Dienstag, 10. September 2024

Vor 20 Jahren (141): Das Zepter von Zavandor

Das Zepter von Zavandor Cover

„Diesen Zug habe ich jetzt nicht verstanden!“ Der Satz hat sich bei mir eingebrannt. Gemeint war mein Zug. Die Begebenheit mag locker dreißig Jahre her sein. Und ich weiß auch gar nicht mehr, um welches Spiel es ging. Aber ich weiß noch, wer es sagte und in welcher öffentlichen Spielerunde. Nach meiner Erinnerung war die Person noch gar nicht richtig zur Tür hereingekommen, meinte aber trotzdem, nach zwei Sekunden und aus drei Metern Entfernung die Situation auf unserem Spieltisch mit Kennerblick erfassen und bewerten zu können.

Muss ich erwähnen, dass das nicht mein Lieblingsmitspieler war? Genauer gesagt: einer von zwei Nicht-Lieblingsmitspielern in dieser Runde. Auf öffentlichen Treffs kann man sich das leider nicht immer aussuchen. Und so geriet ich eben ab und zu auch an einen dieser beiden (schon etwas älteren) Herren, die gerne heraushängen ließen, wie viele Epochen der Geschichte des Brettspiels sie seit Erfindung der Knochenwürfel als Zeitzeugen miterlebt hatten.

Lediglich mit aktuelleren Titeln kannten sie sich nicht so gut aus. Machte aber nichts, denn die alten Spiele waren ja sowieso viel besser. Und so musste ich in dieser Runde umständehalber ab und zu vermeintliche Perlen aus den Achtzigern mitspielen, die ich schon zu ihrer Zeit nicht abgefeiert hätte. Außerdem waren wir ja bereits in den Neunzigern.

Mit DAS ZEPTER VON ZAVANDOR aus den Nuller-Jahren hat das erst mal gar nichts zu tun, außer dass ich in genau dieser besagten Runde zum ersten und bislang einzigen Mal OUTPOST (James Hlavaty und Timothy Moore, 1991) spielte, das – soweit ich weiß (und bei Boardgamegeek steht’s auch) – die Basis für DAS ZEPTER VON ZAVANDOR (Jens Drögemüller, 2004) bildete. Weil besagte Mitspieler OUTPOST kannten und offenbar gut fanden, nahm ich bis kurz vor dem Schreiben dieses Artikels irrtümlich an, OUTPOST müsse ebenfalls ein Werk aus den glorreichen Achtzigern sein.

Einer, der zu spät gekommen war und nicht mitspielte, sich aber gerne als Kiebitz danebensetzte, um mir zu erklären, wie man OUTPOST üblicherweise spielen sollte, sagte, es gebe nur zwei Strategien. Gemäß seinen Weisungen versuchte ich mich an einer der beiden. Aber anscheinend verbockte ich es. Auch wenn ich mich an Details der Partie nicht erinnere: Dass ich nicht gewonnen habe, weiß ich sicher.

Kleiner Zeitsprung zu DAS ZEPTER VON ZAVANDOR: Als es bei dessen Erscheinen hieß, das Spiel sei an OUTPOST angelehnt, war ich sofort interessiert. Denn OUTPOST hatte ich vom Grundprinzip her eigentlich ganz reizvoll gefunden. Und ich fand die Vorstellung sogar noch viel reizvoller, mir das Spiel in aller Ruhe selbst anzueignen und mir mein eigenes Urteil zu bilden, ob es zwei Strategien gab oder sonst wie viele. DAS ZEPTER VON ZAVANDOR habe ich oft und gerne gespielt; von den OUTPOST-Spezialisten war da niemand mehr dabei. Was vielleicht in einem Zusammenhang steht.

Nachdem ich bislang nur meine Befindlichkeiten ausgebreitet (danke fürs Zuhören!) und nahezu nichts über DAS ZEPTER VON ZAVANDOR geschrieben habe, will ich aus Chronistenpflicht zumindest ergänzen, dass es beim Deutschen Spielepreis 2005 den 9. Platz belegte. Auf den Autor Jens Drögemüller komme ich noch zeitnah zurück. Die Folgen 237 (TERRA MYSTICA) und 299 (GAIA PROJECT) sind bereits reserviert.


  • Vor 20 Jahren (140): Goa

Freitag, 6. September 2024

Pirates of Maracaibo

Pirates of Maracaibo Cover

Einleitung über Bord!

Wie geht PIRATES OF MARACAIBO? Wir fahren mit unseren Schiffen über ein Meer aus Karten. Pro Zug darf ich maximal drei Karten (Felder) weit fahren. Am erreichten Ort führe ich die dort vorgesehene Aktion aus. Zum Beispiel zahle ich Geld, um die ersegelte Karte nehmen zu dürfen. Sie bringt mir einen Sofort- oder einen Dauereffekt. Eine Karte vom gemischten Stapel füllt die entstandene Lücke.
Aktionen können bewirken, dass meine Landfigur auf dem Inselpfad vorwärtsläuft, auf dem erreichten Feld Belohnungen kassiert und am Schluss Punkte entsprechend ihres Vorankommens zählt. Ein anderes Spielkonzept sind Schätze. Bei manchen Aktionen darf ich versuchen, mit drei Würfeln Schätze zu ergattern. Einen der geworfenen Würfel suche ich mir aus. Dessen Würfelpunkte setze ich für verschiedene Belohnungen ein. Wähle ich die Belohnung „Schatz“ (kostet fünf Würfelpunkte), bekomme ich einen Schatz in der Farbe des Würfels. Mit einer späteren Aktion kann ich den Schatz vergraben, wodurch er mehr Punkte zählt und eventuell noch einen Zusatznutzen auslöst.

