Den Zusammenhang zwischen Regenwald und Einleitungen hatte ich gerade erst vor vier Tagen herausgearbeitet. Ich denke, ich muss es nicht noch mal wiederholen.
Wie geht LIFE OF THE AMAZONIA? Erneut bauen wir ein Stück Regenwald mit Tieren darin. Und vor allem die Tiere sind es, die in LIFE OF THE AMAZONIA Punkte zählen. Jedes der acht Tiere hat seine eigenen Bedingungen. Der Laubfrosch will eine private Wasserpflanze neben sich haben, dann zählt er vier Punkte. Der Ara zählt bis zu elf Punkte, abhängig von der Anzahl Bäume in seinem Wald-Lebensraum.
Der Ara ist folglich auch teurer und kostet sechs Obst- und zwei Blattressourcen, den Frosch gibt es schon für dreimal Obst und einmal Wasser. Welche Ressourcen mir für den kommenden Zug zur Verfügung stehen, erfahre ich schon am Ende des vorherigen Zuges. Dann nämlich ziehe ich fünf Ressourcenchips aus meinem Beutel. Neben Obst, Blatt und Wasser gibt es noch Münzressourcen. Und jede dieser Ressourcen gibt es in Werten von bis zu vier. Höhere Ressourcen sind natürlich toller. Einen Ara könnte ich mit fünf Chips gar nicht bezahlen, wären alle meine Ressourcen nur Einer.
Bin ich am Zug, investiere ich also meine gezogenen Chips: für Tiere, für weitere Landschaftsplatten, für Bäume, für Wasserblumen. Und auch für zusätzliche und bessere Chips. Um die zu kaufen, benötige ich Münzressourcen. Alles, was ich benutze und was ich kaufe, kommt zunächst auf einen Ablagehaufen (mein Boot), und ist mein Beutel leer, fülle ich ihn mit dem Inhalt meines Bootes wieder auf. Das ist ganz klassisches, an DOMINION angelehntes Deckbuilding, das man ebenso gut mit Karten statt mit Chips und Sack hätte umsetzen können.
Vor allem aber ist LIFE OF THE AMAZONIA ein Puzzlespiel. Viele Tiere möchten gern in großen Lebensräumen (Wald, Sumpf, Fluss) sein. Also will ich mit den Landschaftsplatten große gleichfarbige Flächen bilden; zwangsläufig werden aber auch immer wieder kleine entstehen. Ich will die Tiere in bestimmten Mustern platzieren (neben einem oder mehreren Bäumen, neben vielen anderen Tieren und so weiter), und nicht immer geben die Untergründe diese Muster her. Ein Baum etwa gehört in einen Wald. Und ist dort, wo er am besten aufgehoben wäre, Sumpf, wird das schon mal nichts.
Einige Felder geben auch, sobald mit Tier oder Pflanze bebaut, einen Bonus (ich darf sofort einen weiteren Chip ziehen, ich darf einen Chip entsorgen und so weiter). Und weil ich auf diesen Bonus scharf bin, bebaue ich das Feld vielleicht, obwohl für mein angestrebtes Muster das Nachbarfeld eigentlich besser wäre.
Was passiert? LIFE OF THE AMAZONIA ist ein Wettrennen – obwohl man das angesichts der Spieldauer vielleicht erst gegen Ende bemerkt. Alle Tiersorten sind begrenzt. Sind fünf der acht Sorten ausverkauft, endet die Partie. Konzentriere ich mich zu sehr darauf, meine Chips aufzuwerten und alle Details zu optimieren, lasse ich mir womöglich zu viele Tiere und damit auch Punkte durch die Lappen gehen.
Das Puzzle ist bereits in der Basisversion herausfordernd. Wählt man für die Partie komplexere Tier-Wertungsmöglichkeiten (pro Tier existieren vier Varianten), wird es noch tückischer. Man kann klare Fehler machen; und um solche zu vermeiden, überlegen manche Personen besonders lange. Zwar könnte man anhand der gezogenen Chips seinen Zug eigentlich vorausplanen, aber nicht jede:r tut das. Außerdem ergeben sich mittendrin manchmal neue Optionen, die ich gar nicht vorher zu Ende denken kann.
LIFE OF THE AMAZONIA dauert unbestritten lange. Die angegebene Maximaldauer von 150 Minuten wurde in meinen Viererrunden schon überschritten. Das muss aber nicht schlimm sein. Die Frage ist ja: Macht es denn in der gesamten Zeit Spaß oder zieht es sich? Und der Aufbau-Charakter macht Spaß! Ich fange mit miesen Chips und kleinen Tieren an und entwickle mich langsam weiter. Ich spüre den Fortschritt, aber er fällt mir nicht in den Schoß; echter Fortschritt dauert eben.
Andererseits gibt es in LIFE OF THE AMAZONIA auch ein spielverlängerndes Element, das für meine Begriffe wenig zusätzliche Spannung, sondern überwiegend zusätzliche Komplexität erzeugt: Mit Wasserressourcen kann ich Karten kaufen, die teils Soforteffekte, teils Schlusswertungen bringen.
Die Zeit, die insgesamt damit verbracht wird, das wechselnde Kartenangebot zu analysieren oder zu überlegen, welche zwei der sechs Karten man austauschen möchte, sobald man das mal wieder darf, ist für meine Begriffe eher unnötig verbrachte Zeit. Klar, ich sehe ein: Für die Ressource Wasser hätte es ohne diese Karten im Spiel nicht genügend Verwendung gegeben. Die designerische Idee zur Lösung dieses Problems überzeugt mich trotzdem nicht.
Was taugt es? Obwohl ich großer Deckbau-Fan bin, ist es nicht der Deckbau, der mich in LIFE OF THE AMAZONIA so sehr fasziniert. Denn anders als man (oder nur ich?) es erwarten würde, liefert das Spiel keine Anreize, um das Deck mal irgendwie anders bauen zu wollen. Ich habe eine klare Vorstellung davon, wie mein Chipvorrat am Ende der Partie aussehen soll, und es ist jedes Mal gleich. Die Frage ist allenfalls, wie gut ich es hinkriege und wie viel Tempo ich dabei verliere.
Toll aber sind das Wettrennen auf die Tiere und die Landschaftspuzzelei. Hier gibt es nicht nur reichlich Vielfalt. Es lohnt sich auch, dasselbe Szenario häufiger zu spielen, um es beim nächsten Mal vielleicht anders und besser zu machen. Die Mechanismen sind sehr klar und schnell verinnerlicht. Die Entscheidungen, die daraus resultieren, sind aber selten trivial. Zwischen kurzfristigen Gegebenheiten und langfristigem Plan treten regelmäßig spannende Widersprüche auf.
Die Holzfiguren sehen sehr attraktiv aus, LIFE OF THE AMAZONIA ist hübsch gestaltet. Größter Kritikpunkt allerdings ist die Materialqualität. Ein dreidimensionaler Wasserfall dient als Anzeiger für verschiedene Spielfortschritte. Weil er nicht in die Schachtel passt, muss er jedes Mal auf- und wieder abgebaut werden. Und die Laschen werden das, so wie sie inzwischen auf Halbmast hängen, höchstens noch drei Partien lang überleben.
Ich habe also einiges, womit ich hadere. Aber das ändert nichts daran, dass mir LIFE OF THE AMAZONIA viel Spaß macht. Weil es schön ist. Weil es mich herausfordert. Weil es spannend und trotz der Längen konstruktiv und befriedigend ist.
***** reizvoll
LIFE OF THE AMAZONIA von Jamie Bloom für eine:n bis vier Spieler:innen, Strohmann Games.
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