Es waren einmal bis zu fünf Königreiche … und dann gab’s auf die Glocke. Wir sehen: PAPER TALES erzählt große Weltgeschichte.
Wie geht PAPER TALES? Wir draften (fünf Karten bekommen, eine behalten, Rest weitergeben). Am Ende des Reigens wählt jeder bis zu vier seiner Karten, mit denen er sein zwei mal zwei Ablageplätze großes Königreich bestückt. Problem dabei: Viele Karten kosten beim Ausspielen Geld. Hat man nicht genug Geld, muss man andere oder weniger Karten spielen.
Die beiden Karten in der vorderen Reihe „kämpfen“: Man vergleicht ihre Stärkewerte mit denen der beiden Nachbarreiche. Die Gewinner erhalten Punkte. (Es wird aber nichts zerstört oder weggenommen.)
Und ansonsten bringen die gelegten Karten (hoffentlich) Effekte: Geldeinnahmen, Rohstoffe, Besonderheiten. Rohstoffe benötigt man zum Bau von Gebäuden. Das sind Karten, die neben der Zwei-mal-zwei-Auslage ins Spiel kommen und dem Besitzer für den Rest der Partie einen dauerhaften Vorteil gewähren.
Das Originellste in PAPER TALES: Die Karten altern. Nach jedem der vier Durchgänge scheiden diejenigen Karten aus, auf denen schon ein Alterungsmarker liegt. Alle übrigen Karten kriegen einen Marker verpasst.
Was passiert? Da sich vieles aus den Karten selbst ergibt, PAPER TALES eine gute Übersicht bietet und eine klare Symbolsprache benutzt, kann schnell losgespielt werden. Welche Feinheiten die Karten mitbringen, erfährt man erst nach und nach. Da gibt es welche, die den Alterungsprozess verzögern, andere, die ganz im Gegenteil schnell sterben wollen, und dritte, deren Potenzial erst dann ausgeschöpft wird, wenn es mithilfe anderer Karten gelingt, mehrere Marker darauf anzuhäufen.
Auch die Rohstoffe sind nicht ausschließlich zum Bauen da. Mit Rohstoffen im Reich besitzen einige Karten eine höhere Kampfstärke, andere bringen mehr Geld oder gleich Punkte und so weiter. Die Auswahl ist also nicht trivial. Dummerweise darf man beim Draften immer nur eine Karte behalten; welche Kombinationen sich ergeben könnten (und ob überhaupt), ist also nicht so ganz sicher. Mit etwas mehr Erfahrung wird man beginnen, zu pokern und auf das Auftauchen bestimmter Karten zu spekulieren.
Zweifellos geben die Karten eine Richtung vor. Will ich am liebsten das Gebäude „Stadt“ bauen, für das ich drei Holz benötige, und bekomme ich nicht recht schnell Karten mit Holz, lohnt es sich nicht, an diesem Projekt festzuhalten. Oft habe ich am Ende des Durchgangs keine Wahl, was ich baue. Nur ein Gebäude geht, und genau das baue ich dann. Und dieses Gebäude wiederum gibt vor, was im weiteren Spielverlauf sinnvoll für mich wäre. Die „Mine“ beispielsweise belohnt das Vorhandensein von Edelsteinen. Also will ich fortan welchen Rohstoff in meinem Reich sammeln? (Tipp: Nein, Nahrung ist es eher nicht.)
Was taugt es? Eine ganze Menge. Nach mehr als einem Dutzend Partien erlebe ich zwar nicht mehr die ganz große Variation. Aber von einem Spiel mit (falls ich mich nicht verzählt habe) 42 verschiedenen Karten und (wenn es alle beherrschen) einer Spieldauer von 30 Minuten erwarte ich das auch nicht.
Mir macht es immer noch Spaß zu erleben, wie Karten und Marker zusammenwirken, was passieren kann und ob sich nicht doch noch andere Wege zu vielen Punkten erschließen lassen. Ich spiele besonders gerne und auch überwiegend erfolgreich darauf, schon im ersten Durchgang ein Gebäude der Stufe 2 zu errichten, was mir erlaubt, künftig fünf statt vier Karten auszulegen. Aber auch eine vorrangige Konzentration auf Militär kann einen Batzen Punkte einbringen. Einige wenige Karten habe ich überhaupt noch nicht gewinnbringend einsetzen können und bin mir nicht ganz sicher, ob das nun für oder gegen PAPER TALES spricht.
Nicht alle Mitspieler teilen meine Begeisterung. Bemängelt wird erstens, dass man etliche der behaltenen Karten mangels Geld oder Platz nicht ausspielt, sondern abwirft, sowie zweitens, dass man schon früh abgeschlagen sein kann. Klar: Wer sich im Kampf engagiert und trotzdem von beiden Seiten eins draufkriegt, hat Pech. Genauso wie es sich ungerecht anfühlt, wenn die Mitspieler fünf Kartenplätze haben, und man selber hat nur vier.
Aber da bin ich wieder bei meinem 30-Minuten-Argument: PAPER TALES will schnell runtergespielt sein. Karten angucken, sich überraschen lassen, Entscheidung treffen. Ein bisschen was ausprobieren, ein bisschen pokern, ein bisschen aufs Glück hoffen. Zudem spielen wir hier miteinander; und nicht nur indem ich dem anderen Karten vorenthalten kann. Es lohnt auch abzuschätzen, in welchem Maße die Nachbarschaft auf Krieg gebürstet ist, um sich nicht unnötig aufzureiben. Das funktioniert zu zweit, zu dritt, zu viert und zu fünft gleichermaßen gut.
Unweigerlich denkt man, dass Erweiterungen PAPER TALES noch toller und variabler machen könnten, und vielleicht ist das auch so. Für den Einstieg und die ersten Partien sehe ich es aber als Stärke von PAPER TALES an, nicht mehr und nicht weniger als dieses nicht zu komplizierte, in sich geschlossene und aufeinander abgestimmte System zu bieten.
***** reizvoll
PAPER TALES von Masato Uesugi für zwei bis fünf Spieler, Frosted Games / Pegasus Spiele.
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