Freitag, 29. März 2024

The Vale of Eternity

The Vale of Eternity: Cover

Ist das Kunst oder kann das weg? Bislang hatte ich angenommen, meine Nicht-Einleitungen seien eine Verlegenheitslösung. Doch zuletzt vernahm ich zwei-, dreimal, sie seien Kunst. Ja, Wahnsinn! Wenn das so ist, dann … bitte sehr!

Wie geht THE VALE OF ETERNITY? Wir sammeln Karten und spielen sie aus. Die Karten (eigentlich: „Kreaturen“) haben Sofort- oder permanente Effekte oder einen Effekt, der exakt einmal pro Runde ausgeführt wird.
Die schönsten Effekte bringen Punkte. Denn um Punkte geht es nun mal. Erreicht jemand 60, endet die Partie. THE VALE OF ETERNITY ist also ein Wettlauf.
Karten auszuspielen, kostet zwischen null und zwölf Geld („Runensteine“). Es gibt nur Einer-, Dreier- und Sechser-Münzen. Ich darf nicht wechseln. Und ich darf nur vier Münzen besitzen. Neue Münzen erhalte ich entweder über Effekte meiner gespielten Karten. Oder indem ich auf das Nehmen von Karten verzichte.
Zu Beginn jeder Runde legen wir pro Person zwei Karten aus. Reihum wählt jede:r eine erste, dann in umgekehrter Reihenfolge eine zweite Karte. Für beide Karten entscheide ich im Laufe meines Spielzugs, ob ich sie auf die Hand nehme oder für Geld verkaufe. Wie viel Geld ich bekomme, hängt von der Kartenfarbe ab. Eine violette Karte bringt eine Sechser-Münze, eine rosafarbene einen Einer und einen Dreier.
In meinem Spielzug darf ich außerdem Karten von meiner Hand spielen und Karten aus meiner Auslage abwerfen, was zwar Geld kostet, manchmal aber nötig ist, um weitere Karten spielen zu dürfen. Denn man darf nie mehr ausliegen haben, als die aktuelle Rundenzahl beträgt.


The Vale of Eternity: Karten und Münzen

Was passiert? Alle meine Aktionen führe ich in beliebiger Reihenfolge aus. Da THE VALE OF ETERNITY mit wachsender Runden- und Kartenzahl und somit auch wachsenden Effekten immer komplexer wird, kann eine clever oder weniger clever gewählte Abwicklung einen entscheidenden Unterschied bedeuten.
Vor allem das Münz-Management übt steten Druck aus. Es würde mich ärgern, Münzeinnahmen verfallen zu lassen, weil mein Münzvorrat zu groß ist. Im Bestfall gebe ich also erst mal viel aus, bevor ich große Einnahmen kassiere. Aber vielleicht reicht mein Vermögen nicht, und ich müsste zuerst noch was einnehmen, bevor ich meine Wunschkarte spielen kann ... Dilemma!
Die Karteneffekte klingen beim ersten Lesen gar nicht so spektakulär: „Nehme Geld, wenn …“, „Erhalte Punkte, wenn …“, „Immer wenn dies, dann das …“ Im Zusammenspiel der Karten zeigen sich dann aber sinnvolle Kombinationen und Wechselwirkungen. Manche sind offensichtlicher, andere weniger offensichtlich.
Man kann auf Karten derselben Farbe bauen, weil sich deren Effekte oft gegenseitig verstärken, es gibt aber auch Kombis, die verschiedene Farben in meiner Auslage belohnen. Ich kann mir einen Geldgenerator basteln oder mir eine Maschine erschaffen, die es ermöglicht, ausgespielte Karten zurückzunehmen und wieder und wieder zu spielen. Oder … oder …


