilweise indem wir einfach nur häufig genug spielen. Wir dürfen Boxen öffnen und für kommende Partien mehr Material ins Spiel bringen. Die Welt wird größer, wir haben noch mehr Möglichkeiten, um Punkte zu gewinnen, womit wir noch mehr Errungenschaften freischalten und so weiter. Nach etwa 15 Partien hat die Gruppe alles entdeckt. Sie kann aber weiterspielen und versuchen, den eigenen Highscore zu überbieten.


Was passiert? Die Legeregeln in DORFROMANTIK sind irritierend einfach: Wir dürfen anlegen, wo wir wollen, lediglich Flüsse und Gleise müssen passend fortgesetzt werden. Zunächst glaubt man, zu viele Freiheiten zu besitzen. Doch Flüsse und Gleise schränken uns zunehmend ein, zumal auch Auftragsplättchen oft Fluss oder Gleis zeigen und deswegen schwer zu integrieren sein können.
Manche Spieler:innen (ich auch) stören sich optisch daran, dass man einfach so Getreidefeld in Dorf oder Wald übergehen lassen darf. Das macht die Landschaft auch unübersichtlicher. Ästhet:innen müssen sich daran gewöhnen, dass landschaftsgetreues Anlegen, so schön es aussieht, für die Punktwertung oft nicht so optimal ist.
Wie nicht selten bei Spielen mit Legacy-Elementen entstehen Probleme, wenn man auf Komponenten trifft, die – weil sie geheim bleiben sollen – in der Anleitung nicht erklärt sind. In manchen Fällen hatten wir Zweifel, wie Anweisungen zu verstehen seien. In einem kooperativen Spiel kann man sich zwar leicht einigen; schöner wäre trotzdem das sichere Gefühl gewesen, es so zu spielen, wie es gedacht ist.
Der Glücksfaktor in DORFROMANTIK ist nicht unerheblich. Wer erst ein Getreidefeld der Größe vier, dann fünf, dann sechs bauen muss, kann dies leicht mit ein- und demselben Feld schaffen. Werden die Zahlenmarker in umgekehrter Reihenfolge ausgelost, funktioniert das schon seltener. Glück oder Pech ist es auch, wenn Teile, die ordentlich Punkte bringen könnten, früh oder spät aufgedeckt werden.


Was taugt es? Da alle Informationen offen liegen und alle Entscheidungen in der Gruppe getroffen werden, lässt sich DORFROMANTIK auch prima solo spielen. Vielleicht macht man ein paar Punkte weniger, weil man allein auf der immer größer werdenden Landschaft auch mal Dinge übersieht. Aber Mitspieler:innen braucht man hier nicht, weil es das Spielsystem verlangt, sondern vor allem für die Geselligkeit. Bei einem EXIT- oder UNLOCK!-Spiel habe ich mehr den Eindruck als hier, dass man tatsächlich zusammenarbeitet, doch selbst diese Spiele würde ich nicht mit mehr als vier Personen spielen wollen. DORFROMANTIK entsprechend auch nicht.
Anfangs war ich ohnehin skeptisch. Gruppen, mit denen ich DORFROMANTIK ausprobiert habe, wollten nach einer oder zwei Partien schon nicht mehr weitermachen, was dazu geführt hat, dass ich immer wieder das Startszenario gespielt und mich gelangweilt habe. Aber DORFROMANTIK wird (zumindest aus meiner Sicht als Vielspieler) zunehmend interessant, wenn mehr Teile und Projekte ins Spiel kommen und viele Dinge gleichzeitig unter einen Hut gebracht werden müssen.
Gerade die Tatsache, dass man nicht alles optimal hinkriegen kann, motiviert dazu, es immer wieder von Neuem anzugehen. Vielleicht schaffen wir ja diesmal die riesenlange Eisenbahnstrecke oder scoren so richtig mit den Fahnen oder dem Ballon oder … oder …
Bald entwickelt sich ein Flow. Obwohl man immer wieder von vorn beginnt, hat DORFROMANTIK den Reiz eines Endlosspieles. Es beginnt ganz klein – und wird immer größer, gar riesig. Es geht immer voran, mal schneller, mal langsamer, das Spielgefühl ist konstruktiv. Man kann auch gar nicht verlieren, sondern höchstens weniger gewinnen. DORFROMANTIK bestraft nicht, es belohnt. Irgendwas schafft man immer, zumindest einen Mini-Fortschritt. Letztlich macht es sogar einfach Spaß, aus den zahlreicher werdenden Teilen eine Landschaft zu erschaffen, die jedes Mal ein bisschen anders aussieht.
DORFROMANTIK ist eine gemütliche Puzzelei. Man kann es natürlich auch optimiert spielen und lange abwägen, dann hat man zwei, drei Partien früher alles freigeschaltet. Aber weil eigentlich die schöne Beschäftigung das Ziel ist und der Highscore nur Nebensache, ist das am Ende egal. Wichtig wäre jetzt nur, dass das Endlosspiel weitergeht. Und bestimmt sind Erweiterungen schon in Arbeit. Ich bin bereit.


