Donnerstag, 31. Mai 2012

Gern gespielt im Mai 2012

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

DOMINION: Mist. Ich bin erneut rückfällig geworden. Ach, und übrigens: Mit HINTERLAND bin ich durch. Nachschub, bitte! Schnell!!



GOA: Sehr gute Neuauflage. Wer GOA nicht hat, hat was verpasst. Und es ist schön zu wissen, dass es auch Spiele von Rüdiger Dorn gibt, die ich gelegentlich gewinne, denn...



VEGAS überfordert mich anscheinend mit seinen komplex verzahnten Mechanismen, und ich befürchte, ich kriege hier nie ein Bein an die Erde.



DUNGEON FIGHTER: Ich ahnte gar nicht, welch nützliche Talente in mir schlummern. Beispielsweise bin ich recht begabt darin, Würfel von meiner Nase abrollen zu lassen.



DIE GULLIPIRATTEN: Wenn man genau hinsieht, dann lächelt die Ratte auf dem Cover. Vielleicht ist sie sogar verliebt?! Also im Grunde ein Schmusespiel mit Kröte und Kakerlake.



FLASH POINT: FIRE RESCUE: Meine Rückgratlosigkeit ekelt mich an. Nur um zu gewinnen, verrate ich meine heiligsten moralischen Prinzipien. Neulich habe ich sogar einen Hund gerettet!


Sonntag, 27. Mai 2012

Africana

Da mir in meinen Spielerunden zuletzt ein wenig die Autorität und Meinungsführerschaft abhanden gekommen sind, steht der Mai im Zeichen des Widerstandes. Zur Rezension wähle ich Spiele, die mindestens einem oder gar mehreren meiner Mitspieler besonders gut gefallen, und schreibe: Hey, Moment mal, tschuldigung, ganz so intergalaktisch ist das Spiel nun auch wieder nicht. Und nur ich habe Recht. Tipptopp! Klippo! Erster Sager!

Wie geht AFRICANA? Wir bereisen Afrika. Immer fünf „Expeditionen“ liegen offen zur Auswahl und besagen zum Beispiel: „Gehe von Addis Abeba nach Congo.“ Zur Belohnung gibt es Siegpunkte und Geld. Das Geld dient hauptsächlich dazu, um sich private Aufträge hinzuzukaufen, die man nebenbei auch noch erledigen will. Diese Aufträge werden in den Kartenkatalogen angeboten, die uns Älteren noch aus VALDORA bekannt sind.
An den öffentlichen Aufträgen darf sich jeder beteiligen, der den Startort erreicht. Er erhält sogar einen „Beitrittsbonus“ (Geld oder eine Reisekarte). Kommt der erste Teilnehmer am Zielort an, ist der Auftrag erledigt und aus dem Spiel und wird durch einen zufälligen neuen ersetzt.
Wer an die Reihe kommt, darf entweder Reisekarten nachziehen, oder welche ausspielen, um seine Figur zu bewegen. Jeder Ort hat ein bis zwei Farbmarkierungen. Um die Figur zu einem Nachbarort zu ziehen, muss man eine Karte seiner Farbe spielen.
Erledigte Privataufträge bringen entweder Sammelgegenstände, die am Schluss für einen großen Punktebonus sorgen können, oder Helfer. Helfer sind Reisekarten, die nach dem Ausspielen nicht abgegeben, sondern wieder auf die Hand genommen werden. Sie ersparen also einige Male das Nachziehen. Allerdings zählen sie am Schluss unabwendbar Minuspunkte.

Wie fühlt es sich an? AFRICANA hat einige Längen. Erstens weil man die Start- und Zielorte auf dem Spielplan finden muss. Zweitens weil der Zug des Vordermanns die Situation stark verändern kann und dann dazu zwingt, mit dem Austüfteln der optimalen Reiseroute von vorn zu beginnen.
AFRICANA hat aber auch einige Reize: Eigentlich möchte man Züge sparen und, wenn schon, dann richtig weit laufen und mehrere Ziele auf einmal abklappern. Allerdings gibt es ständig Verlockungen, um seine Züge dann doch für ganz kurze Reisen zu verbraten. Oder es treibt die Sorge, die Mitspieler könnten einem etwas wegschnappen.
Gelungen finde ich auch das Wechselspiel zwischen Nord- und Südhälfte des Kontinents. Im Norden kann man bloß Privataufträge kaufen, für die man in den Süden reisen muss. (Und umgekehrt.) Bei den öffentlichen Aufträgen wechseln sich Norden und Süden mehr oder weniger ab, und während die Mitspieler den Süden abgrasen, bietet es sich vielleicht an, antizyklisch im Norden zu verweilen und darauf zu hoffen, dass einem einige der kommenden Aufträge vor die Füße fallen.

