Dienstag, 17. September 2024

Spielejahrgang 2023/24:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 2: Spiele für alle

Genauer gesagt müsste die Überschrift lauten: Spiele für vermeintlich alle. Eine MAU-MAU-Variante, zwei Partyspiele … Man müsste meinen, das sei niedrigschwellig. Entspricht aber gar nicht so sehr meiner Praxiserfahrung. Was schade ist, denn ich finde alle diese Spiele toll.


Passt nicht Cover

PASST NICHT: Nicht niedrigschwellig? Nein, jedenfalls nicht total niedrigschwellig. Meiner Beobachtung nach tut es PASST NICHT sehr gut, wenn jemand am Tisch sitzt, der weiß oder schnell erfasst, wie der Hase läuft bzw. wie er laufen soll. Trotz einfachster Regeln passieren so manche Fehler, und vor allem spielen viele Leute PASST NICHT so, wie sie MAU MAU spielen würden: nämlich immer auf den Stapel, nur weg mit den Handkarten! So bringen sie sich um den Witz des Spiels, erfahren nicht die Gemeinheiten und den damit verbundenen Spaß.
Ich habe mehrfach gehört, PASST NICHT sei das beste Kartenspiel der Saison (und tatsächlich ist das auch meine Meinung). Aber das sagten keine MAU-MAU-Spieler:innen (die natürlich auch gar nicht über so etwas wie Jahrgänge nachdenken), sondern Expert:innen aus der Szene. Hoffentlich kommen auch die MAU-MAU-Spieler:innen auf den Dreh!


The Same Game Cover

THE SAME GAME: Partyspiele gelten ja immer als niedrigschwellig. Weil: Party. Aber: Stimmt nicht. Es ist mir in manchen Gruppen nicht leichtgefallen, Menschen die Idee von THE SAME GAME begreiflich zu machen. Und es gab auch Gruppen, die schlicht daran scheiterten, sich brauchbare Begriffe auszudenken oder in eine Diskussion darüber zu kommen. Und dabei sind die entstehenden Diskussionen gerade das, was THE SAME GAME so besonders und manche Partien unvergesslich macht.
Und trotz vieler positiven Erlebnisse bemerke auch ich bei mir eine gewisse Hemmschwelle, weil ich weiß, dass mit der Begriffsfindung vor dem spaßigen Teil erst mal etwas recht Anstrengendes kommt. (Rezension in: spielbox 7-23.)


Ghost Writer Cover

GHOST WRITER: GHOST WRITER spielt sich unfallfreier – außer natürlich, wenn Mitspieler:innen beim Ratebegriff „Kaktus“ und der Frage „Zu welcher Kategorie von Objekten gehört es?“ mit KAKTEEN antworten.
Was die Diskussionen in THE SAME GAME sind, sind in GHOST WRITER die Mutmaßungen; vor allem, wenn man mal wieder zu früh „Stopp!“ (oder „Silencio!“) gerufen hat, weil man sich aufgrund von ein paar Buchstaben schon auf der richtigen Fährte wähnte. Selten tappt man so schön im Dunkeln wie bei GHOST WRITER. (Rezension in: spielbox 5-23.)


Tipperary Cover

TIPPERARY: Auf öffentlichen Spieletreffen tauchen manchmal Menschen auf, deren aktuellste Spielerfahrung aus ROMMÉ besteht. Sie spielen gern, kennen aber die Spiele und die Spielkonzepte der vergangenen 25 Jahre nicht, wollen etwas kennenlernen und … sind überfordert. Ich weiß dann: Hier wird nichts funktionieren, wenn ich nicht die komplette Zeit danebensitze und anleite. Aus einer solchen Situation rettete mich einst TIPPERARY. Drei Neulinge, die zuvor an einem anderen (vermeintlich leichteren) Spiel gescheitert waren, hatten sich TIPPERARY ausgesucht, und ich dachte: Oha! Doch dann zeigte sich mal wieder, welch innere Logik Legespiele haben. Legeaufgaben sind intuitiv. Und weil die Informationen für alle offen sind, können – sofern nötig und gewollt – auch alle helfen. Die Gruppe von Neulingen spielte gleicht drei Partien hintereinander, ohne dass ich noch viel eingreifen musste. Seitdem schätze ich TIPPERARY noch mehr. Vermutlich ist es von den vier hier genannten Spielen tatsächlich das zugänglichste.


Samstag, 14. September 2024

Spielejahrgang 2023/24:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 1: Spiele für mich

Im Vorjahr stachen für mich acht Spiele so sehr aus dem Jahrgang heraus (was ich quälend über Teil 1 und 2 und 3 bis Teil 4 ausdehnte), dass ich meinen raren Stauraum für sie hergeben wollte. Und das kam mir viel vor. Doch in diesem Jahr sind es mehr! Aber warum bloß? Habe ich extern Regalfläche angemietet? Ist der Jahrgang so stark? Werde ich altersmilde? Rückt die Rente näher und ich sorge vor? Da soll sich jede:r selbst einen Reim drauf machen. Los geht es mit meinen beiden Top-Favoriten.