Pirates of Maracaibo Spielplan

Ein weiteres Konzept sind Quest-Karten. Auch die bekomme ich über Aktionen, und sie definieren Ziele. Habe ich die am Schluss erreicht, gewinne ich Punkte. Außerdem gibt es Residenzen. Das sind Felder im Kartenmeer, zu denen ich segle, um für eine ganze Stange Geld eine zusätzliche Schlusswertung für mich freizuschalten.
Und es gibt das Konzept der Schiffsverbesserung: Auf einigen Meeresfeldern (und teilweise auch auf andere Art) darf ich auf meinem Papptableau, das einen Schiffsrumpf darstellt, ein Upgrade markieren. Das können Einmaleffekte sein. Oder auch Dauereffekte wie zum Beispiel: Wenn ich auf dem Inselpfad gehe, gehe ich ein Feld mehr. Oder beim Würfeln bekomme ich schon für drei Augen einen Schatz.

Was passiert? Trotz des Seeraub-Themas, bei dem man Elemente wie … na ja, zum Beispiel Raub erwarten würde, setzt PIRATES OF MARACAIBO auf Engine Building und Wettlauf und ist damit ein sehr konstruktives Spiel. Jeder Zug bringt mich voran, die Frage ist nur, wie sehr.

Pirates of Maracaibo Schiff

Ist zu Beginn der Partie noch mehr Geldmanagement erforderlich (für teurere Aktionen reicht das Vermögen nicht), ändert sich dies mit wachsendem Einkommen und Reichtum. Immer mehr geht es ums Zeitmanagement. Jeder der drei Durchgänge endet, sobald das schnellste Schiff das Meer komplett durchsegelt hat. Ob insgesamt mehr oder weniger Züge zur Verfügung stehen, hängt also von den Spieler:innen ab. Der entstehende Druck zwingt dazu, sich bei all den verlockenden Optionen auf das Wichtigste zu fokussieren.
Der Meeres-Spielplan wird zu Beginn (nach bestimmten Regeln) zufällig ausgelegt. Im Laufe der Partie ergeben sich anhand der von mir eingeschlagenen Strategie bestimmte Wege, die ich bevorzugt befahre, weil ich dort die gewünschten Aktionen bekomme. Das kann ich noch verstärken, indem ich auf manchen Feldern Plättchen ablege, die mir einen zusätzlichen Nutzen bringen, sobald ich sie ansteuere. Andererseits bleibt das Spielfeld auch immer dynamisch, weil manche Karten herausgekauft und durch andere ersetzt werden.

Was taugt es? Teilweise hadere ich mit PIRATES OF MARACAIBO, vor allem, was die gewählte Symbolsprache angeht. Immer wieder musste ich in der Anleitung nachschlagen, um wirklich sicherzugehen, ob etwas so gemeint ist, wie ich es mir gemerkt hatte, oder so, wie ich es intuitiv verstehen würde. Und wenn ich das Spiel in eine neue Runde mitbrachte, scheiterten meine Mitspieler:innen regelmäßig an genau denselben Stellen.

Pirates of Maracaibo Insel

Ich glaube auch, dass dem Spiel etwas Entschlackung geholfen hätte. Zum Beispiel: Der Wert der Schätze bemisst sich daran, wie viele davon am Schluss noch auf den Meeresinseln liegen. Deshalb muss man einen gewonnenen Schatz immer von einer Insel nehmen. Erst dann funktioniert der Widerspruch: Je mehr Schätze einer Sorte genommen werden, desto geringer ihr Wert. Das Problem ist: Schätze von der Insel zu nehmen, muss man sich antrainieren. Denn automatisch nimmt fast jede:r aus dem Bankvorrat, und teilweise lässt sich die regelkonforme Spielsituation hinterher nicht mehr rekonstruieren.
In der Schlusswertung werden dann sehr große Punktemengen aufsummiert. Das Dreifache oder Vierfache dessen, was man während der Partie sammelt. Ja, ich weiß, auch andere Spiele, zum Beispiel das von mir so sehr geschätzte GREAT WESTERN TRAIL, kennen diese Schlussaddition mit Punkten und Pünktchen aus diversen Quellen. Und dort stört es mich nicht. Vielleicht liegt es am Aufschreibblock, den ich übersichtlicher finde als diverse Umrundungen einer Punkteskala. Oder an den niedrigeren Punktesummen. Es mag meine Faulheit sein: Aber wenn es über 200 oder gar 300 hinausgeht, finde ich die Addition unnötig mühsam. Zumal auch viel Kleckerkram dabei ist.
Schön finde ich den Spielverlauf. Nachdem es recht lange dauert, alles aufzubauen und die vielen Details von PIRATES OF MARACAIBO zu erklären, hat das Spiel selbst dann einen flotten Rhythmus. Die Züge sind nicht kompliziert und meistens schnell abgewickelt. Und vor allem sind sie spannend. Eben weil ich so vieles machen wollen würde – mich aber beschränken muss, um mich nicht zu verzetteln.