Was taugt es? Anfangs habe ich geglaubt, dass derjenige gewinnt, der als Erster an Helferkarten herankommt, und es hat einige Partien gebraucht, bis diese These endlich widerlegt wurde. Spaß gemacht hatte mir AFRICANA aber schon vorher. Vor allem die Beitrittsboni sind ein toller Mechanismus, weil sie so schöne Zwiespälte auslösen: Nur um ein paar Zehntel mehr herauszukitzeln und einen Bonus abzugreifen, ändere ich vielleicht doch noch mal meinen Plan. Und dies wiederum setzt die Mitspieler unter Druck, ihre Expeditionen beizeiten zu beenden. Könnte ja sein, dass mir der Bonus Appetit auf noch mehr gemacht hat.
Insgesamt ist AFRICANA eine stimmige Angelegenheit. Es ist ein gradliniges Taktikspiel, bei dem ich gerne mitspiele. Um es selber vorzuschlagen, fehlt mir allerdings das besondere Merkmal, was auch immer das sein soll. Vielleicht etwas mehr Emotionalität oder ein packendes Thema oder, wie man so sagt, mehr Kante.

AFRICANA von Michael Schacht für zwei bis vier Spieler, Abacusspiele.

Sonntag, 20. Mai 2012

Siberia

Burgund! Spanien! Orient! Italien! Karibik! Afrika! Und... äh, Sibirien. Spiele führen uns an die Orte unserer Träume. Und... äh, an andere Orte. In fremden Welten nehmen wir neue Identitäten an: Wir herrschen. Wir erobern. Wir schaffen Kultur. Und... äh, wir wühlen im Permafrostboden. Spielen kann so schön sein!

Wie geht SIBERIA? Wir erschließen Rohstoffe und verscherbeln sie. Der reichste Spieler gewinnt. Um die Bodenschätze zu heben, benötigen wir Arbeiter in verschiedenen Regionen Sibiriens. Je mehr Arbeiter, desto mehr Rohstoffe derselben Sorte sind mit einer Aktion zu erlangen. Zum Verkauf benötigen wir Verkäufer. Die verteilt man an verschiedenen Börsen und verkauft dort, wo es den besten Preis bringt. Mehr Verkäufer bedeuten bessere Preise.
Der Hauptmechanismus von SIBERIA beruht auf Aktionsplättchen. Pro Runde zieht jeder Spieler sechs davon aus einem Beutel. Jedes Plättchen ermöglicht zwei oder drei verschiedene Aktionen. Für eine muss man sich entscheiden und das Plättchen entsprechend auf oder neben dem eigenen Tableau platzieren. Um eine Aktion schließlich auszuführen (Rohstoffe abbauen, Arbeiter bewegen etc.), benötigt man jeweils zwei zugeordnete Plättchen, die nach Gebrauch zurück in den Beutel wandern. Das Platzieren der Plättchen geschieht simultan, ihre Aktionen führen die Spieler der Reihe nach aus. Plättchen dürfen für den kommenden Durchgang liegen bleiben.