Sky Team Cover

SKY TEAM: Alle paar Jahre (und auch wirklich nicht häufiger und schon gar nicht jedes Jahr) gibt es ein Spiel, bei dem ich denke: Wow! Meistens sind das Spiele, die ich als sehr originell empfinde. Spiele, deren Spielgefühl sich von anderen Spielen deutlich unterscheidet. Spiele, die sich als weitere Evolutionsstufe des Brettspielens herauskristallisieren könnten.
Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet ein Spiel zum Thema Fliegen (bzw. Landen) dieses Wow-Gefühl in mir auslösen kann. Denn ich fliege nicht gern, und Fliegen finde ich generell doof (Landen allerdings finde ich wiederum sehr gut). Als es hieß, dass ein Flugzeug-Spiel namens SKY TEAM erscheinen würde, hatte ich keine besonderen Erwartungen. Es dauerte aber nur exakt zwei Partien, um meine Zurückhaltung in Euphorie zu verwandeln. Die Partie nach der Einstiegspartie deutete bereits an, wie spannend es sein würde, all die Szenarien kennenzulernen, und wie herausfordernd, sie zu meistern.


GWT Neuseeland Cover

GREAT WESTERN TRAIL NEUSEELAND: Mehr Material, mehr Regeln, mehr Details als das Originalspiel (sicherheitshalber: GREAT WESTERN TRAIL) – und trotzdem fühlt es sich elegant und leicht an.
Dieselbe Wow-Originalität wie SKY TEAM besitzt GREAT WESTERN TRAIL NEUSEELAND als reine Variante eines bewährten Spielsystems natürlich nicht; soll es auch nicht. So wie eine gelungene Erweiterung ist es ein Angebot, ein Spiel, das man sehr mag, noch mal auf etwas andere Weise zu spielen. Und in diesem Fall und wenn man mich fragt: auf so gelungene Weise, dass ich NEUSEELAND momentan lieber spiele als das Grundspiel; etwa so gern wie das Grundspiel plus die Erweiterung RAILS TO THE NORTH. Oder sogar noch ein bisschen lieber.
An RAILS TO THE NORTH erinnert GREAT WESTERN TRAIL NEUSEELAND auch. Zusätzlich sind zwei Elemente im Spiel, die noch mehr Abwechslung bereiten: neben den Personal- eine weitere Sorte Plättchen und neben den Schaf- eine weitere Sorte Karten. Vor allem sie haben es mir angetan, weil sie die Deckbau-Aspekte in GREAT WESTERN TRAIL ein bisschen intensivieren. Und mit Deckbau kriegt man mich immer!
GREAT WESTERN TRAIL setzt auf Möglichkeiten statt auf Probleme. Und schafft damit das tolle Problem, sich zwischen all diesen Möglichkeiten entscheiden zu müssen. (Rezension in: spielbox 6/23.)


Dienstag, 10. September 2024

Vor 20 Jahren (141): Das Zepter von Zavandor

Das Zepter von Zavandor Cover

„Diesen Zug habe ich jetzt nicht verstanden!“ Der Satz hat sich bei mir eingebrannt. Gemeint war mein Zug. Die Begebenheit mag locker dreißig Jahre her sein. Und ich weiß auch gar nicht mehr, um welches Spiel es ging. Aber ich weiß noch, wer es sagte und in welcher öffentlichen Spielerunde. Nach meiner Erinnerung war die Person noch gar nicht richtig zur Tür hereingekommen, meinte aber trotzdem, nach zwei Sekunden und aus drei Metern Entfernung die Situation auf unserem Spieltisch mit Kennerblick erfassen und bewerten zu können.

Muss ich erwähnen, dass das nicht mein Lieblingsmitspieler war? Genauer gesagt: einer von zwei Nicht-Lieblingsmitspielern in dieser Runde. Auf öffentlichen Treffs kann man sich das leider nicht immer aussuchen. Und so geriet ich eben ab und zu auch an einen dieser beiden (schon etwas älteren) Herren, die gerne heraushängen ließen, wie viele Epochen der Geschichte des Brettspiels sie seit Erfindung der Knochenwürfel als Zeitzeugen miterlebt hatten.

Lediglich mit aktuelleren Titeln kannten sie sich nicht so gut aus. Machte aber nichts, denn die alten Spiele waren ja sowieso viel besser. Und so musste ich in dieser Runde umständehalber ab und zu vermeintliche Perlen aus den Achtzigern mitspielen, die ich schon zu ihrer Zeit nicht abgefeiert hätte. Außerdem waren wir ja bereits in den Neunzigern.

Mit DAS ZEPTER VON ZAVANDOR aus den Nuller-Jahren hat das erst mal gar nichts zu tun, außer dass ich in genau dieser besagten Runde zum ersten und bislang einzigen Mal OUTPOST (James Hlavaty und Timothy Moore, 1991) spielte, das – soweit ich weiß (und bei Boardgamegeek steht’s auch) – die Basis für DAS ZEPTER VON ZAVANDOR (Jens Drögemüller, 2004) bildete. Weil besagte Mitspieler OUTPOST kannten und offenbar gut fanden, nahm ich bis kurz vor dem Schreiben dieses Artikels irrtümlich an, OUTPOST müsse ebenfalls ein Werk aus den glorreichen Achtzigern sein.

Einer, der zu spät gekommen war und nicht mitspielte, sich aber gerne als Kiebitz danebensetzte, um mir zu erklären, wie man OUTPOST üblicherweise spielen sollte, sagte, es gebe nur zwei Strategien. Gemäß seinen Weisungen versuchte ich mich an einer der beiden. Aber anscheinend verbockte ich es. Auch wenn ich mich an Details der Partie nicht erinnere: Dass ich nicht gewonnen habe, weiß ich sicher.

