Hah, ich werde hier auf keinen Fall meine supertolle Einleitung spoilern!
Wie geht DIE DREI KOLOSSE? Im fiktiven Örtchen Nottheim geschehen merkwürdige Dinge rund um drei riesige Steinskulpturen, genannt die „Kolosse“. Wir – in der Rolle von Wissenschaftler:innen – wurden herbeigerufen, um den Fall zu untersuchen und aufzuklären.
DIE DREI KOLOSSE ist ein Rätselspiel mit ausgeprägtem Hörspiel- und auch Videoanteil. Es bindet uns ein, indem wir immer mal wieder Dialoge mit verteilten Rollen vorlesen müssen. Sind wir nicht exakt fünf Personen, muss jemand dabei mehrere Rollen übernehmen bzw. kriegt keine ab. Nicht so schlimm.
Das Spiel enthält 18 verschlossene Briefumschläge, die auf bestimmte Stichworte oder sonstige Anweisungen hin geöffnet werden dürfen. Drin befindet sich sehr viel und sehr vielfältiges Material: Zeitungsschnipsel, Prospekte, Bieruntersetzer, Broschüren, Fotos, Polizeiakten, Buchseiten, Karten, Tabellen und so weiter und so weiter. Das alles müssen wir sichten, um die Rätsel zu lösen und so die Geschichte voranzutreiben.
Nach drei Kapiteln, die jeweils etwa zwei Stunden dauern und nicht am Stück gespielt werden müssen, sind alle Rätsel gelöst und der Fall aufgeklärt.
Was passiert? Mehr als viele andere Escape-Spiele erzählt DIE DREI KOLOSSE eine Geschichte und mehr als in vielen anderen Escape-Spielen sind wir Teil dieser Geschichte. Die professionell gemachten und mit Bildern unterlegten Hörspiele schaffen viel Atmosphäre.
Es macht Spaß, sich das anzuhören, weil die Geschichte mit Humor und Augenzwinkern erzählt wird. Wie sehr man eintaucht und sich gefangen nehmen lässt, ist sicherlich von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Mir wurde es, je weiter DIE DREI KOLOSSE voranschritt, zu lang. Viele Dialoge verlangsamen das Tempo und bringen die Geschichte nicht weiter. Vor allem wird die Geschichte für mein Empfinden immer abstruser. Nachdem alles zunächst so professionell wirkt, hätte ich auch beim Storytelling ein hohes Niveau erwartet. Das hat sich nicht erfüllt.
Sehr positiv fällt hingegen das mit spürbarer Liebe zum Detail gestaltete Material auf. In DIE DREI KOLOSSE steckt offenbar viel Handarbeit. Zettel beispielsweise hat, damit wir sie zerknickt vorfinden, extra irgendjemand zerknickt. Die Vielfalt der Materialien ist beeindruckend. Hier und da sind kleine Gags eingebaut. Die Arbeitszeit, die Autor und Verlag in dieses Spiel gesteckt haben, muss enorm gewesen sein.
Was taugt es? Diese Liebe und Hingabe, die man beim Spielen wahrnimmt, wertet das Spiel auch auf. Man mag es deshalb ein bisschen mehr. Oder möchte es zumindest mehr mögen. Wenn ich aber rückblickend in mich hineinhorche, ob ich einen potenziellen zweiten Teil spielen wollte, lautete die Antwort trotzdem nein. Leider nein.
Noch mehr als an den Längen und der für mich unbefriedigenden Story-Entwicklung liegt das an den Rätseln. Keines davon hat bei mir diesen schönen Aha-Moment auslösen können, der entsteht, wenn man merkt, wie der Groschen langsam fällt.
Viele Rätsel sind eher Fleißaufgaben. Ich empfand es beispielsweise als lästig, in dem Wust von Material, der sich irgendwann vor uns auftürmt, noch einmal alte Dokumente suchen und dann durchforsten zu müssen, weil plötzlich und zusammenhangslos der vierte Buchstabe des Vornamens einer Nebenfigur gefragt ist.
Die Rätsel liegen nach meinem Empfinden fast immer ein kleines Stück daneben, was den Schwierigkeitsgrad, die Klarheit der Aufgabenstellung und das richtige Maß an Hilfestellung angeht. Deswegen sind sie weniger befriedigend oder gar begeisternd als in anderen Rätselspielen.
*** mäßig
DIE DREI KOLOSSE von Johannes Lorenzen für zwei bis sechs Spieler:innen, PD-Verlag.