Donnerstag, 13. März 2025

Vor 20 Jahren (147): Zug um Zug Europa

Zug um Zug Europa: Cover

Unter Marketinggesichtspunkten hatte das Spiel des Jahres 2004 ZUG UM ZUG von Alan Moon einen Nachteil: Es ließ sich schlecht erweitern. Gleichzeitig hatte ZUG UM ZUG einen großen Vorteil: Es ließ sich schlecht erweitern. Um auch mal auf anderen Spielplänen statt immer nur Nordamerika spielen zu können, mussten die Fans ganz neue Ausgaben mit ganz neuem Material kaufen.

Und es funktionierte.

Blendend.

Zumal ZUG UM ZUG vergleichsweise einfach gehalten ist, während die späteren Versionen oft ein paar Regeln draufsatteln und dadurch für Menschen, die das Spielprinzip schon kennen, neue Reize bieten. Bei mir und im Falle von ZUG UM ZUG EUROPA war es jedenfalls so. Nachdem es ZUG UM ZUG EUROPA gab, spielte ich fast nur noch dieses und fast überhaupt nicht mehr ZUG UM ZUG.

An ZUG UM ZUG EUROPA gefällt mir vor allem besser, dass es nicht so sehr auf das Bauen langer Strecken ankommt. Genau genommen gibt es kaum lange Strecken, die jemand bauen könnte. Auch besser: Bis auf den Startauftrag klaffen die Punktwerte der Aufträge nicht mehr so arg auseinander. Und: die Bahnhöfe als Notfallplan, um Strecken zu überbrücken, die man nicht selbst bebaut hat.

Die anderen Änderungen (dass manche Streckenabschnitte Joker kosten und dass jeder Tunnelbau ein Zockerspiel im Spiel initiiert) finde ich zumindest nicht negativ. Vielleicht sollen sie Anreize setzen, um nicht dauernd vom Stapel zu ziehen, sondern häufiger gezielt Karten aus der Auslage zu wählen, gegebenenfalls auch mal einen Joker. Falls das stimmt, prallte das an meiner Runde, mit der ich damals ZUG UM ZUG EUROPA hauptsächlich und auch wirklich sehr häufig spielte, ab: Wir haben trotzdem bevorzugt vom Stapel gezogen. Könnte ja sein, dass man mit Glück einen Joker ergattert. Es zeigte sich auch immer wieder: Kaum nahm man mal aus der Auslage, war man prompt der Depp. Weil dann nämlich der Joker aufgedeckt wurde, den man gezogen hätte ... hätte man gezogen.

Der Reiz von ZUG UM ZUG und auch ZUG UM ZUG EUROPA beruht auf der Komposition sehr klarer Mechanismen. Ich sammle Farbkarten. Aber nicht aus Selbstzweck oder für Mehrheiten. Sondern mit den Karten errichte ich Zuglinien auf einem Spielbrett. Und wozu braucht man Eisenbahnen? Um Städte zu verbinden. Dass lange Strecken belohnt werden und dass ich Aufträge erfüllen soll, ergibt sich folgerichtig.

Die Reduktion ist der große Trumpf des Spiels: Es kostet nicht noch zusätzlich Geld, die Linien zu bauen. Ich benötige keine Baurechte. Ich muss nicht kompliziert irgendwas reservieren. Und ich muss eine Linie auch nicht immer weiter fortsetzen. Ich lege Farbkarten und bebaue entsprechend viele gleichfarbige Felder. Fertig.

Das Kartennehmen ist genauso einfach. Ich nehme sie einfach. Aus der Auslage oder vom Stapel. Sie werden nicht versteigert, ich muss nicht dafür bezahlen, es kostet einfach nur meinen Zug. Die Karten selbst kommen ohne jeden Schnickschnack aus: Es gibt unterschiedliche Farben, es gibt Joker. Mehr nicht. Und für jede Farbe gibt es auf dem Spielplan unterschiedliche Stellen, um sie einzusetzen. Welche Karte welche Möglichkeiten bietet, ist glasklar.

Kaum jemand kämpft bei ZUG UM ZUG mit den Regeln. Die Unkompliziertheit bewirkt, dass der Fokus der Spieler:innen statt auf den Mechanismen auf dem Spielgeschehen liegt: Bekomme ich die erhoffte Karte? Kann ich meine Serie rechtzeitig ausspielen? Schaffe ich alle Aufträge? Wäre es verwegen, noch neue zu ziehen? Die Spannung ist deshalb so groß, weil nichts Unnötiges davon ablenkt.


Sonntag, 9. März 2025

Tauschrausch

Tauschrausch: Cover

Ich weiß nicht, ob heute noch jemand Briefmarken sammelt. Aber Einleitungen schreibt sicher niemand mehr.

Wie geht TAUSCHRAUSCH? Wir sammeln unterschiedlich große Legeplättchen (die Briefmarken). Die Plättchen puzzeln wir nach bestimmten Kriterien auf unser Tableau (das Album).
Zu Beginn jeder Runde werden sehr viele Plättchen (teils verdeckt, teils offen) sowie auch Karten aufgedeckt und in den Markt gelegt. Die genaue Zahl wechselt, zu viert sind es etwa 25. Reihum wählen wir nun Karte oder Plättchen, bis jede:r sechs hat. Von diesen sechs darf ich ein Teil bunkern, die anderen muss ich in zwei Hälften aufteilen und beide Portionen zum Tausch anbieten.
Die Startperson wählt zuerst ein Angebot. Wird eine meiner beiden Hälften gewählt, bedeutet dies: 1. Die andere Hälfte gehört jetzt definitiv mir. 2. Nun bin ich dran, ein Angebot auszuwählen. Nach Abschluss des Tauschreigens platzieren wir alle gewonnenen Briefmarken im Album.

Tauschrausch: Marken

Ich möchte generell Marken mit hohen Punktwerten und Motive meines Sammelgebiets (beispielsweise Tiermotive) ergattern. Zusätzlich gilt in jeder Partie eine andere Schlusswertung (zum Beispiel soll ich viele Marken meines Albums vollständig umbaut haben). Und es gibt vier mögliche Zwischenwertungen (zum Beispiel zählen da Farbsets aller fünf Farben oder es zählen Marken ohne Punktwert, die am Rand liegen). Nach jeder der drei Spielrunden entscheide ich mich für eine andere dieser Wertungen, die vierte lasse ich aus.
Meine gewonnenen Karten können zusätzliche Wertungen definieren (ich punkte nun auch für gelbe Marken) oder sie verleihen mir Extraaktionen, die teilweise sehr mächtig sind. Allerdings – wenn ich die Karte nicht gerade bunkere – kann es natürlich sein, dass sie mir beim Tauschrausch wieder weggenommen wird.