Kleiner Zeitsprung zu DAS ZEPTER VON ZAVANDOR: Als es bei dessen Erscheinen hieß, das Spiel sei an OUTPOST angelehnt, war ich sofort interessiert. Denn OUTPOST hatte ich vom Grundprinzip her eigentlich ganz reizvoll gefunden. Und ich fand die Vorstellung sogar noch viel reizvoller, mir das Spiel in aller Ruhe selbst anzueignen und mir mein eigenes Urteil zu bilden, ob es zwei Strategien gab oder sonst wie viele. DAS ZEPTER VON ZAVANDOR habe ich oft und gerne gespielt; von den OUTPOST-Spezialisten war da niemand mehr dabei. Was vielleicht in einem Zusammenhang steht.

Nachdem ich bislang nur meine Befindlichkeiten ausgebreitet (danke fürs Zuhören!) und nahezu nichts über DAS ZEPTER VON ZAVANDOR geschrieben habe, will ich aus Chronistenpflicht zumindest ergänzen, dass es beim Deutschen Spielepreis 2005 den 9. Platz belegte. Auf den Autor Jens Drögemüller komme ich noch zeitnah zurück. Die Folgen 237 (TERRA MYSTICA) und 299 (GAIA PROJECT) sind bereits reserviert.


  • Vor 20 Jahren (140): Goa

Freitag, 6. September 2024

Pirates of Maracaibo

Pirates of Maracaibo Cover

Einleitung über Bord!

Wie geht PIRATES OF MARACAIBO? Wir fahren mit unseren Schiffen über ein Meer aus Karten. Pro Zug darf ich maximal drei Karten (Felder) weit fahren. Am erreichten Ort führe ich die dort vorgesehene Aktion aus. Zum Beispiel zahle ich Geld, um die ersegelte Karte nehmen zu dürfen. Sie bringt mir einen Sofort- oder einen Dauereffekt. Eine Karte vom gemischten Stapel füllt die entstandene Lücke.
Aktionen können bewirken, dass meine Landfigur auf dem Inselpfad vorwärtsläuft, auf dem erreichten Feld Belohnungen kassiert und am Schluss Punkte entsprechend ihres Vorankommens zählt. Ein anderes Spielkonzept sind Schätze. Bei manchen Aktionen darf ich versuchen, mit drei Würfeln Schätze zu ergattern. Einen der geworfenen Würfel suche ich mir aus. Dessen Würfelpunkte setze ich für verschiedene Belohnungen ein. Wähle ich die Belohnung „Schatz“ (kostet fünf Würfelpunkte), bekomme ich einen Schatz in der Farbe des Würfels. Mit einer späteren Aktion kann ich den Schatz vergraben, wodurch er mehr Punkte zählt und eventuell noch einen Zusatznutzen auslöst.

Pirates of Maracaibo Spielplan

Ein weiteres Konzept sind Quest-Karten. Auch die bekomme ich über Aktionen, und sie definieren Ziele. Habe ich die am Schluss erreicht, gewinne ich Punkte. Außerdem gibt es Residenzen. Das sind Felder im Kartenmeer, zu denen ich segle, um für eine ganze Stange Geld eine zusätzliche Schlusswertung für mich freizuschalten.
Und es gibt das Konzept der Schiffsverbesserung: Auf einigen Meeresfeldern (und teilweise auch auf andere Art) darf ich auf meinem Papptableau, das einen Schiffsrumpf darstellt, ein Upgrade markieren. Das können Einmaleffekte sein. Oder auch Dauereffekte wie zum Beispiel: Wenn ich auf dem Inselpfad gehe, gehe ich ein Feld mehr. Oder beim Würfeln bekomme ich schon für drei Augen einen Schatz.

Was passiert? Trotz des Seeraub-Themas, bei dem man Elemente wie … na ja, zum Beispiel Raub erwarten würde, setzt PIRATES OF MARACAIBO auf Engine Building und Wettlauf und ist damit ein sehr konstruktives Spiel. Jeder Zug bringt mich voran, die Frage ist nur, wie sehr.

Pirates of Maracaibo Schiff

Ist zu Beginn der Partie noch mehr Geldmanagement erforderlich (für teurere Aktionen reicht das Vermögen nicht), ändert sich dies mit wachsendem Einkommen und Reichtum. Immer mehr geht es ums Zeitmanagement. Jeder der drei Durchgänge endet, sobald das schnellste Schiff das Meer komplett durchsegelt hat. Ob insgesamt mehr oder weniger Züge zur Verfügung stehen, hängt also von den Spieler:innen ab. Der entstehende Druck zwingt dazu, sich bei all den verlockenden Optionen auf das Wichtigste zu fokussieren.
Der Meeres-Spielplan wird zu Beginn (nach bestimmten Regeln) zufällig ausgelegt. Im Laufe der Partie ergeben sich anhand der von mir eingeschlagenen Strategie bestimmte Wege, die ich bevorzugt befahre, weil ich dort die gewünschten Aktionen bekomme. Das kann ich noch verstärken, indem ich auf manchen Feldern Plättchen ablege, die mir einen zusätzlichen Nutzen bringen, sobald ich sie ansteuere. Andererseits bleibt das Spielfeld auch immer dynamisch, weil manche Karten herausgekauft und durch andere ersetzt werden.