Pirates of Maracaibo Karten

PIRATES OF MARACAIBO ist variabel, weil nicht immer dieselben Karten im Spiel sind und nicht immer dieselben nachgefüllt werden. Der Spielplan ist modular. Es gibt etliche Möglichkeiten, um Punkte zu sammeln, und in seinen Grundzügen ist das Spiel obendrein unkompliziert. Lediglich in den absehbar letzten Zügen fangen manche dann doch noch an zu optimieren, und rechnen länger herum, ob es besser wäre, eine Karte mit Symbol XY zu bekommen, weil irgendeine ihrer Schlusswertungen das belohnt. Andererseits brauchen sie auch einen grünen Schatz, um für eine Quest-Karte ein paar Punkte mehr zu erhalten, und wenn es zudem gelingt, die grünen Schätze noch aufzuwerten … und so weiter.
Auch wenn mir eine inhaltliche Klammer fehlt und ich es etwas schade finde, dass wir in PIRATES OF MARACAIBO eigentlich nur Zeugs anhäufen, um es anzuhäufen, macht es mir doch viel Spaß, das Spiel zu erkunden und zu erfahren, wie extrem man bestimmte Strategien spielen kann. Über etliche Partien hinweg bleibt PIRATES OF MARACAIBO interessant. Wenn jemand es spielen will: Ich bin dabei!
Rein auf den Spielreiz bezogen, hatte ich auch das Label „reizvoll“ erwogen. Ich entscheide mich dennoch für „solide“, weil ich das Spiel als nicht gut umgesetzt und redaktionell nicht rund empfinde. Zu viele Begleiterscheinungen stellen Hindernisse in den Weg.


**** solide

PIRATES OF MARACAIBO von Alexander Pfister, Ryan Hendrickson und Ralph Bienert für eine:n bis vier Spieler:innen, dlp games / Game’s Up.

Samstag, 31. August 2024

Gern gespielt im August 2024

DUNE IMPERIUM – UPRISING: Da ist jetzt der Wurm drin.

PIRATES OF MARACAIBO: Uiuiui, so viele Löcher im Schiffsrumpf zu stopfen.

NEXT STATION PARIS: Kaum darf man seine Routen kreuzen, kriegt man’s partout nicht mehr hin.

KLINK: Für meine Minuspunkte gibt es nur eine Erklärung: alles geschoben!

MOJO: … obwohl die Kartenqualität eher dagegen spricht, MOJO (nach Juni) noch in einem zweiten Monat gern spielen zu können.





UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM AUGUST:

DUNGEON DESIGNER: Wenn Dungeons mittlerweile bei Architekturwettbewerben konkurrieren, hat offenbar auch die Fantasywelt die höchste Stufe der Dekadenz erreicht.




Donnerstag, 29. August 2024

Spielejahrgang 2023/24:
Was meine Spielerunden gerne spielen (2)

Die heutige Liste ist nicht deshalb so viel kürzer, weil „anthrazitfarbene“ Spiele – also Spiele für Kenner:innen und Expert:innen – durchschnittlich schlechter bewertet werden als „rote“ Spiele (siehe Auswertung von vor drei Tagen). Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe den Eindruck, dass Komplexität von manchen Spieler:innen als ein Wert an sich gesehen wird. Komplexe Spiele gelten als gut, weil sie komplex sind. Und umgekehrt gilt Einfachheit zumindest manchen als Negativkriterium.

Dass diese Liste trotzdem kürzer ist als die von neulich, liegt vor allem daran, dass insgesamt weniger Menschen zu den komplizierteren Spielen greifen und deshalb weniger Spiele die Schwelle von (in diesem Fall) mindestens 20 erforderlichen Bewertungen überspringen. Erstens spielen gar nicht alle gern lange Spiele mit vielen Regeln. Und zweitens müssen sich die Teilnehmer:innen meiner öffentlichen Runden die Spielregeln üblicherweise selbst erarbeiten – und wer hat schon Lust dazu, 20 Seiten Anleitung durchzuackern, während drei andere wartend daneben sitzen? Gewiss gibt es auch Teilnehmer:innen, die sich mittels Regelvideos und Tutorials vorbereiten. Aber das gleicht es nicht aus. Zumal die Freund:innen des komplexeren Spiels meistens nur ein Spiel dieser Art pro Abend schaffen, während die Freund:innen des leichteren Spiels zwei, drei oder vier spielen.

Und trotz alledem hat es ein Spiel dieser Liste geschafft, in der vergangenen Saison das meistbewertete Spiel von allen zu sein, also noch häufiger als beliebte Viertelstundenspiele, Party- oder Großgruppenspiele: Es ist MISCHWALD. Das liegt vermutlich an der überragenden Optik. Wer das Spiel sieht, nimmt es oft auch gleich in die Hand und ist interessiert, das zu spielen. Ich habe auch beobachtet, dass MISCHWALD häufig wiedergespielt wurde. Menschen mochten es und haben es anderen Menschen nähergebracht, die es dann meistens auch mochten. Ein kleiner Vorteil mag auch sein, dass MISCHWALD schon lange da ist. Es hatte Zeit, um sich durchzusetzen. Den ersten Platz, aufgeschlüsselt nach Notendurchschnitt, hat dennoch ein anderes Spiel belegt …

1. BOTANICUS
Mitspieler:innen: 7,6 / 10
Udo: ***** reizvoll

2. MISCHWALD
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ***** reizvoll

3. DIE GILDE DER FAHRENDEN HÄNDLER
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ***** reizvoll

4. E-MISSION
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ****** außerordentlich




Montag, 26. August 2024

Spielejahrgang 2023/24:
Was meine Spielerunden gerne spielen (1)

Alle lieben Statistik! Oder zumindest ich liebe Statistik. Und weil meine Vorlieben in meinem Blog die maßgeblichen sind, gibt es folgerichtig nun Statistik: In dieser Saison konnte ich rund 13 Prozent mehr Rückmeldungen auf die Spiele des Jahrgangs einsammeln als in der Vorsaison. Das Niveau liegt aber immer noch 16 Prozent unterhalb der Höchststände vor der Pandemiepause. Meine öffentlichen Gruppen haben sich von der Unterbrechung immer noch nicht so ganz erholt.

