Dienstag, 30. Juni 2020

Gern gespielt im Juni 2020

EXIT – DER VERSCHOLLENE TEMPEL: So weit ist es mit REZENSIONEN FÜR MILLIONEN gekommen: Jetzt werden hier sogar Puzzles gut gefunden.


ZEN GARDEN: Um die beruhigende Wirkung des Gartens nicht zu stören, bitte ich darum, Teile, die ich einbauen möchte, gefälligst liegenzulassen. Danke.


CODENAMES DUETT: Als CODENAMES PICTURES neu war, hielt ich es für leichter als die Version mit Wörtern. Im DUETT mit fünf mal fünf Karten gespielt, muss ich diese Annahme als schmerzvoll widerlegt ansehen.


MY CITY: Na, bravo! Ich spiele es zum dritten Mal durch, aber so ungünstig wie diesmal habe ich den Brunnen tatsächlich noch nie geklebt.


NOVA LUNA: Geld ist Zeit.


PICTURES: Wenn wikipedia es zitiert, stimmt es auch: „PICTURES spricht verschiedene Sinne an und verbindet auf harmonische, angenehme und vor allem spielerische Weise Handarbeit, Kreativität und Intellekt.“



Dienstag, 23. Juni 2020

Orléans Stories

Wer einen Hit wie ORLÉANS im Programm hat, versucht natürlich, den Erfolg in eine never ending story zu verwandeln. ORLÉANS STORIES kommt diesem Ziel sehr nahe.

Wie geht ORLÉANS STORIES? Wir spielen ORLÉANS, nur länger. Bisweilen sogar viel länger. Aber genau das ist das Motto. In beiden enthaltenen Szenarien „Das erste Königreich“ und „Die Gunst des Königs“ durchlaufen wir mehrere Epochen. Jede Epoche folgt leicht veränderten Regeln; bestimmte Orte kommen ins Spiel, wechselnde Errungenschaften bringen Punkte.
In „Das erste Königreich“ befinden sich die Spieler nicht zwangsläufig in derselben Epoche. Jede*r steigt auf, wenn er / sie möchte und die Bedingungen erfüllt. Manche Epochen sind unattraktiver als die vorhergehenden, deshalb lässt man sich vielleicht auch mal Zeit.
In „Die Gunst des Königs“ steigen alle gleichzeitig auf. Oder – scheiden aus. Wer mehr als einmal die Bedingungen nicht erfüllen kann, spielt nicht mehr mit.


Was passiert? Was sich von Epoche zu Epoche ändert, muss in einem kleinen Heftchen nachgelesen werden. ORLÉANS STORIES erfordert, dass man sich über das, was kommt, vorinformiert. Vor allem in der ersten Partie sind wir deshalb mit Blättern und Lesen und wieder Zurückblättern beschäftigt, und das ohnehin schon stundenlange Spiel dauert noch länger.
Anders als in ORLÉANS geht es auch um Gebietskontrolle. Der Besitz von Ländereien wirkt sich in Wertungen positiv aus. Außerdem generieren die meisten Gebiete Waren. Dass ORLÉANS STORIES ausgeprägte konfrontative Elemente besitzt, zeigt sich unter anderem darin, dass wir uns gegenseitig Gebiete wegnehmen. Oder uns auch gezielt Waren vorenthalten. Deren Vorräte sind begrenzt. Und wenn ich eine bestimmte Ware benötige, aber nicht bekommen kann, zwingt mir das erhebliche Umwege auf. Besonders gemeine und folgenreiche Engpässe können im Szenario „Die Gunst des Königs“ auftreten.