The Vale of Eternity: Kartenauswahl

Was taugt es? Selbst nach mehr als zehn gespielten Partien entdecke ich in THE VALE OF ETERNITY noch neue Möglichkeiten. Das Spiel reizt zum Experimentieren, und letztlich bin ich sogar zum Ausprobieren gezwungen. Denn welche Karten in welcher Reihenfolge ins Spiel kommen, ist Zufall. Es gibt keine Garantie, dass ich die Kombination, mit der ich voriges Mal erfolgreich war, erneut bilden kann.
Insofern ist es natürlich auch Glück, ob die Dinge eintreffen, wie ich sie mir ausmale, ob Karten kommen, auf die ich mit meinem eingeschlagenen Weg spekuliere. In manchen Partien läuft wenig zusammen, und da ist es immerhin ein Trost, dass spätestens nach zehn Runden Schluss wäre, selbst wenn niemand die 60 Punkte knackt.
Wenn eine Spielerunde THE VALE OF ETERNITY noch nicht gut kennt, bremst nicht nur das Austüfteln der Aktionsreihenfolge das Spieltempo, auch der Rundenbeginn kann sich ziehen – gerade zu viert, wenn jedes Mal acht Karten ausgelegt werden, die alle Spieler:innen lesen und erfassen müssen. Der Kartenmarkt ist kreisförmig angeordnet. Deshalb liegt immer irgendwas für irgendwen über Kopf. Manche kommen damit nicht gut klar und müssen die Karten in die Hand nehmen, um sie lesen zu können – was dazu führt, dass sie in dieser Zeit niemand sonst lesen kann.
Der etwas mühsame Einstieg ist ein kleines Manko von THE VALE OF ETERNITY. Erfahrungen mit Gruppen, die das an sich schnelle Wettlaufspiel durch langes Kartenanalysieren und Karten-noch-mal-Analysieren in ein Schneckenrennen verwandeln, sehe ich als Problem dieser Gruppen an, nicht des Spiels.
Da mich Fantasywelten mit Zauberei und irgendwelchen Kreaturen normalerweise kalt lassen, hat mich THE VALE OF ETERNITY sehr positiv überrascht. THE VALE OF ETERNITY ist eine Spielwiese, die mich zu immer neuen Partien verlockt, weil ich neugierig bin, was beim nächsten Mal passiert, welche Effekte und Kombinationen sich ergeben, ob sich gar noch eine ganz andere Siegstrategie finden lässt.
Die Abläufe und die Karteneffekte an sich sind einfach (na gut, jenes vermaledeite Wesen, das Dreier-Münzen zu Sechsern werden lässt und umgekehrt, wirft immer wieder Fragen auf), ja, geradezu reduziert. Umso beeindruckender finde ich, wieviel Wiederspielreiz entsteht. Das ist gut designt.


***** reizvoll

THE VALE OF ETERNITY von Eric Hong für zwei bis vier Spieler:innen, Pegasus Spiele / Mandoo Games.

Freitag, 22. März 2024

Kuhfstein

Kuhfstein: Cover

Noch mal Tiere. Anscheinend ist das hier gerade eine Tier-Trilogie. Die KUHFSTEIN-Kühe unterscheiden sich von den hilfebedürftigen Kreaturen in COMET und TUCANA BUILDERS jedoch fundamental: Sie sind laut Anleitung „glücklich“. Wir müssen also nichts mehr für sie tun, juhu! Das Spiel wäre an dieser Stelle beendet, käme da nicht doch noch etwas ans Tageslicht, was im Argen liegt: unser Punktekonto.

Wie geht KUHFSTEIN? Es ist ein Legespiel und ein Wettrennen. Erreicht jemand 65 Punkte, wird nur noch die laufende Runde beendet, und trotz kleiner Schlusswertung gewinnt diese Person oft auch.
Wir erschaffen mit quadratischen Teilen ein idyllisches Alpenvorland. Fünf Plättchensorten gibt es. Prinzipiell darf ich jede Landschaft an jede andere legen. Allerdings sollte ich mich schon an meinen Bauaufträgen orientieren.
Als Nebenverdienst fungieren Holzbäume. Bilde ich ein Quadrat aus vier gleichen oder vier komplett unterschiedlichen Landschaften, wächst in deren Mitte ein solcher Baum und zählt Extrapunkte.

