Spielen bildet. Hatte ich mir amerikanische Siedler zur Pionierzeit bislang so vorgestellt, dass sie unter großen Entbehrungen zu Fuß, auf Pferden, mit klapprigen Karren, auf Kanus oder improvisierten Flößen in unerforschtes Land vordringen, zeichnet PIONEERS ein viel angenehmeres Bild: Pioniere nehmen einfach die Postkutsche. Genial.
Wie geht PIONEERS? Jeder Spieler startet mit fünf Figuren in einer Kutsche. Die Sitzplatzfarbe definiert den Beruf des Männchens, sei es Barkeeper (rot) oder Bankier (gelb). Jede Figur darf nur an Orten ihrer Farbe aussteigen.
Ich will erstens viele Männchen aussteigen lassen. Denn jede Kutsche, die ich leere, zählt Punkte. Zweitens will ich möglichst viele meiner Männchen mit einem Straßennetz verbinden. Das zählt für die Schlusswertung.
Wer am Zug ist, bewegt die gemeinsame Postkutschen-Figur. Sie repräsentiert sozusagen sämtliche Kutschen aller Spieler gleichzeitig. Man darf beliebig weit fahren, allerdings nicht über unbemannte Städte hinweg. Und das Fahren kostet Geld. Entweder an die Bank. Oder an den Mitspieler, falls man dessen Straße benutzt. Nur eigene Straßen zu befahren, ist kostenlos. Am Zielort wird dann ein eigenes Männchen abgestellt und erhält einen berufsspezifischen Vorteil. Der Bankier beispielsweise erhöht das Einkommen des Spielers. Der Barkeeper kickt eine weitere Figur aus der Kutsche heraus (wodurch sich schwer vermittelbare Problemfälle entsorgen lassen und die Kutsche auch schneller leer wird).
Wichtig noch: Gegen Gebühr darf ein Mitspieler eine seiner Figuren in denselben Ort stellen. Das kann im Hinblick auf die Schlusswertung sinnvoll sein oder auch einfach nur zur Kutschenentleerung.
Was passiert? Wer erfolgreich spielen will, muss einiges unter einen Hut bringen. Straßen kosten Geld, also benötige ich ein höheres Einkommen (und will also Bankiers in gelben Städten unterbringen). Einkommensunabhängig darf ich pro Zug aber nur einen Kauf (Gleise, Kutschen) tätigen, was auf Dauer behindert. Also will ich violette Händlerinnen absetzen. Sie erhöhen die Zahl der möglichen Käufe.
Grüne Farmer dürfen zu mehreren aus den Kutschen aussteigen, wozu ich aber erst mal mehrere Kutschen mit mehreren Farmern gekauft haben muss. Und weil Mitspieler ihre Straßen gerne mal so bauen, dass sie mögliche Verbindungen unterbrechen, brauche ich hin und wieder blaue Sergeants, die Straßen auch parallel bauen.
Zu diesem Personal-Management gesellt sich das Navigations-Management. Mit möglichst geringen Kosten will ich die Kutsch-Figur zu einer Stadt dirigieren, in der ich ein Männchen abstellen darf. Möglichst eins, das mir in der aktuellen Situation etwas bringt. Und möglichst an einem Ort, den ich spätestens bis Spielende in mein Straßennetz integriert habe. Und im Bestfall steht die Kutsche dann sogar noch für den folgenden Spieler möglichst blöd, was ihn zu höheren Ausgaben und eventuell zur Benutzung meiner Straßen zwingt.
Was taugt es? Die Stadtfarben sind jedes Mal anders verteilt. So schleift sich keine klare Vorgehensweise ein. Die Züge sind schnell abgewickelt, und weil ich auch Figuren platzieren darf, wenn ein anderer am Zug ist, bin ich stets involviert. Dass wir wirklich miteinander und nicht nebeneinander spielen, fällt positiv auf. Störend kann sich diese Abhängigkeit vom Mitspieler auswirken, wenn jemand nicht mitdenkt und anderen unfreiwillige Vorlagen serviert.
Ornella gelingt mit unverbrauchten Mechanismen eine spannende Verbindung taktischer Erwägungen und langfristiger Pläne. In PIONEERS ist nichts überflüssig, das Spiel kommt genau auf den Punkt. Thematisch ist es jedoch weniger stark. Auch die nüchterne Gestaltung trägt nicht dazu bei, viele Spieler anzulocken. Zugleich ist die Grafik aber ausgesprochen funktional. Alle wesentlichen Informationen findet man rein visuell auf Spielplan und Spielertableaus.
Ein Regelwiderspruch irritiert mich: Besitze ich nur noch leere Kutschen, muss ich eine neue kaufen und mit Männchen bestücken. Kann ich keine der angebotenen Kutschen bestücken, darf ich keine kaufen. Was nun passiert, wenn ich a) eine Kutsche kaufen muss, b) aber regelkonform keine kaufen kann, bleibt offen. Ein Computerspiel würde an dieser Stelle abstürzen. Im Brettspiel wird man sich wohl darauf einigen, dass dann ausnahmsweise keine Kutsche gekauft werden muss.
***** reizvoll
PIONEERS von Emanuele Ornella für zwei bis vier Spieler, Queen Games.
Ich finde das Spiel großartig, aber der Regelwiderspruch ist mir in einer Partie auch schon begegnet. Wir haben jetzt ganz auf die Regel verzichtet, dass man Kutschen kaufen muss. Ich sehe irgendwie keinen Grund, warum man nicht freiwillig eine Runde sparen sollte. In den meisten Fällen ergibt es ja trotzdem Sinn eine Kutsche zu kaufen.
AntwortenLöschen