Dienstag, 13. August 2013

Vor 20 Jahren (8): Papua

1992/93 stand ich in näherem Kontakt zu zwei jungen Damen, die sich gerade in einem Loslösungsprozess aus dem Elternhaus befanden und zu diesem Zweck eine Wohngemeinschaft gründeten. Traditionell locken freie Lebensformen Künstler, Schnorrer und Sonderlinge an. Folglich war auch ich mit meinen Spielen regelmäßig vor Ort. Wir spielten die damaligen Standards ADEL VERPFLICHTET und CAFÉ INTERNATIONAL. Aber auch ein drittes Spiel kam zu Ehren, das später nie wieder diese Bedeutung erlangte und das ich deshalb wohl auch aussortiert habe und nun leider nicht fotografieren kann, ich Dummerchen. Die Rede ist von PAPUA.

Wenn ich schon nicht das Spiel von damals fotografieren kann, dann wenigsten den zugehörigen Soundtrack.

PAPUA ist ein einfaches, aber nicht witzloses Laufspiel von Thilo Hutzler, welches das Pech gehabt hatte, in seiner ersten Version (als CONFLIX bei ASS) in einer abstoßenden Aufmachung erschienen zu sein. Verglichen mit CONFLIX wirkte PAPUA (bei Bandai Huki, später Parker) optisch schon gekonnter und war auch redaktionell verbessert worden, zielte mit seinem Thema „Flucht vor den Menschenfressern“ aber offenbar genauso am Massenmarkt vorbei.

Bei PAPUA geht es darum, mit einer seiner vier Figuren als Erster das rettende Ruderboot zu erreichen. Unterwegs wird brutal herausgeschmissen, trotzdem gibt es eine kooperative Komponente: Außer auf den ersten und letzten Feldern des Weges dürfen Pöppel immer nur in zusammenhängenden Gruppen ziehen und auch nur, wenn sich in der Gruppe Pöppel mehrerer Spieler befinden. Mit seinem Würfelergebnis bewegt man also oft eine ganze Kolonne.
Zwei Sorten Felder sorgen für Dramatik und Stunk: Die Masken dürfen nicht übersprungen werden, sondern zwingen zu einem Zwischenhalt. Das bremst vor allem Zweierteams, die bisweilen lange auf einen passenden Würfelwurf warten müssen. Und wer auf dem Besteck landet, muss zurück zum Start. Diese Felder eignen sich prima, um Gruppen zu verkleinern und einzelne Leute abzutrennen, die dann bewegungsunfähig herumstehen, bis eine andere Gruppe sie aufsammelt... oder rauswirft, haha.


PAPUA war in dieser WG das ideale Spiel, wenn überraschend noch mehr Künstler / Schnorrer / Sonderlinge zu Besuch kamen und man plötzlich zu fünft oder zu sechst herumlungerte. PAPUA war genügend einfach, so dass man es jedem erklären konnte. Und wegen des Glücksfaktors gewannen nicht immer dieselben.
Damals hatten einige von uns natürlich noch nicht ganz die Millionen wie heute auf dem Konto, deshalb bauten sich die Mädels das Spiel nach. Aber mit anderem Thema. Sie kamen auf – na klar – „Loslösung vom Elternhaus“. So erklärte sich auch, warum man als Gruppe lief: Ohne Freunde hätte man den Start ins eigene Leben nie geschafft. Statt im Kochtopf der Kannibalen starteten die Figuren im trauten Heim bei Mama und Papa. Auf Taschengeld-Feldern musste man anhalten. Und auf dem Fernseher ging’s wieder zurück.

So eine Loslösung war wirklich nicht leicht. Nur einer von vielen kam durch. Und dafür stand auch sinnbildlich diese Frauenkommune: Sie befand sich nämlich in einem steinernen Gartenhaus auf dem elterlichen Anwesen. So waren zwar erste wichtige 20 Meter Distanz geschafft, andererseits konnte man sich bei kritischer Versorgungslage schnell mal zu Hause am Kühlschrank bedienen. Jede Revolution fängt klein an.

Teil 7: Bluff
Teil 9: Illuminati

3 Kommentare:

Andreas D. Becker hat gesagt…

Die viel schönere Erinnerung als an längst ausgestorbene Spiele-Dinosaurier für mich in diesem kleinen Feuilleton: "Throw That Beat In The Garbagecan", habe Anfang der 90er-Jahre "Not Particularly Silly" ständig gehört. Großartig. Muss ich gleich heute noch wieder raussuchen und auflegen. Schade, dass diese wunderbare Band nie erfolgreicher war. Wie ich auch immer vergebens auf den internationalen Durchbruch von "They Might Be Giants" und Jonathan Richman gewartet habe. Aber wahrscheinlich ist das Musik, die nur in meiner kleinen Welt voller Einhörner und Regenbögen die Herzen erwärmt.

Anonym hat gesagt…

Ein Menschenfresserspiel und dazu DIE Scheibe von den Doors, das muss ja eine sehr sinnliche Atmosphäre gewesen sein.

Anonym hat gesagt…

...Hm, Herr Bartsch, ich dachte immer, du seist total alt. Dabei bist du ja genauso jung wie ich. Seltsam.

@Andreas: du bist nicht allein.

Ich wünsche euch ein prima Wochenende,

Torben

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