Sonntag, 9. Juni 2019

Vor 20 Jahren (78): Spiel des Lebens

aus: Fiese Freunde Fette Feten, 2F

Im Juni 1999 endete meine einjährige journalistische Fortbildung. Damals dachte ich, es sei ein ziemliches Organisations-Wirrwarr und eine beträchtliche Verschwendung von Ressourcen gewesen. Heute sehe ich es positiver: Eigentlich waren wir doch alle erfolgreich. Diejenigen im Kurs, die tatsächlich einen Job finden wollten, fanden auch irgendwas. Und diejenigen, die von Ämtern unbehelligt nur das Jahr absitzen wollten, saßen gemütlich das Jahr ab.

Okay, sie zogen den Kurs runter. Aber ich will nach so langer Zeit mal nicht nachtragend sein. Immerhin rund die Hälfte der Teilnehmer ist später tatsächlich im Journalismus oder zumindest im PR-Bereich gelandet. Was man auch wieder nicht überbewerten sollte, denn fast dieselbe Menge war schon vor dem Kurs journalistisch tätig gewesen. Viele arbeiteten als Praktikanten oder Ungelernte und kamen in den Kurs, um sich zu verbessern. Uns allen war ein Volontariat versprochen worden. Und das wiederum erreichte keiner.

Für mich war nach diesem Jahr klargeworden: Wenn ich muss, könnte ich das mit dem Journalismus wohl machen. Aber lieber wär’s mir, ich müsste nicht. Also dieselbe Feststellung wie nach meinem Referendariat, als ich beschloss, mir das mit dem Lehrerdasein noch mal in Ruhe zu überlegen. In meinem Spiel des Lebens hatte ich nun zweimal mit meinem bonbonfarbenen Plastikauto an einem Berufsfeld angehalten, fuhr dann aber doch lieber dran vorbei.

Wenn ich mir heute ansehe, wie Redakteure an Tageszeitungen schuften müssen, unter welchem Druck und zu welchen Tageszeiten sie arbeiten, muss ich sagen: Richtig entschieden! Auch wenn ich glaube, dass ich gar nicht so ungeeignet gewesen wäre. Das jedenfalls war die Rückmeldung, die ich bei meinem sechswöchigen Praktikum bei einer lokalen Tageszeitung erhielt.

Das Praktikum war so ziemlich der beste Bestandteil der gesamten Fortbildung, weil ich hier keine Artikel nur für die Tonne schrieb, sondern richtige, echte Artikel (na gut: über Dinge wie das neue Programm der Volkshochschule, Heiraten am 9.9.99 oder einen Typen, der sein illegal errichtetes Wochenendhaus abreißen musste und total empört war), die, bevor sie in der Tonne landeten, immerhin noch gedruckt und vielleicht sogar gelesen wurden (vom Leiter der Volkshochschule, den interviewten Pastoren und dem Typen mit dem Wochenendhaus).

Und am Ende des Praktikums bekam ich die tollste Zusage, die ich mir vorstellen konnte. Die Drehbuchautoren meiner Fortbildung hätten vermutlich von mir erwartet, dass ich den Ausbildungsredakteur frage: Hey, wie sieht’s aus, darf ich hier künftig ein Volontariat machen? Tatsächlich aber fragte ich: Hey, wie sieht’s aus, darf ich hier künftig über Brettspiele schreiben?


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