Meiner Erfahrung nach lohnt es sich für mich am wenigsten, Spiele mit sehr vielen Regeln aufzubewahren. Denn irgendwann habe ich das meiste vergessen, selbst wenn ich es aktuell aus dem Effeff herunterrattern könnte. Falls in irgendeiner Zukunft jemand vorschlägt: „Wir könnten doch mal wieder XY spielen!“, sind vergessene Regeln eine große Hemmschwelle, um XY dann tatsächlich zu spielen. Insofern sind fünf übrig bleibende Spiele in dieser Kategorie ziemlich viel (und sprechen für die Stärke des Jahrgangs in diesem Segment). Und nicht zufällig sind es keine totalen Schwergewichte.
DIE GILDE DER FAHRENDEN HÄNDLER: Nach wie vor meine ich, dass DIE GILDE DER FAHRENDEN HÄNDLER etwas unter dem Radar fliegt. Hoffentlich hat sich das durch die Nominierung für die Wahl zum Kennerspiel des Jahres geändert. Das Spiel hätte es verdient. Genauer gesagt hätte es meiner Meinung nach sogar noch mehr verdient, nämlich eine verbesserte Neuauflage. Aber vermutlich gibt es dafür in absehbarer Zeit gar keine Zielgruppe. Wer das Spiel haben möchte, hat es in der jetzigen Version gekauft. Und trotz schlechter Handhabung ist das Spiel ja schon sehr gut. Nur: Wie gut könnte es sein, wenn … ach.
E-MISSION: Vor einem Jahr schrieb ich zu ATIWA: „Wir leben in der Klimakatastrophe, aber den meisten Spielen merkt man dies nicht an.“ Es ist, als sei mein Wehklagen erhört worden. In Form von E-MISSION, das die Klimakatastrophe und ihre Bekämpfung zum Hauptthema macht. Also zu dem, was es meiner Meinung nach auch in der realen Welt sein sollte: Hauptthema!!! Ich dachte bislang ja, ob Mittelalter oder Weltraum: Spielethemen sind mir egal. Inzwischen wird mir immer klarer: Wenn die Wahl nur zwischen Mittelalter oder Weltraum besteht, bin ich tatsächlich leidenschaftslos. Gut gewählte Spielthemen aber sind mir überhaupt nicht egal!
MISCHWALD: Und da bin ich auch schon beim Thema. Dem Thema Thema nämlich. Auch in MISCHWALD ist das Thema äußerst gut gewählt. Indem wir heimische Tiere und Pflanzen ausspielen, die wir kennen oder von denen wir zumindest schon gehört haben, ist der emotionale Bezug zum eigenen Tun viel höher als in einer ausgedachten Welt oder abstrakten Spielumgebung.
Vieles ist thematisch obendrein absolut schlüssig: Dass etwa Kröten und Beeren unten am Boden und Vögel in die Baumkronen gespielt werden, dass Füchse für Hasen punkten oder Wölfe für Rehe. So und nicht anders hätte man das auch erwartet. Und das Spiel löst es genauso ein. Hinzu kommt die großartige Grafik – und alles zusammen ergibt ein absolutes Wohlfühlspiel.
BOTANICUS: BOTANICUS gewinnt mit jeder Partie. Insbesondere wenn man das Basisspiel hinter sich gelassen hat und in die Variante für Profis einsteigt. Ich sehe ja ein, dass es sinnvoll ist, mit einer vereinfachten Version zu beginnen. Wenn ich Spiele erlerne, bin ich auch immer froh, mir nicht so viel Neues auf einmal merken zu müssen. Unglücklich finde ich an BOTANICUS trotzdem, dass das – aus meiner Sicht – eigentliche Spiel als „Variante“ deklariert wird. Für mich wäre das abgespeckte Basisspiel die Variante. Denn meiner Meinung nach ist es schlechter ausbalanciert. Und darüber könnte man in einer „Lern-Variante“ doch viel besser hinwegsehen als im „Basisspiel“.
BIER PIONIERE: Wie man sieht, müssen es gar nicht immer Pflanzen sein, um mich zu begeistern. Wobei: Ist Bier nicht so etwas wie flüssige Pflanzen?
Als Personaleinsatzspiel ist die Grundlage von BIER PIONIERE erst mal recht herkömmlich. Allerdings sind es gerade die abweichenden feinen Kniffe, die in BIER PIONIERE noch mehr aus dem Mechanismus herausholen. Und auch das Thema wirkt nicht beliebig draufgeklatscht, sondern wesentlich. Das Weiterdrehen des Brauanzeigers kann man sich gut als Gärungsprozess vorstellen. BIER PIONIERE ist überdies ein konstruktives Spiel, es erzählt Erfolgsgeschichten. Als Gesamtpaket finde ich das außerordentlich rund.
- Teil 1: Spiele für mich
- Teil 2: Spiele für alle
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