Was taugt es? Teilweise hadere ich mit PIRATES OF MARACAIBO, vor allem, was die gewählte Symbolsprache angeht. Immer wieder musste ich in der Anleitung nachschlagen, um wirklich sicherzugehen, ob etwas so gemeint ist, wie ich es mir gemerkt hatte, oder so, wie ich es intuitiv verstehen würde. Und wenn ich das Spiel in eine neue Runde mitbrachte, scheiterten meine Mitspieler:innen regelmäßig an genau denselben Stellen.

Pirates of Maracaibo Insel

Ich glaube auch, dass dem Spiel etwas Entschlackung geholfen hätte. Zum Beispiel: Der Wert der Schätze bemisst sich daran, wie viele davon am Schluss noch auf den Meeresinseln liegen. Deshalb muss man einen gewonnenen Schatz immer von einer Insel nehmen. Erst dann funktioniert der Widerspruch: Je mehr Schätze einer Sorte genommen werden, desto geringer ihr Wert. Das Problem ist: Schätze von der Insel zu nehmen, muss man sich antrainieren. Denn automatisch nimmt fast jede:r aus dem Bankvorrat, und teilweise lässt sich die regelkonforme Spielsituation hinterher nicht mehr rekonstruieren.
In der Schlusswertung werden dann sehr große Punktemengen aufsummiert. Das Dreifache oder Vierfache dessen, was man während der Partie sammelt. Ja, ich weiß, auch andere Spiele, zum Beispiel das von mir so sehr geschätzte GREAT WESTERN TRAIL, kennen diese Schlussaddition mit Punkten und Pünktchen aus diversen Quellen. Und dort stört es mich nicht. Vielleicht liegt es am Aufschreibblock, den ich übersichtlicher finde als diverse Umrundungen einer Punkteskala. Oder an den niedrigeren Punktesummen. Es mag meine Faulheit sein: Aber wenn es über 200 oder gar 300 hinausgeht, finde ich die Addition unnötig mühsam. Zumal auch viel Kleckerkram dabei ist.
Schön finde ich den Spielverlauf. Nachdem es recht lange dauert, alles aufzubauen und die vielen Details von PIRATES OF MARACAIBO zu erklären, hat das Spiel selbst dann einen flotten Rhythmus. Die Züge sind nicht kompliziert und meistens schnell abgewickelt. Und vor allem sind sie spannend. Eben weil ich so vieles machen wollen würde – mich aber beschränken muss, um mich nicht zu verzetteln.

Pirates of Maracaibo Karten

PIRATES OF MARACAIBO ist variabel, weil nicht immer dieselben Karten im Spiel sind und nicht immer dieselben nachgefüllt werden. Der Spielplan ist modular. Es gibt etliche Möglichkeiten, um Punkte zu sammeln, und in seinen Grundzügen ist das Spiel obendrein unkompliziert. Lediglich in den absehbar letzten Zügen fangen manche dann doch noch an zu optimieren, und rechnen länger herum, ob es besser wäre, eine Karte mit Symbol XY zu bekommen, weil irgendeine ihrer Schlusswertungen das belohnt. Andererseits brauchen sie auch einen grünen Schatz, um für eine Quest-Karte ein paar Punkte mehr zu erhalten, und wenn es zudem gelingt, die grünen Schätze noch aufzuwerten … und so weiter.
Auch wenn mir eine inhaltliche Klammer fehlt und ich es etwas schade finde, dass wir in PIRATES OF MARACAIBO eigentlich nur Zeugs anhäufen, um es anzuhäufen, macht es mir doch viel Spaß, das Spiel zu erkunden und zu erfahren, wie extrem man bestimmte Strategien spielen kann. Über etliche Partien hinweg bleibt PIRATES OF MARACAIBO interessant. Wenn jemand es spielen will: Ich bin dabei!
Rein auf den Spielreiz bezogen, hatte ich auch das Label „reizvoll“ erwogen. Ich entscheide mich dennoch für „solide“, weil ich das Spiel als nicht gut umgesetzt und redaktionell nicht rund empfinde. Zu viele Begleiterscheinungen stellen Hindernisse in den Weg.


**** solide

PIRATES OF MARACAIBO von Alexander Pfister, Ryan Hendrickson und Ralph Bienert für eine:n bis vier Spieler:innen, dlp games / Game’s Up.

Samstag, 31. August 2024

Gern gespielt im August 2024

DUNE IMPERIUM – UPRISING: Da ist jetzt der Wurm drin.

PIRATES OF MARACAIBO: Uiuiui, so viele Löcher im Schiffsrumpf zu stopfen.

NEXT STATION PARIS: Kaum darf man seine Routen kreuzen, kriegt man’s partout nicht mehr hin.

KLINK: Für meine Minuspunkte gibt es nur eine Erklärung: alles geschoben!

MOJO: … obwohl die Kartenqualität eher dagegen spricht, MOJO (nach Juni) noch in einem zweiten Monat gern spielen zu können.





UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM AUGUST:

DUNGEON DESIGNER: Wenn Dungeons mittlerweile bei Architekturwettbewerben konkurrieren, hat offenbar auch die Fantasywelt die höchste Stufe der Dekadenz erreicht.