Kuhfstein: Wertungsbeispiel

Ein Auftrag kann zum Beispiel besagen (siehe Foto), dass vier Plättchen innerhalb meines Gebietes T-förmig aneinandergrenzen sein sollen. Und zwei ganz bestimmte dieser vier Plättchen sollen Heu zeigen, das dritte See, und das vierte ist egal, Hauptsache, es ist vorhanden.
Erfülle ich den Auftrag – was eine von vier Aktionsmöglichkeiten ist und wozu ich die Auftragskarte von meiner Hand ausspielen muss –, verpflichtet mich das, Kühe aus meinem Vorrat auf die beiden Heu- und auf das Seefeld zu stellen. Habe ich nicht so viele Kühe oder ist mindestens eins der Felder schon von einer Kuh besetzt, kann ich den Auftrag vorläufig nicht erfüllen.
Zum Glück darf ich Kühe aus meiner Landschaft wieder zurückholen. Auch das ist eine Aktion. Und pro Aktion darf eine ganze Kuhgruppe nach Hause, also alle Kühe, die aneinandergrenzen.
Weitere Aktionsmöglichkeiten sind: Auftragskarte aus dem Markt auf die Hand nehmen. Oder Landschaftsplättchen aus dem Markt nehmen und sofort einbauen. Bin ich am Zug, führe ich zwei gleiche oder verschiedene Aktionen aus.

Kuhfstein: Spielsituation

Was passiert? Durch die Kühe erhält KUHFSTEIN eine zweite Lege-Ebene: Ich plane den Landschaftsaufbau und die Auftragsabwicklung inklusive Kuh-Management. Denn ich möchte möglichst selten Aktionen aufwenden, um Kühe nach Hause zu holen. Ich versuche, möglichst alle meine Kühe auszunutzen und Herden von aneinandergrenzenden Figuren zu bilden.
Originell ist auch, dass ich – passende Aufträge vorausgesetzt – dieselben Landschaftsplättchen mehrfach werten kann. Ich sollte mich darum bemühen, denn es geht im Erfolgsfall viel schneller, als die Landschaft immer größer zu bauen. Und Tempo ist in einem Wettrennen nun mal entscheidend.
KUHFSTEIN erfordert unerwartet viel Optimierung. Während viele Legespiele von der Überraschung leben, welches Teil ich zum Einbauen bekomme, und ich anschließend das Beste aus der Situation herauszuholen versuche, erlaubt mir KUHFSTEIN eine vielschrittige Vorausplanung. Ich kann Aufträge für mehrere Züge in Folge auf meiner Hand sammeln. Mit genügend räumlicher Vorstellungskraft ersinne ich eine perfekte Bau- und Ausspielreihenfolge, die mit wenigen Plättchen und seltenem Viehabtrieb auskommt.
Klar, ich bin immer noch vom Glück abhängig, passende Aufträge zu ergattern. Immer wieder hakt es auch bei den Plättchen. Da benötige ich dringend Heu – angeblich sogar die häufigste Landschaftsart –, aber sie will und will nicht auftauchen. Und endlich wird Heu aufgedeckt – da schnappt es sich die Konkurrenz. Bei einem auf Effizienz angelegten Spiel fühlen sich solche Zufälle, die mich hindern, effizient zu spielen, besonders hart an.


Kuhfstein: Auslage

Was taugt es? KUHFSTEIN sieht sehr ansprechend aus. Gerade auch der Kitsch hat durchaus etwas Verlockendes. Spielen alle aufs Geratewohl aus dem Bauch heraus, fällt die Strenge der Legeaufgabe gar nicht so auf. Sobald aber Rechner:innen mitwirken, die ihre Landschaft mit langfristigen Plan konzipieren, wird der Charakter von KUHFSTEIN offenbar. Wer weit vorausdenkt, schneidet im Regelfall besser ab.
Die Optimierungsaufgabe ist sehr schön eingekleidet. Puzzles mit zwei Ebenen gab es in jüngster Zeit häufiger; mir fallen sofort CALICO und CASCADIA ein. Dass es Kuhfiguren sind, die die zweite Ebene bilden, lässt KUHFSTEIN besonders knuffig erscheinen. Wirklich neu ist der Kniff, dass diese zweite Ebene immer wieder abgeräumt und neu formiert wird.
Rechnen ist nicht das Erlebnis, das ich in Spielen primär suche. Mich spricht es mehr an, mit Unerwartetem umzugehen, als viele Schritte im Voraus auszutüfteln. Aber das ist eindeutig Geschmackssache; meine Denkfaulheit kann ich schwerlich dem Spiel anlasten. Auch wenn ich selber nicht auf eine Partie brenne, halte ich KUHFSTEIN für ein gelungenes Spiel. In meinen öffentlichen Runden hat es Fans.


