Apropos Einleitung: Wie gelingt es Autorinnen und Autoren immer wieder, etwas Neues zu erschaffen, selbst in vermeintlich ausgeschöpften Genres? Geht doch gar nicht.
Wie geht SKULL QUEEN? SKULL QUEEN gehört zu den Stichvorhersagespielen, einem ausgeschöpften Genre. Allerdings sage ich meine erwartete Stichzahl nur so ungefähr an. Dazu analysiere ich mein Blatt und stelle meine vier farbigen Piratenfiguren auf Felder meiner fünf Felder lange Planke. Die Figurenfarben entsprechen den Kartenfarben. Spiele ich die höchste grüne Karte in einen grünen Stich, klettert mein grüner Pirat ein Feld nach oben. Spiele ich die niedrigste grüne Karte, geht der Pirat nach unten.
Ob es das ist, was ich wollte, hängt von der Plankenseite ab, die ich gewählt habe. Am Ende zählen die Piraten Punkte entsprechend der Zahl neben ihrem Feld. Auf der einen Plankenseite verlaufen die Zahlen aufsteigend von eins bis acht. Da finde ich es also gut, wenn meine Piraten klettern. Auf der anderen Seite ist es umgekehrt. Auf keiner der beiden Plankenseiten möchte ich über das Plankenende hinauslaufen: Der Pirat fällt dann runter und zählt null Punkte.
Was passiert? Natürlich möchte ich in jeder Farbe acht Punkte gewinnen – andererseits geht in Stichspielen ja auch immer mal was schief. Vielleicht agiere ich deshalb lieber vorsichtig und gebe mich auch mit fünf Punkten als dem zweitbesten Ergebnis zufrieden, was ja immer noch viel besser ist, als von der Planke zu plumpsen.
Diese Abwägung stelle ich nicht nur in der Vorhersagephase an, sondern auch in der Stichphase, falls ich zwischen mehreren Karten wählen kann: Gehe ich dann hoch oder tief ran oder bleibe ich in der Mitte und mein Pirat bewegt sich nicht? Bestimmte Karten im Stich verursachen, dass Stichgewinner:in und / oder Stichverlierer:in zwei Schritte statt einem gehen müssen. Da fällt so manche:r herein und über die Planke.
Zumal noch ein weiterer Regeldreh hinzukommt: Auch Piraten von nicht angespielten Farben werden möglicherweise in Bewegung gesetzt, und zwar immer dann, wenn von einer Farbe mindestens zwei Karten (also eine höchste und eine niedrigste) im Stich landen. Trotz Bedienzwang ist das ein weiterer Unsicherheitsfaktor. Und er kommt häufiger zum Tragen, als man denken könnte. Farben, von denen nur eine Karte gefallen ist, bleiben solange für spätere Stiche liegen, bis es irgendwann zwei dieser Farbe sind.
Das kann ich auch taktisch nutzen, indem ich quasi mit mir selbst einen Stich spiele: Gelb wird angespielt, ich habe kein Gelb und werfe als Einziger Rot rein. Meine Karte bleibt liegen. Wieder wird Gelb gezogen, ich spiele wieder Rot. Schwupp, ist ein ordnungsgemäßer Stich auch in Rot beisammen, und mein roter Pirat setzt sich in Bewegung.
Was taugt es? SKULL QUEEN ist ein anspruchsvolles Stichspiel. Manchen Runden bereitet es Schwierigkeiten, die Denke des Spiels zu verstehen und die Stiche korrekt auszuwerten. Eins, zwei Beispiele mehr in der Anleitung wären gut gewesen. SKULL QUEEN hat einen deutlich anderen Charakter als das unbeschwertere SKULL KING, auf das es im Titel offenbar anspielt.
Ich wollte erst schreiben: „als das lustigere SKULL KING“. Aber das wäre gar nicht treffend gewesen, denn lustig ist SKULL QUEEN auch. Wenngleich der Witz weniger auf Überraschung und mehr auf Schadenfreude und Gemeinheit beruht. Denn es ist doch immer wieder spaßig, wenn anderen die Piraten von der Planke purzeln. Oder? Und noch spaßiger, wenn man geschubst hat. Harharhar.
Wer Stichspiele gut beherrscht, wird besser abschneiden. Die Planungssicherheit geht dank unerwarteter Wendungen dennoch nicht zu weit. Die originellen Ideen von SKULL QUEEN erfordern mein stetiges Mitdenken und hier und da auch ein Umdenken. Triumph und Ärger liegen nah beieinander. Genau genommen ist es nur ein winziger Schritt auf der Planke. Ohnehin ist die Planke eine sehr gute Idee, um die an sich abstrakten Stichvorhersagen in etwas Konkretes und Emotionales umzuwandeln.
Für mein Empfinden hat SKULL QUEEN bislang nicht die verdiente Aufmerksamkeit bekommen. Ich halte es für eines der stärksten Kartenspiele der Saison. Am liebsten spiele ich es zu viert oder zu fünft. Die Tiefe von SKULL QUEEN und die recht große Unabhängigkeit von vermeintlich guten oder schlechten Blättern offenbaren sich allerdings erst, wenn man dem Spiel (und der Spielerunde) Zeit gibt.
Sich für eine zu spielende Karte zu entscheiden, kann schon ein bisschen dauern. Dafür trifft man aber auch echte Entscheidungen, die sich auswirken. Die Spielsituationen sind nicht trivial. Auch jede Stichauswertung erfordert immer ein bisschen Handling. SKULL QUEEN ist kein schnell runtergespieltes Kartengedresche. Die auf der Schachtel angekündigte Spieldauer von 30 Minuten wird bei vier oder gar mehr Personen üblicherweise überboten.
***** reizvoll
SKULL QUEEN von Stefan Dorra für zwei bis sechs Spieler:innen, Schmidt.
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