Montag, 10. Februar 2014
Bruxelles 1893
Ja, ich bin immer noch Fan. Nein, ich sitze nicht im Kritiker-Elfenbeinturm. Ja, ich bin immer noch Fan. Nein, ich sitze nicht im Kritiker-Elfenbeinturm. Ja, ich bin immer noch Fan. Nein, ich sitze nicht im Kritiker-Elfenbeinturm. Ja, ich bin... – Dieses Mantra muss ich ab und zu aufsagen, um mit bestimmten Phänomenen fertig zu werden. Beispielsweise mit dem vierten Platz von BRUXELLES 1893 bei der Fairplay-Scoutwertung in Essen 2013.
Denn es ist so: Obwohl ich ganz klar immer noch Fan bin und selbstverständlich nicht im Kritiker-Elfenbeinturm sitze, scheint mich doch eine Sache von manch anderem Spiele-Fanatiker zu unterscheiden: nämlich meine mangelnde Bereitschaft, bloße Komplexität als Spielreiz aufzufassen.
Wie geht BRUXELLES 1893? Wir machen dies und das, und jeder Mechanismus hat noch zwei Fußnoten. Okay, das ist bereits Polemik, und dabei befinden wir uns doch noch im normalerweise sachlich zu haltenden Teil der Rezension.
Aber tatsächlich besitzt BRUXELLES 1893 nicht wirklich ein Thema, nicht mal einen inhaltlichen roten Faden. Das Spielziel ist mal wieder „Punkte sammeln“, und Punkte gibt es für völlig unterschiedliche Dinge: Ich kann viele Häuser bauen, viele Kunstwerke sammeln, viele Persönlichkeiten anwerben und so weiter. Und das alles bringt nur dann etwas, wenn ich mir in der entsprechenden Kategorie einen hohen Multiplikator aufschaufle.
BRUXELLES 1893 ist ein Arbeiter-Einsetzspiel. Pro Runde steht auf dem „Jugendstil-Spielplan“ eine unterschiedliche Anzahl Felder offen. Diese sind zeilen- und spaltenweise angeordnet. Wer einsetzt, muss zugleich Geld als Opfer dazulegen. Und wer in einer Spalte am meisten opfert, gewinnt die zugehörige Bonuskarte. Diese bringt entweder einen Sofort-Effekt oder dient als Multiplikator für die Endwertung.
Es wird solange eingesetzt, bis alle Spieler passen (meist wegen Figurenmangel). Doch gehen die Arbeiter im Anschluss nicht einfach nach Hause. Zuerst wird noch für jeden Kreuzungspunkt zwischen vier Einsetzfeldern ermittelt, wer drumherum die Figurenmehrheit besitzt. Und dieser Spieler bekommt Punkte entsprechend seiner Position auf der „Rathaus-Skala“.
Das übliche Einsetzen wird also um zwei Aspekte angereichert: Gruppierung der Figuren und Geldeinsatz.
Was passiert? Der Geldmechanismus entpuppt sich als nicht sonderlich gewitzt. In aller Regel entscheidet derjenige Spieler das Opfer für sich, der die letzte Figur in eine Spalte setzt. Sich als Vor- oder gar Drittletzter mit einem hohen Gebot aus dem Fenster zu lehnen, hat sich nicht bewährt. Es ist schlichtweg Geldverbrennung; denn es wird schon wer kommen, der am Ende überbietet. Die vermeintlich komplexe Zusatzebene ist nichts anderes als das Abstauben von Vorlagen.
Andere Mechanismen sind interessanter und origineller. Beispielsweise dieser: Angeworbene Persönlichkeiten geben in jedem Durchgang einen Vorteil. Allerdings muss man die Personen aktivieren. Und wie viele gleichzeitig man mit einem Arbeiter aktivieren darf, hängt von der eigenen Position auf der „Palast-Skala“ ab. Das ist tricky.