***** reizvoll

DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL von Lukas Zach und Michael Palm für eine:n bis sechs Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Sonntag, 18. Dezember 2022

Würfelhelden

Bösewichte treiben in Therion ihr Unwesen. Was genau sie Böses tun, ist in der Spielanleitung nicht vermerkt. Aber wenn ich mir die fiesen Fratzen so angucke, dann glaube ich, sie setzen sich wahrscheinlich für Klimaschutz ein. Schnell! Alle verhaften!

Wie geht WÜRFELHELDEN? Wir sind Held:innen. Wir würfeln. Reihum und jede:r bis zu drei Mal. Dabei möchte ich viele Schwerter erzielen. Die lege ich in die Tischmitte, und wenn eine Runde lang niemand mein Schwerter-Ergebnis übertrifft, verhafte ich einen Bösewicht und bekomme Siegpunkte in Form von Münzen. Ich erhalte meine Würfel zurück und darf nun wieder würfeln.
Werde ich übertroffen, erhalte ich meine Würfel schon früher zurück, und die erfolgreiche Mitspieler:in platziert ihre Schwerter in der Tischmitte. Wieder bis sie übertroffen wird oder eine Runde überstanden hat.

Die Würfel zeigen nicht bloß Schwerter, sondern auch Farbsymbole, mit denen ich weitere (nämlich gelbe und rote) Würfel freischalte. Und sie zeigen Geldmünzen. Die ich natürlich kassiere. Und habe ich kein einziges Schwert erzielt, bekomme ich sogar das Doppelte der erwürfelten Münzen ausgezahlt.
Außerdem zeigen die gelben und roten Würfel Misserfolgssymbole. Würfele ich eins, muss ich den Würfel sofort wieder abgeben, was ein Argument ist, um das Gezocke nicht überzustrapazieren und sich auch mal mit mäßigen Ergebnissen zufrieden zu geben.

Was passiert? Man hat Glück oder Pech. Aber auf dem Weg dahin trifft man Entscheidungen: welche Würfel man liegen lässt, welche noch einmal geworfen werden; ob es sich lohnt, um die Schwertermehrheit mitzupokern, oder ob man das besser gar nicht erst versucht und lieber darauf abzielt, Würfel freizuschalten und eventuell noch Münzen zu erwürfeln.
Und dann muss es halt nur noch klappen … Es kann nervenzehrend sein, die ollen Schwerter, die man normalerweise haben will, wieder wegzuwürfeln. Und natürlich: Der letzte Würfel im letzten Wurf, der für einen perfekten Geldregen alles zeigen darf, nur kein Schwert, zeigt: ein Schwert.


Was taugt es? WÜRFELHELDEN geht flott von der Hand und ist spannend. Es erinnert an eine andere Garfield-Würfelklopperei, nämlich KING OF TOKYO. Auch dort kann man sich entweder der Meute stellen und muss in der exponierten Position eine Runde lang durchhalten. Oder man macht beim Krawall gar nicht mit und sammelt seine Siegpunkte abseits der zentralen Arena.
WÜRFELHELDEN hat viel weniger Regeln als KING OF TOKYO, es hat keine Karten, es ist im Grunde nur das KING-OF-TOKYO-Gerüst, roh und einfach. Dadurch erreicht es auch nicht die Raffinesse von KING OF TOKYO, vor allem hat es längst kein so tolles Thema.
Es kommt immer wieder vor, dass Partien an manchen Beteiligten völlig vorbeigehen, weil sie nun mal keine Würfelheld:innen sind. Sie würfeln immer zu wenige Schwerter, aber niemals keine, und hinzugewonnene Würfel verlieren sie auch prompt wieder. Da gibt es auch keine Ausgleichsmechanismen, es ist einfach so. Angesichts der Spieldauer von 20 bis 30 Minuten ist das für mich in Ordnung, allerdings kann will nicht verhehlen, dass einige meiner Mitspieler:innen WÜLFELHELDEN nicht mehr spielen wollen. Unberechtigt, wenn man mich fragt. Zu einer Partie überreden würde ich aber auch niemanden; so viel Neues bringt WÜRFELHELDEN dann nicht.