Was passiert? Der Plättchen-Mechanismus ist das, was an SIBERIA Spaß macht, denn er fühlt sich neuartig an und er fordert heraus: Wie verteile ich meine Plättchen? Wann setze ich sie ein? Natürlich spielt das Glück eine Rolle, aber das ist eben so. Zur Spannung trägt die Ungewissheit bei, ob man seine Aktionen wie geplant durchführen kann oder ob einer der Mitspieler dazwischenfunkt und erhoffte Rohstoffe vor der Nase wegschnappt.
Auf längere Sicht haben meine Partien jedoch wenig Variabilität gezeigt: Das große Geld geht mit Gold, Diamanten und eventuell noch Öl über den Tisch. Zu Beginn konzentriert man sich deshalb gleich auf diese teuren Rohstoffe. Auch an der Börse tut sich nicht so viel. Es lohnt nicht, allzu viele Verkäufer auszusenden. Arbeiter sind dringender. SIBERIA bietet weniger Entscheidungsspielräume und ist somit leichtgewichtiger, als es zunächst den Anschein hat.
Natürlich kann man taktieren, aber manche Partien werden schlicht über das Plättchenziehen entschieden. Wer seine Arbeiter mangels entsprechender Aktions-Chips nur selten bewegen kann oder kaum Arbeiternachschub bekommt, hat es schwer.
Bei ausgeglicheneren Partien ist das Timing sehr wichtig: Schon so mancher mit großem Plättchenvorrat wurde auf dem falschen Fuß erwischt, weil ein Mitspieler überraschend früh eine der Spielende-Bedingungen auslöste.

Was taugt es? SIBERIA ist ein gelungenes und spielenswertes Spiel, aber jenseits des Plättchen-Mechanismus fühlt es sich etwas fleischlos an. Weder die Spielgeschichte lockt mich hier nachhaltig an den Tisch, noch die Hoffnung, langfristig weitere Facetten des Spiels zu entdecken. Die Plättchen-Mechanik aber finde ich so interessant, dass ich sie mir durchaus noch in einem anderen Umfeld vorstellen könnte.

SIBERIA von Reiner Stockhausen für zwei bis vier Spieler, dlp games.

Dienstag, 15. Mai 2012

Peter Spiel erklärt (3): Wiederspielreiz

Sagt neulich meine Dora zu mir: Du, Peter, Nachbar Heinz sprach die Tage vom Wiederspielreiz von FUNKENSCHLAG. Was ist das denn wohl? Dora, sag ich, das ist nicht so einfach, aber ich versuch mal, dir das zu erklären. Das ist ein bisschen wie Hustenreiz. Der hat immer einen Auslöser. Das ist hier das Spiel. Sagt Dora: Und immer, wenn ich FUNKENSCHLAG sehe, muss ich dann husten? Nein, sag ich, das ist doch im übertragenen Sinne. Spiele können einen Reiz auslösen. Unterbricht mich Dora: So wie bei Herrn Pawellek, wenn er mal wieder eine Paket voll Spiele für dich annehmen muss, weil ich gerade beim Friseur bin? Der ist dann immer so gereizt! Dora, sag ich, das ist kein Wiederspielreiz, das ist der „Wieder Spiele!“-Reiz von Herrn Pawellek. Den hat nur der. Stimmt, sagt Dora, bei Heinz oder dir sieht der Empfang eines Spielepaketes eher wie Weihnachten oder Derby-Sieg aus.

Siehst du, sag ich. Und Wiederspielreiz bedeutet, wenn ich FUNKENSCHLAG sehe, will ich das sofort spielen und dann gleich noch mal und dann immer wieder. Aber warum denn? sagt Dora. Das liegt am Spannungsbogen, sag ich. Was hat denn Spielen mit Bogenschießen zu tun? sagt Dora. Sehr viel, sage ich. Wie der Bogen gespannt wird, bin ich auf jedes neue Spiel gespannt. Besonders wenn es verspricht, spannend zu sein. Und wie ist jetzt die Verbindung von Wiederspielreiz und der Bogenspannung? sagt Dora. Nicht Bogenspannung, Spannungsbogen! sage ich. Der Wiederspielreiz hängt ab von Form und Verlauf des Spannungsbogens. Das kannste auf die eine Seite mathematisch berechnen, andererseits hintenrum aber auch fühlen.

Wie denn berechnen? sagt Dora. Ach, sag ich, weißt du, das ist so: Der Spannungsbogen darf nicht zu flach sein, muss langsam, aber allmählich ansteigen, ohne unterwegs wieder abzusinken, und muss kurz vor Toresschluss den Höhepunkt erreichen. Ach, sagt Dora, hier gibt es auch einen Höhepunkt? Ist das das mit dem Fühlen? Genau, sag ich, aber den Höhepunkt gibt es nicht bei jedem Spiel. Das hängt vom Spannungsbogen ab. Mathematisch betrachtet nennt man das „verzögerte Sinus-Kurve“.