Tauschrausch: Album

Was passiert? Diese Ungewissheit ist das wesentliche Charakteristikum des Spiels. Ich sammle etwas, aber ob ich es behalten darf, erfahre ich erst später. Da ich auch nicht weiß, wer beim Tauschrausch mein Angebot wählt, kann ich kaum zielgerichtet teilen. Allenfalls kann ich mit den verdeckten Plättchen bluffen und es so aussehen lassen, als sei die eigentlich schlechtere Hälfte die bessere. Muss aber nicht klappen.
Mit Spielerfahrung weiß man den Wert der Karten und das Punktepotenzial der Ziele besser einzuschätzen. Deshalb schneiden erfahrene Tauschrauscher:innen üblicherweise besser ab als Novizen, die meiner Erfahrung nach davor zurückschrecken, Karten mit derart viel Text in ihre Überlegungen einzubeziehen, und sich deshalb mehr an den Marken orientieren.
Was übrigens nicht so leicht ist, denn es gibt immer wieder Zweifelsfälle, ob eine Marke zu den Monumenten oder zum Weltraum zu zählen ist. Irgendwann entdeckt man vielleicht, dass auf den Monumenten immer noch ein winziger Text steht, beim Weltraum nicht. Aber auch das ändert nichts daran, dass die Marken zwar sehr schön aussehen, die Spielbarkeit aber nicht gut unterstützen.
Ohnehin ist TAUSCHRAUSCH ein unübersichtliches Spiel. Vermutlich auch teilweise gewollt. TAUSCHRAUSCH ist ein Spiel mit Überinformation, man muss filtern.


Tauschrausch: Spielplan

Was taugt es? Dass man mit vielen Marken hantiert, nicht nur mit fünf oder sieben, passt zum Thema. Wer Briefmarken sammelt, hat üblicherweise viele davon. Mit diesen Marken zu spielen, sie mit Blick auf die Wertungen zielgerichtet zu sammeln und zu puzzeln, ist das, was in TAUSCHRAUSCH Spaß macht.
Auch das unübersichtliche und etwas chaotische Zwangstauschen ist ein Element, mit dem ich mich arrangieren kann, zumal es TAUSCHRAUSCH von anderen Legespielen abhebt. Unnötig diffus wird TAUSCHRAUSCH aber durch all das, was noch im Spiel enthalten ist und auf mich so wirkt, als sei man während der Entwicklung der hoffnungsvollen Maxime gefolgt: Je mehr wir reintun, desto reizvoller wird’s.

Tauschrausch: Karten

Stimmt aber nicht. Je mehr man reintut, desto komplizierter wird’s. Die vielen Karten mit den langen Texten müssen von allen gelesen und verstanden werden. Da sie in der Anleitung nicht vollständig erklärt sind, muss man sich teilweise über die Auslegung einigen. Aktionskarten bringen für einige Personen noch mehr Regeln ins Spiel. In jeder Runde gilt zusätzlich ein Ereignis. Und besondere Marken wie „Raritäten“ und „Dauermarken“ funktionieren auch noch mal anders als die normalen Marken. Vom Kern des Spiels führt das immer weiter weg.
So ist das in Summe zwar unterhaltsam, aber auch diffus und konturlos. Der Aufwand, TAUSCHRAUSCH zu spielen, ist hoch. Man macht viel, doch es entsteht wenig Flow. Vom Grundansatz her hätte TAUSCHRAUSCH ein Spiel für alle werden können. Detailreichtum und Regelmenge machen es aber zu einem Spiel nur für erfahrene Spieler:innen.


*** mäßig

TAUSCHRAUSCH von Paul Salomon für eine:n bis fünf Spieler:innen, Feuerland / Stonemaier Games.

Sonntag, 2. März 2025

Australis

Australis: Cover

In die Weltmeere wird schon so viel eingeleitet, da will ich mich nicht auch noch beteiligen.

Wie geht AUSTRALIS? Irgendwas mit Ökosystem: Wir siedeln Korallen an, wir sammeln Fische, unsere Schildkröten liefern sich ein Wettrennen. Typisch der Ostaustralstrom eben, wie wir ihn kennen.
Im Detail: Reihum bedienen wir uns in einem Würfelpool. Blaue Würfel bringen meine Schildkröte voran, mit violetten Würfeln setze ich Korallen ein, gelbe Würfel geben mir Fische und weiße verschaffen mir Karten, die fortan eine bestimmte Würfelfarbe für mich aufwerten. Beispielsweise macht bei jedem von mir gewählten gelben Würfel nun auch meine Schildkröte einen Schritt nach vorn.
Höhere Augenzahlen sind grundsätzlich besser: mehr Schritte für die Schildkröte, mehr Fische und so weiter. Und weil die höheren Augenzahlen natürlich früher genommen werden, lohnt es sich, auch mal den roten Würfel zu nehmen, der mich zum Startspieler der kommenden Runde macht.
Der rote Würfel bringt ansonsten keinen sofortigen Effekt. Aber blaue, violette und eben der rote Würfel haben noch einen Zusatznutzen: Sie lassen mich am Ende der Runde beim Würfelduell mitmachen. Hier würfeln wir über mehrere Durchgänge eine große und eine kleine Belohnung aus. Je mehr Würfel ich in das Duell einbringe, desto besser sind meine Chancen.


Australis: Spielplan

Was passiert? Für all das gibt es am Ende jeder der fünf Runden Punkte. Die Schildkröte punktet für ihre zurückgelegte Wegstrecke. Damit die Fische punkten, benötige ich Futtersteine. Je mehr Fische, desto mehr erforderliche Steine, aber auch umso mehr Punkte. (Futter kann ich übrigens mit der Schildkröte sammeln oder bei Würfelduellen gewinnen. Die Fischwertung ist nicht sehr eingängig und muss von mir während einer Partie üblicherweise mehrfach erklärt werden. Unter anderen verwirrt, dass man weder Futter noch verhungerte Fische jemals abgeben muss.)
Punkte zählen auch die Korallen. An jedem der sechs Korallenriffe gibt es eine Mehrheitswertung. Merkwürdigerweise ist die höchste Wertung (die beim Achter-Riff) am wenigsten umkämpft. Denn zum Achter-Riff komme ich zunächst nur mit einer violetten Acht. Kann ich glücklich eine solche Acht schon in der ersten Runde ergattern, und kommt dann eine Weile lang keine weitere Acht mehr, kassiere ich mehrere Runden lang kampflos die Mehrheitsbelohnung.
AUSTRALIS ist eben ein Würfelspiel und hat demzufolge mit Glück zu tun. Das ist auch bei den Würfelduellen unübersehbar. Ich kann versuchen, mit möglichst vielen Würfeln ins Duell zu gehen, und ich kann meine Duellwürfel mit Karten sogar noch aufwerten – und gegen alle Erwartung kann ich trotzdem als Erster ausscheiden und nichts bekommen. Auch mehrfach in Folge.

Was taugt es? AUSTRALIS sieht hübsch aus, ist aber definitiv kein thematisches Spiel, sondern eine reine Konstruktion. Die Mechanismen sind interessant kombiniert. Die Würfelauswahl ist spannend und erfordert Abwägungen. Mit den Kartenverstärkungen bekomme ich immer mehr kleine Zusatzbelohnungen, verschaffe mir also Kettenzüge. Grundsätzlich kann ich versuchen, mir eine Art Engine aufzubauen – oder mit rein kurzzeitigen Effekten die Punkteflucht nach vorn anzutreten. Ich kann mich mal mehr auf die Fische fokussieren, mal mehr auf die Korallen, sammle also nicht immer dasselbe.