Weil vielleicht nicht sämtliche meiner Leser:innen auch Teilnehmer:innen meiner Spielegruppen sind, muss ich wohl erklären, was es mit der folgenden Tabelle auf sich hat. In meinen Gruppen bitte ich alle Mitspieler:innen, die gespielten Spiele mit Punkten (von 1 bis 10) zu bewerten. Warum? Weil ich an den meisten Tischen nicht dabei bin, und trotzdem Feedback mitnehmen möchte. Aber nicht alle begreifen das als großartige Chance der aktiven Teilhabe und Ausdrucksmöglichkeit ihrer selbst. Manche finden das Prozedere eher lästig oder nicht so wichtig. Die Rücklaufquote ist recht hoch, aber leider nicht 100 Prozent.

Viele Bewertungen sind Ersteindrücke. Zwar führe ich eine Tabelle und überschreibe alte Noten mit neuen. Aber so häufig gibt es keine neuen Noten. Manche Teilnehmer:innen glauben, einmal zu benoten sei der leidigen Pflichterfüllung genug. Zudem herrscht in den öffentlichen Gruppen viel Fluktuation. Die Leute kommen, um Neues kennenzulernen, und deshalb spielen sie auch immer Neues. Und wenn sie nach zwei oder drei Monaten wiederkommen, sind schon wieder ganz andere neue Spiele da.

In diesem ersten Auswertungsteil geht es los mit den – nach Spiel-des-Jahres-Kriterien – „roten“ Spielen. Um sich zu qualifizieren, muss ein Spiel von mindestens 25 verschiedenen Personen benotet worden sein. Diese Schwelle überspringen natürlich nicht alle Titel, vor allem die schwächeren nicht. Wenn ich merke, dass ein Spiel den Leuten nicht gefällt und mir auch nicht, bringe ich es irgendwann nicht mehr mit. Mein übergeordnetes Ziel wäre ja schon, dass die Menschen auf den Spieleabenden Spielspaß empfinden.

Weil die Spiele mit den schlechtesten Noten üblicherweise also nicht so viele Bewertungen haben, werde ich nie – obwohl das in den Kommentaren manchmal vorgeschlagen wird – eine Auswertung veröffentlichen, welche Spiele in der Jahrgangstabelle ganz unten stehen. Um genannt zu werden, müssen Spiele eine durchschnittliche Bewertungen von mindestens 7,0 Punkten erreicht haben.


1. SKY TEAM
Mitspieler:innen: 8,1 / 10
Udo: ****** außerordentlich


2. TIPPERARY
Mitspieler:innen: 7,7 / 10
Udo: ***** reizvoll


3. HARMONIES
Mitspieler:innen: 7,6 / 10
Udo: **** solide

4. KNARR
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: **** solide
(Rezension in: SPIEL DOCH)


5. KUHFSTEIN
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: **** solide

6. MOJO
Mitspieler:innen: 7,2 / 10
Udo: ***** reizvoll
(Rezension in: spielbox)

7. CAPTAIN FLIP
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ***** reizvoll
(Rezension in: spielbox)

8. PASST NICHT
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: ****** außerordentlich

9. BONSAI
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: **** solide




Mittwoch, 21. August 2024

Harmonies

Harmonies: Cover

Um mit dem Fazit zu beginnen: Was HARMONIES angeht, befinde ich mich mit der mehrheitlichen Rezeption in Disharmonie.

Wie geht HARMONIES? Wir bauen Landschaften und siedeln Tiere darin an. Beides zählt Punkte.
Bin ich am Zug, muss ich eins von fünf ausliegenden Dreierpaketen Steine nehmen und auf meinem Tableau ablegen oder stapeln. Es gelten natürlich Legeregeln, die man sich thematisch sogar recht gut herleiten kann. Blaue Steine etwa sind Wasser, gehören auf die unterste Ebene meines Tableaus und dürfen nicht mit weiteren Steinen überdeckt werden. Braune und grüne Steine ergeben Bäume, wobei Braun unten und Grün oben platziert sein muss.
Zudem darf ich, sofern ich nicht schon vier Tierkarten habe, eine von fünf ausliegenden wählen. Jede dieser Karten bringt eine bestimmte Menge Tiermarker mit. Diese Marker setze ich in meine Landschaft, sobald ich dort bestimmte Farbformationen gebildet, also sozusagen den Lebensraum des Tiers geschaffen habe.

Harmonies: Landschaft

Der Bär beispielsweise möchte einen einzelnen grünen Stein angrenzend an je zwei gestapelte graue. Ist das erfüllt, darf ich einen Marker auf den grünen Stein setzen. Der ist damit besetzt. Kein zweiter Bär und auch kein anderes Tier passen mehr drauf. Für den nächsten Bären muss ich einen anderen grünen Stein neben graue Felsen setzen. Es dürfen aber immerhin dieselben Felsen sein wie zuvor.
Habe ich alle Marker einer Tierkarte in meiner Landschaft unterbringen können, lege ich die Karte ab. Sie blockiert nun keinen meiner vier Plätze mehr.
Punkte gibt es erst bei Spielende und für alle Tierkarten, von denen ich mindestens einen Marker entfernen konnte. Wobei mehr Marker natürlich mehr zählen und auch der Schwierigkeitsgrad der Karte eine Rolle spielt. Zusätzlich punktet meine Landschaft. Jede Steinsorte hat dabei ihre eigenen Regeln. Blau soll einen möglichst langen Fluss ergeben, rote zweistöckige Gebäude sollen an mindestens drei verschiedene Farben angrenzen. Und so weiter.

