Der Interviewte: Stefan Stadler (39), Spieleredakteur bei KOSMOS in Stuttgart und zugleich Autor. Gemeinsam mit Michael Rieneck entwickelte er unter anderem die preisgekrönten Spiele DIE SÄULEN DER ERDE und DIE TORE DER WELT.
Der Interviewer: Udo Bartsch (43), Spielekritiker bei REZENSIONEN FÜR MILLIONEN in Hannover und zugleich Philosoph. Gemeinsam mit irgendwem irgendwas zu entwickeln, lehnt er aus weltanschaulichen Gründen ab.
Hallo, Herr Stadler, was sagen Sie dazu: Im vorigen Interview hat Ihr Freund, der Herr Rieneck, Sie total fies gedisst...
Lieber Herr Bartsch, wenn ich das Interview richtig im Kopf habe, hat er Sie gedisst! Ich kann auch gar nicht gemeint sein, denn ich...
Klar, Herr Stadler, die erste Reaktion ist immer Leugnen. Als mein Blog noch neu war habe ich jeden Tag am Monitor geruckelt, weil ich dachte, der Leserzähler klemmt. Hat er aber nicht.
Ich kann gar nicht gemeint sein, denn ich spiele mit Grün und nicht mit Gelb und bin ein unheimlich netter Mensch. Schließlich finanziere ich mit meinen Ideen auch seinen Lebensunterhalt: Während der feine Herr Rieneck von seinen Tantiemen lebt und mit seinem Kater Schach spielt, muss ich Tag für Tag arbeiten gehen und rund um die Uhr für Kosmos Spiele bearbeiten.
Ach ja, darauf wollte ich sowieso zu sprechen kommen: Sie sind Redakteur bei Kosmos. Sie spielen den ganzen Tag Spiele. Aber was ich nicht verstehe: Womit verdienen Sie Ihr Geld? Fahren Sie nachts Taxi? Kellnern Sie?
Eigentlich versuche ich, meinen Kollegen ihr spärliches Gehalt mit Glücksspiel aus den Taschen zu ziehen. Natürlich helfe ich da zu meinen Gunsten nach. Deswegen spielen die auch nicht mehr mit mir MOGELMOTTE oder WÜRFEL-LIGRETTO.
Wenn ich Ihr Geschäftsmodell richtig verstehe, sind Sie also eine Art Parasit? Sie hängen bei Kosmos rum, schleppen Spiele anderer Verlage ein und saugen hilflose Opfer aus.
Ich? Ein Parasit? Ich dachte, es wäre deutlich geworden, wer hier die Arbeit macht! Der Rieneck profitiert überall von meinem guten Namen, und ich schufte Tag und Nacht, damit Kosmos weiterhin so genannten Spielerezensenten kostenlos Spiele schicken kann. Sich durch Hunderte von Spielideen wühlen, auf Autorentreffen die ganze Nacht mit Menschen, die sich Spieleautoren nennen, abhängen und verschiedene Spiele so zu bearbeiten, dass sie nach der nächsten Messe nicht schon wieder vergessen sind, das ist ein harter Job! Und wenn ich mal ein Spiel der Mitbewerber spiele, kann ich meine Meinung noch nicht einmal zu Geld machen, indem ich lustige Verrisse schreibe.
Jetzt werden Sie aber grob. Langsam verstehe ich, warum der Herr Rieneck Sie gedisst hat.
Jetzt seien Sie doch nicht so wehleidig, Herr Bartsch! Ich hab’s ja gar nicht so gemeint. Hier, nehmen Sie mein Taschentuch. Eigentlich haben wir uns doch in der Spieleszene alle ganz arg lieb. Wir bei den Verlagen machen aus den supertollen Ideen der Autoren prima Spiele und Sie, Herr Bartsch, dürfen die dann spielen und ganz toll benoten.
Die Verlage und Autoren machen auch prima Spiele?! Warum kriege ich dann immer nur die anderen zugeschickt?
Wenn Sie mal groß sind und so viele Leser haben wie die geschätzte Frau Kestering, können wir noch einmal darüber reden. Aber ich hätte hier noch ein paar Mitbringspiele für die Reisezeit. Wenn Sie eines davon gerne hätten, kann ich da sicherlich was arrangieren. Oder Sie spendieren mir mal eine Reise oder bezahlen meinen Urlaub, dann kriegen Sie auch mal die neueste CATAN-Ausgabe. Macht man das bei Ihnen in Niedersachsen nicht so?
Ja, äh, nein... also umgekehrt: Ich bin ja der Niedersachse, also bekomme ich die Reise und den Urlaub. Und die CATAN-Ausgabe natürlich auch. Aber vielleicht können wir anders ins Geschäft kommen: Sie sagten vorhin, Sie lieben die Farbe grün. Und dann noch Ihre Initialen, hm... da ließe sich was draus machen. Ein neuer, lustiger, nie da gewesener Spiele-Verlag! Unsere Erfolgstitel habe ich schon im Kopf: „Stromstoß“, „Staubige Stuben“, „Stullen Stuyvesant Studentenfutter“. Was sagen Sie?
Super Sache! So sollten schlüssige Spieleverlags-Konzepte Stadlers Solvenz-Probleme subtrahieren. Aber dann brauchen wir ja noch jemanden, der die Spiele erfindet. Hoppla, verplappert, ich wollte doch mich als den genialen Spiele-Autoren darstellen. Jetzt weiß ja jeder, dass doch der Rieneck meine Spiele erfindet. Können wir das vielleicht löschen?
Selbstverständlich, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. In der Spieleszene haben wir uns doch alle lieb. Aber um die Spiele müssen Sie sich trotzdem kümmern. Mein Part im Verlag ist, mich auf meinen Tantiemen auszuruhen und mit meinem Zwergkaninchen HALMA zu spielen.
Hat ihr Kaninchen denn Geld? Und merkt es, wenn ich beim HALMA betrüge? Ohne Nebeneinnahmen kann ich mir doch gar keinen zweiten Job leisten.
Da ist nicht viel zu holen, leider. Mein Kaninchen verplempert sein gesamtes Taschengeld für Möhrchen und Marihuana.
Aha, jetzt weiß ich, warum Sie so hinter den Millionen her sind: Sie sind Beschaffer, Sie finanzieren Süchte!
Stimmt ja gar nicht. Mein Kaninchen sagt, es könne mit den Möhrchen jederzeit wieder aufhören. Apropos: Mit Interviews soll man aufhören, wenn es am schönsten ist, Herr Stadler.
Und wann kommt jetzt die Stelle mit Gesang? Mir wurde gesagt, hier muss jeder singen! Aber auch gut, ich kann sowieso nur „Alle meine Entchen“. So verliere ich wenigstens nicht gegen Frau Wredes Hund.
Sie können gerne singen, falls Sie das möchten. Aber wie gesagt: Ich gehe, wenn es am schönsten ist. Also vorher. Auf Wiedersehen!
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