Und wieder andere Mechanismen kennt man so ähnlich schon aus anderen Spielen. Und weitere andere Mechanismen machen Dinge kompliziert, die sich ohne Substanzverlust auch einfacher hätten lösen lassen. Und noch mehr andere Mechanismen scheinen einfach nur deshalb im Spiel zu sein, damit im Spiel mehr Mechanismen sind.
Was taugt es? Bei BRUXELLES 1893 gibt es viel zu lernen, zu entscheiden und zu optimieren, und der beste Taktiker wird gewinnen. Aber ist es deshalb schon ein gutes Spiel? Einige Mechanismen wirken, als seien sie um ihrer selbst willen eingeflochten.
BRUXELLES 1893 funktioniert als herausfordernder Apparat. Aber es ist ein Apparat ohne Inhalt. Hinter den Mechanismen stecken keine Geschichte und kein Leben. Hinter den Mechanismen stecken nur weitere Mechanismen.
BRUXELLES 1893 von Etienne Espreman für zwei bis fünf Spieler, Pearl Games.
Denn es ist so: Obwohl ich ganz klar immer noch Fan bin und selbstverständlich nicht im Kritiker-Elfenbeinturm sitze, scheint mich doch eine Sache von manch anderem Spiele-Fanatiker zu unterscheiden: nämlich meine mangelnde Bereitschaft, bloße Komplexität als Spielreiz aufzufassen.
Wie geht BRUXELLES 1893? Wir machen dies und das, und jeder Mechanismus hat noch zwei Fußnoten. Okay, das ist bereits Polemik, und dabei befinden wir uns doch noch im normalerweise sachlich zu haltenden Teil der Rezension.
Aber tatsächlich besitzt BRUXELLES 1893 nicht wirklich ein Thema, nicht mal einen inhaltlichen roten Faden. Das Spielziel ist mal wieder „Punkte sammeln“, und Punkte gibt es für völlig unterschiedliche Dinge: Ich kann viele Häuser bauen, viele Kunstwerke sammeln, viele Persönlichkeiten anwerben und so weiter. Und das alles bringt nur dann etwas, wenn ich mir in der entsprechenden Kategorie einen hohen Multiplikator aufschaufle.
BRUXELLES 1893 ist ein Arbeiter-Einsetzspiel. Pro Runde steht auf dem „Jugendstil-Spielplan“ eine unterschiedliche Anzahl Felder offen. Diese sind zeilen- und spaltenweise angeordnet. Wer einsetzt, muss zugleich Geld als Opfer dazulegen. Und wer in einer Spalte am meisten opfert, gewinnt die zugehörige Bonuskarte. Diese bringt entweder einen Sofort-Effekt oder dient als Multiplikator für die Endwertung.
Es wird solange eingesetzt, bis alle Spieler passen (meist wegen Figurenmangel). Doch gehen die Arbeiter im Anschluss nicht einfach nach Hause. Zuerst wird noch für jeden Kreuzungspunkt zwischen vier Einsetzfeldern ermittelt, wer drumherum die Figurenmehrheit besitzt. Und dieser Spieler bekommt Punkte entsprechend seiner Position auf der „Rathaus-Skala“.
Das übliche Einsetzen wird also um zwei Aspekte angereichert: Gruppierung der Figuren und Geldeinsatz.
Was passiert? Der Geldmechanismus entpuppt sich als nicht sonderlich gewitzt. In aller Regel entscheidet derjenige Spieler das Opfer für sich, der die letzte Figur in eine Spalte setzt. Sich als Vor- oder gar Drittletzter mit einem hohen Gebot aus dem Fenster zu lehnen, hat sich nicht bewährt. Es ist schlichtweg Geldverbrennung; denn es wird schon wer kommen, der am Ende überbietet. Die vermeintlich komplexe Zusatzebene ist nichts anderes als das Abstauben von Vorlagen.