**** solide

WÜRFELHELDEN von Richard Garfield für zwei bis vier Spieler:innen, Amigo.

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Endless Winter

Ein Spiel über eine sehr kühle Periode. Von Frosted Games. Das ich bei Minustemperaturen rezensiere. Während meine Heizung eine Störung hat ... Mehr Atmo geht nicht!

Wie geht ENDLESS WINTER? In einem Eiszeit-Szenario sammeln wir Siegpunkte. Der Hauptmechanismus ist Personaleinsatz. Wir haben aber nur drei Figuren und setzen sie nur viermal ein. Pro Person umfasst die Partie also zwölf Züge; die allerdings sind mehrteilig.
Auch Deckbau und Handmanagement sind Elemente in ENDLESS WINTER. Nachdem ich meine Figur auf dem Spielplan eingesetzt habe, unterstütze ich die ausgelöste Aktion mit passenden Handkarten. Beispielsweise gibt es die Aktion „Jagen“, wofür ich Werkzeug und Arbeitskraft benötige. Ein von meiner Hand gespielter „Jäger“ bringt mir für die Jagd besonders viel Arbeitskraft. Ich könnte den Jäger auch bei anderen Aktionen einsetzen; dann wäre er aber weniger stark.

Außer Jagen gibt es auf dem Spielplan noch drei weitere Aktionen: Beim „Einweihen“ erwerbe ich weitere Stammeskarten und entsorge ungeliebte. Beim „Entwickeln“ erwerbe ich Fortschrittskarten mit attraktiven Effekten. Fortschrittskarten darf ich unabhängig von der gewählten Aktion in meinem Zug zusätzlich ausspielen. Und mit „Weiterziehen“ bewege ich meine Einheiten auf dem Geländespielfeld und gründe dort Siedlungen. Jeweils gilt: Wer eine Aktion in einer Runde zuerst wählt, gewinnt einen Bonus. Und eine der drei Figuren ist der „Häuptling“, der für bestimmte Aktionen ebenfalls einen Bonus erhält, selbst wenn er nicht zuerst kommt.
Karten, die ich nicht spiele, nehme ich mit in die nächste Runde. Da ich jetzt auch mindestens fünf nachziehe, kann sich ein recht großes Blatt ansammeln. Zwischen den Runden findet noch eine „Sonnenfinsternis“-Phase statt. Auch hierfür dürfen wir Karten spielen, die erstens über die Zugreihenfolge entscheiden und zweitens ihre jeweiligen Sonnenfinsternis-Fähigkeiten aktivieren. Jede „Handwerkerin“ bringt bei Sonnenfinsternis beispielsweise zwei Werkzeuge, jede „Stammesälteste“ bringt eine weitere Stammeskarte. Und so weiter.
Außerdem beziehe ich nun mein Einkommen: Jedes Feld des Geländespielplans, auf dem meine Siedlungen und Lager die Mehrheit bilden, gewährt mir irgendeine Gabe. Auch auf meinem Spieltableau kann ich Einkommen-Symbole freigeschaltet haben, beispielsweise weil ich schon zwei, sechs oder alle zehn meiner Megalithen auf dem „Bauplatz“ eingesetzt habe.


Was passiert? ENDLESS WINTER eröffnet viele Schauplätze: Auf dem Geländespielfeld breiten wir uns aus und bilden Mehrheiten. Auf dem Bauplatz liefern wir uns ein Legespiel-Wettrennen um wertvolle Plätze für die Megalithen. Auf der Götzentafel steigen wir auf, um gute Schlusswertungen abzugreifen. Auf der Tiertableau jagen wir Tiere, um Sets gleicher Arten zu sammeln. All diese Spielstationen auf dem Tisch überhaupt unterzubringen, erfordert sehr viel Platz. Sie für alle gut erreichbar unterzubringen, ist fast unmöglich.
ENDLESS WINTER erfordert eine strikte Optimierung der wenigen Aktionen, die ich habe. Es gibt Glücksfaktoren, etwa beim Nachziehen der Karten oder auch bei der Bestückung der Jagdtier-Auslage, aber im Wesentlichen kommt es darauf an, einen eingeschlagenen Weg konsequent zu verfolgen und dabei Gelegenheiten zu erkennen, das richtige Timing zu haben und die Ressourcen gut einzusetzen.