Was taugt es? Mir persönlich macht es keinen Spaß, Mitspieler*innen aus dem Spiel zu kicken. Deshalb ist „Die Gunst des Königs“ nicht mein bevorzugtes Szenario. Allerdings muss man es auch nicht zwangsläufig aggressiv spielen. Und die Möglichkeit des Ausscheidens bedeutet ja nicht automatisch, dass (man) es dazu kommen (lassen) muss. Die Zielgruppe von ORLÉANS STORIES wird spätestens ab der zweiten Partie die schlimmsten Fehler vermeiden können. Und spielt man zu zweit, ist auszuscheiden sowieso nicht schlimm. Die Partie ist dann entschieden, niemand muss zugucken.
Trotzdem liegt mir „Das erste Königreich“ besser, das sich für mich auch wie das Hauptszenario anfühlt. Während „Die Gunst des Königs“ die Spieler*innen dadurch herausfordert, dass zu bestimmten knapp getakteten Zeitpunkten bestimmte Ziele erreicht werden müssen, lässt „Das erste Königreich“ mehr Freiheiten und mehr Luft zum Atmen. Dass wir phasenweise nach unterschiedlichen Regeln spielen, finde ich sehr originell.

Ein Spiel darf auch gerne mal lange dauern, jedoch sollte es dann im Verlauf auch Entwicklungen geben, die diese Dauer rechtfertigen: Dinge, die man in kürzerer Spielzeit eben nicht hätte erleben können. ORLÉANS STORIES vermittelt durchaus ein Gefühl von stetigem Aufstieg und Fortschritt. Allerdings auf dieselbe Weise wie das Grundspiel, nämlich über bessere Orte und qualifiziertere Gefolgsleute. Zudem gibt es auch immer wieder Phasen, in denen ORLÉANS STORIES rundenlang auf demselben Niveau vor sich hinplätschert.
Erst im Finale zieht die Spannungskurve noch mal an. Während des Spiels gibt es wohl einiges zu taktieren, um Epochenübergänge möglichst reibungslos hinzukriegen oder Waren elegant einzusacken, sobald sie wieder im Markt verfügbar sind. Doch Dilemmata empfinde ich nicht. Ich hatte nicht den Eindruck, individuellere Wege gehen zu können als im Original-ORLÉANS. Denn auch durch die unattraktiveren Epochen muss ich irgendwann durch; das Spiel verlangt es schlichtweg.

Um zu gewinnen, müssen wir 34 Teilziele abhaken. Die meisten dieser Ziele erreicht man durch Fortschritte auf der Punkteskala. Manchmal vergehen allerdings Minuten, bis mal wieder ein Kreuzchen gemacht werden darf. Auf der Packung ist eine Maximalspieldauer von 180 Minuten angegeben; meine Runden haben es nie in unter vier Stunden geschafft.
Spannende Fragen während des Spiels sind zum Beispiel, welche Ländereien und Ortsplättchen ich ergattern möchte und welche Orte gut zu meinem Figurenarsenal und den Landschaften rings um mein Startfeld passen. Knifflig ist auch immer wieder die Abwägung, wie ich meine gezogenen Chips einsetze oder überhaupt meinen Figurenbeutel bestücken möchte. Allerdings (und auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole): Diese Reize beinhaltete größtenteils auch schon das ORLÉANS aus dem Jahr 2014.

Weil die ORLÉANS-Grundsubstanz so gut ist, empfinde ich auch ORLÉANS STORIES als spielenswert. Den Mehrwert gegenüber ORLÉANS sehe ich aber als gering an. Das mag sich ändern, falls ORLÉANS STORIES durch weitere Szenarien eines Tages zur großen Spielesammlung ausgebaut wird. (Auf der Homepage von dlp wird bereits eine dritte Story zum Download angeboten, ich habe sie allerdings nicht ausprobiert.)
Um ORLÉANS STORIES eine wirklich große Geschichte werden zu lassen, müsste auch noch an der Anleitung gefeilt werden. Die Heftchen, die wir während des Spiels bekommen, finde ich gut und übersichtlich gemacht. Dennoch muss man sich vor dem Losspielen zu viele Informationen an verschiedenen Stellen zusammensuchen.


**** solide

ORLÉANS STORIES von Reiner Stockhausen für zwei bis vier Spieler*innen, dlp games.

