Mittwoch, 8. Oktober 2025

Vor 20 Jahren (154): Caylus

Caylus: Cover

Alle paar Jahre gibt es auf der Messe Spiel in Essen DAS eine Spiel der Messe: den unangefochtenen großen Hype, den alle spielen und kaufen wollen. 2005 war dies: CAYLUS. Es war das erste veröffentliche Spiel des Franzosen William Attia, und so sehr viele weitere sind seitdem auch gar nicht hinzugekommen.

CAYLUS assoziiert man heute mit Worker Placement. Das Spiel kann vielleicht nicht für sich beanspruchen, das Worker Placement aufgebracht zu haben (was das angeht, wird häufig KEYDOM (1998) von Richard Breese genannt; 2000 in abgewandelter Form als MORGENLAND erschienen). Aber durch CAYLUS verbreitete sich der Mechanismus und bekam in der Folge auch seinen Namen.

Dramatische Pause.

Denn: Den Gedanken, dass wir bis vor 20 Jahren quasi kein Worker Placement hatten, muss man erst mal an sich heranlassen. Es klingt zu verrückt. Aber vor 20 Jahren hatten wir tatsächlich auch noch keinen Deckbau. Vielleicht habe ich das zwei- oder dreimal schon erwähnt: Wir hatten damals nichts!

Warum wir trotz allem überhaupt Spiele-Fans waren? Nun ja, zum Glück gab und gibt es auch andere schöne Mechanismen. Und zum Glück ist man leibhaftig dabei, wenn neue Mechanismen aufkommen und in späteren Spielen weiterentwickelt werden.

So geschah es natürlich auch mit Worker Placement. 2007 kam AGRICOLA und verdrängte (für meine Begriffe) CAYLUS vom Thron, indem es vieles noch ein bisschen besser machte. Nachdem es AGRICOLA gab, spielte ich erst mal nur noch AGRICOLA. Aber ohne CAYLUS wäre AGRICOLA nicht möglich gewesen.

In AGRICOLA starten wir mit nur zwei Figuren, während wir in CAYLUS von Beginn an schon alle sechs haben. Die Variation besteht also darin, dass wir weitere Figuren erst erwerben müssen. Auf andere Weise wurde Worker Placement in anderen Spielen verändert: indem die Figuren unterschiedliche Werte oder Funktionen besitzen oder im Laufe der Partie annehmen, indem sie einander von Feldern verdrängen, indem sie nicht einzeln, sondern in Gruppen eingesetzt werden und so weiter.

2005 hätte ich diese Entwicklung nicht geahnt, zumal ich mir solche Fragen auch gar nicht stellte. Als Spieler erfreue ich mich an dem, was da ist. Was zukünftig noch daraus werden könnte, beschäftigt mich nicht. Gewiss denken Autor:innen da anders. Zum Glück.

Was mich an CAYLUS am meisten gereizt hat, war – wenn ich mich richtig erinnere – ohnehin gar nicht das Worker Placement als solches, sondern damit verbunden der variabel wachsende Spielplan. Das Spiel startet mit vorgegebenen Aktionsorten (Gebäuden). Indem wir weitere Gebäude bauen, erschaffen wir weitere Einsatzorte für sowohl eigene als auch fremde Figuren.

Im Rahmen der Gegebenheiten gestalten wir selbst, wie sich unser Spielbrett entwickelt, welche Produktionslinien ins Spiel kommen und wann. Ich mag das: nicht nur wie im Legespiel etwas zu legen, sondern darauf auch noch weiterzuspielen. Und ich mag das Wechselspiel aus Gemein- und Eigennutz. Ich will Gebäude in die Stadt setzen, die mir weiterhelfen. Aber ich muss einkalkulieren, dass auch andere davon profitieren werden.

CAYLUS erhielt weltweit sehr viele Preise und Nominierungen. In Deutschland gewann es mit großem Vorsprung den Deutschen Spielepreis 2006, die Jury Spiel des Jahres verlieh ihm den Sonderpreis Komplexes Spiel. Heute belegt CAYLUS im Ranking von boardgamegeek immerhin noch Platz 131. Das ist sehr respektabel. Sofern ich mich nicht verzählt habe, liegen nur sechs ältere Spiele vor CAYLUS, nämlich CROKINOLE, PUERTO RICO, FUNKENSCHLAG, EL GRANDE, RA und EUPHRAT & TIGRIS.


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