Was passiert? Obwohl die Regeln ziemlich schnell erklärt sind (und die Gestaltung der Tierkarten und beiliegende Übersichten das Verständnis sehr gut unterstützen), erweist sich HARMONIES als knobeliges und verkopftes, ja sogar komplexes Spiel. Ziemlich schnell macht man Fehler und baut ein Gebäude so, dass gar nicht mehr drei verschiedene Farben daneben passen. Oder platziert Felsen suboptimal und verhindert einen Doppelnutzen. Oder belegt voreilig Felder, ohne sich über die Nutzung des Hinterlandes Gedanken zu machen, was dazu führt, dass dort später weder Stein noch Tier sinnvoll untergebracht werden können.

Harmonies: Tierkarten

Wenn es gut läuft, sind die Züge andererseits sehr offensichtlich. Habe ich Tiere, die gelbe Steine erfordern, und ich kann gelbe Steine bekommen, dann nehme ich sie. Und liegt zufällig noch ein weiteres Tier in der Auslage, das ebenfalls auf Gelb abfährt, dann her damit!
HARMONIES ist wie so viele Puzzlespiele solistisch. In einer Partie zu zweit kann es für mich sinnvoll sein, meinem Gegenüber eine allzu wertvolle Portion Steine wegzuschnappen, selbst wenn ich sie kaum gebrauchen kann. In größerer Runde passiert so etwas eher zufällig: Da werden endlich nach langer Pause mal wieder grüne Steine gezogen – doch bevor ich an die Reihe komme, sind sie schon wieder weg, weil ich nicht der Einzige bin, der darauf gewartet hat.

Was taugt es? HARMONIES gehört in meinen Runden zu den beliebtesten Spielen. Manche Rückmeldungen sind regelrecht euphorisch, das Spiel trifft bei vielen einen Nerv. Ich denke, das liegt einerseits an der tollen Grafik und dem schönen Material. Andererseits erzeugt HARMONIES über die herausfordernde 3D-Puzzelei hinaus eine thematische Wirkung. Alles zusammen ist sehr stimmig und auch sehr ästhetisch.

Harmonies: Tierkarten

Die positiven Eigenschaften von HARMONIES bleiben mir nicht verborgen. Mein Verhältnis zu HARMONIES ist dennoch etwas abgekühlter. Man muss mich zwar nicht zwingen, mitzuspielen. Aber einen Wunsch, es wieder und wieder zu tun, verspüre ich nicht.
Einerseits entscheidet der Zufall, welche Steine und welche Tiere ich zur Auswahl habe. Manchmal fallen mir Punkte geradezu in den Schoß, manchmal will partout nichts zusammenpassen, und alles blockiert sich gegenseitig. Die Züge der Spieler:innen starten also unter ungleichen Voraussetzungen.
Andererseits hat der Spielzug selbst dann überhaupt nichts Zufälliges mehr. Je besser ich alles durchkalkuliere, desto besser schneide ich ab. HARMONIES kann sehr bestrafend sein, wenn ich Fehler mache oder die zwei erhofften roten Steine nicht mehr kommen. HARMONIES enthält wenig Zwischentöne.
Das gilt auch für den Mechanismus: Den steten Wechsel der Gegenpole „Mir widerfährt etwas“ und „Ich muss knallhart optimieren“ empfinde ich als nicht sonderlich spannend oder reizvoll. Es ist, als würde meine innere Beteiligung immer wieder an- und kurz darauf komplett ausgeschaltet werden. So entsteht bei mir kein Flow.


**** solide

HARMONIES von Johan Benvenuto für 1 bis 4 Spieler:innen, Libellud.

Dienstag, 13. August 2024

Bonsai

Bonsai: Cover

Ein Bonsai ist ein Mini-Baum. Und dies ist eine Mini-Einleitung.

Wie geht BONSAI? Mit Legeplättchen kreieren wir einen Mini-Baum. Die Legeregeln sind einfach und ergeben sich aus der Sache. Es beginnt immer mit braunen Teilen, dem Stamm. Daran gehören grüne Plättchen, die Blätter. Und daran wiederum rosafarbene Blüten und orangefarbene Früchte.
Nur muss ich die Teile zuerst mal bekommen. Bin ich am Zug, darf ich eine von vier Karten aus der Auslage wählen. Liegt meine gewählte Karte schon etwas länger dort, erhalte ich bis zu zwei Legeplättchen obendrein. Was ich ansonsten bekomme, gibt die Karte vor: noch mehr Plättchen vielleicht, Dauereffekte, eine Schlusswertung (so etwas wie: zwei Punkte pro Blüte in meinem Baum).

Bonsai: Dauereffekte

Da ich anfangs nur fünf Plättchen lagern darf (erst die Dauereffekt-Karten „Werkzeug“ erhöhen meine Lagerkapazität), will ich irgendwann bauen. Das ist der Alternativzug zum Kartennehmen. Was ich in einem Zug anlegen darf, ist jedoch ebenfalls limitiert. Anfangs sind dies ein braunes, ein grünes und ein beliebiges Teil. Auch dieses Limit erhöhe ich durch Dauereffekt-Karten.
Punkte erhalte ich am Schluss für meine verbauten Teile und für meine Schlusswertungskarten. Außerdem liefern wir uns während des Spiels Wettrennen. Beispielsweise will ich als Erster fünf, sieben oder neun zusammenhängende Blätter platziert haben. Oder drei, vier oder fünf meiner Blüten sollen seitlich über die Pflanzschale hinausragen.