Montag, 15. Juni 2020

Crystal Palace

Hannover hat vor 75 Jahren Berühmtheit für seine Ruinen erlangt. Deshalb war es ein Coup, vor 20 Jahren auch noch die Weltausstellung nach Hannover zu holen. Lost-Places-Abenteurern hat sie manch faszinierendes Relikt hinterlassen.
Schon gewusst? In der guten, alten Zeit waren Weltausstellungen noch ganz anders.

Wie geht CRYSTAL PALACE? Weil Weltausstellung ist, erwerben wir Patent- und Personenkarten. Das kostet Rohstoffe und bringt Punkte und andere Boni.
Um diesen schon vielfach anderswo gespielten Kern herum versammelt CRYSTAL PALACE noch diverse weitere Mechanismen. Am auffälligsten: der Aktionsmechanismus. Wir betreiben Worker Placement mit Würfeln. Anfangs besitze ich vier Würfel, zu Beginn jeder Runde stelle ich geheim beliebige Augenzahlen ein. Eine hohe Augenzahl bedeutet, dass mein Würfel an Aktionsorten früher zum Zuge kommt. Zusätzlich ist auf den meisten Feldern für das Einsetzen ohnehin eine bestimmte Mindestzahl die Voraussetzung. Allerdings kostet jedes Auge Geld. Und Geld ist – was sonst? – knapp.
CRYSTAL PALACE ist ein ziemlich gemeines Spiel. Irgendwo einen Würfel einzusetzen, bedeutet nicht, die Aktion garantiert zu bekommen. Die Tableaus haben mehr Einsatzfelder, als tatsächlich Aktionen zu vergeben sind. Wer mittels höherem Würfel noch überboten wird, guckt in die Röhre.
Auch auf dem Schwarzmarkt-Tableau kann es unangenehm werden. Hierhin entsandte Figuren empfangen Runde für Runde ein Einkommen – außer der letzte Schwarzmarkt-Platz wird besetzt. Dann fliegen alle Figuren raus mit Ausnahme derer, die zuletzt kam.


Was passiert? In CRYSTAL PALACE brennt es an allen Ecken und Enden. Vier Würfel genügen nicht, um alles abzudecken, was ich gerne tun würde. Man kann Würfel hinzugewinnen, aber tun das alle, entsteht Inflation: Auf dem Spielplan wird es immer enger und die Kosten steigen, ohne dass man unbedingt mehr dadurch erreicht.
Zur Illustration ein paar typische Probleme: Die hilfreichen Personen kosten viel Unterhalt. Der sinkt üblicherweise, wenn ich Aktionen verwende, um auf der Westminster-Skala voranzuschreiten. Am Ende der Runde erhalten wir ein Einkommen. Allerdings sinkt das Einkommen dramatisch, sofern man nicht vorbeugend auf dem Bank-Tableau agiert.
Zwei Würfel wären damit verbraucht. Aber zusätzlich muss man ja auch noch Rohstoffe holen. Und die Karten, die mit den Rohstoffen aktiviert werden sollen. Und jedes Spielertableau hat zehn hässliche Felder, die – sofern bei Spielende noch leer – Minuspunkte zählen. Also will man Forschungsplättchen, um diese Lücken zu füllen. Und und und ... Und all dies irgendwie gleichzeitig.

CRYSTAL PALACE erfordert, dass wir genau rechnen und kalkulieren, um nicht die paar Rohstoffe und Würfel und Geldreserven zu verplempern, die wir überhaupt besitzen. Vor allem mit den Würfeln wird herumtaktiert, um bloß keine Fehler zu machen. Nachdem die Würfelaugen geheim eingestellt wurden, liegen die Würfel offen. Die Einsetzphase ist deshalb sehr interaktiv.
Ahne ich, auf welche Aktionen meine Mitspieler*innen aus sind, kann ich auch mal irgendwo billig abstauben. Ahne ich es nicht, halte ich meine Würfel-Vier, wenn noch zwei fremde Fünfen drohen, wohl lieber zurück und warte ab. Es kommt darauf an, auch mal flexibel umzuplanen, wenn das ursprüngliche Anliegen nicht klappt oder zu riskant erscheint. Und es gilt, Chancen zu ergreifen. Beispielsweise kann ich niedrige fremde Würfel aussperren, indem ich gezielt solche Felder freilasse, die mit diesen Würfeln nicht besetzt werden dürfen.