Und damit kannst du dann den Wiederspielreiz berechnen? sagt Dora. Richtig, sage ich. Und daran, ob der Funke überspringt. Überspringender Funke? sagt Dora. Aber den gibt’s doch wohl nur bei FUNKENSCHLAG? Nein, sag ich. Jedem guten Spiel liegt ein Funke inne, den der Erfinder, der sich auch Spieleautor nennt, da hineingesetzt hat. Und der wartet nur darauf, dass er herauskrabbeln und auf die Spieler überspringen kann. Und die brennen dann für dieses Spiel. Ach so, sagt Dora. Danke, jetzt versteh ich das. Und deshalb ist Heinz bei de Freiwillige Feuerwehr? Mag sein, sag ich.

PETER SPIEL ERKLÄRT ist die Kolumne des Gastautors Peter Spiel auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN.

Zu Teil 2: Peter Spiel erklärt Familienspiel
Zu Teil 4: Peter Spiel erklärt Spielcharakter

Freitag, 11. Mai 2012

Turmbauer

Als erfahrener Rezensent weiß man, welche Spiele viele Klicks bringen werden. Solche nämlich, die schon ein bisschen in den Freakbereich hineinragen, gleichzeitig aber auch nicht zu freakig sind. „Kennerspiele“ nennt man sie.
TURMBAUER ist sicherlich kein Kennerspiel. Dass es trotzdem hier rezensiert wird, beweist eindrucksvoll, dass REZENSIONEN FÜR MILLIONEN längst nicht so eklig kommerziell ist, wie von der Allgemeinheit angenommen wird. REZENSIONEN FÜR MILLIONEN hat auch ein Herz für die großen Verlage, die in der Masse der Kleinen unterzugehen drohen.

Wie geht TURMBAUER? Wir bauen einen Turm und klettern währenddessen mit unserer Figur nach oben. Die Figur darf pro Schritt nur eine Stufe auf- oder absteigen und nur über neutrale oder Felder der eigenen Farbe gehen. Das Spiel endet, wenn alle Teile verbaut sind oder der Turm einstürzt. Normalerweise gewinnt, wer am höchsten steht. Außer er hat den Einsturz verursacht.
Damit es schön wacklig wird (allerdings bricht der Turm trotzdem fast nie zusammen), dürfen nur die in der ersten Runde gebauten Teile den Tisch berühren. Danach wird ausschließlich Holzklotz auf Holzklotz gestapelt. Außerdem sucht man sich sein Bauteil nicht frei aus. Der Würfel bestimmt zwei Formen, unter denen man wählt.

Was passiert? Das Hantieren mit den schönen Teilen und das entstehende interessante Bauwerk machen Spaß. Um TURMBAUER sympathisch zu finden, ist das bereits die halbe Miete. Die dramaturgischen Schwächen des Spiels fallen oft gar nicht auf. Die Kletterei verläuft nämlich nicht immer spannend. Einige Spieler sind früh abgeschlagen und holen das auch nicht mehr auf. Wer spät an die Reihe kommt, ist hier besonders gefährdet. Dass ein richtig schönes Wettrennen in Gang kommt, ist nach meiner Erfahrung selten.
Eine Bauregel versucht, dies zu reparieren. Sie besagt, dass niemandem sein letztes Bewegungsfeld zugemauert werden darf. Das hilft jedoch nur teilweise. Denn was nützt es, wenn ein Bewegungsfeld frei bleibt, es aber von hier aus nicht mehr weitergeht? Mehrfach erlebte ich Situationen wie diese: Die anderen Spieler sind bereits drei Etagen höher und ein armer Tropf steht auf einem Plateau unterhalb und guckt zu. Am skurrilsten aber war eine Partie, in der nach zwei Dritteln niemand mehr klettern konnte und pflichtschuldig nur noch weitergebaut wurde, um zu gucken, ob der Turm zusammenbricht.

