VINHOS geht über sechs Spieljahre, jeder kommt zwölf Mal an die Reihe. Dennoch ist die Angabe der Spieldauer mit „90 bis 180 Minuten“ vollkommen korrekt gewählt. Und da bin ich schon beim für mich entscheidenden Punkt: Es passiert herzlich wenig Greifbares in diesem Spiel! Ich ernte sechs Mal Wein und verkaufe ihn. Eigentlich sehr schlank. Die Abläufe aber stecken derart voller Kleinigkeiten, dass ich dieses und jenes einkalkulieren, daran denken und das berechnen muss. Und jetzt ist es nicht mehr schlank.
Wie geht VINHOS? Ich bin Winzer. Ich will viel Wein ernten, ich will guten Wein ernten. Also brauche ich Weinberge, Weingüter, Weinkeller und Angestellte. Vier von neun möglichen Aktionen beschäftigen sich mit der Beschaffung dieser Grundlagen.
Im echten Leben wäre ich wahrscheinlich zufrieden, für den Wein Geld zu bekommen. In VINHOS aber ist Geld nur Mittel zum Zweck. Und der Zweck ist: Siegpunkte. Ich kann Wein gegen Geld verkaufen. Ich kann Wein gegen Siegpunkte verkaufen. Und ich kann (und muss) dreimal im Spiel einen Wein für eine Ausstellung anmelden, wo er sich mit anderen Weinen misst, ebenfalls Siegpunkte einbringt und mir einen Kontakt zu Managern bahnt, denen ich im weiteren Spielverlauf alle möglichen Weine liefern darf und dafür Extra-Aktionen und andere Vorteile erlange. Spätestens gegen Spielende wählt man hier Vorteile, die weitere Siegpunkte abwerfen: Punkte für Weinkeller, Punkte für Bargeld, Punkte, Punkte, Punkte.
Zentrum des Spielablaufs (und des Spielplans) ist ein aus drei mal drei Feldern bestehender Aktionsbereich. Um eine Aktion ausführen zu dürfen, muss ich mit meiner Figur zu dem entsprechenden Feld laufen, was sowohl bei größeren Entfernungen als auch bei Anwesenheit fremder Spielsteine Geld kostet.
Was nervt? VINHOS erreicht mit vielen Regeln nichts außer dass es komplizierter wird. Beispielsweise existieren für die einzelnen Weinanbaugebiete so genannte „regionale Bekanntheitswürfel“, die unter bestimmten Umständen dorthin gelangen und auf die sämtliche in dieser Region aktive Spieler Zugriff haben, um die Qualität ihres Weines anzuheben. Leistung fürs Spiel: kaum erkennbar. Effekt für die Spieler: mehr Rechnerei.
Ein anderes Beispiel ist die Aktion „Bank“. Einnahmen aus dem Verkauf gehen aufs Konto, Einkäufe jedoch müssen immer in bar abgewickelt werden. Dies zwingt die Spieler zu Umwegen in die Bank. Weil die Bank eine Aktion verbraucht, will man hier möglichst selten hin und muss also nicht nur den Weg seines Aktionsmarkers genau austüfteln, sondern auch im Voraus den eigenen Geldtransfer. Leistung fürs Spiel: kaum erkennbar. Effekt für die Spieler: mehr Rechnerei.
Was taugt es? Der Weinanbau ist in VINHOS auf ein schlankes Prinzip heruntergebrochen. Und dieses einfache Prinzip wird durch viele Mechanismen künstlich wieder kompliziert gemacht. VINHOS ist kein gänzlich schlechtes Spiel. Einige der enthaltenen Ideen kann ich durchaus anerkennen. Nur entsteht Spielreiz für mich nicht aus einem Maximum an Mechanismen. Die Mechanismen müssen der Dramaturgie dienen. VINHOS hingegen hinterlässt bei mir den Eindruck, dass einige Elemente nur ihrer selbst wegen vorhanden sind.
VINHOS von Vital Lacerda für zwei bis vier Spieler, What’s your game?
Dienstag, 12. Juli 2011
Vinhos
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*** mäßig
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3 Kommentare:
Schön, dass sich jemand die Arbeit gemacht hat, meine Entscheidung VINHOS nicht zu kaufen, mit guten Argumenten zu begründen. :-)
Danke für diese Rezi, die messerscharf zusammenfasst, was ich beim Erlernen und Spielen von Vinhos empfunden habe. Schon nachdem unser Erklärer die Regel durch hatte, war ich latent genervt, hab mich dann aber auf das Spiel eingelassen. Das Spiel selbst war dann einfach nur anstrengend, ohne jeden (Achtung, neudeutsch!) Flow und ich war froh als es vorbei war.
Ähnlich ging es mir übrigens bei "De Vulgari Eloquentia" was vergleichbare Klopperqualitäten hat. Da war es dann so, dass man das Gefühl hatte, dass der Grundmechanismus eigentlich recht elegang war, dieser aber dann aufgrund einiger Unbalanciertheiten durch einen Haufen Reparaturregeln kaputterweitert wurde.
Nach dem katastrophalen Vasco da Gama brauchte man Vinhos gar nicht mehr spielen, allein der Anblick des Spielbrettes legt nahe das man eine ähnlich schlimme krampfhafte mechanismusgesteuerte optimierungsaufgabe vor sich hat...
der einzige grund dieses spiel mal zu spielen wäre um ebenfalls eine rezension darüber zu schreiben und andere zu warnen.
wobei es ja spieler gibt die genau an diesen spielprinzipien gefallen finden... ^^
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