Was taugt es? Ich habe lange gezögert und bin mir immer noch nicht sicher, ob ich CRYSTAL PALACE nun „reizvoll“ oder „solide“ finde. Ich wähle wegen des spannenden und originellen Würfelmechanismus die höhere Wertung. Loben möchte ich obendrein, wie sorgfältig CRYSTAL PALACE auf zwei, drei, vier und fünf Personen abgestimmt ist und wie gut wir mittels Spielaufbau und gelungener Symbolik durch die Partie geleitet werden.
Allerdings: Das Thema Weltausstellung geht in CRYSTAL PALACE trotz schöner Illustrationen komplett verloren. Etliches im Spiel erscheint mir unnötig detailliert und hakelig. CRYSTAL PALACE beschäftigt mich mit Dingen und Boni und Wechselbeziehungen, die für mein Gefühl gar nicht wichtig sind und das Spiel in erster Linie komplizierter statt besser machen. Ich empfinde keinen gesteigerten Spielreiz, indem Patentkarten neben Punkten oft auch einen diffusen Mix aus Positiv- und Negativeffekten mitbringen oder indem einige Personenkarten dem Gehalts-Schema zuwider laufen, weil ihr Unterhalt steigt statt sinkt, wenn ich auf der Westminster-Skala voranschreite.
CRYSTAL PALACE spielt sich sehr vertrackt. Wer verliert, hat hinterher oft keine konkrete Idee, woran es gelegen haben und was man beim nächsten Mal anders und besser machen könnte. Ein klareres Design hätte meine Entscheidung für „reizvoll“ klarer ausfallen lassen.


***** reizvoll

CRYSTAL PALACE von Carsten Lauber für zwei bis fünf Spieler*innen, Feuerland.

Donnerstag, 11. Juni 2020

Katakomben – Kuben

Außer mir macht sich vermutlich niemand Gedanken darüber, doch wer wollte, könnte am Vier-Tages-Rhythmus erkennen, dass dies mal wieder die – tadaaa! – monatliche Bonusrezension ist.
Das war die gute Nachricht.

Wie geht KATAKOMBEN – KUBEN? Wir erwerben 3D-Baumaterial (Polykuben) und kombinieren es zu 3D-Gebäuden. Ein*e Spieler*in würfelt, reihum wählen wir nun je ein Würfelpaar und erhalten die darauf abgebildeten Ressourcen.
Die Alternative ist das Bauen: Man verzichtet auf Würfel und verwendet das zuvor gesammelte Material, um eins der ausliegenden Baumuster nachzubilden. Dadurch schnappt man es anderen weg und kassiert außerdem Punkte. Problem dabei: Wer seinen Ressourcenvorrat beim Bauen nicht aufbraucht, muss trotzdem fast alles abgeben.
Die Baumuster sind auf Plättchen abgebildet. Das erbaute fügt man nun ins „Dorf“ ein, eine gemeinsame Legefläche, die während des Spiels wächst. Für jedes Nachbarplättchen erhält man einen Bonus, der größer ausfällt, wenn beide Plättchen an ihrer gemeinsamen Kante dasselbe Farbsymbol tragen.