Was taugt es? Mitspieler:innen bei ihren langen Kettenzügen zuzusehen, ist wenig spannend, zumal auch nichts passiert, was mir besonders sehenswert vorkommt. Aber Denkpausen lassen sich hier schwer vermeiden, weil man perfekt haushalten und vieles gleichzeitig unter einen Hut bringen muss. Die vielen Elemente sind passabel miteinander verzahnt, nur erschließt sich mir nicht, wozu das Spiel all das braucht. Ich sehe weder einen thematischen noch einen spielerischen Mehrwert, sondern nur das materielle Mehr.
ENDLESS WINTER wirkt, als sei genau dieses „Mehr“ die Devise bei der Spielentwicklung gewesen. Für jeden Mechanismen-Geschmack ist etwas dabei, viel Zeug, viel Grafik, riesige Schachtel. Und natürlich Miniaturen. Nur: Was ist jenseits der Opulenz der Leitgedanke? Was ist das Besondere? Das Einzigartige?

Deckbau bedeutet in ENDLESS WINTER überwiegend, Karten anzuhäufen. Die Karten interagieren nicht miteinander, sie summieren sich nur. Beim Personaleinsatz stehen während des gesamten Spiels immer dieselben vier Spielplanfelder zur Verfügung, was keine Dramatik, Knappheit oder Torschlusspanik entstehen lässt. Die vielen Mechanismen in ENDLESS WINTER werden für mein Empfinden nur miteinander verkettet, aber nicht raffiniert vertieft oder zugespitzt. Gewiss, ENDLESS WINTER liefert eine komplexe Tüftelaufgabe; man kann seinen Highscore in zunächst ungeahnte Höhen treiben – doch Charakter hat das Spiel nicht.


*** mäßig

ENDLESS WINTER von Stan Kordonskiy für eine:n bis vier Spieler:innen, Frosted Games / Pegasus Spiele.

Samstag, 10. Dezember 2022

Vor 20 Jahren (120): Wallenstein

Oh nein, jetzt gibt es diese Rubrik seit ZEHN Jahren! Und wenn ich mich offenbar schon vor zehn Jahren zu den Alten zählte, die glauben, es sei für die Jüngeren spannend, Geschichten aus dem Krieg zu erfahren: Was bin ich dann jetzt??

Apropos Geschichten aus dem Krieg: Auch WALLENSTEIN (Autor Dirk Henn) erzählt davon. Vom Dreißigjährigen. Gewiss: WALLENSTEIN ist ein Eurogame; insofern sollte man nicht zu viel historische Authentizität erwarten, und es wird nicht wirklich erzählt. Aber Parallelen zum historischen Dreißigjährigen Krieg findet man schon, beispielsweise das Fehlen klarer Frontlinien, die ständige Not, seine Truppen zu ernähren, oder die rücksichtslose Ausbeutung besetzter Gebiete.

Ich weiß noch, wie opulent ich WALLENSTEIN damals fand. Riesiger Spielplan! Fünf Tableaus! Fast 400 Holzsteine! Ganz viele Pappmarker und Spielkarten! Heute … setzt man eine derartige Tischpräsenz als Standard voraus bzw. würde sich vielleicht noch beschweren, dass keine Miniaturen im Spiel sind und die Pappen zu dünn.

Zwei Elemente von WALLENSTEIN stachen aus meiner Sicht heraus: 1. die Aktionswahl. Von jeder Provinz in meinem Besitz halte ich auch die Länderkarte auf der Hand. Meine Karten ordne ich verdeckt zehn verschiedenen Aktionsfeldern auf meinem Tableau zu. Ich kann pro Runde also nur in maximal zehn meiner Gebiete eine Aktion ausführen und in jedem Gebiet pro Runde auch nur eine.

