Freitag, 15. August 2025

Wundersame Wesen

Wundersame Wesen: Cover

Um die Spielgeschichte feiern zu können, die davon erzählt, dass wir auf einer neu entdeckten Insel außergewöhnliche Tierwesen finden und sie freundlicherweise … ähm, „in unser Reservat aufnehmen“, fehlt es mir offenbar an Fantasie. Was wenig überrascht, denn für Einleitungen fehlt sie ja auch.

Wie geht WUNDERSAME WESEN? Wir wollen Wesenskarten ausspielen. Dafür brauchen wir 1. Wesenskarten und 2. die erforderlichen Rohstoffe, um das Ausspielen zu bezahlen. Ressourcen erhalten wir auf dem Inselspielplan. Mein Zug könnte darin bestehen, eine meiner drei Figuren einzusetzen und Ressourcen zu kassieren.
Was und wie viel, hängt davon ab, wie viele Ertragsfelder sich direkt neben dem Einsatzort meiner Figur befinden. Üblicherweise sind das zwei bis drei, später im Spiel auch vier. Zeigt das Ertragsfeld etwa eine Frucht, darf ich mir entweder den Rohstoff Frucht nehmen oder eine Karte aus dem Markt, die ein Fruchtsymbol zeigt – sofern dort solche Karten ausliegen.
Ein Alternativzug wäre, bis zu zwei Wesenskarten von meiner Hand auszuspielen. Das bringt Sofort- oder Dauer- oder Endwertungs- oder andere Effekte. Und das mache ich, um vorgegebene Ziele zu erreichen. Beispielsweise will ich mit meinen Wesen (und Eiern) viele rote Symbole sammeln oder insgesamt mindestens 14 Karten vor mir liegen haben oder … oder. Sieben unterschiedliche Zielvorgaben sind im Spiel. Habe ich eine erreicht, darf ich als Zugmöglichkeit Nummer drei dies offiziell bekanntgeben und meine Belohnung einkassieren.

Wundersame Wesen: Spielplan

Und Variante vier ist, dass ich meine drei Figuren vom Spielplan zurückhole. Das ist eher unbeliebt, aber irgendwann muss ich es tun. Und falls ich Karten ausgespielt habe, die in genau dieser Situation aktiviert werden, ist es plötzlich doch gar nicht mehr so unattraktiv.
WUNDERSAME WESEN ist ein Wettrennen. Je später ich ein Ziel erfülle, desto weniger Punkte bringt es. Und nach einer bestimmten Menge erfüllter Ziele und Figuren-Rückholungen endet die Partie. Punkte bringen im Wesentlichen die Ziele und die ausgespielten Karten.

Was passiert? Die Wesenskarten und ihre Boni sind der Kern von WUNDERSAME WESEN. Obwohl ich einerseits schnell sein und viele Karten rausballern möchte, will ich zugleich auch solche spielen, die gut harmonieren und im Bestfall denselben Vorgang mehrfach belohnen (den ich dann möglichst immer wieder initiiere) oder eine Belohnungskette auslösen: Wenn ich X mache, darf ich Y machen, wenn ich Y mache, kriege ich Z.

