Samstag, 24. Mai 2025

Kauri

Kauri: Cover

Wenn ich in Deutschland mittags eine Einleitung schreibe, beginnt kurz danach in Neuseeland ein neuer Tag. Meine Einleitung wäre ruckzuck veraltet. Tückische Umstände also, weshalb ich mir die Mühe diesmal spare.

Wie geht KAURI? KAURI ist ein asymmetrisches Spiel. Jede:r spielt eine andere Fraktion (Kiwi, Possum, Engländer, Maori), und jede dieser Fraktionen hat andere Figuren, andere Ziele und folgt anderen Regeln.
KAURI greift thematisch die Kolonialgeschichte Neuseelands auf. „Der Engländer“ hat das Land zwecks Ausbeutung in Besitz genommen und dabei „das Possum“ eingeschleppt. Das Possum verdrängt „den Kiwi“, der ums Überleben kämpft.
Der Engländer punktet zunächst für jeden Baum, den er fällt. Im Laufe des Spiels wandelt sich aber sein Gewissen. Er fällt bald keine Bäume mehr, sondern macht Jagd auf die Possums. Jedes getötete Possum bringt ihm ebenfalls einen Punkt. Kiwis und Possums punkten pro Exemplar, das es von ihnen bei Spielende (noch) gibt.

Kauri: Situation

Spielt man zu viert, ist außerdem „die Maori“ mit von der Partie, die etwas außerhalb dieses Systems agiert und vor allem für Bauten punktet, die sie im Laufe des Spiels errichtet. Hauptsächlich werden dies „Tempel“ sein. Sie dürfen nur in Gebieten mit Baum, aber ohne Tier errichtet werden. Also tötet auch die Maori Tiere. Beide Arten bringen ihr Punkte.
Jede:r besitzt ein Deck mit neun Karten. Alle Karten zeigen Aktionsmöglichkeiten und eine Zahl. Von meinen drei Handkarten spiele ich pro Zug zwei: eine für die Aktion, die andere für die Initiative. Wer die kleinste Zahl gelegt hat, führt die Aktion der anderen Karte zuerst aus. Das machen wir alle viermal, dann endet ein Durchgang. Alle Kiwis ohne einen Baum in ihrem Gebiet sterben jetzt aus, der Gewissensanzeiger des Engländers rückt vorwärts.

Was passiert? KAURI ist ein aggressives Spiel; für Possum und Kiwi ist es ein Überlebenskampf. Das Possum will sich möglichst stark vermehren und sich überall auf der Insel verteilen, bevorzugt weit entfernt vom Engländer, um in der späteren Phase weniger leicht gejagt werden zu können. Der Engländer besitzt Fähigkeiten, um auf seinem Feld sämtliche Possums zu töten. Also sollten nicht zu viele auf demselben Fleck hocken. Nebenbei räumt das Possum ein paar Bäume weg und macht so dem Kiwi das Leben schwer.
Der Kiwi läuft weg, wo Bäume fallen, forstet Gebiete wieder auf, kann den Gewissensmarker des Engländers voranbewegen und besitzt einmal pro Spiel die mächtigen Sondereffekte „Vulkanausbruch“ und „Tsunami“, mit denen zwei zueinander benachbarte Felder (einmal am Vulkan, einmal an der Küste) in Schutt und Asche gelegt werden.

Kauri: Possum

Anfangs kennt man die Karten und Möglichkeiten der anderen Fraktionen noch nicht so genau und wird von Aktionen überrascht. Natürlich könnte man vorab alle Features aller Fraktionen gemeinsam durchgehen, aber das wird sich dann sowieso kaum jemand merken können. Man ist schon genügend mit den eigenen Aktionen beschäftigt.
Das Hineinfinden in die eigene Rolle wird durch Übersichtsblätter sehr erleichtert. Man kann nach einer gar nicht allzu langen allgemeinen Erklärung losspielen und sagen: „Lest euch durch, was eure Karten können, sobald ihr sie zieht.“ Spielfehler kommen dennoch vor. Nach meiner Erfahrung hauptsächlich deshalb, weil Spieler:innen rein auf die Kartengrafik vertrauen und nicht mehr die Details auf ihrem Übersichtsblatt lesen. Die Voraussetzung, um einen Karteneffekt anwenden zu dürfen, ist auf manchen Karten grafisch hinterlegt, auf vielen anderen inkonsequenterweise nicht. Es steht nur im Text auf dem Übersichtsbogen.