**** solide

KUHFSTEIN von Rita Modl für zwei bis vier Spieler:innen, Schmidt.

Montag, 18. März 2024

Tucana Builders

Tucana Builders: Cover

Was das Überleben in der Natur angeht, sind Tiere hilflos. Das habe ich nicht nur neulich in COMET gelernt; dieselbe Geschichte erzählt auch TUCANA BUILDERS.
Ich hatte mich anfangs gewundert, warum wir in diesem Legespiel Hütten mit Tieren verbinden, aber nach verspätetem Studium der Einstimmungsgeschichte ist es klar geworden: Die Tiere haben sich verirrt, und um sie zurück in die Dörfer zu bringen, müssen wir natürlich Wege bauen.
Einleuchtend. Denn wer schon mal Tiere in Dörfer zurückgebracht hat, weiß: Ohne vernünftige Straße ist da kaum was zu machen. Falls ich auch noch herausfinde, warum Schlangen, Pumas, Affen und Tukane in Dörfer gehören, reiche ich die Information nach.


Tucana Builders: Spielsituation

Wie geht TUCANA BUILDERS? Wir verbinden Hütten mit Tieren. Gelbe Hütten möglichst mit gelben Tieren, rote mit roten, blaue mit blauen. Jedes Tier der richtigen Farbe zählt einen Punkt. Falschfarbige Tiere sind egal. Tukane wiederum punkten an jeder Hütte. Alle Farben einigermaßen gleichmäßig anzubinden, zahlt sich aus. Meine schwächste Farbe punktet am Schluss nämlich doppelt.
Wir spielen gleichzeitig, jede Person auf ihrem Tableau. Behindern können wir einander nicht, voneinander abschauen können wir auch nicht. Denn jede:r zieht pro Runde ein anderes zufälliges Sechseck-Teil, das auf das eigene Inselraster gelegt werden muss. Festgelegt aber ist für alle (per aufgedeckter Landschaftskarte), auf welchem Untergrund das Teil platziert werden muss.
Die Teile zeigen Wege: Geraden, Kurven, Kreuzungen. Teile ohne Kreuzungen zeigen außerdem Tiere. Weitere Tiere sind auf meinem Spielplan eingezeichnet. 24 der 32 freien Felder werden am Ende bedeckt sein.


Tucana Builders: Teile

Was passiert? Die Bauaufgabe erweist sich als knifflig. Ziehe ich eine Gerade mit mit gelbem Puma, möchte ich sie natürlich an die gelbe Hütte anlegen. Allerdings soll ich auf Wüste bauen, und sinnvolle Wüstenfelder befinden sich in der Nähe der gelben Hütte: null.
So fange ich an, nach Kompromissen zu suchen. Die Gerade könnte ich an einer anderen Stelle gebrauchen, nur der Puma ergibt dort halt keinen Sinn. Oder ich lege das Teil in mittlerer Entfernung zur gelben Hütte und hoffe darauf, es im Laufe der Partie noch anzubinden.
Sämtliche Tukane sind schon bei Spielbeginn auf dem Tableau, teils am Rand, teils in der Inselmitte auf Plättchen, mit denen wir eine zufällige, aber für alle identische Startaufstellung bilden. Möglichst viele dieser Tukane an möglichst viele meiner Hütten anzubinden, ist der Masterplan, mit dem ich in die Partie gehe.
Dass der zu bebauende Untergrund in jedem Zug vorgegeben ist (na gut, zweimal im Spiel darf ich einen Joker einsetzen), schafft sehr spezielle Zwänge. Erhoffte Verbindungen über zwei oder mehr Felder herzustellen, ist schwieriger, als man zunächst glaubt. Von meinem langfristigen Plan werde ich immer mehr Abstriche machen müssen.