Donnerstag, 29. August 2024

Spielejahrgang 2023/24:
Was meine Spielerunden gerne spielen (2)

Die heutige Liste ist nicht deshalb so viel kürzer, weil „anthrazitfarbene“ Spiele – also Spiele für Kenner:innen und Expert:innen – durchschnittlich schlechter bewertet werden als „rote“ Spiele (siehe Auswertung von vor drei Tagen). Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe den Eindruck, dass Komplexität von manchen Spieler:innen als ein Wert an sich gesehen wird. Komplexe Spiele gelten als gut, weil sie komplex sind. Und umgekehrt gilt Einfachheit zumindest manchen als Negativkriterium.

Dass diese Liste trotzdem kürzer ist als die von neulich, liegt vor allem daran, dass insgesamt weniger Menschen zu den komplizierteren Spielen greifen und deshalb weniger Spiele die Schwelle von (in diesem Fall) mindestens 20 erforderlichen Bewertungen überspringen. Erstens spielen gar nicht alle gern lange Spiele mit vielen Regeln. Und zweitens müssen sich die Teilnehmer:innen meiner öffentlichen Runden die Spielregeln üblicherweise selbst erarbeiten – und wer hat schon Lust dazu, 20 Seiten Anleitung durchzuackern, während drei andere wartend daneben sitzen? Gewiss gibt es auch Teilnehmer:innen, die sich mittels Regelvideos und Tutorials vorbereiten. Aber das gleicht es nicht aus. Zumal die Freund:innen des komplexeren Spiels meistens nur ein Spiel dieser Art pro Abend schaffen, während die Freund:innen des leichteren Spiels zwei, drei oder vier spielen.

Und trotz alledem hat es ein Spiel dieser Liste geschafft, in der vergangenen Saison das meistbewertete Spiel von allen zu sein, also noch häufiger als beliebte Viertelstundenspiele, Party- oder Großgruppenspiele: Es ist MISCHWALD. Das liegt vermutlich an der überragenden Optik. Wer das Spiel sieht, nimmt es oft auch gleich in die Hand und ist interessiert, das zu spielen. Ich habe auch beobachtet, dass MISCHWALD häufig wiedergespielt wurde. Menschen mochten es und haben es anderen Menschen nähergebracht, die es dann meistens auch mochten. Ein kleiner Vorteil mag auch sein, dass MISCHWALD schon lange da ist. Es hatte Zeit, um sich durchzusetzen. Den ersten Platz, aufgeschlüsselt nach Notendurchschnitt, hat dennoch ein anderes Spiel belegt …

1. BOTANICUS
Mitspieler:innen: 7,6 / 10
Udo: ***** reizvoll

2. MISCHWALD
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ***** reizvoll

3. DIE GILDE DER FAHRENDEN HÄNDLER
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ***** reizvoll

4. E-MISSION
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ****** außerordentlich




Montag, 26. August 2024

Spielejahrgang 2023/24:
Was meine Spielerunden gerne spielen (1)

Alle lieben Statistik! Oder zumindest ich liebe Statistik. Und weil meine Vorlieben in meinem Blog die maßgeblichen sind, gibt es folgerichtig nun Statistik: In dieser Saison konnte ich rund 13 Prozent mehr Rückmeldungen auf die Spiele des Jahrgangs einsammeln als in der Vorsaison. Das Niveau liegt aber immer noch 16 Prozent unterhalb der Höchststände vor der Pandemiepause. Meine öffentlichen Gruppen haben sich von der Unterbrechung immer noch nicht so ganz erholt.

Weil vielleicht nicht sämtliche meiner Leser:innen auch Teilnehmer:innen meiner Spielegruppen sind, muss ich wohl erklären, was es mit der folgenden Tabelle auf sich hat. In meinen Gruppen bitte ich alle Mitspieler:innen, die gespielten Spiele mit Punkten (von 1 bis 10) zu bewerten. Warum? Weil ich an den meisten Tischen nicht dabei bin, und trotzdem Feedback mitnehmen möchte. Aber nicht alle begreifen das als großartige Chance der aktiven Teilhabe und Ausdrucksmöglichkeit ihrer selbst. Manche finden das Prozedere eher lästig oder nicht so wichtig. Die Rücklaufquote ist recht hoch, aber leider nicht 100 Prozent.

Viele Bewertungen sind Ersteindrücke. Zwar führe ich eine Tabelle und überschreibe alte Noten mit neuen. Aber so häufig gibt es keine neuen Noten. Manche Teilnehmer:innen glauben, einmal zu benoten sei der leidigen Pflichterfüllung genug. Zudem herrscht in den öffentlichen Gruppen viel Fluktuation. Die Leute kommen, um Neues kennenzulernen, und deshalb spielen sie auch immer Neues. Und wenn sie nach zwei oder drei Monaten wiederkommen, sind schon wieder ganz andere neue Spiele da.

In diesem ersten Auswertungsteil geht es los mit den – nach Spiel-des-Jahres-Kriterien – „roten“ Spielen. Um sich zu qualifizieren, muss ein Spiel von mindestens 25 verschiedenen Personen benotet worden sein. Diese Schwelle überspringen natürlich nicht alle Titel, vor allem die schwächeren nicht. Wenn ich merke, dass ein Spiel den Leuten nicht gefällt und mir auch nicht, bringe ich es irgendwann nicht mehr mit. Mein übergeordnetes Ziel wäre ja schon, dass die Menschen auf den Spieleabenden Spielspaß empfinden.