Bonsai: Auslage

Was passiert? Eine Partie BONSAI geht schnell. Ich muss mich lediglich zwischen vier Karten entscheiden, und oft kommen aufgrund der Situation ohnehin nur maximal zwei Karten in die engere Wahl. Und falls ich baue, können die anderen schon weiterspielen.
Außerdem dauert es gar nicht so sehr viele Runden, bis der Kartenvorrat aufgeteilt ist. Oft bleibt das Gefühl, BONSAI hätte noch zwei, drei, vier Runden mehr vertragen, auch um noch mehr Ziele zu erfüllen. Aber das mag Vielspieler:innendenke sein.
BONSAI entpuppt sich als „Engine-Builder“. Es kommt mehr darauf an, einen guten Rhythmus aus Plättchensammeln und Plättchenverbauen hinzukriegen, als um raffiniertes Anlegen. Beispielsweise wäre es nicht so optimal, viele Plättchen lagern zu dürfen – sie dann aber nur im Schneckentempo zu verbauen. Oder nur von einer Sorte viele bauen zu dürfen. Oder dauernd Plättchen abwerfen zu müssen, weil das Lager voll ist.
Wie sich meine Sammel-Bau-Maschine entwickelt, kann ich allerdings nur bedingt steuern. Es hängt immer davon ab, welche Karten im Markt liegen, sobald ich Zugriff habe. Das kann passen oder auch nicht.
Oft ist es gar nicht so wichtig, ob man tatsächlich etwas baut, das einem Bonsai ähnelt, oder einfach nur einen langen Stock mit Blättern dran. Wobei die Spieler:innen überwiegend natürlich doch irgendwas Baumiges legen. Man spielt eben gern thementreu, und so sieht es auch schlichtweg besser aus.


Bonsai: Beispiel-Bonsai

Was taugt es? In meinen Spielrunden gehört BONSAI zu den beliebtesten Spielen des gerade ablaufenden Jahrgangs. Ich kann das nachvollziehen. BONSAI ist ein Wohlfühlspiel. Der Aufforderungs-Charakter durch Material und Optik ist hoch, die Regeln sind klar, grafisch gut unterstützt und folgen dem Thema. Und dass man ein kleines Pflänzchen heranzieht, motiviert und belohnt.
Genau aus diesen Gründen würde ich BONSAI auch immer wieder mitspielen. Allerdings zeigt sich nach einigen Partien, dass die Entscheidungen in BONSAI oberflächlich bleiben und das Spiel durch Erfahrung nicht weiter wächst.
Planungssicherheit gibt es nicht. Durch die zufällige Reihenfolge, in der die Karten ins Spiel kommen, können sich für bestimmte Objekte Mangelsituationen oder Überangebote ergeben. Weil ich das aber nicht vorher weiß, ändert das für mein Spiel nur wenig. Ich bleibe in der passiven Rolle desjenigen, der auf die aktuelle Spielsituation und Plättchenauslage reagiert. Vielen gefällt das aber so. Eine Partie BONSAI fließt angenehm und sowohl unaufgeregt als auch unaufregend dahin.


**** solide

BONSAI von Rosaria Battiano, Massimo Bori und Martino Chiacchiera für 1 bis 4 Spieler:innen, Kosmos.

Freitag, 9. August 2024

Vor 20 Jahren (140): Goa

Goa: Cover neue Ausgabe

Denke ich an GOA, denke ich an die „A-Karten“. So nämlich bezeichnete ich die Zusatzaktionskarten in meiner Fairplay-Rezension im Jahr 2004. Natürlich sind diese Karten nicht wirklich „A-Karten“ in dem Sinne, wie man den Ausdruck üblicherweise gebraucht (Wer es nicht weiß: „A“ steht für eine bestimmte Körperregion – die „Achselhöhle“).

„A-Karten“ in GOA sind nichts Negatives, sondern ganz im Gegenteil sehr starke und begehrte Karten, die zusätzlich zu den drei Aktionen pro Runde eine weitere Aktion spendieren, wenn man die Karte dafür abgibt.

Warum also die Bezeichnung „A-Karte“, wenn es doch offenbar unsinnig ist? Klare Sache: Weil es unsinnig ist! Auf den Karten steht ein dickes, fettes „A“, und für Spielmaterial absichtliche Falschbezeichnungen zu ersinnen, ist in meinen Spielerunden seit jeher ein beliebter Sport. Irgendwer und nicht notwendigerweise ich prägte den Begriff, und er blieb bei allen weiteren GOA-Partien haften.

Kurz nach Erscheinen meines Artikels interviewte ich den GOA-Autor Rüdiger Dorn, und zu meiner Freude hatte er tatsächlich davon gehört oder es sogar selbst gelesen, dass da irgendein Vogel seine schönen Zusatzaktionskarten derart verunglimpft hatte. So erzeugte man damals als Rezensent Aufmerksamkeit. Heute gibt es da noch ganz andere Möglichkeiten. Und nebenbei: auch ganz andere Vögel.