Australis: Tableau

In meinen Spielegruppen kommt AUSTRALIS überdurchschnittlich gut an. Allerdings wird es da von den meisten Personen auch nur ein oder zwei Mal gespielt. Ob es nach weiteren Partien immer noch so beliebt wäre, weiß ich deshalb nicht. Ich habe mehr Partien gespielt – und für mein Empfinden hat der Reiz von AUSTRALIS nachgelassen. Solange bei der Würfelauswahl nicht zu gründlich gegrübelt wird, trägt zwar der Spannungsbogen. Doch Charakter hat das Spiel nicht. Man darf sich schon fragen, was man da inhaltlich eigentlich spielt. Und wird sich schwertun, eine Antwort zu finden.
Auch mechanisch baut AUSTRALIS wenig Langzeitreiz auf. Bei zu vielen Partien bleibt hinterher das Gefühl, das letzte Würfelduell oder die Duelle insgesamt hätten über die Platzierungen entschieden. Ich finde es nicht grundsätzlich schlecht, wenn Würfelduelle Spiele entscheiden. Doch wenn diesem Entscheid sehr viele andere Elemente mit sehr viel Regelwerk vorweggehen, trägt das auf Dauer nicht dazu bei, diese anderen Elemente vertiefter erforschen zu wollen.


*** mäßig

AUSTRALIS von Alessandro Zucchini und Leo Colovini für zwei bis vier Spieler:innen, Kosmos.

Freitag, 28. Februar 2025

Gern gespielt im Februar 2025

DER HERR DER RINGE – DIE GEFÄHRTEN – DAS STICHSPIEL: Aber Stich kam bislang noch nicht vor.

BRILLIANT: Das Brillanteste: Ohne Nachbarn geht es nicht!

RIVAL CITIES: Linden gegen Hannover, nur auf Hamburg gemünzt.

7 EMPIRES: Empires zählen mehr als Empirie. Zu allen Zeiten.

DORFROMANTIK SAKURA: Die Kirsche im Dorf lassen.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM FEBRUAR:

BOMB BUSTERS: Kabelage und Liebe.







Dienstag, 25. Februar 2025

7 Empires

7 Empires: Cover

Einleitung? Da habe ich keine Aktien drin.

Wie geht 7 EMPIRES? Wir spielen sieben europäische Großmächte des 18. Jahrhunderts. Wer die wertvollsten Einflusskarten einer Großmacht besitzt, führt – normalerweise – deren Spielzüge aus. Allerdings: Komme ich an die Reihe und alle Nationen, deren Boss ich bin, haben bereits gezogen, darf ich ersatzhalber eine andere Nation ziehen, die noch nicht dran war und deren Anteile ich besitze. Das kommt insbesondere dann vor, wenn ich nur eine oder gar keine Nation anführe.
Die Nationen wollen Machtpunkte generieren. Alle Anteile des bei Spielende mächtigsten Staates werden mit 7 multipliziert. Gewinnt Habsburg, und ich besitze die österreichische Adlige (6) sowie zwei österreichische Bauern (3), sind das schon mal 84 Siegpunkte. Die zweitmächtigste Nation erhält einen Multiplikator von 6 … und immer so weiter bis zur Losernation mit dem Multiplikator 1.
Macht gewinnen die Großmächte, indem sie Territorien besetzen und in einer späteren Aktion („Empire“) werten. Oder mit der Aktion „Palast“ Paläste errichten oder verbessern und sofort auch werten. Zwei der fünf möglichen Aktionen sind aggressiv („Feldzug“ und „Attacke“), mit „Bauen & Rüsten“ rüste ich auf. Jede Aktion, die ich wähle, steht der Großmacht in den anschließenden zwei Runden nicht zur Verfügung.

7 Empires: Situation

Wir starten mit vorgegebenen Aktienpaketen (für jede Spieler:innenzahl gibt es mindestens zwei Varianten) und einer vorgegebenen Startaufstellung. Haben alle Großmächte ihren Zug gemacht, decken wir das nächste der bei Spielbeginn in eine zufällige Reihenfolge gebrachte Runden-Plättchen auf. Meistens besagt es, dass jede:r sich eine weitere Einflusskarte nehmen darf, und in welcher Reihenfolge dies geschieht. Alle Nationenstapel sind vorsortiert. Wer zuerst kommt, kriegt höherwertigere Anteile. Wer später kommt, kriegt nur noch einen Bauern. Oder irgendwann auch gar nichts mehr.

Was passiert? Während die erste Runde meist noch eher gleichförmig verläuft, entwickelt sich bald ein dynamischer Schlagabtausch. Bin ich der Führende in Frankreich und Spanien, wird an der gemeinsamen Grenze dieser Mächte sicherlich einträchtige Ruhe herrschen. Frankreich kann sich bequem nach Norden oder Osten orientieren. Knöpft mir jemand Spanien ab, ist in Frankreichs Süden nun möglicherweise freie Bahn.
Gewiss könnte ich mir ebenfalls spanische Anteile nehmen und den Übernahmeversuch kontern. Aber vielleicht traue ich Spanien langfristig nicht so viel zu. Oder ich finde es gar nicht so schlecht, eine Herrschaft abzugeben, weil ich dann auch mal eine Großmacht ziehen könnte, ohne ihr Mehrheitseigner zu sein. Preußen zum Beispiel, das sich unter meiner Führung plötzlich nach Osten statt wie zuvor nach Westen orientiert.

7 Empires: Anteile

Wenig in 7 EMPIRES ist vorhersehbar. Zu häufig wechseln die Interessen und Allianzen. Zu unsicher sind Gebietsgewinne. Und vielleicht lässt sich jemand, obwohl selbst in Russland investiert, bequatschen und gibt dem vermeintlich übermächtigen Russland eins auf den Deckel. Offensichtlich ist eigentlich nur, dass ich denjenigen Mächten schaden möchte, deren Anteile ich überhaupt nicht besitze. Und selbst das überlege ich mir während der Partie vielleicht noch mal anders, weil es plötzlich Gründe gibt, in die bislang verschmähte Farbe einzusteigen.
7 EMPIRES ist ein hoch interaktives und auch psychologisches Spiel, indem es mit Kategorien wie „mein“ und „dein“ spielt. Nichts ist hier wirklich meins, ich besitze von allem nur Anteile. Allzu sehr sollte ich mich nicht an die mir bei Spielbeginn zugelosten Farben klammern. Genauso wie ich Verluste nicht persönlich nehmen sollte. Vielleicht ergibt es sich, dass Gegner:innen von jetzt Partner:innen von nachher sein werden.
Vieles hängt in 7 EMPIRES vom Timing ab, von der Reihenfolge, in der die Großmächte ziehen, und davon, welche Aktionen sie dann gerade zur Verfügung haben: Ob ich es beispielsweise schaffe, die eroberten Gebiete noch zu werten, oder ob mir ein Großteil vorher wieder abgenommen wird. Oder ob ich im großen Stil aufrüsten kann oder ob jemand kurz zuvor meine Heimatstädte besetzt. Während sich dies teilweise noch planen lässt, ist es schlichtweg Zufall, wer beginnen darf, wenn es gilt, weitere Anteilsscheine zu nehmen. Das kann schon einen bedeutsamen Unterschied machen, wenn etwa nur noch eine letzte Aktie von England im Spiel ist und alle sie haben wollen.