Tucana Builders: Material

Was taugt es? Gerade wegen der ungewohnten Zwänge reizt das Plättchenlegen in TUCANA BUILDERS. Viele Spieler:innen tüfteln ganz schön lange herum; man kann sehr froh sein, dass wir parallel spielen.
Weil wir recht bald schon am eigenen Leib erfahren, wie diffizil der Wegebau ist, überrascht TUCANA BUILDERS zunächst überwiegend positiv. Der gute Eindruck kann allerdings noch in derselben Partie verfliegen und in Frust umschlagen. Das zufällige Teileziehen sorgt für manche Ungerechtigkeit oder zumindest gefühlte Ungerechtigkeit. Irgendwer bekommt acht Mal in Folge die immer gleich gekrümmte Kurve. Irgendwer zieht eine Tiersorte überhaupt nicht. Irgendwer zieht keine Kreuzungen.
Kreuzungen sind wertvoll. Dass niemals Tiere darauf abgebildet sind, schafft einen gewissen Ausgleich. Alle wirklich beeindruckenden Endstände habe ich bislang trotzdem nur erlebt, wenn jemand überproportional häufig Kreuzungen zieht und damit ein Wegenetz erschafft, das viele Hütten an dieselbe, weit verzweigte Straße anbindet.
Die Bedingungen können schon sehr unterschiedlich sein. Drastisch gesagt, geht man nicht immer mit dem Gefühl aus der Partie, dasselbe Spiel gespielt zu haben. Störend hinzu kommt die große Fehleranfälligkeit von TUCANA BUILDERS. Ich zähle meine Punkte bei den Wertungen inzwischen lieber doppelt und dreifach, um nicht irgendein Tier oder irgendeine Abzweigung zu übersehen. Und immer wieder muss ich Spieler:innen helfen, genau diesen Fehler zu vermeiden.
Auch beim Bauen passieren Fehler. Während man hin- und herüberlegt und die Insel nach einer geeigneten Legemöglichkeit absucht, vergisst man gerne mal, dass das Plättchenlegen an einen Untergrund gebunden ist, und baut – froh, ein passables Eckchen gefunden zu haben – einfach irgendwo. Weil alle Teile grün sind, wird instinktiv auch gerne auf Dschungel gebaut, selbst wenn eine der drei anderen Landschaftsformen ausgelost wurde.
So summieren sich die Nachteile von TUCANA BUILDERS und lassen mich nach einigen Partien zu solideren und weniger problembehafteten Legespielen greifen – obwohl ganz klar ein Spielreiz erfahrbar ist. Langweilig ist TUCANA BUILDERS nicht. Aber eben etwas unbefriedigend.


*** mäßig

TUCANA BUILDERS von Eilif Svensson und Kristian A. Østby für eine:n bis fünf Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Donnerstag, 14. März 2024

Comet

Comet: Cover

Aah! Multi-Use-Karten! Seit wann haben die sich eigentlich durchgesetzt? Mir fällt spontan SAN JUAN ein, aber wer weiß …

Wie geht COMET? Wir retten Tiere, indem wir sie auf dem Spielplan von ihren Startfeldern zur Höhle schaffen, bevor der Komet einschlägt. Der Komet ist da sehr zuverlässig, er prallt auf, kurz nachdem der Kartenstapel verbraucht ist.
Gerettete Tiere zählen Punkte. Die meisten bringen darüber hinaus noch einen Effekt, den ich nach erfolgreicher Rettung nutzen darf. Die Tierkarte wird dazu getappt, und wenn ich statt meines Zuges „raste“, werden alle getappten Karten wieder enttappt.
Meistens werde ich in meinem Zug aber nicht rasten, sondern entweder ein Tier auf dem Spielplan einsetzen und somit ins Rennen schicken oder meine Tiere, die schon unterwegs sind, Richtung Höhle bewegen.

