Montag, 7. Juli 2025

Zenith

Zenith: Cover

Ein Schwachpunkt von REZENSIONEN FÜR MILLIONEN ist die fehlende organisatorische Struktur. Tagtäglich ist damit zu rechnen, dass jemand Strukturierteres kommt und mir den Laden – berechtigterweise – aus der Hand nimmt. Wie ich darauf komme? Weil in ZENITH genau das geschieht! Drei Völkern „fehlt“ laut Anleitung „eine organisatorische Struktur“. Weshalb wir sie ganz selbstverständlich „unter unserer Kontrolle vereinen“. Nobel von uns. Und auch wirklich nicht böse gemeint.

Wie geht ZENITH? Eigentlich geht es ja nur um Farbscheiben (Einfluss), die wir auf fünf Skalen (Planetenbahnen) hin- und herschieben. Es ist eine Art Tauziehen: Habe ich eine Scheibe vier Schritte in meine Richtung gezogen, gehört sie mir. Dann startet in der Mitte der Skala eine neue Scheibe derselben Farbe. Ich gewinne, sobald ich drei gleichfarbige, vier verschiedenfarbige oder irgendwelche fünf Scheiben besitze.

Zenith: Situation

Wir steuern das mit Karten. Grüne Karten spiele ich an die grüne Skala, rote an die rote und so weiter. Und die Karten kosten Geld. Jede gleichfarbige, die ich schon vorher ausgespielt habe, gewährt einen Rabatt. Gespielte Karten lösen Effekte aus. Sie lassen mich Scheiben verschieben. Oder ich nehme Karten meines Gegenübers auf meine Seite. Oder schmeiße sie ab. Oder ich bekomme Geld. Oder Zenithium, die zweite Währung des Spiels. Oder oder oder.
Zenithium benötige ich als Bezahlung, um auf dem Technologie-Tableau aufzusteigen. Auch dafür muss ich eine Karte spielen. Dann aber ist nicht ihre Farbe relevant, sondern ihr Symbol. Die Effekte der Technologien sind anfangs gar nicht so beeindruckend, werden es aber, je höher ich auf dem Tableau klettere.

Was passiert? ZENITH ist nicht nur, wie oben geschrieben, „eine Art“ Tauziehen; Tauziehen ist das wesentliche Spielgefühl. Allerdings an fünf Tauen gleichzeitig.
Wie zu erwarten, sind die stärkeren Karten auch die teureren. Eine Herangehensweise wäre somit, zunächst mit billigeren Karten Rabatte aufzubauen, um mir später gleich mehrere starke Karten leisten zu können. Oder ich spare einen Geldvorrat an, um teure Karten sofort auszuspielen statt später. Was ich wann auf die Hand bekomme und wie langfristig ich eine Farbe aufbauen kann, weiß ich vorher nicht.

Zenith: Karten

Es ist ein ziemliches Hin und Her. Was ich mir erschaffe, kann mein Gegenüber wieder zerstören. Es brennt an dieser Ecke und an jener. Ich drohe, du drohst. Ich klaue, du klaust. Prioritätenabwägung ist gefragt. Ich könnte die blaue Scheibe bis ein Feld vors Ziel schieben. Aber im Gegenzug kassiert meine Gegner:in vielleicht Grün ein? Neben dem großen Duell um den Sieg finden in ZENITH viele kleine Duelle statt: um Scheiben, um Rabatte, um das Abzeichen, das einer der beiden Spieler:innen erlaubt, mehr Karten nachzuziehen als das Gegenüber.
Mit Geübten ergibt sich ein rasanter Schlagabtausch. Das Problem ist: Am Anfang sind wir nicht geübt. Und nicht alle Symbole sind sofort einleuchtend. Zum Glück gibt es Übersichten. Aber sie sind nicht ganz fehlerfrei und zudem doppelseitig. Man blättert hin und her. Und es sind gar nicht alle Varianten aller Symbole darauf. Manchmal setzt sich ein Karteneffekt aus zwei Faktoren zusammen, die man sich an verschiedenen Stellen der Übersichten zusammensuchen muss. Immer wieder musste ich Mitspieler:innen, die Symbole falsch deuteten, in ihren Zug reinquatschen, um zu korrigieren.

Was taugt es? ZENITH ist spannend. Wegen der unterschiedlichen Siegbedingungen kann ich mir nie ganz sicher sein, ob meine Gegner:in, selbst wenn sie in der Defensive zu sein scheint, nicht doch noch gewinnen kann. Gut gefällt mir auch, dass sich Karten auf verschiedene Weisen verwenden lassen. Passt die Farbe nicht oder habe ich nicht genug Münzgeld, kann ich auf den Technologiepfad ausweichen, der, je häufiger ich das tue, zu einem immer wichtigeren Schauplatz wird.
ZENITH hat strategische Elemente. Etwa kann ich mir für die Partie vornehmen, viel Zenithium für Technologien zu sammeln oder eine möglichst große Farbkartenmacht auf meiner Seite aufzubauen. Meistens agiere ich aber doch situativ, weil ich Brandherde löschen, Gelegenheiten ergreifen und sowieso mit dem klarkommen muss, was ich an Karten nachziehe.
Üblicherweise spielt man ZENITH zu zweit. Das Teamspiel zu viert sehe ich eher als Variante an, auch wenn es einen eigenen Akzent setzt, indem jede:r im Team nur drei der fünf Farben spielen darf, weshalb wir hin und wieder Aktionen aufwenden müssen, um Karten zu tauschen.
Zu viert hat ZENITH einen etwas anderen Rhythmus. Beide Spieler:innen eines Teams ziehen nacheinander, wodurch sich stärkere Veränderungen ergeben können, bevor das andere Team wieder an der Reihe ist. Allerdings dauert die Vierer-Partie auch erheblich länger, weil man sich vor den Zügen erst mal intern abstimmt. So verläuft ZENITH weniger rasant. Zu viert fällt auch besonders störend auf, dass es nur zwei doppelseitige Symbolübersichten gibt.

Zenith: Übersichten

Störend ist übrigens auch, dass pro Farbe nur vier Farbscheiben enthalten sind – obwohl durchaus Situationen auftreten, in denen eine fünfte ins Spiel kommen müsste. Man muss sich dann anders behelfen und ist irritiert, weil man befürchtet, irgendeine Regel übersehen zu haben.
Abgesehen davon, dass die Redaktion meiner Meinung nach an falschen Stellen gespart hat, ist ZENITH ein gelungenes Spiel, zu dem man mich nicht überreden muss. Nur den ganz großen Reiz, der mich veranlasste, das wieder und wieder spielen zu wollen, erlebe ich nicht.
Warum ich ZENITH nur solide finde, ist schwer auf den Punkt zu bringen. Es ist eine Mischung aus a) einem Thema, das mich nicht anspricht, b) arg vielen Symbolen und Effekten, von denen man sich vielleicht ein paar hätte sparen können, und c) dem Empfinden, das sich manche Partien (auch zu zweit) doch etwas hinziehen. Falls ZENITH etwas tiefgreifend Neues bietet, entgeht es mir.


**** solide

ZENITH von Grégory Grard und Mathieu Roussel für zwei oder vier Spieler:innen, Play Punk.

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