Weil die Spiele mit den schlechtesten Noten üblicherweise also nicht so viele Bewertungen haben, werde ich nie – obwohl das in den Kommentaren manchmal vorgeschlagen wird – eine Auswertung veröffentlichen, welche Spiele in der Jahrgangstabelle ganz unten stehen. Um genannt zu werden, müssen Spiele eine durchschnittliche Bewertungen von mindestens 7,0 Punkten erreicht haben.


1. SKY TEAM
Mitspieler:innen: 8,1 / 10
Udo: ****** außerordentlich


2. TIPPERARY
Mitspieler:innen: 7,7 / 10
Udo: ***** reizvoll


3. HARMONIES
Mitspieler:innen: 7,6 / 10
Udo: **** solide

4. KNARR
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: **** solide
(Rezension in: SPIEL DOCH)


5. KUHFSTEIN
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: **** solide

6. MOJO
Mitspieler:innen: 7,2 / 10
Udo: ***** reizvoll
(Rezension in: spielbox)

7. CAPTAIN FLIP
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ***** reizvoll
(Rezension in: spielbox)

8. PASST NICHT
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ****** außerordentlich

9. BONSAI
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: **** solide




Mittwoch, 21. August 2024

Harmonies

Harmonies: Cover

Um mit dem Fazit zu beginnen: Was HARMONIES angeht, befinde ich mich mit der mehrheitlichen Rezeption in Disharmonie.

Wie geht HARMONIES? Wir bauen Landschaften und siedeln Tiere darin an. Beides zählt Punkte.
Bin ich am Zug, muss ich eins von fünf ausliegenden Dreierpaketen Steine nehmen und auf meinem Tableau ablegen oder stapeln. Es gelten natürlich Legeregeln, die man sich thematisch sogar recht gut herleiten kann. Blaue Steine etwa sind Wasser, gehören auf die unterste Ebene meines Tableaus und dürfen nicht mit weiteren Steinen überdeckt werden. Braune und grüne Steine ergeben Bäume, wobei Braun unten und Grün oben platziert sein muss.
Zudem darf ich, sofern ich nicht schon vier Tierkarten habe, eine von fünf ausliegenden wählen. Jede dieser Karten bringt eine bestimmte Menge Tiermarker mit. Diese Marker setze ich in meine Landschaft, sobald ich dort bestimmte Farbformationen gebildet, also sozusagen den Lebensraum des Tiers geschaffen habe.

Harmonies: Landschaft

Der Bär beispielsweise möchte einen einzelnen grünen Stein angrenzend an je zwei gestapelte graue. Ist das erfüllt, darf ich einen Marker auf den grünen Stein setzen. Der ist damit besetzt. Kein zweiter Bär und auch kein anderes Tier passen mehr drauf. Für den nächsten Bären muss ich einen anderen grünen Stein neben graue Felsen setzen. Es dürfen aber immerhin dieselben Felsen sein wie zuvor.
Habe ich alle Marker einer Tierkarte in meiner Landschaft unterbringen können, lege ich die Karte ab. Sie blockiert nun keinen meiner vier Plätze mehr.
Punkte gibt es erst bei Spielende und für alle Tierkarten, von denen ich mindestens einen Marker entfernen konnte. Wobei mehr Marker natürlich mehr zählen und auch der Schwierigkeitsgrad der Karte eine Rolle spielt. Zusätzlich punktet meine Landschaft. Jede Steinsorte hat dabei ihre eigenen Regeln. Blau soll einen möglichst langen Fluss ergeben, rote zweistöckige Gebäude sollen an mindestens drei verschiedene Farben angrenzen. Und so weiter.

Was passiert? Obwohl die Regeln ziemlich schnell erklärt sind (und die Gestaltung der Tierkarten und beiliegende Übersichten das Verständnis sehr gut unterstützen), erweist sich HARMONIES als knobeliges und verkopftes, ja sogar komplexes Spiel. Ziemlich schnell macht man Fehler und baut ein Gebäude so, dass gar nicht mehr drei verschiedene Farben daneben passen. Oder platziert Felsen suboptimal und verhindert einen Doppelnutzen. Oder belegt voreilig Felder, ohne sich über die Nutzung des Hinterlandes Gedanken zu machen, was dazu führt, dass dort später weder Stein noch Tier sinnvoll untergebracht werden können.

Harmonies: Tierkarten

Wenn es gut läuft, sind die Züge andererseits sehr offensichtlich. Habe ich Tiere, die gelbe Steine erfordern, und ich kann gelbe Steine bekommen, dann nehme ich sie. Und liegt zufällig noch ein weiteres Tier in der Auslage, das ebenfalls auf Gelb abfährt, dann her damit!
HARMONIES ist wie so viele Puzzlespiele solistisch. In einer Partie zu zweit kann es für mich sinnvoll sein, meinem Gegenüber eine allzu wertvolle Portion Steine wegzuschnappen, selbst wenn ich sie kaum gebrauchen kann. In größerer Runde passiert so etwas eher zufällig: Da werden endlich nach langer Pause mal wieder grüne Steine gezogen – doch bevor ich an die Reihe komme, sind sie schon wieder weg, weil ich nicht der Einzige bin, der darauf gewartet hat.

Was taugt es? HARMONIES gehört in meinen Runden zu den beliebtesten Spielen. Manche Rückmeldungen sind regelrecht euphorisch, das Spiel trifft bei vielen einen Nerv. Ich denke, das liegt einerseits an der tollen Grafik und dem schönen Material. Andererseits erzeugt HARMONIES über die herausfordernde 3D-Puzzelei hinaus eine thematische Wirkung. Alles zusammen ist sehr stimmig und auch sehr ästhetisch.

