Donnerstag, 19. November 2009

Europa

Untertitel: „Venedig ist ja klar, aber wo liegt Nessebar?“ – Aua. Nachdem unser Hobby den Beruf des Spielegrafikers hervorgebracht hat, wird es offenbar dringend Zeit für einen weiteren Spezialisten: den Schachtellyriker!

Wie geht EUROPA? EUROPA geht wie DEUTSCHLAND. Was wie ein schöner Polit-Slogan klingt, stimmt tatsächlich. Wie schon bei DEUTSCHLAND - FINDEN SIE MINDEN teilt ein Gitternetz den Spielplan in über 100 Segmente. Die Spieler erhalten Suchaufträge und müssen nun Rhodos oder Lahti möglichst genau eingrenzen. Jeder bestimmt sein Risiko selbst: Wer die Lage eines Ortes bis auf das kleinste Planquadrat festlegt, kann vier Punkte einstreichen... falls es denn stimmt. Wer sich nur zu entscheiden traut, ob Moskau auf der westlichen oder östlichen Spielplanhälfte liegt, kriegt einen Punkt. Falls es denn stimmt.

Was passiert? EUROPA nimmt Dinge, die man irgendwie so ungefähr weiß, nun ganz genau. Reichte das Halbwissen zum Überleben im Alltag bislang problemlos aus, wird es plötzlich zu einer kitzeligen Angelegenheit, ob Prag nördlich oder südlich einer schwarzen Linie liegt.
Der Hauptreiz von EUROPA steckt im Zock. Um Zusatzpunkte bei der Endwertung zu ergattern, lohnt es sich, einen bewusst hohen Schwierigkeitsgrad zu wählen. Oder sagen wir: Es könnte sich lohnen. Denn natürlich verleitet gerade der Bonus dazu, sich selbst ein Bein zu stellen.

Was taugt es? Wer Quizspielen und Topografie aufgeschlossen gegenüber steht, wird EUROPA mögen. EUROPA ist ein rundes Gesamtwerk, das zudem noch den Eindruck vermittelt, man könne etwas dabei lernen. Die Einstiegshürde ist niedrig. Zielgruppe sind also nicht die Freaks, zumal ihnen auch negativ aufstößt, dass alles doch recht gleichförmig verläuft: sowohl von Partie zu Partie als auch im Vergleich mit dem Vorgängerspiel. Wer DEUTSCHLAND schon hat, braucht EUROPA also nicht mehr. (Oh, das klingt jetzt wie ein unschöner Polit-Slogan.)

Besinnliches Nachwort: DEUTSCHLAND - FINDEN SIE MINDEN rezensierte ich seinerzeit in der Fairplay und kam zu demselben Urteil wie bei EUROPA. Kritisiert hatte ich vor allem die Schlussabrechnung. Diese ist in EUROPA nun verbessert – und trotzdem empfinde ich den Spielspaß als weitgehend identisch. Seltsam, oder?
Als mögliche Gründe fallen mir ein, dass EUROPA eben nur ein Nachfolgespiel ist, dessen grundlegender Mechanismus mich nicht mehr überrascht. Oder vielleicht fühlt sich Deutschland einfach vertrauter an. Oder die neue und umständliche Zusatztipp-Regel stört...
Oder am Ende ist es eben doch so, dass ausschließlich Herz und Bauch über den Spielreiz entscheiden. Und alles, was man nachträglich als Argumente anfügt, sind hirngesteuerte Versuche, etwas zu begründen, was sich nicht wirklich begründen lässt... Erschreckender Gedanke! Müssen jetzt alle Spielekritiker auf Schachtellyriker umschulen?

EUROPA von Günter Burkhardt für zwei bis sechs Spieler, Kosmos.

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