Was passiert? KATAKOMBEN – KUBEN benötigt gewisse räumliche Vorstellungskraft. Wie ich meine Steine zusammenfügen muss, um Gebäude X zu bauen oder welche Steine mir dazu noch fehlen oder auf welches Alternativgebäude Y ich umsatteln könnte, ist in KATAKOMBEN – KUBEN eine typische Überlegung.
Das ist nicht trivial, da sich die Polykuben recht flexibel verwenden lassen. Das Herumtüfteln mit dem Baumaterial ist das, was in KATAKOMBEN – KUBEN Spaß macht. Zumal man noch Chips einrechnen muss, deren Zahlung bestimmte Sonderaktionen erlaubt.
Die Regel, dass überschüssiges Material verloren geht, verspricht allerdings mehr Dilemma, als das Spiel tatsächlich generiert. Meistens geschieht schlichtweg dies: Wer bauen kann, baut. Das mit Horten verbundene Risiko zahlt sich nicht deutlich genug aus.
Ohnehin ist KATAKOMBEN – KUBEN eher auf kurzfristiges Abstauben ausgelegt. Welches Material kommen wird oder wie gut ein Bauplatz im Dorf farblich zum gewählten Plättchen passt, sind keine Dinge, die man plant, sondern Dinge, die sich ergeben. KATAKOMBEN – KUBEN enthält auch Mechanismen, die anfällig für Königsmacher-Züge sind.


Was taugt es? KATAKOMBEN – KUBEN wirkt nicht ausgereift. Es fehlen Elemente, die aus der Idee, mit Polykuben verschiedene Gebäude zu errichten, ein Spiel mit Spannungsbogen machen. Das Geschehen fühlt sich von Beginn bis Ende gleichförmig an, es erwächst keine Dynamik oder Entwicklung.
Normalerweise nörgele ich, wenn Materialien zu klein sind. In diesem Fall aber sind mir die Spielpläne, die nur als Ablagen dienen, zu groß. Sie beanspruchen unnötig Platz.
Ohnehin ist hier redaktionell mehreres misslungen: Die Würfelsymbole sind schwer unterscheidbar, die Farben stimmen nicht ganz mit den Materialien überein. Und falls Bauteile ausgehen, bekommt man die „nächste verfügbare“ Ressource. Obwohl dieser Fall häufiger vorkommt, ist die Rangfolge der Ressourcen nur in der Anleitung abgedruckt, auf dem Spielplan findet man sie nicht. Platz wäre nun wirklich dagewesen.
Neben den vier angebotenen Baumustern liegt noch ein fünftes aus. Er dient als Vorschau und rückt in den Markt, sobald ein Plättchen von dort weggebaut wurde. Der Sinn einer Vorschau ist mir schon klar: Man kann planen. Doch das Vorschaufeld ist kaum von den anderen zu unterscheiden; wiederholt wollten Mitspieler*innen das Vorschauplättchen bauen. Weil auch der Nachfüllstapel offen liegt, hat KATAKOMBEN – KUBEN kurioserweise eine Vorschau und eine Vorschau auf diese Vorschau.


** misslungen

KATAKOMBEN – KUBEN von Ken Valles und Aron West für eine*n bis vier Spieler*innen, Schwerkraft.

Sonntag, 7. Juni 2020

Mandala

Bei einem Mandala-Spiel verbietet sich als Einleitung langes Gelaber. Wir meditieren. Alle! Jetzt!

Wie geht MANDALA? Wir spielen abwechselnd Karten. Entweder als Preis in den Pott. Oder als Gebot, um einen Pott zu gewinnen. Karten gibt es in sechs Farben. Jede Farbe darf immer nur an einem der drei möglichen Orte liegen: im Pott oder als Gebot auf der Seite meiner Kontrahentin oder als Gebot auf meiner Seite. Bedeutet: Habe ich Rot als Gebot benutzt, darf meine Mitspielerin dies nicht mehr tun und in den Pott darf Rot auch nicht.
Zwei dieser Bietwettbewerbe vollführen wir parallel. Spiele ich in einen der beiden Pötte, darf ich Karten nachziehen. Spiele ich auf meine eigene Seite, darf ich es nicht. In den Pott darf ich pro Spielzug nur eine Karte legen, als Gebot aber beliebig viele von derselben Farbe.
Sobald in und um einen Pott alle sechs Farben vertreten sind, erfolgt die Ausschüttung: Habe ich mehr Karten als Gebot liegen als meine Gegnerin, gewinne ich und darf aus dem Pott alle Karten einer Farbe nehmen. Dann nimmt meine Mitspielerin eine Farbe, dann wieder ich und so weiter.
Die Wertung der genommenen Karten ist der Clou: Karten zählen bis zu sechs Punkte. Wie viele genau, hängt davon ab, wann ich die Farbe erstmals erobert habe. Ist meine erste gewonnene Farbe beispielsweise Schwarz, zählen alle weiteren eroberten schwarzen Karten für mich einen Punkt. Und gewinne ich dann Grün, zählen alle weiteren Grünen für mich zwei Punkte. Bei meiner Gegnerin mag das wiederum ganz anders aussehen.


