Mittwoch, 23. Juli 2025

Seti

Seti: Cover

Falls es intelligentes Leben im All gibt, wird es der Menschheit hoffentlich schenken, was diese am dringendsten benötigt: Einleitungen und Frieden.

Wie geht SETI? SETI ist ein kartenbasiertes Spiel um Punkte, in dem wir Sonden ins Weltall schicken, mit Teleskopen Sterne scannen und gesammelte Daten analysieren, um Spuren außerirdischen Lebens zu finden. Am konkretesten umgesetzt ist das Fliegen. Wir bewegen unsere Sonden Zone für Zone durchs All mit dem Ziel, sie entweder in die Umlaufbahn eines Planeten zu bringen oder auf einem Planeten oder Mond zu landen. Das Solarsystem rotiert. Dadurch verändern sich die Entfernungen der Planeten zur Erde und untereinander.
Scannen bedeutet, in einem oder mehreren der acht Sektoren Scheiben einzusetzen. Sektoren haben vier bis sechs Plätze dafür. Sind die besetzt, gibt es eine Mehrheitswertung. Auch hier wirkt sich die Rotation des Spielplans aus. Welche Sektoren ich mit meinem Scan erreichen kann, wechselt.
Jede so platzierte Scheibe bringt mir außerdem einen Datenspielstein. Den nutze ich, um die Felder meines „Computers“ zu belegen. Sind alle sechs Felder voll, habe ich Spuren gefunden und werde dafür belohnt. Den Computer kann ich anschließend wieder neu befüllen. Was noch aus einem zweiten Grund attraktiv ist: Auf zwei der sechs Computerfelder erhalte ich eine Zusatzbelohnung, sobald ich sie belege.

Seti: Computer

Und ich kann den Computer ausbauen, um schließlich auf mehr oder gar auf allen Feldern eine Belohnung zu erhalten. Auf ähnliche Weise verbessere ich meine Scan-Technologie, um zu denselben Kosten statt zwei bis zu vier Sektoren zu scannen. Und ebenso die Sonden-Technologie, um das Fliegen und Landen billiger zu machen.
Alle Aktionen löse ich aus, indem ich die benötigten Geld- und Energie-Ressourcen bezahle. Oder indem ich eine Handkarte spiele, die mir die gewünschte Aktion erlaubt. Handkarten zu spielen, kostet ebenfalls Geld, aber per Handkarte ausgelöste Aktionen sind etwas stärker und umfangreicher als schnöde erkaufte Aktionen. Das ist sehr vergleichbar mit TERRAFORMING MARS, wo ich mir Standardprojekte einfach so kaufen kann, mit den passenden Karten jedoch einen besseren oder preiswerteren Effekt erreiche.

Was passiert? Alle Karten in SETI haben einen Mehrfachnutzen. Wenn mir ihre Hauptaktion nicht passt oder zu teuer ist, gibt es drei weitere Möglichkeiten, um die Karte gewinnbringend einzusetzen. Genau das macht SETI so komplex. Erstens ist jede der 138 Karten anders (weitere kommen hinzu, sobald wir Aliens entdecken). Zweitens muss man, so gut sie auch gemacht ist, die umfangreiche Symbolik verstehen. Und drittens und vor allem: Karten sind ein knappes Gut. Jede Entscheidung für eine der vier Einsatzmöglichkeiten ist die Entscheidung gegen die anderen drei. Welche Karte ich für was verwende, muss ich mir gut einteilen.

Seti: Solarsystem

SETI ist also niemals schnell gespielt. Selbst mit Übung ergibt sich noch Grübelpotenzial. Anfangs sind die meisten Spieler:innen sowieso völlig erschlagen von den diversen Möglichkeiten. Wir spielen fünf Runden, die jeweils so lange dauern, bis alle passen, und weil unsere Einkommen und Möglichkeiten während der Partie ansteigen, dauert es Runde für Runde etwas länger.
Gerade im Finale kann es sich ziehen. Während es mir zwischendurch noch halbwegs egal ist, ob ich Ressourcen übrig behalte (Ich kann sie mit in die nächste Runde nehmen und dann immer noch nutzen), ist es mir bei Spielende deutlich weniger egal. Spätestens jetzt habe ich den Ehrgeiz, meine Züge durchzuoptimieren. Blöd dabei ist, dass einige Spieler:innen zu diesem Zeitpunkt schon gepasst und ihre Partie beendet haben können. Sie dürfen mir nun einige Minuten bei meinen Restabwicklungen zusehen.
SETI ist also ein Optimierspiel, wir müssen mit Ressourcen haushalten. Wegen der starken Verzahnung aller Elemente ist die Reihenfolge, in der ich Dinge erledige, sehr wichtig. Außerdem stellen sich Timing-Fragen. Bin ich bei den Mehrheitswertungen im richtigen Moment zur Stelle, kann ich ohne großen Aufwand ein Schnäppchen machen. Auch günstige Planetenkonstellationen will ich ausnutzen, weil das den Flug drastisch verkürzt und damit vergünstigt.
Zugleich ist SETI auch ein Entwicklungsspiel. Ich will mir ein großes Einkommen aufbauen und meine Technologien ausbauen, um in späteren Runden immer stärker und effektiver zu werden. Und es ist ein Wettrennen: auf Planeten, Aliens und Ziele. Meine Ziele bestimmte ich zum Teil selbst. Sobald ich 25, 50 und 70 Punkte erreicht habe, wähle ich eins von vier Zielen. Hier schneller zu sein als die anderen, bedeutet, mehr Punkte beim Erfüllen zu gewinnen. Etliche der Karten, die ich spiele, definieren zusätzliche Zwischenziele, die dann nur für mich gelten.