Comet: Karten

Um sie als Tier einzusetzen, wähle ich eine Karte aus meiner Hand. Sie zeigt, auf welchem Feld ein Spielstein für das Tier platziert wird. Je wertvoller das Tier, desto größer ist die Entfernung von der Höhle.
Fürs Bewegen wähle ich ebenfalls eine Handkarte, nutze nun aber ihre Landschaftssymbole. Sind Wiese und Wüste abgebildet, bedeutet das, ich darf eins meiner Tiere auf eine angrenzende Wiese, eins auf eine angrenzende Wüste setzen. Auch zweimal dasselbe Tier. Der Clou: Besetzte Felder darf ich überspringen. So entsteht ein Halma-Effekt. Je voller der Spielplan, desto tollere Kettenzüge sind möglich.
„Rasten“ wähle ich üblicherweise dann, wenn meine Handkarten zur Neige gehen. Eventuell noch vorhandene Karten darf ich abschmeißen, dann ziehe ich auf mein Handkarten-Limit hoch.

Was passiert? Das Überspringen anderer Tiere macht viel Spaß: sowohl gegnerische Spielsteine auszunutzen als auch eigene teamdienlich so zu positionieren, dass sie mir schöne Kettenhüpfer erlauben.

Comet: Spielbrett

Phasen mit vielen oder wenigen Tieren auf dem Brett wechseln sich ab. Stets hoffe ich, auf den großen Tierwellen mitreiten zu können, um mit geringem Aufwand in die Höhle gespült zu werden. Aber immer wieder haben einzelne Tiere natürlich das Pech, übrigzubleiben. Sie müssen nun deutlich verlangsamt zum Ziel krabbeln oder warten, bis das Brett wieder belebter wird. Jede:r versucht also, in einen guten Rhythmus zu kommen und nicht ausgerechnet dann rasten zu müssen, wenn der Spielplan voll ist.
Einige Tiere bilden Sets und zählen Extrapunkte, sofern ich eine bestimmte Menge davon rette. Die Hoffnung auf Sets ist ein Kriterium, nach dem ich entscheide, welche Tiere ich ins Rennen schicke. Orientierung bietet mir auch meine individuelle Startbedingung, die etwa besagt, dass gerettete Biber für mich Extrapunkte zählen. Manche Tiere wähle ich, weil ich scharf auf ihren Effekt bin. Und manche rein situativ, weil ihr Startpunkt in der aktuellen Rennsituation günstig zu sein scheint.
Beim Nachziehen bekomme ich die meisten Karten verdeckt. Deswegen habe ich wenig Kontrolle über mein Blatt und meine Tierauswahl, und COMET ist eher taktisch als strategisch geprägt. Je länger das Spiel dauert, desto planerischer und tüfteliger wird es. Jede:r besitzt durch die geretteten Tiere ein Arsenal von Zusatzeffekten, und die richtige Reihenfolge und somit den perfekten Zug auszuknobeln, kann schon etwas dauern.

Was taugt es? COMET ist wegen der vielen Sondereffekte ein recht komplexes Wettrennen. Was ich schade finde, denn nicht wegen der komplexen Elemente erlebe ich in COMET den Spielspaß. Sondern der besondere Reiz liegt im Rennen an sich, im Hüpfen, im Ausnutzen, im Zurücklassen anderer. Weshalb ich COMET auch nicht unbedingt zu zweit spielen würde; da ist auf dem Plan weniger los.
Ohne es beweisen zu können, glaube ich, es hätte dem Spiel gutgetan, einige Einzelheiten rauszuredigieren, um es einfacher und für eine größere Zielgruppe spielbar zu machen. Ein Strategiespiel ist es wegen des Kartenzufalls sowieso nicht. Und in der jetzigen Form erlebe ich, dass viele, die von dem tollen Thema und der attraktiven Grafik angezogen werden, beim Spielen ins Stolpern kommen.
Einige Kartentexte und Symbole erzeugen Nachfragen. Dass es Effekte auch zwischen den Spielzügen und zwei Klassen von Karten (Gold und Silber) gibt, macht die Abläufe hakelig. Kombinationsmöglichkeiten aus Tierfähigkeiten und Geländesymbolen werden schwer verstanden.