Was taugt es? TURMBAUER sieht schöner aus, als es sich spielt. Das Laufspiel kommt oft nur so mittelmäßig in Gang. Und die Bauregeln könnten intuitiver sein. Es ergeben sich Diskussionen, was erlaubt ist und was nicht. Für mein Empfinden sind die zwei Komponenten in TURMBAUER nicht stimmig verwoben.
Nicht alle Mitspieler teilen diese kritische Sichtweise. Viele finden allein schon den Aufforderungs-Charakter des Spieles toll, und die möglichen Spitzfindigkeiten interessieren sie nicht. Ich beobachte, dass Teilnehmer meiner öffentlichen Spielerunden Spaß mit TURMBAUER haben, und ich werde ihnen das ganz gewiss nicht ausreden. Aus meiner Sicht funktioniert TURMBAUER allerdings nur, solange man das Bauen wichtiger nimmt als das Klettern.

TURMBAUER von Matt Mette für zwei bis vier Spieler, Kosmos.

Montag, 7. Mai 2012

Eine Million Interviews (7): Steffen Benndorf

Steffen Benndorf

Der Interviewte: Steffen Benndorf (37) aus dem mittelfränkischen Röthenbach an der Pegnitz kann als aufstrebender Autor bezeichnet werden. Drei seiner Spiele wurden bereits veröffentlicht, zuletzt MENSCH ÄRGERE DICH NICHT MAL ANDERS.

Der Interviewer: Udo Bartsch (43) aus dem mittelmäßigen Hannover an der Leine kann als aufstrebender Rezensent bezeichnet werden. Es sei denn, man möchte nicht lügen.


Hallo, Herr Benndorf! Ich bin tatsächlich ein bisschen aufgeregt. Sie müssen wissen, ich kriege normalerweise nur B-Promis vors Mikrofon. Aber jetzt den Erfinder von MENSCH ÄRGERE DICH NICHT. – Das ist Wahnsinn! Ich hatte Sie mir allerdings irgendwie älter vorgestellt.

Herr Bartsch, ich bin entsetzt! Nicht weil Sie es mit Ihrer Lobhudelei offensichtlich auf ein kostenloses Rezensionsexemplar abgesehen haben, sondern weil Sie soeben durch Ihre unbedachte Äußerung die Abmahnung des verantwortlichen Spieleredakteurs zu verantworten haben. Können Sie sich vorstellen, wie viel Zeit und Geld Schmidt Spiele investiert hat, um die richtige Stelle für meine vertraglich zugesicherte Namensnennung auf dem Spielecover zu bestimmen, damit man mich eben nicht für den Erfinder von MENSCH ÄRGERE DICH NICHT hält?

Häh?! Was?! Herr Benndorf, Sie müssen so reden, dass die Menschen Sie verstehen. Die Leser von REZENSIONEN FÜR MILLIONEN sind nicht allzu intelligent. Sonst würden sie ja was anderes lesen. Also: Sind Sie jetzt der Erfinder von MENSCH ÄRGERE DICH NICHT oder nicht?

Nein, ich bin nur der Erfinder von MAL ANDERS. Im Übrigen sollten Sie schleunigst aufhören, Ihre werte Leserschaft zu beleidigen. Sonst wird keiner mehr unserer Konversation folgen und Sie müssten in Zukunft wieder Ihren Besucherzähler frisieren.

Moment mal. Woher wissen Sie, dass ich meinen Besu... (stutzt) Äh, Sie sagen, Sie sind der Erfinder von MAL ANDERS. – Sind Sie also Reiner Knizia?

Nein, aber wussten Sie, dass sich mein Ex-Arbeitskollege damals bei einer Bank beworben hat, wo Reiner Knizia was zu sagen hatte, und abgelehnt wurde? In meinen Augen ein Skandal! Wobei Herr Knizia damals Weitblick bewiesen hat. Jener Kollege hat nie ein gutes Wort an meinen Spielideen gelassen. Außerdem ist er der Meinung, man könnte jedes Kartenspiel auch mit einem stinknormalen Romméblatt realisieren! Und dass ständig neue Spiele auf den Markt geworfen werden, sei nur der Profitgier der Verlage und solcher Menschen wie mir und Herrn Knizia geschuldet! Herr Bartsch, sagen Sie doch was!

Ich finde, wer etwas gegen Profitgier hat, ist bei einer Bank tatsächlich falsch. Ich hätte den Mann auch nicht eingestellt. Aber Herr Benndorf, Sie lenken von sich ab. Ich habe mittlerweile den Eindruck gewonnen, Sie sind kein bisschen prominent! Warum interviewe ich Sie überhaupt?