Das führt auf dem Brett zu einer charakteristischen Zähigkeit. Man marschiert nicht blitzartig von Nord nach Süd, die Zahl der Schlachten ist auch begrenzt. Es führt obendrein natürlich zu Entscheidungsnöten, weil man seine zehn Aktionen teilweise auf Länder verteilen muss, die sich nicht ganz so optimal dafür eignen. Und es führt zu Überraschungen, auch sehr bösen. Die exakte Reihenfolge, in der die Aktionen abgewickelt werden, stellt sich erst während der Runde heraus. Verliere ich ein Land, muss ich sofort die Länderkarte abtreten. Und liegt die auf einer Aktion, die noch gar nicht gefragt war, verliere ich die Aktion.

2. der Würfelturm. Bei Schlachten schmeißt man alle beteiligten Armeeklötzchen hinein, einige bleiben im Schacht hängen, die herausfallenden bestimmen das Ergebnis. Bleiben meine Steine drin, ist das für den Augenblick Pech. Aber sie könnten beim nächsten Mal herausfallen und sind damit ein Drohpotenzial. Der Turm fungiert wie ein Würfel mit Gedächtnis.

Ein tolles Teil also, weshalb der Turm bei Queen Games zu einem wiederkehrenden Element geworden ist. WALLENSTEIN war aber nicht das erste Turm-Spiel, nur das erste gute. IM ZEICHEN DES KREUZES führte den Turm ein. Wer sich daran nicht erinnert, muss sich aber keine Sorgen machen: Mit Umnachtung hat das nichts zu tun, sondern mit dem Spiel.

Umnachtung allerdings ist die Ursache, warum oben SHOGUN und nicht WALLENSTEIN abgebildet ist. 2006 erschien SHOGUN als leicht überarbeitete WALLENSTEIN-Variante. Vermutlich ließ sich das alte Japan international besser vermarkten, und mehr steckte gar nicht dahinter. Aber jung, wie ich damals war, dachte ich, neu sei sicherlich besser. Und Dirk Henn hatte ein bisschen an den Regeln herumgeschraubt; das wirkte überzeugend, ich sortierte WALLENSTEIN aus.

In Japan allerdings haben sich meine Mitspieler:innen nie heimisch gefühlt. Im wahrsten Sinne: Wo man die Oberpfalz, Kursachsen oder das Bistum Lüttich einzuordnen hat, weiß man ungefähr. Bei Länderkarten, die Mimasaka, Shinano oder Echizen heißen, mussten wir stets rumsuchen, und das war unkomfortabel, und hat vor allem in dem Wissen genervt, dass es bei WALLENSTEIN nicht so gewesen war. Welcher Intelligenzbolzen hatte das noch mal aussortiert?


Dienstag, 6. Dezember 2022

Iki

Einleitung siehe Stiefel.

Wie geht IKI? Wir gründen Handelsgewerbe und hoffen auf Kundschaft. Denn Transaktionen, die in meinem Gewerbe stattfinden, lässt meine darin befindliche Figur (Kobun) um eine Stufe aufsteigen. Was ein höheres Einkommen in der Einkommensphase bedeutet.
Im Bestfall erreicht die Figur die höchste Stufe. Das Gewerbe wird nun in meine Sammlung gelegt und kann von niemandem mehr besucht werden, bringt fortan aber ein dauerhaft hohes Einkommen. Auch meine Figur kehrt vom Spielplan zurück, weshalb ich sie nicht mehr ernähren muss – bis ich sie wieder neu einsetze. Aber selbst wenn: Dass sie für den Neueinsatz frei wird und mir ermöglicht, wieder ein Gewerbe zu eröffnen, ist ein weiterer Vorteil.
Kundschaft anzulocken, ist also gut. Fragt sich, wer das sein soll und wie das geht: Jede:r Spieler:in besitzt eine Figur (Oyakata), die auf dem Straßenrondell ihre Runden dreht. Pro Zug darf meine Figur an ihrem Zielort die ortsabhängige Aktion durchführen sowie eins der maximal zwei dort ansässigen Geschäfte nutzen. Allerdings: Ist das mein eigenes Geschäft, steigt die Erfahrung des Kobun nicht. Das geschieht nur, wenn fremde Oyakatas sein Gewerbe aufsuchen.

