Mittwoch, 30. Juli 2025

Auf nach Japan!

Auf nach Japan: Cover

Schon gehört? Jetzt wollen diese Ökos mit ihrer Klimakatastrophe uns auch noch die Fernreisen wegnehmen. Wir dürfen planen, wir dürfen träumen – aber tatsächlich losfliegen dürfen wir nicht. Also AUF NACH JAPAN!

Wie geht AUF NACH JAPAN? Für meine Reiseplanung erhalte ich pro Spielzug zwei oder vier Karten. Die Hälfte davon lege ich vor mir aus, die andere Hälfte gebe ich an die nächste Person weiter: Drafting also. Allerdings Drafting mit Verzögerung. Denn ich nehme weitergegebene Karten nicht sofort auf, sondern erst, wenn sich ein bestimmter Vorrat angesammelt hat. Solange nicht, ziehe ich neue Karten vom Stapel.
Die Karten sind nach Attraktionen benannt wie „Gärten des Kaiserpalasts“ oder „Fließband-Sushi“. Weil wir unseren kompletten Japan-Trip in nur sechs Tagen abreißen, wollen wir besonders viel in diese Tage hineinstopfen. Pro Tag plane ich (üblicherweise) drei Attraktionen. Ich muss dabei keine Chronologie einhalten, kann Karten erst an den Donnerstag und dann an den Montag legen, und ich darf Karten an einem Tag sowohl über andere Karten legen als auch drunterschieben.
Sobald jede:r die (mindestens) 18 Karten gelegt hat, werten wir die Reisen aus, und jetzt ist die Chronologie wichtig: Zuerst werden die drei Karten des Montags gewertet, dann Dienstag und so weiter. Karten bringen erstens Punkte, zweitens schiebe ich entsprechend ihrer Symbole Themen-Marker voran, die etwa für „Tempel“ oder „Shopping“ stehen. Meine oberste Montags-Karte definiert zudem meine Tagesabschlusswertung: Beispielsweise sollen mein Marker „Tempel“ mindestens zweimal und mein Marker „Speisen“ einmal vorwärtsgelaufen sein, dann bekomme ich vier Punkte plus einen weiteren für jeden bisherigen „Speisen“-Schritt.
Auf solche Wertungen spiele ich hin und versuche, meine Auslage entsprechend zu optimieren. Zusätzlich muss ich noch Details bedenken. Karten gehören entweder zu Tokyo oder Kyoto, und ich sollte während meiner Reise nicht zu oft zwischen den beiden Orten hin- und herpendeln. Das kostet Fahrkarten, die ich mir erst mal besorgen muss, oder es kostet Punkte.
Neben den Themen-Markern versetzen meine Karten auch Stimmungs-Marker. Die stärkeren Karten verursachen Stress, die schwächeren Freude. Stress gleicht Freude aus und umgekehrt. Allerdings wird nicht beides einfach miteinander verrechnet, sonders es gibt bestimmte Kipppunkte. Habe ich zu viel Stress hintereinander, zählt das irreversibel Minuspunkte. Umgekehrt sichert mir eine längere Freudephase Pluspunkte. Auch hier lassen sich mit einem ausgeklügelten Arrangement der Symbole einige Punkte herausoptimieren.


Auf nach Japan: Reiseplanung

Was passiert? Ich hoffe auf Karten, deren Wertungen mir machbar und lukrativ erscheinen. Mit weiteren Karten (die ich früheren Wochentagen zuordne) versuche ich, diese Wertungen gut zu erfüllen. Für frühe Wochentage wähle ich tendenziell leichtere Wertungen, denn so viele Symbole habe ich dann noch nicht. An späteren Tagen darf es auch komplexer werden. Im Bestfall gelingt es mir, Wertungen aufeinander aufbauen zu lassen, dass etwa meine Belohnungen vom Dienstag und Mittwoch perfekt meine Freitags-Wertung unterstützen.
Jede:r tüftelt solitär. Das hat den Nachteil, dass man nicht miteinander spricht und auch wenig voneinander mitbekommt, hat aber den Vorteil, dass ich niemandem beim Nachdenken zusehen muss. Denn zu bedenken gibt es schon so einiges: Vielleicht passen mir die Symbole der Karte sehr gut, aber die Wertung nicht. Was aber gar nicht so schlimm sein muss, weil ich die Karte an ihrem Tag ja einfach unter die vorhandene schieben könnte. Allerdings folgt dann tagesübergreifend Kyoto – Tokyo – Kyoto aufeinander statt Kyoto – Kyoto – Tokyo. Ich springe also einmal zusätzlich zwischen den Städten. Hm, Karte also doch nach oben und darauf spekulieren, dass ich sie noch mit der dritten und letzten Karte des Tages überdecke, die dann aber unbedingt eine Tokyo-Karte sein und eine passende Wertung mitbringen muss …? Tatsächlich sind die Überlegungen sogar noch ein bisschen komplexer: weil man auch die Stimmung berücksichtigen muss, weil man (was einen Zufallsentscheid ins Spiel bringt) Karten als „Spaziergang“ auslegen kann, und weil, sobald ein Tag seine dritte Karte bekommt, eine kleine Zwischenwertung ausgelöst wird.
Man gestaltet also ein Puzzle und hat bestimmte Wünsche im Kopf. Die Karten weichen mal weniger, mal mehr von den Wünschen ab, und es geht darum, die richtigen Kompromisse zu finden und das Beste herauszuholen. Und manchmal lohnt auch ein Zock.

