Samstag, 8. Juli 2017

Captain Sonar

Gäbe es eine Auszeichnung für besonders verrückte Spiele: Roberto Fraga wäre Seriensieger. Neuerdings auch im Kennerspielbereich.

Wie geht CAPTAIN SONAR? Wir spielen „Schiffe versenken“ in zwei Teams. Jedes Team stellt die Crew eines U-Bootes mit Kapitän, Offizier, Maschinist und Funker. Optimalerweise besteht ein Team also aus vier Spielern. Sind es weniger, muss einer mehrere Rollen übernehmen.
Um zu gewinnen, will man dem anderen Boot vier Schadenspunkte zufügen. Torpedos und Minen verabreichen bei einem Volltreffer zwei Schaden, bei Halbtreffern einen. Außerdem kann es hausgemachte Schäden geben, wenn ein Team sich vernavigiert.

Gespielt wird in Echtzeit (Anfänger können und sollten erst mal rundenbasiert beginnen). Der Kapitän sagt den Kurs seines Bootes an und trägt ihn in seine Seekarte ein. Natürlich dürfen keine Inseln gerammt werden, außerdem darf sich der Kurs nicht wieder kreuzen. Der gegnerische Funker hört und malt mit und versucht auf Basis des Kurses und der Lage der Inseln das gegnerische Boot zu lokalisieren.
Maschinist und Offizier kreuzen derweil nach bestimmten Regeln Felder auf ihren Tableaus an. Der Offizier aktiviert mit seinen Kreuzen Equipment wie beispielsweise das Torpedo oder die Suchdrohne. Vom Maschinisten hängt ab, welche Systeme vorübergehend ausfallen und welche funktionieren. Wenn der Kapitän einen geschickten Kurs fährt, können sich die Systeme auch selbst reparieren.


Was passiert? Innerhalb des Teams geht es nicht ohne Absprache. Der Kapitän muss den Offizier informieren, welche Instrumente freigeschaltet werden sollen. Er muss den Maschinisten instruieren, welcher Bereich auf keinen Fall deaktiviert werden darf. Der Maschinist wiederum muss den Kapitän unterrichten, welche Fahrtrichtung für die Erhaltung der Systeme wünschenswert wäre. Und der Funker lauscht derweil beim Gegner. Will der Kapitän eine Suchdrohne aussenden oder eine Mine zünden, diskutiert er mit dem Funker über die mögliche Position des anderen Bootes, während der Funker trotzdem weiter drüben zuhören muss, denn die Gegner werden das Palaver der anderen nicht abwarten …
CAPTAIN SONAR fordert also. Vor allem Kapitän und Funker müssen viele Dinge gleichzeitig können. Wenn ein Boot handlungsunfähig ist oder die Besatzung zu lange für Entscheidungen braucht, kann das Gegnerteam (sofern es die Waffen gerade scharf hat und nicht zu weit weg ist) mehrere Bewegungen und Angriffe in direkter Folge ausführen und das Boot in wenigen Sekunden versenken.
Schlecht fürs Team sind Funker, die nicht zuhören, Kapitäne, die nicht wissen, was sie wollen, und generell alle an Bord, die nicht konzentriert sind, nicht mitdenken, nicht reden.


Was taugt es? Das Spielgefühl in CAPTAIN SONAR ist einzigartig. Den Gegner suchen, sich herantasten, sich nicht dabei verraten. Ein Versteckspiel mit schleichender Bedrohung. Und plötzlich läuft man völlig überraschend auf eine Mine auf oder kriegt ein Torpedo reingehauen. Krach!
Gleichzeitig bietet CAPTAIN SONAR ein besonderes Teamerlebnis. Kooperation in Spielen kennen wir mittlerweile. Kooperation unter Stress und mit verschiedenen Aufgaben und Befugnissen, verschärft dieses Spielgefühl.
Die Ungewöhnlichkeit bringt allerdings auch Nachteile mit sich: Jedes Team muss sich darauf verlassen können, dass das andere Team regelkonform spielt. Kontrollieren kann man das während der Partie nicht. Damit jeder am Tisch eigenverantwortlich handeln kann, muss das Spiel sehr präzise, in allen Details und für alle Rollen vorab erklärt werden. Ich habe dafür Kurzübersichten gebastelt, denn ansonsten müsste sich jeder Spieler alles Gehörte sofort merken. Und wer schon mal Spiele erklärt hat, weiß: Niemand merkt sich sofort alles.
Dass dem Spiel keine Übersichten beiliegen, halte ich für ein Versäumnis. Und noch mehr Gemecker zur Ausstattung: Zwei der acht Stifte waren in meinem Spiel von Anfang an defekt, ein dritter ist inzwischen auch hinüber.
Das Spielerlebnis und die Originalität von CAPTAIN SONAR sind „außerordentlich“. Dass eine andere Wertung drunter steht, liegt daran, dass ich mittlerweile auch etwas Widerwillen verspüre. Wenn ich CAPTAIN SONAR spielen wollte, müsste ich erst einmal sechs bis acht Personen zusammentrommeln. Und wenn das nicht zufällig alles Menschen sind, die das Spiel schon kennen, müsste ich alles wieder von vorne erklären, müsste dieselben Anfängerprobleme erdulden usw. Darauf habe ich nicht unbedingt Lust.
Und ich bin anscheinend nicht der Einzige, der so empfindet: Nachdem CAPTAIN SONAR in meiner Uni-Spielerunde zunächst jedes Mal und dann den ganzen Abend lang gespielt wurde, ist es nun schon mehrere Abende in Folge unberührt liegen geblieben. CAPTAIN SONAR ist zweifellos ein Spiel, das ich unbedingt in meiner Sammlung behalten möchte. Aber wahrscheinlich wird es mehr aufbewahrt als gespielt.


CAPTAIN SONAR von Roberto Fraga und Yohan Lemonnier für vier bis acht Spieler, Pegasus.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Udo,

sehr schöne Rezi. Dein Resümee "ist zweifellos ein Spiel, das ich unbedingt in meiner Sammlung behalten möchte. Aber wahrscheinlich wird es mehr aufbewahrt als gespielt" trifft es sehr gut, geht mir bei einigen anderen Spielen genauso. Meine 2 festen Spielgruppen bestehen beide aus 4 Personen, und selbst da wird es trotz festem Termin wegen spontaner beruflicher Verpflichtungen manchmal schwierig den Termin noch so zu schieben, dass er überhaupt mit allen noch stattfinden kann. Da möchte ich über eine 5er Gruppe gar nicht nachdenken.. Und so fällt leider auch bei mir einiges in die Kategorie "Tolles Spiel aber leider Regalhüter". Bezogen auch den verfügbaren Regalplatz kämpfen dann Vernunft und Herz einen meist aussichtslosen Kampf...

Jens

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