Harmonies: Tierkarten

Die positiven Eigenschaften von HARMONIES bleiben mir nicht verborgen. Mein Verhältnis zu HARMONIES ist dennoch etwas abgekühlter. Man muss mich zwar nicht zwingen, mitzuspielen. Aber einen Wunsch, es wieder und wieder zu tun, verspüre ich nicht.
Einerseits entscheidet der Zufall, welche Steine und welche Tiere ich zur Auswahl habe. Manchmal fallen mir Punkte geradezu in den Schoß, manchmal will partout nichts zusammenpassen, und alles blockiert sich gegenseitig. Die Züge der Spieler:innen starten also unter ungleichen Voraussetzungen.
Andererseits hat der Spielzug selbst dann überhaupt nichts Zufälliges mehr. Je besser ich alles durchkalkuliere, desto besser schneide ich ab. HARMONIES kann sehr bestrafend sein, wenn ich Fehler mache oder die zwei erhofften roten Steine nicht mehr kommen. HARMONIES enthält wenig Zwischentöne.
Das gilt auch für den Mechanismus: Den steten Wechsel der Gegenpole „Mir widerfährt etwas“ und „Ich muss knallhart optimieren“ empfinde ich als nicht sonderlich spannend oder reizvoll. Es ist, als würde meine innere Beteiligung immer wieder an- und kurz darauf komplett ausgeschaltet werden. So entsteht bei mir kein Flow.


**** solide

HARMONIES von Johan Benvenuto für 1 bis 4 Spieler:innen, Libellud.

Dienstag, 13. August 2024

Bonsai

Bonsai: Cover

Ein Bonsai ist ein Mini-Baum. Und dies ist eine Mini-Einleitung.

Wie geht BONSAI? Mit Legeplättchen kreieren wir einen Mini-Baum. Die Legeregeln sind einfach und ergeben sich aus der Sache. Es beginnt immer mit braunen Teilen, dem Stamm. Daran gehören grüne Plättchen, die Blätter. Und daran wiederum rosafarbene Blüten und orangefarbene Früchte.
Nur muss ich die Teile zuerst mal bekommen. Bin ich am Zug, darf ich eine von vier Karten aus der Auslage wählen. Liegt meine gewählte Karte schon etwas länger dort, erhalte ich bis zu zwei Legeplättchen obendrein. Was ich ansonsten bekomme, gibt die Karte vor: noch mehr Plättchen vielleicht, Dauereffekte, eine Schlusswertung (so etwas wie: zwei Punkte pro Blüte in meinem Baum).

Bonsai: Dauereffekte

Da ich anfangs nur fünf Plättchen lagern darf (erst die Dauereffekt-Karten „Werkzeug“ erhöhen meine Lagerkapazität), will ich irgendwann bauen. Das ist der Alternativzug zum Kartennehmen. Was ich in einem Zug anlegen darf, ist jedoch ebenfalls limitiert. Anfangs sind dies ein braunes, ein grünes und ein beliebiges Teil. Auch dieses Limit erhöhe ich durch Dauereffekt-Karten.
Punkte erhalte ich am Schluss für meine verbauten Teile und für meine Schlusswertungskarten. Außerdem liefern wir uns während des Spiels Wettrennen. Beispielsweise will ich als Erster fünf, sieben oder neun zusammenhängende Blätter platziert haben. Oder drei, vier oder fünf meiner Blüten sollen seitlich über die Pflanzschale hinausragen.


Bonsai: Auslage

Was passiert? Eine Partie BONSAI geht schnell. Ich muss mich lediglich zwischen vier Karten entscheiden, und oft kommen aufgrund der Situation ohnehin nur maximal zwei Karten in die engere Wahl. Und falls ich baue, können die anderen schon weiterspielen.
Außerdem dauert es gar nicht so sehr viele Runden, bis der Kartenvorrat aufgeteilt ist. Oft bleibt das Gefühl, BONSAI hätte noch zwei, drei, vier Runden mehr vertragen, auch um noch mehr Ziele zu erfüllen. Aber das mag Vielspieler:innendenke sein.
BONSAI entpuppt sich als „Engine-Builder“. Es kommt mehr darauf an, einen guten Rhythmus aus Plättchensammeln und Plättchenverbauen hinzukriegen, als um raffiniertes Anlegen. Beispielsweise wäre es nicht so optimal, viele Plättchen lagern zu dürfen – sie dann aber nur im Schneckentempo zu verbauen. Oder nur von einer Sorte viele bauen zu dürfen. Oder dauernd Plättchen abwerfen zu müssen, weil das Lager voll ist.
Wie sich meine Sammel-Bau-Maschine entwickelt, kann ich allerdings nur bedingt steuern. Es hängt immer davon ab, welche Karten im Markt liegen, sobald ich Zugriff habe. Das kann passen oder auch nicht.
Oft ist es gar nicht so wichtig, ob man tatsächlich etwas baut, das einem Bonsai ähnelt, oder einfach nur einen langen Stock mit Blättern dran. Wobei die Spieler:innen überwiegend natürlich doch irgendwas Baumiges legen. Man spielt eben gern thementreu, und so sieht es auch schlichtweg besser aus.