Was taugt es? AUF NACH JAPAN versucht, möglichst thematisch rüberzukommen. Jede Karte enthält drei Zeilen Info-Text. So erfährt man etwa, dass nur der Ostteil der Kaiserpalastgärten öffentlich zugänglich ist oder Sushi vom Fließband ein günstiges Geschmackserlebnis bietet. Die Anleitung empfiehlt, bei Spielende nicht einfach nur die Punkte zu addieren, sondern einander zu schildern, was man während der Reise so alles erlebt.

Auf nach Japan: Karten

Nun ja. Hätte jemand tatsächlich vom Kaiserpalast oder Fließband-Sushi zu erzählen, würde mich das interessieren. Aber nicht, wenn es nur um gleichnamige Karten geht, zu denen sich der persönliche Bezug darin erschöpft, dass man sie ausgelegt hat. Das aufgesetzte Thema an sich stört mich gar nicht. Die meisten Spiele haben aufgesetzte Themen. Und solange sie – wie hier! – das Spielverständnis unterstützen und Atmosphäre schaffen, ist das völlig okay. Nur speziell zelebrieren mag ich ein aufgesetztes Thema eben nicht. Dieses Angebot schlage ich also aus.
So völlig okay das aufgesetzte Thema ist: Thematische Pluspunkte sammelt AUF NACH JAPAN bei mir nicht. Zweifellos habe ich im Spiel das Gefühl, etwas zu planen. Exakt das ist ja meine Hauptbeschäftigung. Wie eine Reise oder Reiseplanung kommt mir das aber nicht vor. Meine Gedanken kreisen um eine Abfolge abstrakter Symbole.
Das Spiel an sich finde ich ebenfalls völlig okay. Ich treffe viele Entscheidungen, ich kann verschiedene Dinge probieren, ich werde nach und nach Kombinationsmöglichkeiten entdecken, die nicht sofort auf der Hand liegen. Nur: Ich erlebe keine außergewöhnliche Spannung dabei, und ich vermute, das liegt an der doch sehr ausgedehnten Planungsphase.
Erstens muss ich währenddessen viele Kleinigkeiten beachten und vorausberechnen. Und das alles passiert lange Zeit nur in meinem Kopf. Erst ganz am Ende der Partie wird es endlich konkret und ich setze die Marker tatsächlich vorwärts. Das ist eher anstrengend als spielerisch. Zumal mir manche Regeln auch unnötig vorkommen: Braucht das Spiel zwei Arten Stress und zwei Arten Freude? Immer wieder hat dies Mitspieler:innen in Planungsfallen laufen lassen. Auch die Ausnahme-Regel, einen Spaziergang machen zu dürfen, und als Ausnahme von der Ausnahme einen Bonus-Spaziergang, zieht Fragen nach sich.
Zweitens werden die Rückmeldungen und Belohnungen für mein Tun ganz weit ans Ende der Partie verschoben. Vorher bin ich nicht so recht orientiert, wie ich dastehe. Noch orientierungsloser bin ich, wo die anderen stehen. AUF NACH JAPAN fühlt sich an wie eine Klassenarbeit, zu der man den emotionalen Bezug verloren hat, weil man sie erst nach sechs Wochen zurückbekommt und schon gar nicht mehr weiß, worum es da genau ging.


**** solide

AUF NACH JAPAN! von Josh Wood für eine:n bis vier Spieler:innen, Schwerkraft / AEG.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Aufklärung über den Datenschutz
Wenn Sie einen Kommentar abgeben, werden Ihre eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie beispielsweise Ihre IP-Adresse) an den Google-Server übermittelt. Mit dem Absenden Ihres Kommentars erklären Sie sich mit der Aufzeichnung Ihrer angegebenen Daten einverstanden. Auf Wunsch können Sie Ihre Kommentare wieder löschen lassen. Bitte beachten Sie unsere darüber hinaus geltenden Datenschutzbestimmungen sowie die Datenschutzerklärung von Google.

Freischaltung von Kommentaren
Ich behalte mir vor, Kommentare nicht freizuschalten, insbesondere Kommentare, die Schmähungen oder Werbung enthalten. An Wochenenden dauert es meist länger, bis ich Kommentare prüfe. Vollkommen anonyme Kommentare haben schlechtere Chancen, von mir freigeschaltet zu werden.