Was taugt es? Schon mehrfach haben mich die Endergebnisse in 7 EMPIRES überrascht. Und mehrfach haben sich die Ränge in den letzten Zügen noch ordentlich verschoben. Weil 7 EMPIRES so interaktiv und so verflochten ist, ist jede Partie wie eine kleine Wundertüte. Das macht 7 EMPIRES sehr spannend. Und auch immer wieder reizvoll, weil es sich nicht so schnell erschöpft.
Die Anleitung hätte für mein Empfinden ein paar Beispiele und Erläuterungen mehr vertragen. Manches ist arg knapp gehalten. Das Material ist sehr wertig. Doch manches wirkt unausgegoren. Neben den Spielplan müssen noch sieben kleine Täfelchen gelegt werden, um pro Nation drei Steine darauf abzustellen. Für jede der Großmächte gibt es eine Materialbox. Doch fürs Verstauen in der Schachtel muss man alles wieder umfüllen; die Boxen eignen sich dafür nicht. Das haben andere Verlage schon besser hingekriegt.


***** reizvoll

7 EMPIRES von Mac Gerdts für zwei bis sechs Spieler:innen, PD-Verlag.

Montag, 17. Februar 2025

Die drei Kolosse

Die drei Kolosse: Cover

Hah, ich werde hier auf keinen Fall meine supertolle Einleitung spoilern!

Wie geht DIE DREI KOLOSSE? Im fiktiven Örtchen Nottheim geschehen merkwürdige Dinge rund um drei riesige Steinskulpturen, genannt die „Kolosse“. Wir – in der Rolle von Wissenschaftler:innen – wurden herbeigerufen, um den Fall zu untersuchen und aufzuklären.
DIE DREI KOLOSSE ist ein Rätselspiel mit ausgeprägtem Hörspiel- und auch Videoanteil. Es bindet uns ein, indem wir immer mal wieder Dialoge mit verteilten Rollen vorlesen müssen. Sind wir nicht exakt fünf Personen, muss jemand dabei mehrere Rollen übernehmen bzw. kriegt keine ab. Nicht so schlimm.
Das Spiel enthält 18 verschlossene Briefumschläge, die auf bestimmte Stichworte oder sonstige Anweisungen hin geöffnet werden dürfen. Drin befindet sich sehr viel und sehr vielfältiges Material: Zeitungsschnipsel, Prospekte, Bieruntersetzer, Broschüren, Fotos, Polizeiakten, Buchseiten, Karten, Tabellen und so weiter und so weiter. Das alles müssen wir sichten, um die Rätsel zu lösen und so die Geschichte voranzutreiben.
Nach drei Kapiteln, die jeweils etwa zwei Stunden dauern und nicht am Stück gespielt werden müssen, sind alle Rätsel gelöst und der Fall aufgeklärt.

Was passiert? Mehr als viele andere Escape-Spiele erzählt DIE DREI KOLOSSE eine Geschichte und mehr als in vielen anderen Escape-Spielen sind wir Teil dieser Geschichte. Die professionell gemachten und mit Bildern unterlegten Hörspiele schaffen viel Atmosphäre.
Es macht Spaß, sich das anzuhören, weil die Geschichte mit Humor und Augenzwinkern erzählt wird. Wie sehr man eintaucht und sich gefangen nehmen lässt, ist sicherlich von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Mir wurde es, je weiter DIE DREI KOLOSSE voranschritt, zu lang. Viele Dialoge verlangsamen das Tempo und bringen die Geschichte nicht weiter. Vor allem wird die Geschichte für mein Empfinden immer abstruser. Nachdem alles zunächst so professionell wirkt, hätte ich auch beim Storytelling ein hohes Niveau erwartet. Das hat sich nicht erfüllt.

Die drei Kolosse: Umschläge

Sehr positiv fällt hingegen das mit spürbarer Liebe zum Detail gestaltete Material auf. In DIE DREI KOLOSSE steckt offenbar viel Handarbeit. Zettel beispielsweise hat, damit wir sie zerknickt vorfinden, extra irgendjemand zerknickt. Die Vielfalt der Materialien ist beeindruckend. Hier und da sind kleine Gags eingebaut. Die Arbeitszeit, die Autor und Verlag in dieses Spiel gesteckt haben, muss enorm gewesen sein.

Was taugt es? Diese Liebe und Hingabe, die man beim Spielen wahrnimmt, wertet das Spiel auch auf. Man mag es deshalb ein bisschen mehr. Oder möchte es zumindest mehr mögen. Wenn ich aber rückblickend in mich hineinhorche, ob ich einen potenziellen zweiten Teil spielen wollte, lautete die Antwort trotzdem nein. Leider nein.
Noch mehr als an den Längen und der für mich unbefriedigenden Story-Entwicklung liegt das an den Rätseln. Keines davon hat bei mir diesen schönen Aha-Moment auslösen können, der entsteht, wenn man merkt, wie der Groschen langsam fällt.
Viele Rätsel sind eher Fleißaufgaben. Ich empfand es beispielsweise als lästig, in dem Wust von Material, der sich irgendwann vor uns auftürmt, noch einmal alte Dokumente suchen und dann durchforsten zu müssen, weil plötzlich und zusammenhangslos der vierte Buchstabe des Vornamens einer Nebenfigur gefragt ist.
Die Rätsel liegen nach meinem Empfinden fast immer ein kleines Stück daneben, was den Schwierigkeitsgrad, die Klarheit der Aufgabenstellung und das richtige Maß an Hilfestellung angeht. Deswegen sind sie weniger befriedigend oder gar begeisternd als in anderen Rätselspielen.


*** mäßig

DIE DREI KOLOSSE von Johannes Lorenzen für zwei bis sechs Spieler:innen, PD-Verlag.

Donnerstag, 13. Februar 2025

Humanity

Humanity: Cover

Um 9:17 Uhr am Morgen des 15. Juli 2073 landen die Schiffe des Humanity-Programms auf Titan. So behauptet es der Schachteltext. Und ich gelobe: Wenn das tatsächlich so eintritt, spendiere ich postwendend um 9:18 Uhr eine Einleitung!

Wie geht HUMANITY? In HUMANITY sind wir schon auf Titan (das ist ein Mond des Saturn) und bauen unsere Basis auf. Logischerweise arbeitet die Menschheit auch im Jahr 2073 noch gegeneinander, folglich entstehen konkurrierende Basen. Und es ist ebenfalls klar, dass es um Punkte geht. Wozu sonst haben wir uns auf diesen irre langen Weg gemacht?
HUMANITY ist ein Figureneinsetzspiel. In jedem Zug benutze ich eine meiner bis zu drei aktiven Figuren. Sie kann entweder auf meiner Basis bleiben und dort Rohstoffe produzieren. Oder ich investiere Rohstoffe und kaufe ein weiteres Modul für meine Basis. Dazu muss ich die Figur ans zentrale Rundtableau stellen, genau an den Ort, wo das erworbene Plättchen liegt.

