Rezensent:innen sagt man eine Abstaubementalität nach. Es würde erklären, warum ich dieses Spiel mag.
Wie geht ABGESTAUBT? Die Ähnlichkeit mit dem nahezu zeitgleich im selben Verlag erschienenen FLIP 7 ist verblüffend: Auch in ABGESTAUBT decken wir Zahlenkarten auf. Auch in ABGESTAUBT zählen sie Punkte entsprechend ihrer Zahl. Sobald ich eine Zahl aufdecke, die schon vor mir liegt, verliere ich alles. Deshalb sollte ich rechtzeitig vorher aufhören. Die Frage ist nur: Wann?
Anders als in FLIP 7 spielen wir nacheinander. Jede:r zieht solange, bis sie aufhört oder scheitert. Erst dann ist die nächste Person dran. Es gibt also auch nicht die reihum wechselnde Person, die die Karten verteilt und vielleicht ihre Opfer zu überhöhtem Risiko hinquatscht („Na los, eine geht noch!“). Es gibt auch keine Sonderkarten. Und die Zahlenkarten haben eine deutlich andere Häufigkeitsverteilung.
Der größte Unterschied: In ABGESTAUBT sacken wir unsere Beute nicht gleich ein, sobald wir mit dem Aufdecken fertig sind. Die Karten bleiben noch eine Runde lang liegen. Sie gehören mir erst dann, wenn ich wieder an den Zug komme (und sie noch da sind).
Denn wir beklauen einander. Decke ich eine Zahl auf, sagen wir die Acht, die schon vor irgendwem liegt, darf ich auch diese Acht nehmen und habe nun zwei. Und natürlich kommt es vor, dass irgendwer später ebenfalls eine Acht zieht, mir meine Achten wegnimmt und nun schon drei hat. So entstehen teils große Pötte, die zwischen den Spieler:innen hin- und herwandern, bis sie dann endlich jemand einsackt – oder dummerweise doch noch eine Acht aus der Mitte aufdeckt und alles abgeben muss.
Was passiert? Sehr Ähnliches wie in FLIP 7. ABGESTAUBT ist ein Glücksspiel. Der zugrunde liegende Zock (Beute sichern? Oder immer mehr wollen – und eventuell scheitern?) wird nicht zum ersten Mal spielerisch ausgetragen. Man kennt dieses CAN’T STOP-Prinzip spätestens seit CAN’T STOP.
ABGESTAUBT bricht wie auch FLIP 7 das Dilemma noch weiter herunter. Jetzt muss man nicht mal mehr würfeln und Zahlen kombinieren. Die Frage ist lediglich: Karte ja oder nein? Ob das Spaß macht, hängt zweifellos mit der Gruppe zusammen, die da gemeinsam am Tisch sitzt: ob alle bereit sind, sich so sehr dem Zufall zu überlassen. Ob sie Schadenfreude empfinden, wenn andere zu gierig sind oder Pech haben. Und ob sie den Frust wegstecken können, falls sie beklaut werden oder schon nach vier Karten raus sind.
Was taugt es? Spiele mit sehr, sehr ähnlichem Mechanismus hat Reiner Knizia auch bereits vor ABGESTAUBT veröffentlicht, zum Beispiel FAMILY INC. (Piatnik, 2021). Dennoch drängt sich wegen der zeitlichen Nähe vor allem der Vergleich mit FLIP 7 auf.
Für mich endet er unentschieden. Beide Spiele sind gut. An ABGESTAUBT mag ich besonders das Klauen. Obwohl wir nacheinander an die Reihe kommen und ich länger nichts zu tun habe, bange ich auch bei den Spielzügen der anderen mit. Ich zittere um meinen Besitz. Außerdem verleitet mich die Aussicht, irgendwo fünf Neunen abstauben zu können, vielleicht dazu, noch mehr zu zocken, als es eigentlich vertretbar wäre.
Auch FLIP 7 enthält Interaktion – durch die Sonderkarten. Und auch in FLIP 7 lasse ich mich durch äußere Umstände höhertreiben: Wenn meine Konkurrent:in eine weitere Karte nimmt und überlebt, dann will ich auch noch eine!
FLIP 7 finde ich schöner gestaltet. Das Spiel hat Kasino-Atmosphäre, während mich die Staubfusselthematik von ABGESTAUBT nicht wirklich reinzieht. FLIP 7 hat auch eine etwas größere Range, wie viele Personen gut mitspielen können. Bei ABGESTAUBT wird zu dritt eher zu selten und zu sechst eher zu häufig geklaut. Aber das sind winzige Nuancen. Beide Spiele bleiben für mich vom Jahrgang 2024/25 übrig.
***** reizvoll
ABGESTAUBT! von Reiner Knizia für zwei bis sechs Spieler:innen, Kosmos.


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