Ja, was weiß denn ich? Sie sind Visionär und glauben an mich? Sie haben noch freien Webspace, den Sie auf keinen Fall verfallen lassen wollen? Sie sind jung und brauchen das Geld? Oder... oder ist MENSCH ÄRGERE DICH NICHT gar Ihr Lieblingsspiel?

Auf keinen Fall! Ich habe riesige Probleme mit dem Rauswerfen. Dass das so einfach geht, finde ich total unmöglich! Wenn die Figuren wenigstens kleine Miniaturwaffen hätten – Baseball-Schläger, Pfefferspray, Laserschwert – dann wäre alles viel logischer und ich könnte tiefer in die Spielgeschichte eintauchen.
Also: Antwort c ist richtig. Ich bin jung und brauche Geld. Zahlen Sie bar? Ich nehme auch Sachwerte: Zahngold, Antiquitäten, Micky Maus-Hefte.

Ich könnte in Briefmarken zahlen. Die müssten Sie nur von meiner Fanpost ablösen, aber das sollte kein Problem darstellen, oder? Alternativ wären noch Antiquitäten möglich. Ich horte schon seit Jahren hunderte Exemplare von WÜRFEL EXPRESS, die könnte ich Ihnen anbieten. Mit ein paar netten Worten der Wertschätzung könnten Sie hier selbst eine gigantische Wertsteigerung erzielen. Ich müsste die Ware allerdings liefern lassen, weil ich Ihren Rat befolgt und die Spiele nicht gleich mitgebracht habe. Wie viele Paletten nehmen Sie?

Ach du je! Und ich dachte, etwas Schlimmeres, als von Herrn Menzels Hund angefallen zu werden, könnte mir nicht mehr passieren.
Wechseln wir das Thema: FIESE 15, ein weiteres Würfelspiel von Ihnen. Oder zumindest hat Schmidt wieder Ihren Namen draufgeschrieben und der Redakteur wird jetzt abgemahnt. Ich kenne die Wilde 13 von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer. Ist FIESE 15 so ähnlich, nur noch fieser und zwei mehr?

FIESE 15 ist eher wie 17 und 4 minus 6 mit Würfeln. Das Spiel hatte ich anfangs unter dem Namen HUNDSGEMEINE HUNDERT vorgestellt. Das Spielmaterial bestand aus 40 Würfeln in putzigen Pastellfarben und geschätzten drei Millionen Aufgabenplättchen für stundenlangen Spielspaß. Die HUNDERT stand dabei sowohl für die machbare Maximalpunktzahl pro Plättchen als auch für das genormte Gesamtgewicht des Spielmaterials. Die Spielverpackung sollte ein handelsüblicher Hartschalenkoffer sein, in dem man auch unverzollte Urlaubspräsente hätte schmuggeln können. Der Verlag wünschte sich letztendlich aber ein leichteres Spiel mit einfacherem Zugang.

FIESE 15, HUNDSGEMEINE HUNDERT... Das sind ja lauter Titel mit Alliterationen! Sie denken wohl, ich merke das nicht, was? Aber ich warne Sie: Ich hatte die Idee zuerst! Herr Stadler ist mein Zeuge.
Mögen Sie zum Abschluss vielleicht noch versehentlich etwas über Ihre zukünftigen Projekte ausplaudern, damit ich meine Anwälte gleich auf die richtige Fährte setzen kann?

Ich sage nur, Würfel pflastern meinen Weg. Apropos „Weg“: Ich muss dann mal dringend wieder los. Mit Ihren albernen Anwälten haben Sie mir jetzt doch ein wenig Angst eingejagt. Herr Stadler erscheint mir als Zeuge Ihrer Alliterationsphantasien zwar wenig glaubhaft, aber man kann ja nie wissen. Sie haben nicht zufällig seine Telefonnummer? Oder singt er noch immer im Nebenraum?