Humanity: Spielplan

Das ist deshalb von Bedeutung, weil die Figuren nicht automatisch bei Rundenende zurückkehren. Abhängig davon, welche und wie viele Module wir kaufen, dreht sich der Gelenkarm des Tableaus bei Rundenende mehr oder weniger weit. Alle Figuren, an denen er vorbeifährt, dürfen zurück. Um meine Figur schnell zurückzubekommen, möchte ich also tendenziell Module kaufen, die nah am Dreharm liegen. Nur ist eben nicht gesagt, dass das die Module sind, die mir weiterhelfen. Oder dass ich sie bezahlen kann. Oder dass man sie mir lässt.
Die Module bringen andere und bessere Rohstoffe. Oder sie zählen Punkte, wofür ich die Module in einer bestimmten farblichen Anordnung bauen muss. In HUMANITY gibt es zwei Sorten Punkte: neben den „echten“ Siegpunkten zusätzlich solche („Forschungspunkte“), die zunächst nur meinen Marker auf einer Skala vorantreiben. Am Ende jeder der drei Runden wird die Position aller Marker (wie weit bin ich insgesamt gelaufen und wie viele Personen habe ich hinter mir gelassen?) in Siegpunkte umgerechnet, und alle Marker starten wieder bei Null.
Zugleich konkurrieren wir um das schnelle Erfüllen von in jeder Partie anderen Zielen: Ich soll mindestens drei lila Module haben oder fünf Module in einer waagerechten Reihe oder auf meinen Plättchen sollen sich vier Methan- oder Bioplastik-Symbole befinden.

Was passiert? HUMANITY enthält einige Wettlaufelemente: Ich will den anderen bestimmte Plättchen wegschnappen, ich will Ziele zuerst erreichen. Hilfreich wäre da eine Einschätzung, was die Konkurrenz aktuell so kann.

Humanity: Basis

Jedoch: Wer wie viele Rohstoffe besitzt, wird ähnlich wie in DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL (bzw. CATAN – DAS DUELL) auf den Plättchenrändern von Produktionsmodulen angezeigt. Erhalte ich einen Eis-Rohstoff, drehe ich das Eis-Produktions-Modul um 90 Grad, und es zeigt nun eine Ressource mehr an. Die Produktionsmodule verteilen sich relativ beliebig über meine gesamte Basis. Den Überblick über meine Rohstoffe zu behalten, ist umständlich. Will ich auch noch die Vorräte der Konkurrenz abchecken, muss ich lange herumsuchen.
Der klar interessanteste Kniff des Spiels ist das Figurenmanagement. Setze ich eine Figur ein, um ein Plättchen zu kaufen, zahle ich nebst Rohstoffen auch mit der Ressource Zeit. Muss ich eine oder gar mehrere Runden auf die Figur verzichten, gehen mir mögliche Aktionen durch die Lappen. Ob sich das lohnt, ist eine spannende Abwägung.

Was taugt es? Einerseits ist HUMANITY strategisch. Die Anordnung meiner Module konzipiere ich wegen der Ziele mit langfristigem Plan. Kommt eine Figur vom zentralen Tableau zu mir zurück, muss ich sie vorausschauend platzieren, denn genau an diese Stelle müsste ich später das Modul bauen, falls ich diese Figur für einen Kauf entsende. Spielfehler werden spürbar bestraft.
Andererseits ist vieles auch Zufall. Wer die Ziele zuerst erfüllen kann, ist teilweise Glückssache. Es kann schlichtweg davon abhängen, wann die benötigten Teile ins Spiel kommen und wer dann den ersten Zugriff hat. (Kleine Einschränkung: Ja, ähnlich der längsten Handelsstraße in CATAN können einem die erworbenen Ziel-Urkunden wieder abgejagt werden. Aber: Wer sie zuerst hat, ist erst mal im Vorteil.)
Trotz Gemecker würde ich HUMANITY nicht als misslungen bezeichnen. Die Elemente greifen gut ineinander, der Figureneinsatz wird durch die zeitverzögerte Rückholung auf interessante Weise variiert.
Allerdings bringt diese kleine Neuerung nun auch nicht so viel Zusatzreiz, dass es mich zu weiteren Partien verlockt. Der Spielablauf ist gleichförmig, die Handhabung umständlich. HUMANITY fühlt sich überwiegend sattsam bekannt an. Es bietet zwar einiges für den Kopf, aber wenig für Herz und Bauch.

Humanity: Experimente

Die nüchterne, blasse Gestaltung unterstützt das Spiel nicht gut. Sie passt lediglich gut zum nüchternen, blassen Spiel. HUMANITY ist längst nicht so aufregend, wie es uns die Hintergrundgeschichte samt beiliegendem Büchlein mit fiktionaler Story und historischen Informationen suggerieren möchte. Die Rohstoffe heißen zwar mal nicht Holz und Stein, sondern Insekten und Bioplastik; mechanisch aber knüpft nichts an die Sci-Fi-Spielgeschichte an.
Warum bei einem so durchschnittlichen und so wenig thematischen Spiel so viel Aufwand betrieben wird, um es mit aufwendig gemachtem Beibuch besonders thematisch erscheinen zu lassen, ist mir ein Rätsel.


*** mäßig

HUMANITY von Yoann Levet für zwei bis vier Spieler:innen, MM-Spiele.

Sonntag, 9. Februar 2025

Vor 20 Jahren (146): Ubongo

Ubongo: Cover

UBONGO (von Grzegorz Rejchtman bei Kosmos) ist eines der wenigen Spiele, die auch ohne die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ zum Longseller wurden. Ich vermute, dass UBONGO sogar bekannter und verbreiteter ist als das 2005er Spiel des Jahres NIAGARA.

Also eine Fehlentscheidung, nicht UBONGO zu wählen? Nun ja, erstens ist es hinterher immer leicht, es vorher gewusst zu haben. Zweitens geht es bei der Wahl eines Titelträgers auch gar nicht darum, dasjenige Spiel herauszufiltern, welches die besten Verkaufszahlen erreichen wird. Sonst könnte man sich die Sache sehr erleichtern und jedes Jahr einfach irgendein MONOPOLY-Dingens küren. Nein, es geht eben auch um Kriterien wie Schöpfungshöhe und Originalität, Handhabung und Thema, Optik und Material.

Ich war 2005 beim Auswahlprozess nicht dabei, deshalb kann ich munter drauflos spekulieren: Woran lag’s vielleicht?

UBONGO hat eine ziemliche Schwäche. Die Wertungsphase läuft chaotisch ab. Figuren kippen um, Edelsteine fliegen durch die Gegend, es gibt Streit, wer wann hätte ziehen und nehmen sollen. Ich weiß nicht, wie viele Menschen das Edelstein-Grabbeln tatsächlich regelkonform spielen können. Dass dies stattfinden soll, noch während die Sanduhr läuft, ist meines Erachtens eine Design-Fehlentscheidung.