Um aber noch kurz beim Thema „damals“ zu bleiben: 1. Wir hatten ja nichts! (Sorry, das muss ich der Nachwelt immer wieder aufs Brot schmieren, sobald eins der Stichworte „damals“, „früher“ oder „tragische Nachkriegskindheit“ fällt. Brot hatten wir übrigens auch nicht.) 2. Die Erfahrung, dass man mich auf meine Artikel ansprach, gab mir damals das Gefühl, was ich schreibe, sei relevant. Glück gehabt: Es gab eben noch nicht so viel wie heute, was informationshungrige Menschen sonst hätten lesen können.


Goa: A-Karte

Heute findet man allein auf YouTube unzählige Rezensionen. Und das sogar schon wenige Tage nach Erscheinen des Spiels. Oder bei boardgamegeek findet man unzählige Noten. Sogar schon etliche Monate vor Erscheinen des Spiels. Wer heute noch einen antiquierten Blog wie REZENSIONEN FÜR MILLIONEN betreibt, hat eindeutig die A-Karte – aber als kleinen Trost auch immerhin die Million.

Ich schweife ab. Eigentlich geht es ja um GOA. GOA war nach DIE HÄNDLER VON GENUA das zweite Spiel von Rüdiger Dorn, das sich an erfahrenere Spieler:innen richtete, und festigte dessen Ruf als Hoffnungsträger für diese Klientel. Warum musste man hoffen? Wir hatten ja nichts! Jetzt mal ganz unironisch: Vor 20 Jahren erschienen nicht annähernd so viele komplexe Spiele wie heute. Da hat sich seitdem sehr, sehr viel getan.

Mit GOA erreichte Rüdiger Dorn 2004 den dritten Platz beim Deutschen Spielepreis (hinter SANKT PETERSBURG und SAN JUAN). Und nur ein Jahr später war er dann der Gewinner. Mit LOUIS XIV. Zu dem Spiel gibt es übrigens ebenfalls eine kleine Geschichte mit einer Rückmeldung auf einen meiner Artikel, diesmal kritischer Art und von einer Leserin der Stuttgarter Zeitung. Ich kann verraten, da ging mir der A ein bisschen auf Grundeis. Aber natürlich erzähle ich das erst in ungefähr einem Jahr. Bin ja kein A. Wie „Anfänger“.


Montag, 5. August 2024

Moorland

Moorland: Cover

Als Kind vom Lande wurde mir wiederholt die Gefährlichkeit von Moorgebieten eingebläut. Insofern mache ich mir jetzt echt Sorgen, wo wohl die Einleitung abgeblieben ist. Sie wollte eigentlich pünktlich heute hier sein.

Wie geht MOORLAND? MOORLAND ist ein ungewöhnliches Legespiel. Wir legen Moorkarten, die Kanäle und Tiere zeigen. Jede:r puzzelt in zwölf Spielrunden die zwölf leeren Felder des eigenen Tableaus voll. (Falls jemand auf dem Foto nachzählt und einen Widerspruch entdeckt: Vier Felder sind schon bei Spielbeginn bebaut.)
Ich will (wegen der Punktwertung) einen möglichst langen ununterbrochenen Kanalweg konstruieren. Ich will viele verschiedene Tiere, aber auch Tierpaare ansiedeln. Ich will viele Wasserläufer in meinem Moor haben.

Moorland: Situation

Legen darf ich eine Karte nur, wenn – sozusagen als Baukosten – die erforderlichen Pflanzenmarker auf dem entsprechenden Feld liegen. Symbole auf der Karte zeigen an, was gebraucht wird und was anschließend geschieht. Beispielsweise verlangt ein Kärtchen zwei orangefarbene und eine violette Pflanze. Und nach dem Legen verschwindet der violette Stein aus meinem Moor, ein orangefarbener siedelt sich als Siegpunkt auf der gelegten Karte an, und der zweite orangefarbene wird weggeschwemmt.
Das bedeutet: Ich versetze ihn entlang der vorhandenen Kanäle auf ein noch unbebautes Feld. Kann ich das nicht, weil meine Wege nur in Sackgassen oder zum Spielplanrand führen, schwimmt der Stein vom Tableau und bringt mir einen Minuspunkt ein.
Jede Runde muss ich eine Moorkarte aus der Auslage wählen. Ich muss sie nicht sofort einbauen; zwei Karten darf ich zwischenlagern. Und ich darf Pflanzen nehmen. Aber in jeder Runde nur Pflanzen in einer der vier Sorten. Und meistens stehen nur jeweils zwei Farben zur Auswahl. Und ich darf neu genommene Pflanzen nicht verteilen, sondern muss alle auf dasselbe Feld legen. Sogar die Anzahl ist vorgegeben. Zahlen auf den Feldern zeigen an, ob ich dort exakt eine, zwei oder drei Pflanzen ablegen muss. Kurzum: Die Regeln, um Pflanzen auf den Spielplan zu bringen, sind rigide.

Was passiert? Da die meisten Moorkarten eine bunte Pflanzenkombination erfordern, besteht die Anforderung in MOORLAND darin, durch das gezielte Schwemmen der Rohstoffe die Voraussetzungen zu schaffen, um weitere Karten platzieren zu können. Gerade zu Beginn einer Partie, wenn nur wenige Pflanzen im Spiel sind, ist auch eine gute Portion Zock dabei.

