Dass mein Lieblingsspiel des Jahrgangs 1999 / 2000 nicht den Titel Spiel des Jahres gewann, war mir völlig unerklärlich. Bis ich die Fairplay 53 (2000) und die spielbox 5-2000 aufschlug.
Jury-Mitglied Andreas Mutschke verpasste MORGENLAND in der Fairplay die ohnehin schon nicht berauschende Schulnote 3, kombiniert noch mit dem vernichtenden Zusatz: „Regel: 5“. In der spielbox spendierten die Juroren Michael Knopf und Wieland Herold MORGENLAND zwar 8 Punkte, doch Edwin Ruschitzka gab bloß 6 und Dorothee Heß sehr unschöne 4. Und die Anleitung (seinerzeit noch mit Punkten bedacht) schnitt noch schlechter ab.
Was war geschehen? Nach DIE SIEDLER VON CATAN kopierten damals einige Spiele dessen erfolgreiches Anleitungskonzept, indem man den Menschen ein großes Übersichtsblatt in die Hand gab, nach dessen Studium sie sofort losspielen können sollten. Für speziellere Nachfragen war zusätzlich ein alphabetisch sortierter Almanach da. Auch MORGENLAND versuchte es auf diese Weise, auch wenn der Almanach hier nicht „Almanach“ hieß, sondern „Fibel der morgenländischen Merkwürdigkeiten“. Und irgendwie war das ein Omen.
In der Merkwürdigkeiten-Fibel war unabhängig von der Wichtigkeit der Einträge konsequent alles alphabetisch sortiert. Selbst Basisinformationen wie „Start“ oder „Spielende und Sieger“ musste man sich zwischen „Runde“, „Schätze“, „Schatzkarten“, „Spielplan“, „Stadt“, „Stärkster“, „Startspieler“ und „Taktische Tipps“ herauspicken ... und, nein, das war wirklich nicht toll, obwohl ich als Vielspieler keine besondere Mühe damit hatte.
Spiel des Jahres wurde dann TORRES. Den Deutschen Spielepreis gewann TADSCH MAHAL, MORGENLAND belegte Platz neun. Weit unter Wert, wie ich fand.
MORGENLAND ist – auch wenn man das damals noch nicht so nannte – ein frühes Worker-Placement-Spiel. In MORGENLAND platzieren wir unsere Figuren verdeckt, was sowohl Bluff als auch Glück als auch große Spannung ins Spiel bringt. Beliebig viele Figuren dürfen auf dasselbe Feld. Dort fungieren sie als Gebote, mit denen wir um den Ertrag bzw. die Aktion des jeweiligen Feldes schachern.
Wer die meisten Artefakte besitzt, gewinnt. Artefakte bezahlt man mit Schätzen. Bis zu fünf Felder bieten Schätze an, und die größten Schatzportionen gehen ganz simpel immer an die Partei mit den stärksten eingesetzten Figuren. Trickreicher ist es bei den Artefakten, und genau diesen Twist fand ich sensationell: Wer die wertvollsten Figuren gesetzt hat, besitzt zwar das Vorkaufsrecht für das jeweilige Artefakt. Doch die Punktesumme der eingesetzten eigenen Figuren bestimmt den Kaufpreis.
Und weil man während der Einsatzrunde noch nicht sicher weiß, welche Erträge man in der anschließenden Auswertung bekommt, verzockt und verspekuliert man sich: Da gewinne ich das Kaufrecht - kann mir das Artefakt aber gar nicht leisten. Oder ich hätte es mir leisten können – komme aber nicht zum Zuge. Diesen Mechanismus fand ich so stark, dass MORGENLAND nicht nur mein Lieblingsspiel des Jahrgangs 1999 / 2000 war: Alles andere als der Titel Spiel des Jahres wäre mir völlig unerklärlich gewesen!
- Vor 20 Jahren (89): Space Beans
- Vor 20 Jahren (91): La Città
1 Kommentare:
In der Tat ein herrliches Spiel (ja, die Anleitung ist strukturell misslungen - aber es steht alles drin!). Lobende Erwähnung verdienen noch der riesige Spielplan, prachtvoll illustriert von Doris Matthäus, und die knuffigsten verschluckbaren Kleinteile die man je gesehen hat.
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