Andere Mechanismen sind interessanter und origineller. Beispielsweise dieser: Angeworbene Persönlichkeiten geben in jedem Durchgang einen Vorteil. Allerdings muss man die Personen aktivieren. Und wie viele gleichzeitig man mit einem Arbeiter aktivieren darf, hängt von der eigenen Position auf der „Palast-Skala“ ab. Das ist tricky.
Und wieder andere Mechanismen kennt man so ähnlich schon aus anderen Spielen. Und weitere andere Mechanismen machen Dinge kompliziert, die sich ohne Substanzverlust auch einfacher hätten lösen lassen. Und noch mehr andere Mechanismen scheinen einfach nur deshalb im Spiel zu sein, damit im Spiel mehr Mechanismen sind.
Was taugt es? Bei BRUXELLES 1893 gibt es viel zu lernen, zu entscheiden und zu optimieren, und der beste Taktiker wird gewinnen. Aber ist es deshalb schon ein gutes Spiel? Einige Mechanismen wirken, als seien sie um ihrer selbst willen eingeflochten.
BRUXELLES 1893 funktioniert als herausfordernder Apparat. Aber es ist ein Apparat ohne Inhalt. Hinter den Mechanismen stecken keine Geschichte und kein Leben. Hinter den Mechanismen stecken nur weitere Mechanismen.
BRUXELLES 1893 von Etienne Espreman für zwei bis fünf Spieler, Pearl Games.
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9 Kommentare:
Geht mir genauso. In das Spiel wurde einfach zuviel reingepackt ...
Da bin ich echt froh, dass es mir ähnlich ergeht. Mir fehlt einfach der richtige Zugang zu diesem Spiel.
Es bestätigt sich mal wieder MEINE Udo Bartsch-Meinung. Entweder er spricht mir aus der Seele oder ich kann ihm überhaupt nicht beipflichten. Diesmal sind wir mal wieder unterschiedlicher Meinung. Mir gefällt es richtig gut!
Darf ich widersprechen und Bruxells 1893 gut finden, sogar herausragend gut? Auf der SPIEL 2013 vom Autor im feinsten belgisch-englisch erklärt bekommen als erstes Spiel der Messe, fühlte ich mich damals schlicht überfordert von den ganzen Regeldetails. Ebenso als ich das erste Mal das Spiel selbst erklären sollte und die zu erwähnenden Details kein Ende nahmen.
Hat man es aber dann zweimal gespielt, so bleibt ein doch recht einfach-zugängliches Spiel übrig, das mehrere taktische Ebenen kreuzt und durch die Spielmechaniken wieder vereint. In Dreierrunde spielt es sich inzwischen flott in einer Stunde und hat dabei gezeigt, dass die anfänglich als unschlagbar geglaubte Gebäudebau-Strategie doch zu schlagen ist und es noch viel mehr Strategien gibt, die Erfolg versprechen oder dann doch nichts taugen (wie die Geldstrategie).
Deshalb die ersten beiden Partien in möglichst Dreier- oder Viererrunde mit Bauchspielern als Kennenlernpartien begreifen, ohne das Spiel zerdenken zu wollen und sich dann in Folgepartien daran erfreuen, welche strategische Vielfalt und kleinen Gemeinheiten das Spiel bietet. Dabei wird das Thema des Künstlers, der an seinem eigenen Haus baut, aber ebenso Kunstwerke verkaufen muss, um Beachtung (= Siegpunkte) und Geld zu bekommen und auf die Gunst von einflussreichen Personen angewiesen ist, zumindest auf den zweiten Blick so ausreichend gut umgesetzt, dass auch die Spielmechanismen greifen und in Erinnerung bleiben.