Moorland: Auswahl

Weil man es aus anderen Spielen mit Rohstoffen so gewohnt ist, mag man denken: Je mehr ich habe, desto besser. Bei MOORLAND geht diese Rechnung nicht auf. Spätestens bei Spielende fließt alles, was übrig ist, von meinem Brett: lauter Minuspunkte. Und solange man diese Gefahr noch nicht kennengelernt hat, können das sehr viele sein.
MOORLAND verlangt eine gute Balance, genügend Rohstoffe auf dem Tableau zu haben, um handlungsfähig zu bleiben, aber eben auch nicht zu viele. Komplett durchkalkulieren kann das niemand, weil man nicht weiß, welche Karten man zukünftig bekommt und welche Pflanzen zur Verfügung stehen werden. In meinen Partien war es ziemlich unbeliebt, in der letzten Runde den letzten Zug machen zu müssen. Man muss dann eine der zwei verbliebenen Karten aus dem Markt nehmen und kann nicht mehr darauf reagieren, falls beide nicht passen.


Moorland: Vorrat

Was taugt es? MOORLAND ist ein Tüftelspiel. Man muss vorausdenken und benötigt dafür räumliches Vorstellungsvermögen, man muss die Ressourcen nicht nur mengenmäßig richtig kalkulieren, sondern auch ihre Bewegungen von Ort zu Ort. Das zusammen ist komplex, und so benötigen viele Spieler:innen recht lange, um sich für eine der ausliegenden Moorkarten zu entscheiden.
MOORLAND enthält einige Konkurrenzmechanismen. Ich erhalte Vorteile, wenn ich Felder zuerst bebaue; es gibt eine Mehrheitswertung für Wasserläufer. In meinen Runden hat jedoch niemand so viel Meisterschaft erlangt, um mit den mannigfachen Problemen auf dem eigenen Tableau fertigzuwerden und zusätzlich anderen planvoll Karten wegzuschnappen, um irgendwem was zu vermiesen, ohne sich dabei selbst ins Knie zu schießen. Soll heißen: In meinen Runden war MOORLAND eine solitäre Angelegenheit.
Dass ein Spiel grübelig und solitär ist, muss per se kein Nachteil sein. Und MOORLAND belohnt die Mühen ja auch erstens mit einer anspruchsvollen Denkaufgabe und zweitens einem innovativen und auch thematisch stimmigen Mechanismus, der uns beim Spielen auf ungewöhnliche Weise denken und planen lässt.
Wer Spielen vorrangig als Kopfangelegenheit betrachtet, findet in MOORLAND sehr viel Gutes. Obendrein sieht das Spiel schön aus, ist toll ausgestattet und redaktionell gut umgesetzt.
Trotz Vorhandensein eines Kopfes zähle ich mich aber nicht zu den reinen Kopfspieler:innen. Nüchterne, emotionsarme Spiele, deren Reiz vor allem darin besteht, über den besten Zug nachzudenken, haben es schwer, mich zu begeistern. Und so ist es auch bei MOORLAND: Ja, ich achte die interessanten Mechanismen und das Gesamtprodukt. Aber Freude und Neugierde auf immer noch mehr Partien verspüre ich nicht.


**** solide

MOORLAND von Steffen Bogen für zwei bis vier Spieler:innen, Pegasus Spiele / Deep Print.

Mittwoch, 31. Juli 2024

Gern gespielt im Juli 2024

Schluck! Im Juli habe ich erschütternd wenig aktuelle Spiele gespielt. Was unter anderem daran liegt, dass ich mir Urlaub gegönnt habe oder meine Mitspieler:innen sich Urlaub gegönnt haben oder ich in anderen äußerst wichtigen Angelegenheiten unterwegs war. Aber zum Glück – und wie wir dank WIE ICH DIE WELT SEHE wissen – frisst der Teufel in der Not Fliegenfänger.

Was ich mit dieser Analogie ausdrücken möchte? Na, irgendwas ganz Tiefsinniges natürlich. Folgende Idee: „Gern gespielt im Juli“ soll diesmal von Spielen handeln, die ich – mit einer Ausnahme – im Juli gar nicht gespielt habe.

Aber eben oft im Zeitraum davor. Ich habe durchgezählt, welche Spiele wie häufig in den vergangenen zwölf Monaten in meiner „Gern gespielt“-Rubrik aufgetaucht sind, und habe die so entstandene Strichliste wiederum abgeglichen mit meiner Wertschätzung aller Spiele des abgelaufenen Jahrgangs 2023/24. Herausgekommen ist eine Liste von Spielen, die rückblickend nicht häufig genug von mir bejubelt worden sind. Was ich hiermit feierlich nachholen möchte.

Weil das Listenkonzept somit ganz anders ist als sonst, habe ich auch gleich auf die üblichen Kalauer verzichtet. Das dauert nämlich immer ganz schön lange, sich die auszudenken, und ich hatte nicht so viel Zeit, siehe oben. Diesmal zähle ich einfach alphabetisch auf. Ist doch auch schön. Und um einen Ausgleich zu schaffen, sind es ausnahmsweise mal sieben Spiele statt sechs.


DARWIN’S JOURNEY: Dieses Spiel bislang nur einmal „gern gespielt“ zu haben, ist schon eine arg unnatürliche Selektion.

GHOST WRITER: ZWEIM

SKY TEAM: Okay, das kam schon viermal vor. Mit anderen Worten: in allen Monaten, seitdem es das auf Deutsch gibt. Oder noch anders ausgedrückt: trotzdem zu selten!

THE SAME GAME: Hier ist es ungefähr dasselbe wie bei den anderen Spielen auch.

THE VALE OF ETERNITY: Im Tal der Ahnungslosigkeit: Mir war wirklich nicht klar, dass THE VALE OF ETERNITY bislang nur zweimal auftauchte.

TIPPERARY: Zweimal ist keinmal. (Irisches Sprichwort)

TRIO: Was?! Erst einmal genannt? Na, dann sind wir jetzt wenigstens beim Duo.