Auch die thematische Einbettung von UBONGO ist fragwürdig. Die Grafik versammelt irgendwelche Afrika-Klischees, deren Bezug zum Spiel nicht erkennbar ist. Und Grund Nummer drei, warum UBONGO nicht gewählt (und nicht mal nominiert!) (und nicht mal empfohlen!) worden ist, mag – wie gesagt: ich spekuliere! – die Neigung sein, das allzu Einfache abzuwerten.

Diese Neigung nehme ich nicht nur bei Kritiker:innen wahr – inklusive mir selbst, wie ich leider zugeben muss. Auch bei Spieler:innen beobachte ich das. Viele tun sich leichter damit, kompliziertere Spiele gut zu finden. Und das gilt nicht nur für Vielspieler:innen. Auch Normalos überraschen mich am Ende eines Spielenachmittags immer wieder, indem sie das Spiel, das sie mit Ach und Krach und mit viel Hilfe gerade so über die Bühne bringen konnten, besser bewerten als eins, das sie nach meiner Wahrnehmung gut verstanden und mit sichtbarem Spaß genossen hatten.

Gewiss gilt das nicht für alle Spieler:innen, aber doch für genügend viele, dass es mir als Muster auffällt: Einem Vergnügen, das man einfach so empfindet, ohne es sich mühevoll erarbeitet zu haben, misstrauen manche. Es ist offenbar gefühlt ein zu billiges Vergnügen. „Nichts Richtiges“.

UBONGO ist dieses sehr einfache Vergnügen. Das Spiel folgt einer einzigen großen Idee: Hier hast du drei oder vier Puzzleteile. Bau damit, so schnell du kannst, dein Raster voll! Und weil das der Kern von UBONGO ist und nicht die Auswertungsphase, stören sich beim Spielen vermutlich gar nicht so viele Leute daran, wenn das Edelsteingegrabbel weniger toll ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich UBONGO bereits 2005 gegenüber NIAGARA vorgezogen habe. Aber ein paar Jahre später war ich definitiv soweit. Denn NIAGARA beisitze ich schon lange nicht mehr, UBONGO noch immer.


Mittwoch, 5. Februar 2025

Fairy Ring

Fairy Ring: Cover

Bekanntlich erfüllen Feen ja Wünsche. Doch offenbar hat sich keine meiner Leser:innen eine Einleitung gewünscht. Schade. (Merke ich mir dann auch für die Folgewochen!)

Wie geht FAIRY RING? Wir bauen aus Karten einen Pilzwald. Mit jeder Karte, die ich in meinen Waldabschnitt lege, beginne ich entweder einen weiteren Pilz. Oder ich erhöhe einen Pilz derselben Farbe. Unsere Pilze bilden einen Rundparcours, der mit jedem weiteren Pilz ein Feld länger wird. Und meine gelegte Karte bestimmt ebenso, um wie viele Pilze meine Fee auf diesem Parcours im Uhrzeigersinn weiterfliegt.
Lande ich mit meiner Figur auf einem meiner Pilze, erhalte ich Mana (ein anderes Wort für Punkte). Wie viel, hängt vom jeweiligen Pilz ab. Der gelbe Pilz schüttet so viel Mana aus, wie ich Pilze in meinem Wald habe. Multipliziert mit der Höhe dieses gelben Pilzes. Der rote Pilz bringt Mana entsprechend der Flugweite meiner Fee. Ebenso multipliziert mit der Höhe des Pilzes. Und so weiter.
Lande ich auf einem gegnerischen Pilz, kassiert diese Gegner:in das Manaeinkommen. Besitze ich allerdings einen Pilz derselben Farbe, kassiere ich auch für meinen Pilz, so als ob meine Fee dort gelandet wäre.


Fairy Ring: Situation

Was passiert? Je länger der Parcours wird, desto mehr Schritte benötigt die Fee, um nach einer Umrundung wieder zu meinen Pilzen zurückzukehren. Ich kann also längst nicht jedes Mal in meinem Waldviertel landen. Lande ich anderswo, will ich das gezielt so tun, dass ich mindestens genauso viel, im Bestfall sogar mehr verdiene als die Pilzbesitzer:in. Na gut, notfalls auch ein bisschen weniger, Hauptsache irgendwas. Und wenn das nicht geht, peile ich einen der Pilze an, die nur beim Drüberfliegen Einkommen ausschütten, nicht aber beim Landen. Dann bekommt wenigstens niemand was.
Das kann ich allerdings nur so halb steuern. Erstens ist meine Kartenauswahl limitiert. Wir starten pro Durchgang mit sieben Karten, davon wählen wir eine, geben den Rest an die Nachbar:in weiter. Klassisches Draften also. Und die Pilzfarbe, die ich am liebsten hätte, gewährt mir vielleicht nicht die Zugweite, die mir am besten gefiele.
Zweitens wählen wir zwar alle gleichzeitig, führen die Züge aber nacheinander aus. Bin ich nicht gerade Startspieler, kann es sein, dass der von mir angepeilte vier Felder entfernte Pilz, plötzlich fünf Felder entfernt ist, weil jemand noch einen weiteren Pilz davorgebaut hat. Und mit meinen vier Schritten lande ich dann so gar nicht da, wo ich es gehofft hatte.
Sitze ich hinten, führt diese Ungewissheit dazu, dass ich meine Karten spekulativer wähle. Vielleicht nehme ich gleich eine mit fünf Schritten, weil doch bestimmt irgendwer dazwischenpilzt. Oder gar eine mit sechs?
Noch kniffliger werden die Abwägungen, spielen wir mit Zielkarten. Um viele Extrapunkte zu gewinnen, soll ich jetzt bis Spielende zwei Pilze der Höhe vier bauen oder sieben verschiedene Pilze. Drei Ziele sind gleichzeitig im Spiel. Bei den gerade mal 13 Karten, die mein Pilzwald groß wird, erledigen sich diese Vorhaben nicht nebenbei, sondern nur wenn ich mich darauf konzentriere – und schon gibt es neben der Feenreichweite und der Einkommensstärke meiner Pilze noch ein drittes Kriterium, das ich beachten möchte.


Fairy Ring: Karten

Was taugt es? Bei allem, was es abzuwägen gibt: FAIRY RING ist ein einfaches und schnelles Spiel. Man kann Glück haben, man kann reinfallen. Pläne gehen auf oder leider nicht. Man kann nett oder böse spielen. Manche Spieler:innen gönnen gar nichts. Anderen ist es nicht so wichtig, ob andere mehr verdienen. So kann FAIRY RING durchaus aufgrund von Unachtsamkeit oder Königsmacherei entschieden werden, was angesichts von Spieltiefe und Spieldauer nicht allzu negativ ins Gewicht fällt.
Das Material unterstützt sehr gut den Draftmechanismus für Menschen, denen so etwas zum ersten Mal begegnet. Die Gestaltung ist herzallerliebst. Nur die weitgehend transparenten Feen sind weniger gelungen. Sie werden häufiger verwechselt. Und plane ich versehentlich mit einer Fee, die gar nicht meine ist, kommt selten etwas Gutes dabei heraus.
FAIRY RING ist spannend. Es gibt Erfolgsmomente, es gibt Zockmomente, es gibt Verzockt-Momente. Gemeinsam einen Rundkurs zu bauen und ihn gleichzeitig zu durchlaufen, finde ich originell. FAIRY RING ist ein grundsolides Spiel, bei dem vieles stimmt.
Für „reizvoll“ reicht es am Ende trotzdem nicht ganz. Gemessen an Material- und Regelaufwand sind die Partien arg kurz. Bei mir bleibt da nicht das Gefühl, dass mich beim nächsten Mal etwas anderes erwarten wird, oder dass es da noch etwas gibt, was ich ausprobieren möchte. Sondern es werden dieselben paar Züge sein, in denen ich dasselbe versuche. Gäbe es die Wertung „nett“, ich schriebe „nett“.