Wundersame Wesen: Karten

Ich habe also Handkarten und sehe, was es kostet, sie auszuspielen. Und suche mir, um diese Rohstoffe zu erhalten, geeignete Felder auf dem Spielplan, um mich dort zu platzieren. Verkompliziert wird dieser überschaubare Ablauf durch etliche Details. Freie Aktionen darf ich zusätzlich ausführen, am häufigsten werde ich „keschern“: Unter Abgabe eines Keschers führe ich den speziellen Kescher-Effekt eines Nachbarfeldes aus oder sammle Eier vom Spielplan ein.
Eier wiederum platziere ich auf meinem Tableau, wo sie sofort weitere kleine Effekte verursachen. Manchmal erhalte ich einfach nur Punkte. Aber selbst das Voranschreiten auf der Punkteskala kann Dinge lostreten, etwa erhalte ich einen Kescher und komme ins Grübeln, ob und wo ich ihn einsetzen möchte. Oder ich darf ein neues Landschaftsfeld platzieren. Aber welches? Und wo?
Am meisten gefordert und teilweise auch überfordert waren meine Mitspieler:innen durch die Kartenvielfalt. Der Kartenmarkt hat eine merkliche Fluktuation, und weil ich bei jedem Ertragsfeld zwischen Rohstoff und Karte wählen darf und überdies sowohl Eier als auch Kescher-Effekte als auch andere Dinge mir erlauben, Karten vom Markt zu nehmen, muss ich mich immer wieder orientieren, was dort frisch reingekommen ist.
Zwar sind die Fähigkeiten der Karten auch grafisch veranschaulicht, allerdings habe ich beobachtet, dass die Symbolsprache den Mitspieler:innen erst nach mehreren Partien hilft. Die Folge: Man liest den schwer zu entziffernden Text. Und weil für manche am Tisch die Karten zwangsläufig verkehrt herum oder zu weit entfernt liegen, muss man dazu aufstehen oder die Karten in die Hand nehmen …
Man ahnt sicher, worauf ich hinauswill: Die Wartezeiten in WUNDERSAME WESEN habe ich teilweise als arg empfunden. Oft kann ich während des Wartens nur wenig planen, weil ich nicht weiß, welche Felder auf dem Spielplan bis zu meinem Zug besetzt sein werden und welche Karten in den Markt kommen. Ich halte dann also später genauso den Laden auf. Und falls ich doch schon weiß, was ich tun werde, fühlt sich das nicht unbedingt besser an. Zack! Ich mache meinen Zug in wenigen Sekunden und muss danach wieder … warten.


Wundersame Wesen: Tableau

Was taugt es? Wartezeiten sind zweifellos auch immer ein Problem, das von den Mitspieler:innen selbst verursacht wird. Auch Stau auf der Autobahn kann es ja nur geben, weil wir ihn selbst bilden. Aber so wie ein Stau üblicherweise einen Auslöser hat, provozieren auch bestimmte Mechanismen Wartezeiten: Nebenaktionen beispielsweise, Kettenzüge und vor allem komplexe Kettenzüge wie in WUNDERSAME WESEN, die nicht nur darin bestehen, wie bei GANZ SCHÖN CLEVER peng, peng, peng hier ein Kreuz und da noch ein Kreuz zu setzen, sondern in irgendwelchen Zwischenschritten neue Entscheidungen verlangen, auf die man nicht vorbereitet war.
So manches in WUNDERSAME WESEN empfinde ich als unnötiges Brimborium, etwa dass die Figuren zwei Felder groß sind und somit acht statt sechs Nachbarfelder haben (es sieht vor allem cooler aus). Oder dass ich einer der Figuren unter bestimmten Voraussetzungen eine Reiter:in aufsetzen darf, die dann kleine Sonderfähigkeiten besitzt (und vor allem cool aussieht). Oder dass die Landschaft während der Partie mit zusätzlichen Plättchen noch ein bisschen aufgepeppt wird (statt cooler auszusehen bringt das noch mehr Symbole ins Spiel, die erklärt werden müssen).
Zum Glück gibt es auch einiges auf der Habenseite: Das Wettrennen ist sehr spannend. Ich muss gut haushalten und optimieren, es kommt auf jeden Spielzug an. Was ich tue, ist relevant. Es ist zwar Zufall, ob passende Karten in den Markt kommen. Es ist aber Können, sie zu erkennen und mit dem richtigen Timing auszuspielen.
Ich kann tolle Karten-Kombinationen sammeln, die sich von Partie zu Partie nicht so schnell wiederholen. Und wenn sie schöne Kaskadeneffekte ergeben, fühlt sich das – zumindest für mich, der davon profitiert – gut an.
WUNDERSAME WESEN sieht toll aus und hat viele meine Mitspieler:innen schon allein deshalb verzaubert. Die Anleitung ist sehr gut gemacht. Der Teil zum Nachschlagen klärt aufkommende Zweifelsfälle höchst zuverlässig. Kurzum: Es ist ein gutes Spiel. Aber ich glaube, mit Streamlining hätte es mein Herz mehr erobert als mit Gedöns.


**** solide

WUNDERSAME WESEN von C. W. Yeom für eine:n bis vier Spieler:innen, Strohmann Games.

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