Bonsai: Beispiel-Bonsai

Was taugt es? In meinen Spielrunden gehört BONSAI zu den beliebtesten Spielen des gerade ablaufenden Jahrgangs. Ich kann das nachvollziehen. BONSAI ist ein Wohlfühlspiel. Der Aufforderungs-Charakter durch Material und Optik ist hoch, die Regeln sind klar, grafisch gut unterstützt und folgen dem Thema. Und dass man ein kleines Pflänzchen heranzieht, motiviert und belohnt.
Genau aus diesen Gründen würde ich BONSAI auch immer wieder mitspielen. Allerdings zeigt sich nach einigen Partien, dass die Entscheidungen in BONSAI oberflächlich bleiben und das Spiel durch Erfahrung nicht weiter wächst.
Planungssicherheit gibt es nicht. Durch die zufällige Reihenfolge, in der die Karten ins Spiel kommen, können sich für bestimmte Objekte Mangelsituationen oder Überangebote ergeben. Weil ich das aber nicht vorher weiß, ändert das für mein Spiel nur wenig. Ich bleibe in der passiven Rolle desjenigen, der auf die aktuelle Spielsituation und Plättchenauslage reagiert. Vielen gefällt das aber so. Eine Partie BONSAI fließt angenehm und sowohl unaufgeregt als auch unaufregend dahin.


**** solide

BONSAI von Rosaria Battiano, Massimo Bori und Martino Chiacchiera für 1 bis 4 Spieler:innen, Kosmos.

Freitag, 9. August 2024

Vor 20 Jahren (140): Goa

Goa: Cover neue Ausgabe

Denke ich an GOA, denke ich an die „A-Karten“. So nämlich bezeichnete ich die Zusatzaktionskarten in meiner Fairplay-Rezension im Jahr 2004. Natürlich sind diese Karten nicht wirklich „A-Karten“ in dem Sinne, wie man den Ausdruck üblicherweise gebraucht (Wer es nicht weiß: „A“ steht für eine bestimmte Körperregion – die „Achselhöhle“).

„A-Karten“ in GOA sind nichts Negatives, sondern ganz im Gegenteil sehr starke und begehrte Karten, die zusätzlich zu den drei Aktionen pro Runde eine weitere Aktion spendieren, wenn man die Karte dafür abgibt.

Warum also die Bezeichnung „A-Karte“, wenn es doch offenbar unsinnig ist? Klare Sache: Weil es unsinnig ist! Auf den Karten steht ein dickes, fettes „A“, und für Spielmaterial absichtliche Falschbezeichnungen zu ersinnen, ist in meinen Spielerunden seit jeher ein beliebter Sport. Irgendwer und nicht notwendigerweise ich prägte den Begriff, und er blieb bei allen weiteren GOA-Partien haften.

Kurz nach Erscheinen meines Artikels interviewte ich den GOA-Autor Rüdiger Dorn, und zu meiner Freude hatte er tatsächlich davon gehört oder es sogar selbst gelesen, dass da irgendein Vogel seine schönen Zusatzaktionskarten derart verunglimpft hatte. So erzeugte man damals als Rezensent Aufmerksamkeit. Heute gibt es da noch ganz andere Möglichkeiten. Und nebenbei: auch ganz andere Vögel.

Um aber noch kurz beim Thema „damals“ zu bleiben: 1. Wir hatten ja nichts! (Sorry, das muss ich der Nachwelt immer wieder aufs Brot schmieren, sobald eins der Stichworte „damals“, „früher“ oder „tragische Nachkriegskindheit“ fällt. Brot hatten wir übrigens auch nicht.) 2. Die Erfahrung, dass man mich auf meine Artikel ansprach, gab mir damals das Gefühl, was ich schreibe, sei relevant. Glück gehabt: Es gab eben noch nicht so viel wie heute, was informationshungrige Menschen sonst hätten lesen können.


Goa: A-Karte

Heute findet man allein auf YouTube unzählige Rezensionen. Und das sogar schon wenige Tage nach Erscheinen des Spiels. Oder bei boardgamegeek findet man unzählige Noten. Sogar schon etliche Monate vor Erscheinen des Spiels. Wer heute noch einen antiquierten Blog wie REZENSIONEN FÜR MILLIONEN betreibt, hat eindeutig die A-Karte – aber als kleinen Trost auch immerhin die Million.

Ich schweife ab. Eigentlich geht es ja um GOA. GOA war nach DIE HÄNDLER VON GENUA das zweite Spiel von Rüdiger Dorn, das sich an erfahrenere Spieler:innen richtete, und festigte dessen Ruf als Hoffnungsträger für diese Klientel. Warum musste man hoffen? Wir hatten ja nichts! Jetzt mal ganz unironisch: Vor 20 Jahren erschienen nicht annähernd so viele komplexe Spiele wie heute. Da hat sich seitdem sehr, sehr viel getan.

Mit GOA erreichte Rüdiger Dorn 2004 den dritten Platz beim Deutschen Spielepreis (hinter SANKT PETERSBURG und SAN JUAN). Und nur ein Jahr später war er dann der Gewinner. Mit LOUIS XIV. Zu dem Spiel gibt es übrigens ebenfalls eine kleine Geschichte mit einer Rückmeldung auf einen meiner Artikel, diesmal kritischer Art und von einer Leserin der Stuttgarter Zeitung. Ich kann verraten, da ging mir der A ein bisschen auf Grundeis. Aber natürlich erzähle ich das erst in ungefähr einem Jahr. Bin ja kein A. Wie „Anfänger“.