**** solide

FAIRY RING von Laurence Grenier und Fabien Tanguy für zwei bis vier Spieler:innen, Repos Production.

Freitag, 31. Januar 2025

Gern gespielt im Januar 2025

7 EMPIRES: Staaten werden von Geheimbünden mit unklaren Absichten gesteuert? Lässt sich durch 7 EMPIRES so nicht bestätigen. Wer aus purem Eigeninteresse welchen Staat lenkt, ist immer top transparent.

DUNE IMPERIUM UPRISING: So soll ein Wurmfortsatz sein.

ENDEAVOR – DIE TIEFSEE: Auch kooperatief.

SETI: Es ist nie verkehrt, schon mal mögliche Fluchtwege von der Erde zu erkunden. Hoffentlich haben die anderen Planeten kein Zustrombegrenzungsgesetz.

BOMB BUSTERS: Natürlich braucht die Welt immer mehr BOMB BUSTERS-Missionen. Noch mehr Fieslinge, die Bomben bauen, braucht sie allerdings nicht. Ein schrecklicher Widerspruch.




UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM JANUAR:

DORFROMANTIK SAKURA: Manchmal geht es tatsächlich in Erfüllung, wenn blühende Landschaften versprochen werden.





Dienstag, 28. Januar 2025

Galileo Galilei

Galileo Galilei: Cover

Galileo Galilei soll gesagt haben: „Und sie bewegt sich doch!“ Ich hingegen mache von meinem Recht zu schweigen Gebrauch.

Wie geht GALILEO GALILEI? Wir beobachten Himmelskörper und Konstellationen … wenn man es thematisch ausdrücken will. Spielmechanisch gesehen ähnelt der Vorgang mehr einem Kauf: Für das Beobachten bezahle ich mit Würfelaugen. Ein Himmelskörper benötigt mindestens zwei verschiedenfarbige Würfel, für eine Konstellation genügt eine Würfelfarbe.
Die Würfel in GALILEO GALILEI werden übrigens nie geworfen. Sie sind lediglich Anzeiger, die Werte von eins bis sechs annehmen. Im Grunde verhalten sich die gelben, roten und blauen Würfel wie Geld dreier verschiedener Währungen. Maximal vier Würfel darf ich gleichzeitig besitzen.
Das Beobachten einer Konstellation zählt ein paar Punkte und schaltet mir einen Vorteil frei. Das Beobachten eines Himmelskörpers zählt mehr Punkte und bringt mir außerdem die Karte, auf der der Himmelskörper abgebildet ist. Mit ihr verlängere ich meine „Bibliothek“. Unter diesem Oberbegriff firmieren vier Laufskalen. Mit Buchmarkern will ich dort vorwärtsziehen. Auf den meisten Feldern sind Symbole zu sehen. Bei Erreichen erhalte ich den entsprechenden Vorteil.

Galileo Galilei: Tableau

Aktionen löse ich auf meinem Tableau aus. Dort befindet sich eine Art Rondell mit nur fünf Feldern. Mein Teleskop muss ich um eines bis drei Felder weiterdrehen. Dann führe ich die beiden auf dem erreichten Feld angegebenen Aktionen aus. Eine dieser Aktionen ist fest auf dem Tableau aufgedruckt, sie gehört unveränderlich zu diesem Feld. Ein bewegliches Plättchen zeigt die zweite Aktion. Das Plättchen wird nach Benutzung in einen Reservebereich geschoben, wodurch ein anderes aus diesem Reservebereich wieder ins Rondell rutscht.
Eine der aufgedruckten Aktionen ist dazu da, Plättchen aufzuwerten. Die Rückseiten zeigen jeweils stärkere Versionen der Startaktionen. Ansonsten liefern Aktionen neue Würfel oder werten Würfel um eine oder mehrere Augenzahlen auf. Sie initiieren die Sternbeobachtungen, erlauben Schritte mit den Büchern und so weiter.

Was passiert? GALILEO GELILEI ist ein Wettrennen. Sobald eine bestimmte Menge Sterne wegbeobachtet wurde, geht das Spiel in seine finale Phase. Also muss ich sehr effektiv spielen. Wenn mir eine Aktion erlaubt, alle meine gelben Würfel um zwei Stufen zu erhöhen, bringt es mehr, nicht nur einen, sondern drei gelbe Würfel zu besitzen. Und obwohl ich es generell erstrebenswert finde, meine Plättchen aufzuwerten: In einer späteren Phase des Spiels ist das eher Zeitverschwendung. Jeder einzelne Zug sollte mich maximal voranbringen.

Galileo Galilei: Spielplan

Ein Wettrennen ist das Spiel auch deshalb, weil beobachtete Himmelskörper nun mal weg sind, und ich mir etwas Neues mit meinen Würfeln überlegen muss, falls ich genau denselben Stern auch beobachten wollte. Obendrein liefern wir uns ein Wettrennen, wer bestimmte Zielvorgaben zuerst erreicht.
Aktionen sind oft schnell abgehandelt, GALILEO GALILEI hat einen flotten Spielrhythmus. Ausnahme sind die Situationen, in denen jemand einen Kettenzug ausgelöst hat, der vielleicht noch weitere Kettenzüge auslöst. Dies geschieht meistens durch das Voranschreiten auf den mit Symbolen gespickten Bibliothekspfaden.
GALILEO GELILEI ist insgesamt ein gradliniges Spiel, allerdings gibt es einen gewollten Bruch: die Inquisition. Das Beobachten der wertvolleren Himmelskörper und Konstellationen macht mich verdächtig. Ich erhalte eine Inquisitorfigur, die ich auf dem Startpunkt einer vier Felder langen Laufskala im Keller meines Observatoriums platzieren muss. Die ersten drei Felder sind mies, erst das vierte Feld ist positiv.
Für die Schlusswertung wäre es verheerend, Inquisitoren auf dem ersten Feld stehenzulassen. Allerdings ist auch das Vorwärtsziehen dieser Schergen nicht ungefährlich, denn es löst eine Zwischenwertung meines Kellers aus, und solange noch nicht sehr viele Inquisitoren auf dem letzten Feld angekommen sind, ist diese Wertung negativ. Da man es fast unweigerlich mit der Inquisition zu tun bekommt, braucht man also einen Plan, wie man an die Symbole herankommt, um die unliebsamen Besucher im Keller weiterzuschubsen, und im Bestfall gleich ordentlich viele auf einmal.