Seti: Weltall

Was taugt es? SETI bietet ziemlich viel Potenzial, um sich zu verzetteln und mit Grübeleien und Entscheidungsschwierigkeiten den Betrieb aufzuhalten. So etwas liegt oft an den Spieler:innen selbst. Allerdings enthält SETI auch Elemente, die im Voraus geplante Züge wieder umwerfen. Hatte ich mir eine Flugroute für meine Sonde überlegt, und unmittelbar davor rotiert das Solarsystem und die Sache wird unbezahlbar oder zumindest unangenehm teuer, muss ich neu nachdenken und die anderen warten lassen.
Nicht ganz glücklich bin ich auch mit den Aliens. Eindeutig ist es erstrebenswert, sie zu entdecken und im weiteren Spielverlauf den Kontakt zu ihnen zu halten. Aber außer, dass es mehr Punkte bringt, nimmt ihre Entdeckung relativ wenig Einfluss aufs Spiel. Möglicherweise ist meine Erwartungshaltung da jedoch zu hoch, und Sahnehäubchen wie etwa zusätzliche Mechanismen, Erzählelemente, inhaltliche Wendungen etc. sind eher Stoff für künftige Erweiterungen.
Wegen dieser Kritikpunkte habe ich gegrübelt, ob ich SETI tatsächlich besser als „reizvoll“ finde. Aber: Ja! Obwohl die Partien lange dauern, finde ich sie durchweg spannend und werde nicht müde, SETI zu spielen. Das Spiel bleibt in meiner Sammlung, und ich bin jetzt schon heiß auf Erweiterungen, was eigentlich widersinnig ist, da ich die Möglichkeiten, die allein das Grundspiel bietet, mit Sicherheit noch nicht ausgelotet habe.

Seti: Karten

Bereits AGRICOLA hatte eindrucksvoll demonstriert, was Kartenvielfalt ausmacht, und in SETI ist es genauso. Vermutlich hatte ich so ziemlich jede Karte schon mal auf der Hand. Aber längst nicht in jeder Konstellation und zu jedem Zeitpunkt des Spiels, weshalb es ganz sicher noch viele Einsatz- und Kombinationsmöglichkeiten gibt, die ich in kommenden Partien entdecken möchte.
Der überwiegend konstruktive Spielcharakter trifft meinen Geschmack. SETI bietet mir Möglichkeiten über Möglichkeiten. Ich will unheimlich viel und kann doch nur einen Teil dessen umsetzen. Ich will mich langfristig entwickeln, will aber auch kurzfristige Gelegenheiten nicht verstreichen lassen. Ich bin zwischen den schönsten Vorhaben hin- und hergerissen – und spiele Karten aus, die noch weitere Ziele für mich definieren. Und bilde mir ein, das auch noch zu schaffen. Und schaffe es vielleicht sogar.
Trotz aller Komplexität benötigt SETI gar nicht so viele Regeln. Die Variabilität entsteht durch die Karten, nicht durch Ausnahmen oder Detailregeln. Das Spielsystem ist schlüssig und rund. Sobald man die Symbolik begreift, ergeben sich keine wesentlichen Fragen mehr.
Spielreiz entsteht auch dadurch, dass SETI einfach klasse aussieht. In ihrer Mischung aus Aufgeräumtheit und Funktionalität sowie Schönheit und Anziehungskraft erinnert die Aufmachung von SETI an ARNAK – was wohl kein Wunder ist, weil teilweise dieselben Menschen am Werk waren. Auf diesem Spielplan und mit diesem Material will man spielen! Gerade wenn man etliche gute Spiele dieser Gewichtsklasse zur Auswahl hat, gibt bei der Frage, was schließlich auf den Tisch kommt, durchaus auch die Optik den Ausschlag.


****** außerordentlich

SETI von Tomáš Holek für eine:n bis vier Spieler:innen, Czech Games Edition.

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