Ravn, natürlich jedem seine Meinung. Aber ich kann es Udo sehr nachfühlen - mir geht es oft genauso. Mal ein anderes Beispiel: Egizia. Dass es verschiedene Möglichkeiten gibt muss ja so sein! Aber das z.B. die unterschiedlichen SP-Leisten (Monument, Pyramide, Mauer) auch noch unterschiedliche Einsetz- und Siegpunktrregeln haben erhöht den Spielreiz nicht, sondern ist schlicht Angeberei. Sowas sieht man leider immer häufiger... Ob Bruxelles dazugehört, lass ich mal offen ;-)
"Die vermeintlich komplexe Zusatzebene ist nichts anderes als das Abstauben von Vorlagen." => Habe ich auch schon so erlebt. Allerdings kann man mit Blick auf den Geldvorrat der Mitspieler und wie viele Arbeiter die noch einsetzen können und wie gross der aktive Spielbereich ist und wo Gebäude-Plättchen verbaut sind, die Boni für Mitspieler bringen, da auch bewusst mittelhoch einsteigen als erster Spieler einer Spalte, als Abschreckung. Weil 1 Gold ist zu leicht überboten, so dass man schon den letzten und damit einen weiteren Arbeiter einsetzen müsste dort, um sicher die Karte für die Spalte gewinnen zu können und nicht nur Vorlagengeber zu sein. Für mich gewinnt Bruxelles 1893 derzeit in jeder Partie an Spielreiz, weil man die verzahnten Möglichkeiten besser für sich ausnutzen kann und damit ein Wettstreit auf einer höheren Ebene entsteht, wenn die Mitspieler ebenso erfahren mit dem Spiel sind.
Auch wenn man mich der Häresie zeihen wird (allerdings intendiere ich kein Schisma), muss ich an dieser Stelle deutlich machen: ER ist anscheinend doch fehlbar.
@peer:
"Mal ein anderes Beispiel: Egizia. Dass es verschiedene Möglichkeiten gibt muss ja so sein! Aber das z.B. die unterschiedlichen SP-Leisten (Monument, Pyramide, Mauer) auch noch unterschiedliche Einsetz- und Siegpunktrregeln haben erhöht den Spielreiz nicht, sondern ist schlicht Angeberei."
Wenn Egizia als Beispiel herhalten muss, ist BRUXELLES 1893 möglicherweise sehr reizvoll (habe letzteres nur einmal angespielt und der Ersteindruck war nicht schlecht). Egizia hat seine Schwächen (ähnlich Puerto Rico ist gleiche Spielstärke aller Beteiligten Pflicht und gewisse Startauslagen mit 3er-Stein-Monopol begünstigen den Startspieler), aber die oft gehörten wie Sphinx oder unübersichtliche Bauregeln gehören m. E. nicht dazu. Gerade die Pyramide bietet schöne Zwänge zwischen früh bauen (gut für Bonus und bestimmte Sphinx-Karten) oder spät und Kontrolle über die Spielerreihenfolge in der nächsten Runde. Ein weiteres Hauptelement, das oft übersehen wird, ist "Deduktion" (der Sphinx-Karten). Dafür sind unterschiedliche Wertigkeiten beim Bauen geradezu unverzichtbar und mitnichten Angeberei.
Deine ungenaue Terminologie ("Monument", "Mauer" und "unterschiedliche SP-Leisten") lässt mich vermuten, dass es in gut besetzten Vierer-Runden auf yucata noch einiges für dich zu entdecken gäbe. Die Bereitschaft dazu vorausgesetzt ...
Bin zufällig hier gelandet, weil ich dieses Spiel gerne hätte und einigen Links folgte. Bei Asmodee las ich (5.1.2017), dass es wieder verfügbar sei. Offensichtlich nur im Englisch-sprachigen Raum.
Was lese ich hier? Nur ein Mechanismen-Mix? Sicher? Kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Mir gefällt der Vorschlag @ravn, es erst einmal aus dem Bauch zu spielen und dann auszuloten. Mal sehen, vielleicht bekomme ich ja doch noch ein Exemplar zu vernünftigen Konditionen.
Spieler Fred
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