Sonntag, 29. Juni 2025

Slay the Spire – Das Brettspiel

Slay the Spire: Cover

Klar, diese Einleitung ist schon recht mies. Aber sie ist trotzdem viel besser als die Anleitung zu diesem Spiel.

Wie geht SLAY THE SPIRE – DAS BRETTSPIEL? Der Name verrät es: Wir metzeln, was uns in den Weg kommt. Denn wir sind nun mal die Guten, und die anderen böse.
Wir metzeln kooperativ (oder solo). Und wir metzeln mit Karten. Jeder Charakter (vier verschiedene gibt es) hat ein ähnliches Startdeck. Für jede Kampfrunde ziehen wir fünf dieser Karten auf die Hand, und wer immer möchte, spielt eine und führt sie aus. Das kostet üblicherweise Energie. Und üblicherweise verfügt ein Charakter nur über drei Energie, deshalb spielt man oft nicht alle Karten und wirft den verbleibenden Rest bei Rundenende ab. In der nächsten Runde zieht man fünf neue und bekommt auch wieder drei Energie.
Schön ist es, wenn ausgespielte Karten bewirken, dass Monster Treffer kassieren. Oder dass ich mir Block aufbaue, um Treffer der Monster zu absorbieren. (Stark verkürzt gesagt. Es gibt noch sehr viele weitere Karteneffekte.) Nach dem Zug des Held:innenteams kommen – sofern nicht verstorben – alle Monster an die Reihe. Mit welcher Wucht sie auf wen hauen werden, ist vorab bekannt. In unserem Zug geht es deshalb auch darum, dass wir uns bestmöglich darauf vorbereiten.

Slay the Spire: Spielplan

Wir verlieren, sobald irgendwer aus unserem Team stirbt. Solange das nicht passiert, rücken wir auf dem Entscheidungsbaum-artigen Grundriss Feld für Feld voran. An Abzweigungen wählen wir zwischen zwei Möglichkeiten und steuern so, ob wir häufiger auf Monster treffen wollen. Oder Händler aufsuchen, um dort unser Beutegeld für tolle Dinge auszugeben. Oder Räume mit Zufallsereignissen ansteuern. Oder Lagerfeuer, die ein bisschen Erholung bringen und verwundete Held:innen wieder aufpäppeln.
Wo auch immer wir langgehen: Ganz am Schluss landen wir beim Endboss. Besiegen wir den, qualifizieren wir uns für den nächsten von insgesamt drei Akten, der eine ganze Ecke schwieriger sein wird als der davor.
Mit einiger Berechtigung mag man denken, es sei besser, Monstern auszuweichen und ungefährlichere Felder anzusteuern. Aber: Erstens kann man Monstern sowieso nie ganz ausweichen. Und zweitens bringt jeder erfolgreiche Kampf eine Belohnung: Ich darf drei Karten von meinem Vorratsstapel ziehen und eine davon meinem Deck hinzufügen. Da meine Startkarten ziemlich schwach sind, käme ich ohne kontinuierliche Verstärkung gar nicht gegen den Endboss an.

Was passiert? SLAY THE SPIRE – DAS BRETTSPIEL hat zwei Hauptschauplätze: die Kämpfe und den Deckbau. Im Kampf ist es natürlich auch eine Frage des Glücks, die benötigten Karten in einer geeigneten Kombination und im richtigen Moment auf die Hand zu bekommen. Über diese Gegebenheiten hinaus ist das Kämpfen aber vor allem eine Koordinations- und Kommunikationsaufgabe.

Slay the Spire: Charakter

Man diskutiert, in welcher Reihenfolge die Monster erledigt werden sollten. Man teilt sich gegenseitig die Möglichkeiten („Sollen meine drei Treffer auf den Gremlinzauberer oder den Säureschleim?“) oder die Bedarfe mit („Hilfe! Kann mir jemand Block gewähren?“). Um für die Gruppe das beste Ergebnis herauszuholen, muss man nicht nur das eigene Blatt gut nutzen, sondern auch viel bereden. Teilweise kann die Optimiererei auch mühsam werden und sich in die Länge ziehen.
Besonders reizvoll, wenn auch viel kürzer, ist dann die Belohnungsphase: endlich neue Karten! Was werde ich ziehen? Welche davon behalte ich? Fast jede erscheint mir gut. Aber welche unterstützt mein Deck, so wie ich es bisher kennengelernt habe, am besten?
Mit wachsenden Decks unterscheiden sich die Held:innen in ihren Fähigkeiten und Kampftechniken immer deutlicher voneinander. Anders als in Deckbauspielen wie etwa DOMINION, in dem sich alle aus demselben Kartenangebot bedienen, schöpft hier jede Held:in aus ihrem eigenen Vorrat. „Die Seherin“ wird nie so sein wie „Der Eiserne“, das geben ihre Karten gar nicht her.