Was passiert? Damit ich Karten nachziehen darf, muss ich ab und zu in den Pott spielen. Das trägt zwar nicht dazu bei, meine Gebote zu erhöhen, kann aber trotzdem konstruktiv sein: Bin ich bei einem Pott der Führende, ist es durchaus in meinem Interesse, die Beute aufzustocken. Und zugleich den Pott mit einer ungeraden Zahl von Farben zu füllen. Farben, für die sich bereits herausgestellt hat, dass sie meiner Gegnerin nur einen oder zwei Punkte bringen, kann ich ohnehin großzügig dem Pott anvertrauen.
Spiele ich irgendwo die fünfte Farbe, kann ab jetzt jeder Zug die Verteilung auslösen. Dumm ist dann natürlich, wenn ich den Bietwettbewerb verliere, weil meine Mitspielerin eine unerwartet lange Serie gleichfarbiger Karten raushaut. Andererseits engt die fünfte Farbe meine Mitspielerin auch ein: Um aufzulösen, bleibt jetzt nur noch eine Farbe: die sechste. Vielleicht hat sie die gar nicht. Oder nicht in der benötigten Menge.
Bei der Verteilung lässt sich eigentlich alles leicht ausrechnen („Wenn ich zuerst Rot nehme, gewinne ich 13 Punkte und du acht. Nehme ich zuerst Gelb, wird es ein neun zu fünf.“). Weil aber jede*r von Beginn an zwei geheime Beutekarten besitzt, gibt es dann doch unbekannte Faktoren. Außerdem bringen Verteilungen das Spielende näher, und ob das eher gut oder eher schlecht ist, ist oft nicht so offensichtlich.

Was taugt es? In MANDALA belauern wir uns gegenseitig. Wir füttern den Pott an, wir legen lange Serien als Drohung aus, wir halten Karten als böse Überraschung zurück. MANDALA spielt sich ungewöhnlich und stellt interessante taktische Fragen. Zwischen schnellem Schlagabtausch und langem Ringen können die Partien recht unterschiedlich verlaufen.
Glück spielt eine merkliche Rolle: einerseits beim Nachziehen (Ergattere ich viele Karten derselben Farbe? Ziehe ich die entscheidende sechste Farbe?), andererseits bei jedem Neustart eines Potts. Die ersten zwei Karten des Angebots stiftet der Kartenstapel, und sind es zwei für mich uninteressante Farben, ist das definitiv nachteilig.
Hat mir MANDALA anfangs durch seine Ungewöhnlichkeit noch imponiert, wuchsen schließlich Zweifel an dem Spiel. Wer ist die Zielgruppe dieses Kartenlegens? Ich wüsste nicht, mit wem ich MANDALA auf Dauer spielen wollte. MANDALA ist reines Konstrukt und durch und durch mechanisch, auch wenn es sich ein schönes buntes Kleid angezogen hat. Das vermeintliche Thema „Mandalas“ hilft beim Verständnis des Spiels überhaupt nicht. Die Abläufe werden durch das Thema nicht unterstützt und nicht erklärt. Ich halte die Themenwahl für missglückt.


**** solide

MANDALA von Trevor Benjamin und Brett J. Gilbert für zwei Spieler*innen, Lookout Spiele.