Was taugt es? KAURI sieht toll aus, das Spielmaterial ist herausragend, die Thematik ist mutig gewählt und erscheint überwiegend schlüssig. – Der Wow-Effekt ist üblicherweise groß, denn die meisten Menschen haben etwas Vergleichbares noch nie gespielt. Um zu zeigen, wie originell und vielfältig das Hobby Spiel sein kann, eignet sich KAURI ganz besonders gut.
KAURI ist zudem spannend, viele Partien enden knapp. Und es bleibt auch erst mal spannend, weil ich das Spiel beim nächsten Mal aus einer anderen Perspektive erleben darf. KAURI gewährleistet, dass ich mit den vier Fraktionen vier komplett unterschiedliche Partien spielen kann.

Kauri: Karten

Mit derselben Fraktion sind die Partien dagegen nicht sehr unterschiedlich. Vieles ergibt sich durch meine Rolle und meine Aktionsmöglichkeiten ganz zwangsläufig. Ich folge einem Programm. Ob ich so spielen kann, wie es für mich vorgesehen ist und gut für mich wäre, hängt stark von den Gegebenheiten ab. Zentrale Karten meines Decks hätte ich gern in einer bestimmten Reihenfolge und zu bestimmten Zeitpunkten auf der Hand. Und sie sollten nicht ausgestochen werden, was vorkommen kann, wenn ich sie kombiniert mit einem ungünstigen Initiativwert spielen muss.
Neben Glück entscheiden auch Gnade (Wenn andere Spieler:innen die Wahl haben, wen sie schädigen: Wählen sie dann mich?) und Gruppendenke (Welche Fraktion wird allgemein als die böseste angesehen und kriegt bevorzugt was auf den Deckel?). Manche Aktionen haben durchaus Königsmachercharakter; im Dreierspiel wird das für mein Empfinden besonders deutlich.
Einem Skript zu folgen oder in einem konfrontativen Spiel stark von äußeren Umständen abzuhängen, muss für ein Spiel nicht grundsätzlich negativ sein. Die Kombination aus beidem fühlt sich in KAURI aber letztendlich nicht so gut an. Man kommt sich phasenweise machtlos vor, das Drehbuch erlaubt wenig Abwechslung. Meine Neugierde auf immer weitere Partien ist inzwischen gesunken.


**** solide

KAURI von Charlec Couronnaud für zwei bis vier Spieler:innen, Koalla Spiele / Débâcle Jeux.

3 Kommentare:

  1. Schade - ich wollte ja ROOT unbedingt mögen, aber nach einigen Spielen hat es mir gereicht. Als "Waldlandallianz" zB fängt man ja dauernd wieder bei Null an, und dann ist das Spiel schon rum.
    Ich hatte gehofft, Kauri böte eine ausgewogenere Alternative, aber wohl auf Kosten des mangelnden Wiederspielreizes, wenn man erst mal alle Fraktionen gespielt hat.

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    1. Empfinde ich überhaupt nicht so. Hab jetzt sieben Partien gespielt und bin immer wieder neugierig auf weitere. Auch wenn ich eine Partei öfter spiele, bin ich sehr abhängig von der Dynamik am Tisch. Ich muss taktisch reagieren und alle Spieler im Blick haben, damit keiner abreißt. Außerdem ist es schnell gespielt und ist in meinen Gruppen immer gut angekommen. Auch bei Vielspielern.

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  2. Ich hab Kauri noch nicht selbst gespielt, beziehe mich nur auf Aussagen einiger Stimmen im Netz. Dieser Blog hier steht da mit seiner finalen Aussage zur Neugierde auf weitere Partien, also dem Wiederspielreiz, nicht allein.

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