Was taugt es? GALILEO GALILEI hat einen interessanten Enginebuilder-Mechanismus. Ich versuche, mein Rondell möglichst effektiv werden zu lassen. Knifflig wird dies vor allem dadurch, dass Aktionsplättchen, die ich besonders häufig nutze, auch besonders häufig in die Reserve rutschen und damit erst mal nicht zur Verfügung stehen.

Galileo Galilei: Universität

Ich rücke auf Skalen vor, ich schalte Wertungen frei, ich bekomme dauernd irgendwelche Belohnungen. GALILEO GALILEI ist ein konstruktives Spiel. Mit Ausnahme der Inquisitoren natürlich. Hier fällt man vielleicht in der ersten Partie herein, weil man die mögliche Negativ-Spirale unterschätzt. Auf Dauer konnte ich in diesem Mechanismus jedoch keinen Zusatzreiz erkennen. Inquisitoren sind ein Faktor, den man einkalkulieren muss. Aber ab der zweiten Partie kalkuliert man ihn ein und kommt meistens auch damit zurecht.
Grafisch erzählt das Spiel eine tolle Geschichte mit Teleskopen, Sternen, Gelehrten und einer Universität. Die Mechanismen lösen das nicht ein. Wir geben Würfel ab, um Sterne zu bekommen, und dann sind sie nicht mehr am Firmament. Es fühlt sich an wie eine Shoppingtour. Ich greife ab, was sich mir bietet. Die Sterne werden abgearbeitet.
In meinen Runden kommt GALILEO GALILEI überwiegend gut an. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Ich werde GALILEO GALILEI vermutlich nicht mehr oft spielen, da mich das Spiel inzwischen eher langweilt. Der Partieverlauf ist ziemlich erwartbar, vielleicht kann ich beim nächsten Mal ein bisschen besser optimieren, aber es ist wenig da, woran ich mich reiben könnte, was mich reinzieht, was mich verlockt. Vom Inquisitions-Mechanismus hätte ich mir diese Reibung versprochen. Aber auch der überrascht nur beim Erstkontakt.
Definitiv gut gefällt mir, dass GALILEI GALILEO mit recht wenigen und logischen Prinzipien auskommt. Es gibt keine Sonderfälle, die Symbolik ist auch sehr klar. Einmal gespielt, hat man die Regeln drauf. Mechanisch ist GALILEO GALILEI sehr elegant.


**** solide

GALILEO GALILEI von Tomáš Holek für eine:n bis vier Spieler:innen, Frosted Games / Pink Troubadour.

Freitag, 24. Januar 2025

Perfect Words

Perfect Words: Cover

Der Spieltitel legt die Latte dermaßen hoch, dass ich sie mit einer Einleitung nur reißen könnte.

Wie geht PERFECT WORDS? Wir spielen ein kooperatives Wort-Assoziationsspiel. Bin ich am Zug, muss ich eine von zehn ausliegenden Wortkarten wählen und sie ans gemeinsame Raster anlegen. Nach und nach entsteht ein Kreuzworträtsel.
Sobald zwei Karten senkrecht oder waagerecht benachbart liegen, wird davor ein Pfeilplättchen mit einer Zahl platziert. So deutet nun (siehe Bildbeispiel) Pfeil Nummer eins auf die Begriffe „Sänger:in“ und „Polizei“, Pfeil zwei deutet auf „Polizei“ und „Werkzeug“ und so weiter. Zu diesen Wortgruppen müssen wir später Oberbegriffe finden. Sofern noch Platz ist, dürfen wir Wortreihen hinter dem Pfeil auch noch verlängern.

Perfect Words: Kreuzworträtsel

Haben wir Pfeil zehn gelegt, geht PERFECT WORDS in die nächste Phase: Jede:r notiert Oberbegriffe für die Wortgruppen eins bis zehn, wobei wir uns natürlich nicht absprechen dürfen. Bei Nummer eins würde ich sicherlich „Sting“ aufschreiben, bei zwei „Schlagstock“.
Je besser wir übereinstimmen, desto mehr Punkte gewinnen wir. Ein Tabelle sagt uns, wie hoch unsere Leistung einzuschätzen ist.

Was passiert? Mit PERFECT WORDS habe ich sehr unterschiedliche Spielverläufe erlebt. Die Meinungen hinterher gingen von „viel zu leicht“ bis „komplett unmöglich“. Erfolgreich ist eine Gruppe dann, wenn beim Kartenlegen auf naheliegende Assoziationen gesetzt wird, damit viele denselben Gedanken haben. Was in einer homogenen Gruppe deutlich leichter klappt als in einer altersunterschiedlichen fremden Runde.
Voraussetzung ist auch, dass man die verfügbaren Wortkarten und das vorhandene Raster in Ruhe analysiert und nicht einfach spontan irgendwas greift und anlegt. Und zweifellos gehört auch das Glück dazu, dass sich mit den angebotenen Wortkarten etwas anfangen lässt. Den Schwierigkeitsgrad können wir vorab justieren, indem wir viele oder wenige der vermeintlichen leichteren Begriffe einmischen.


Perfect Words: Begriffe

Was taugt es? Wir sind geistig gefordert. Auch wenn ich nicht am Zug bin, sollte ich über die Wortkarten und ihre mögliche Verwendung nachdenken und sollte mir potenzielle Oberbegriffe überlegen, um womöglich eine der Wortreihen durch ihre Verlängerung noch zu präzisieren.
PERFECT WORDS macht Spaß, wir erschaffen etwas gemeinsam, nämlich unser eigenes Kreuzworträtsel. Und Erfolgserlebnisse in der Gruppe sind ja sowieso stets motivierend.
Trotzdem muss sich PERFECT WORDS mit ähnlichen Spielen messen lassen, von denen es in jüngster Zeit einige gab. In diesem Fall denke ich vor allem an SO KLEEVER, das – mit Ausnahme der Kartenhalter, die die Karten nicht richtig halten – eleganter und ausgereifter ist.
Der Schwerpunkt von SO KLEEVER ist das Raten. Das gemeinsame Diskutieren und Abwägen ist wesentlich lebendiger, als Lösungen – wie in PERFECT WORDS – still auf einen Zettel zu schreiben. Die Lösungsphase in SO KLEEVER hat obendrein einen Puzzle-Charakter, es geht über das reine Assoziieren hinaus. Zudem können Rätsel in SO KLEEVER nicht nur mit naheliegenden, sondern auch mit originelleren Assoziationen erfolgreich sein.
PERFECT WORDS legt den Fokus auf die Bauphase, auf das gemeinsame Konstruieren des Rätsels. Der Hauptteil von PERFECT WORDS ist also eine Phase, in der wir uns schweigend verständigen müssen, wo jede:r für sich grübelt und Wartezeiten entstehen. PERFECT WORDS ist ein ruhiges, konzentriertes Spiel.


**** solide

PERFECT WORDS von Paul-Henri Argiot für zwei bis sechs Spieler:innen, Piatnik.