Mittwoch, 3. Juni 2020

Vor 20 Jahren (90): Morgenland

Dass mein Lieblingsspiel des Jahrgangs 1999 / 2000 nicht den Titel Spiel des Jahres gewann, war mir völlig unerklärlich. Bis ich die Fairplay 53 (2000) und die spielbox 5-2000 aufschlug.

Jury-Mitglied Andreas Mutschke verpasste MORGENLAND in der Fairplay die ohnehin schon nicht berauschende Schulnote 3, kombiniert noch mit dem vernichtenden Zusatz: „Regel: 5“. In der spielbox spendierten die Juroren Michael Knopf und Wieland Herold MORGENLAND zwar 8 Punkte, doch Edwin Ruschitzka gab bloß 6 und Dorothee Heß sehr unschöne 4. Und die Anleitung (seinerzeit noch mit Punkten bedacht) schnitt noch schlechter ab.

Was war geschehen? Nach DIE SIEDLER VON CATAN kopierten damals einige Spiele dessen erfolgreiches Anleitungskonzept, indem man den Menschen ein großes Übersichtsblatt in die Hand gab, nach dessen Studium sie sofort losspielen können sollten. Für speziellere Nachfragen war zusätzlich ein alphabetisch sortierter Almanach da. Auch MORGENLAND versuchte es auf diese Weise, auch wenn der Almanach hier nicht „Almanach“ hieß, sondern „Fibel der morgenländischen Merkwürdigkeiten“. Und irgendwie war das ein Omen.

In der Merkwürdigkeiten-Fibel war unabhängig von der Wichtigkeit der Einträge konsequent alles alphabetisch sortiert. Selbst Basisinformationen wie „Start“ oder „Spielende und Sieger“ musste man sich zwischen „Runde“, „Schätze“, „Schatzkarten“, „Spielplan“, „Stadt“, „Stärkster“, „Startspieler“ und „Taktische Tipps“ herauspicken ... und, nein, das war wirklich nicht toll, obwohl ich als Vielspieler keine besondere Mühe damit hatte.

Spiel des Jahres wurde dann TORRES. Den Deutschen Spielepreis gewann TADSCH MAHAL, MORGENLAND belegte Platz neun. Weit unter Wert, wie ich fand.

MORGENLAND ist – auch wenn man das damals noch nicht so nannte – ein frühes Worker-Placement-Spiel. In MORGENLAND platzieren wir unsere Figuren verdeckt, was sowohl Bluff als auch Glück als auch große Spannung ins Spiel bringt. Beliebig viele Figuren dürfen auf dasselbe Feld. Dort fungieren sie als Gebote, mit denen wir um den Ertrag bzw. die Aktion des jeweiligen Feldes schachern.

Wer die meisten Artefakte besitzt, gewinnt. Artefakte bezahlt man mit Schätzen. Bis zu fünf Felder bieten Schätze an, und die größten Schatzportionen gehen ganz simpel immer an die Partei mit den stärksten eingesetzten Figuren. Trickreicher ist es bei den Artefakten, und genau diesen Twist fand ich sensationell: Wer die wertvollsten Figuren gesetzt hat, besitzt zwar das Vorkaufsrecht für das jeweilige Artefakt. Doch die Punktesumme der eingesetzten eigenen Figuren bestimmt den Kaufpreis.

Und weil man während der Einsatzrunde noch nicht sicher weiß, welche Erträge man in der anschließenden Auswertung bekommt, verzockt und verspekuliert man sich: Da gewinne ich das Kaufrecht - kann mir das Artefakt aber gar nicht leisten. Oder ich hätte es mir leisten können – komme aber nicht zum Zuge. Diesen Mechanismus fand ich so stark, dass MORGENLAND nicht nur mein Lieblingsspiel des Jahrgangs 1999 / 2000 war: Alles andere als der Titel Spiel des Jahres wäre mir völlig unerklärlich gewesen!