Nein, was Sie da gerade hören, ist der Schrei-Therapeut meines Zwergkaninchens. Seit Herr Stadler meinem Hasi das Taschengeld abgezockt hat, ist Hasi etwas depressiv geworden und muss wieder lernen, mehr aus sich herauszugehen. Apropos „herausgehen“: Die Tür finden Sie selbst?!
Vielen Dank noch für das Gespräch, und wenn Sie mal reich und berühmt sind und nicht wissen, wohin mit Ihrem Zahngold, können Sie sich gerne wieder melden.

Donnerstag, 3. Mai 2012

K2

Wenn ich höre, dass jemand sein Hobby zu einem Spiel verarbeitet hat, halte ich im Regelfall viel Sicherheitsabstand. Oft entstehen in völliger Unkenntnis des Marktes die schrecklichsten Dinge, begleitet durch die höchsten Erwartungen des stolzen Autors.
K2 ist eine tolle Ausnahme.

Wie geht K2? Wir besteigen den zweithöchsten Berg der Welt. Jeder Spieler führt zwei Figuren. Je näher sie dem Gipfel kommen, desto mehr Punkte zählte das. Allerdings nur wenn sie bei Spielende noch leben. Und das ist nicht garantiert. Der K2 ist kein Touristenhügel.
Für jeden Bergsteiger wird die Fitness auf einer Skala festgehalten und darf nicht auf Null sinken. Auf einigen Feldern (weiter unten am Berg) steigt die Fitness einer Figur, weiter oben verursachen die Felder Abzüge. Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet das Wetter. Für mehrere Runden im Voraus steht fest, in welchen Regionen es außergewöhnlich kalt wird. Dort sind die Abzüge dann noch höher, und manchmal erschwert das Wetter auch die Fortbewegung.
Gesteuert werden die Bergsteiger mit Karten. Sie zeigen entweder Bewegungs- oder Fitnesspunkte. Die Spieler besitzen identische Kartensätze. Jeder hat sechs seiner Karten auf der Hand, wählt davon geheim drei und legt drei für den nächsten Zug beiseite. Reihum machen die Spieler anschließend ihre Züge und ordnen dabei jeder Karte eine Figur zu. Zu den beiseite gelegten drei Karten gibt es wieder drei dazu, drei wählt man aus, drei legt man beiseite, und dieser Ablauf dann insgesamt 18 Mal.

Was passiert? In der ersten Partie ist man ziemlich überrascht, wie schnell am Berg gestorben wird. Obwohl viele Fakten offen liegen, gibt es drei wesentliche Unsicherheitsfaktoren: 1. Wer die Karten mit der höchsten Zahlensumme gewählt hat, muss einen Risikomarker nehmen, was zur Folge hat, dass er bis zu zwei Punkte von seinen Karten wieder abziehen muss. Wen es trifft, erfährt man erst beim Aufdecken der Karten. 2. Auf dem Gipfel überlebt man nicht lange, also muss man auch wieder zurück. Ob das nun wie erhofft gelingt, hängt von den nachgezogenen Karten ab. Und von den Mitspielern. Denn: 3. Je höher man kommt, desto weniger Figuren passen auf ein Feld. Mancher erfriert auf dem Gipfel, weil der Abstieg zufällig oder absichtlich blockiert ist.
Wer immer nur auf Sicherheit spielt, wird selten gewinnen. Das Dumme ist: Risiko kann ganz schnell das Leben kosten.

Was taugt es? Die Bergsteiger-Atmosphäre, die Grafiken und vor allem die einfachen Mittel, mit denen reale Begebenheiten stimmig simuliert werden, imponieren mir an diesem Spiel sehr. Allerdings finde ich das Laufspiel an sich nicht überdurchschnittlich. Drei Mal spielt jeder seinen Kartensatz durch. Der erste Durchlauf ist ein gemächlicher Aufgalopp; im zweiten und noch mehr im dritten Durchlauf sind die Gegebenheiten oft so zugespitzt, dass die Kartenhand den nächsten Zug diktiert.
Wer eine gelungene Themeneinbindung für noch wichtiger als den Mechanismus hält, mag zu einem besseren Gesamturteil gelangen. K2 bildet die Langsamkeit und die Gefährlichkeit eines solchen Unternehmens ab. Und am Gipfel anzukommen, bedeutet hier noch lange nicht das Happy-End.

K2 von Adam Kaluza für einen bis fünf Spieler, Rebel / Heidelberger Spieleverlag.