Slay the Spire: Karten

Es ist also kein komplett freier, sondern ein geleiteter Deckbau. Die Möglichkeiten, die mein Charakter bieten könnte, sind bereits in den Kartenvorräten angelegt. Es ist an mir, sie zu erkennen und zu nutzen. Auch der Deckbau hat eine Zufallskomponente. Mein potenzieller Nachschub ist gemischt. In welcher Reihenfolge mir welche Karten angeboten werden, erfahre ich erst, wenn es soweit ist.
Jede Belohnung hat zur Folge, dass ich gleich wieder heiß auf den nächsten Kampf bin: um die neue Karte einzusetzen, um zu sehen, wie sie sich im Zusammenspiel mit den anderen bewährt. Und ist ein Akt erfolgreich abgeschlossen, will ich auch gleich den nächsten beginnen. Denn der Kampf gegen den Endboss hat als Belohnung eine besonders starke „seltene“ Karte gebracht, und jetzt will ich erst recht erfahren, was die so kann.

Was taugt es? SLAY THE SPIRE – DAS BRETTSPIEL ist durchaus anstrengend und zeitaufwendig. Die Kämpfe sind zu komplex, um die Karten einfach runterzudreschen. Wer erfolgreich sein will, braucht Absprachen; Absprachen kosten Zeit. Und trotzdem kann man plötzlich mittendrin einfach so hops gehen – und muss von vorn anfangen. Komplett von vorn.

Slay the Spire: Bossmonster

Ich habe sowohl verloren als auch gewonnen und bin nicht müde geworden, von vorn zu beginnen. SLAY THE SPIRE – DAS BRETTSPIEL hat eine Sogwirkung. Es gibt vier sehr unterschiedliche Charaktere, die ich ausprobieren und ausloten kann. Und sogar mit demselben Charakter lohnen sich etliche Partien, denn in den Decks steckt mehr als nur ein Weg, um den Charakter schlagkräftig zu machen.
Als wiederholend habe ich am ehesten die Monster empfunden. Unterhalb von Elite- und Bossmonster begegnen uns bald immer dieselben. Trotzdem sind auch die Monster unterschiedlich genug, um im Kampf für so manche Verblüffung zu sorgen. An mancher Monsterbesonderheit rackern wir uns im Team lange ab – und in einer anderen Partie hat jemand eine Karte im Deck, die dasselbe Problem aus der Welt schafft, als sei es nichts.
Der große, nein: sehr große Haken von SLAY THE SPIRE – DAS BRETTSPIEL ist die Anleitung, jedenfalls wenn man das zugrundeliegende Videospiel SLAY THE SPIRE nicht kennt. Im Detail aufzulisten, was ich alles misslungen finde, wäre mir zu zeitintensiv. Man möge es mir einfach glauben oder nicht: Die Anleitung eignet sich für das Erlernen des Spieles schlecht. Und für das Nachschlagen während des Spiels eignet sie sich ebenfalls schlecht. Menschen, die das Spiel für mutmaßlich über 100 Euro gekauft haben, werden sich angesichts dieser Investition schon irgendwie durchbeißen (ich hab’s ja auch geschafft – obwohl ich nicht wetten würde, dass ich tatsächlich alles hundertprozentig regelkonform spiele). Aber es kostet viel Arbeit und Mühe. Weil der Verlag sich viel Arbeit und Mühe gespart hat.


***** reizvoll

SLAY THE SPIRE – DAS BRETTSPIEL von Gary Dworetsky, Anthony Giovannetti und Casey Yano für eine:n bis vier Spieler:innen, Nice Game / Contention Games / Megacrit.

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