Dann geht man einfach nicht zu Fremden? Na ja. Um im Spiel voranzukommen, macht man es letztlich doch. Zum Beispiel bekommt man bei den Händler:innen Nahrung, um die eigenen Leute zu ernähren. Oder Geld, um damit neue Gewerbe zu eröffnen. Oder Baustoffe für spezielle Gebäude, die besonders viele Punkte zählen. Und so weiter.
Selbst wenn meine Läden schlecht laufen, bedeutet dies keinen Stillstand. Alle meine Kobun-Figuren steigen auf, sobald mein Oyakata das Straßenrondell umrundet. Was ein Argument ist, um tendenziell lieber viele statt wenig Schritte zu gehen. Allerdings ist man in der Wahl nicht frei. Pro Runde entscheiden die Spieler:innen, ob sie einen, zwei, drei oder vier Schritte gehen möchten. Eine gewählte Option ist für die anderen blockiert. Wer die kleinste Bewegungsweite gewählt hat, führt den Zug zuerst aus und kann den später Ziehenden attraktive Plättchen oder Gebäude wegschnappen.


Was passiert? IKI ist ein interaktives Spiel. Das zeigt sich nicht nur bei der Entscheidung, welche Geschäfte besucht oder nicht besucht werden. Auch beim Schrittwahl-Mechanismus bin ich von den Mitspieler:innen abhängig bzw. konkurriere mit ihnen darum, möglichst früh auswählen zu dürfen.
… Was wiederum von den Fortschritten auf der Brandwehr-Skala abhängt. Der Stand dort bestimmt, in welcher Reihenfolge wir unsere Zugweite wählen. Und – wie der Name schon sagt – wie gut wir gegen Brände gefeit sind. Denn dreimal im Spiel bricht unweigerlich ein Feuer aus. Eine von vier möglichen Stellen wird als Brandherd ausgelost. Kann die Besitzer:in des betroffenen Gebäudes das Feuer nicht löschen, springt es auf das nächste Gebäude über. Bis irgendwer dann doch löschen kann oder der gesamte Straßenzug abbrennt.
Grundsätzlich hätte wohl jede:r gern hohen Brandschutz. Aber manchmal sind die entsprechenden Aktionen schwer zu bekommen – weil die Schrittweite nicht passt oder andere irgendwo zuvorkamen. Und manchmal zockt man auch. Lasse ich den Schutz schleifen, kann ich schneller Vermögenswerte anhäufen, die am Ende in mehr Siegpunkte münden. Verlockend! Aber gefährlich …


Was taugt es? Dass wir Dinge gegen andere Dinge tauschen und Rohstoffe sammeln, mit denen wir punkteträchtige Gebäude bauen, ist zweifellos nichts Neues. Aber die Hauptmechanismen sind unverbraucht und bewirken, dass wir auch miteinander spielen, nicht nur nebeneinander.
Wohl deswegen ist für IKI – ganz anders als bei vielen anderen Eurogames – die Zweier-Besetzung nicht optimal. Um die Wahlfreiheit einzuschränken, wird zu zweit gelost, welche Schrittweiten überhaupt zur Verfügung stehen, und solche Willkürentscheidungen fühlen sich oft ungerechter an als Entscheidungen echter Spieler:innen. Außerdem ist man zu zweit leichter auszurechnen und kommt, wenn das Gegenüber es verhindern möchte, auf der Brandwehr-Skala schwer in die führende Position.
Das Feuer ist ohnehin der Mechanismus, der in IKI am meisten spaltet. Es gibt immer wieder Spieler:innen, die Gebäude verlieren oder bei ungünstiger Auslosung verlieren könnten. Der Zufall, ob man für Versäumnisse bestraft wird oder glücklich davonkommt, kann in IKI spielentscheidend sein. Aber so gemein das auch ist: Es sorgt für Thrill. Nach meinem Empfinden tut die Feuergefahr dem Spiel gut, weil die Zufälligkeit das an sich rechnerische Spiel etwas weniger rechnerisch werden lässt.
In Details hätte IKI bei Wertungen und Gebäudeeffekten noch verschlankt werden können, ohne an Substanz einzubüßen; überkompliziert ist es ohnehin nicht. Denn IKI beruht auf wenigen und gut verzahnten Prinzipien. Dadurch wirkt das Spiel bei all seiner Tiefe noch einigermaßen leicht.


***** reizvoll

IKI von Koota Yamada für zwei bis vier Spieler:innen, Giant Roc.