Die untergehende Sonne auf dem Cover der SIEDLER VON CATAN dürfte zum Erfolg des Spiels einiges beigetragen haben. Man stelle sich stattdessen ein übliches Eurogame-Cover vor (so wie es für das Spiel ursprünglich auch vorgesehen war):
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Tja, man kann es sich kaum vorstellen. Es wären nicht mehr DIE SIEDLER VON CATAN.
Hin und wieder gelingt es, Spiele perfekt in Szene zu setzen. Mit der Folge, dass die Spiele dann a) herausragend schön aussehen und vor allem b) beim Betrachter Bilder und Emotionen hervorrufen. Das Spiel berührt etwas in einem. Es macht neugieriger als andere Spiele. Schon auf den ersten Blick fühlt man sich in dem Spiel zu Hause, obwohl man es noch gar nicht kennt.
Und da bin ich bei MEN AT WORK. Egal, in welche Spielegruppe ich gehe: MEN AT WORK wird immer herausgegriffen. Das Cover ist ein Versprechen: Hier geht’s in die Höhe, hier wird’s wacklig, das könnte interessant sein. Bauarbeiter auf Stahlträgern. – Einigen kommt da sofort das berühmte Foto „Mittagspause auf einem Wolkenkratzer“ in den Sinn. Und beim Öffnen der Schachtel ist es endgültig geschehen: Diese niiiedlichen Arbeiterfiguren mit ihren gelben Helmen! Großartig!
Wie geht MEN AT WORK? Es geht tatsächlich in die Höhe und es wird tatsächlich wacklig. Eine Aufgabenkarte sagt dem Spieler am Zug, was zu tun ist: ein Arbeiter oder ein Stahlträger muss auf den Gemeinschaftsbau gesetzt werden. Mal muss der Arbeiter noch Ziegel oder Balken auf der Schulter tragen, mal muss der Stahlträger bestimmte Farben berühren oder der höchste sein.
Fallen Teile von der Baustelle herunter, muss der Verursacher ein Sicherheitszertifikat bezahlen. Wer keins mehr hat, scheidet aus. Es gewinnt, wer übrigbleibt. Oder es gewinnt, wer mehrmals „Mitarbeiter des Monats“ wurde. Diese Auszeichnung kriegt, wer ein Teil so platziert, dass es die höchste Position der Baustelle einnimmt.
Was passiert? Alles, was man von einem guten Geschicklichkeitsspiel erwarten kann: Man fühlt sich herausgefordert, sucht nach kreativen Lösungen, atmet auf, wenn es klappt, und jubiliert, wenn man dem nächsten ein nahezu einsturzreifes Konstrukt überlässt.
Viele Bauspiele enden, wenn der Turm einstürzt. MEN AT WORK nicht. Das hat Vorteile: 1. Das Spiel ist nicht gleich vorbei, wenn einer patzt. 2. Man kann Fehler wieder ausbügeln. 3. Es gibt einen eindeutigen Sieger.
Und es hat Nachteile: 1. Wer nach dem Unfall an die Reihe kommt, muss die Baustelle aufräumen. Was kein Problem ist, falls nur zwei oder drei Teile gefallen sind. Doch im fortgeschrittenen Spielstadium sind die Unfälle komplexer und der Aufräumer löst womöglich einen neuen Unfall aus. Und weil der Schuttberg wieder für den nächsten liegen bleibt, habe ich auf diese Weise mehrmals stimmungsraubende Kettenunfälle erlebt.
Im Sinne des Spielspaßes muss man da wohl kulant sein. Genauso wie in diversen anderen strittigen Situationen, die in Bauspielen nun mal auftreten können. Und genauso wie bei einigen Kartenanweisungen, die präziser sein könnten und verlangen, dass sich die Mitspieler vernünftig einigen.
Von mir aus Schwamm drüber. Aber da ist noch etwas: 2. Die Partien können sehr lange dauern. Während die beiden Geschicktesten im Finale den Sieger ausspielen, gucken die Ausgeschiedenen zu. Im besten Fall. Ich habe auch schon erlebt, dass sie vom Tisch aufstehen und Getränke holen oder im Spielestapel wühlen, was sie als nächstes spielen möchten.
Und sogar bei den noch Beteiligten flaut die Spannung ab, weil sie merken: Oh, oh, das geht aber gar nicht zu Ende hier, die anderen warten schon, und so wichtig ist es mit dem Gewinnen nun auch wieder nicht. Weil die zweite Siegbedingung selten greift, habe ich mich schon dabei ertappt, wie ich insgeheim hoffte, das Material gehe endlich aus und MEN AT WORK sei vorbei.
Was taugt es? MEN AT WORK ist ein äußerst sympathisches Spiel mit extrem hohem Aufforderungs-Charakter. Aber das Spiel kann bei seiner Aufmachung nicht ganz mithalten. Und insofern hinkt der Vergleich zu den SIEDLERN VON CATAN dann doch.
**** solide
MEN AT WORK von Rita Modl für zwei bis vier Spieler, Pretzel Games.
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