Comet: Rettertableau

Unintuitiv ist auch die Konstruktion, dass wir (anders als in meinem Text dargestellt) streng genommen keine Tierfiguren bewegen, sondern Retterfiguren. Laut Spielgeschichte schlüpfen an den jeweiligen Startpunkten Tiere aus Eiern, sind aber noch so schwach und winzig, dass sie von Retter:innen getragen werden müssen. Das muss man wissen, sonst versteht man einige Kartentexte nicht. Allerdings bleibt rätselhaft, warum die Retter:innen immer nur den Hinweg zu Höhle machen und dann wie durch Teleportation an neuen Startplätzen aufploppen. Merkwürdig auch, dass aus den Eiern sehr, sehr viele Säugetiere schlüpfen.
Neben diesen Kritikpunkten, die vielleicht kleinlich und Geschmackssache sind, gibt es auch klare Schnitzer: Einige Symbole sind auf den Karten so winzig abgebildet, dass man raten muss, worum es sich handelt. Und vor allem die Anleitung hakt. Wenn ich das Spiel nicht erkläre, sondern von Gruppen erarbeiten lasse, wird die Bewegungsregel fast immer falsch verstanden. Die Anleitung suggeriert, man dürfe andere Spielsteine nur gradlinig überspringen und nicht dabei abbiegen. Darf man aber, und das ist auch besser so.


**** solide

COMET von Peter Prinz für zwei bis vier Spieler:innen, Funtails / Huch.

Sonntag, 10. März 2024

Vor 20 Jahren (135): San Juan

San Juan: Cover

Immer wieder denke ich: Ach, ich wünsche mir ein Lexikon der Brettspielmechanismen! Keine Ahnung, ob da jemand gerade dran arbeitet. Oder ob es das schon gibt, mir aber entgangen ist. Ich fürchte, so wie ich es mir vorstelle, gibt es das nicht. Und es sitzt auch niemand dran, denn es wäre sauviel Arbeit für eine saukleine Zielgruppe.

Falls doch jemand dransitzt: Ich stelle es mir, bitte, folgendermaßen vor: Es sollten alle möglichen (aber natürlich nur die relevanten) Mechanismen aufgelistet sein, wie zum Beispiel die Mehrfunktionalität von Karten als entweder Gebäude, das ich vor mir auslege, oder Geld, das ich von der Hand abwerfe, um den Bau eines Gebäudes zu bezahlen, oder Waren, die in Produktionsgebäuden hergestellt werden.

Mir kommt es so vor, als wäre ich diesem grandiosen Mechanismus erstmals in SAN JUAN begegnet. Aber ich mag mich irren, und es war schon irgendwo vorher, und ich habe es vergessen. Oder ich kenne den Vorläufer nicht. Und das wäre jetzt genau die Gelegenheit, um im Mechanismen-Lexikon nachzuschlagen und zu erfahren: Aha, diese Form von Mehrfunktionalität für Karten taucht tatsächlich in SAN JUAN zum ersten Mal auf. Oder aber: Ach, das gab es schon früher, nämlich im Spiel XY.

Allerdings: Wie will man bewerten, wo ein Mechanismus seinen Ausgang nahm? Mag ja sein, dass es etwas Ähnliches schon etliche Jahre früher gegeben hat. Aber vielleicht blieb das Spiel unbekannt und konnte deshalb niemanden zur Nachahmung oder Weiterführung inspirieren. Oder der Mechanismus war anders umgesetzt und glänzte deshalb nicht so, weshalb ein späteres Werk, das den Mechanismus besser einbindet, viel mehr zu seiner Verbreitung und Durchsetzung beigetragen hat.

Es ist also kompliziert, und ich könnte mich auf der sicheren Seite fühlen, indem ich ganz subjektiv feststelle: Ich verbinde diesen Mechanismus mit SAN JUAN.

Äh … allerdings ist es sogar noch komplizierter, denn seit 2007 verbinde ich den Mechanismus ebenfalls mit RACE FOR THE GALAXY, wo er fast identisch auftaucht.

Angesichts der zeitlichen Abfolge könnte man nun mutmaßen, RACE FOR THE GALAXY habe SAN JUAN nachgeahmt. Aber nach allem, was ich weiß und gelesen habe, sind Ideen von Tom Lehmann und Richard Borg (die parallel zu Andreas Seyfarth ebenfalls an einem Kartenspiel zu PUERTO RICO arbeiteten) mit Zustimmung der beiden Autoren in Seyfarths SAN JUAN geflossen. Und RACE FOR THE GALAXY wiederum ist Tom Lehmanns spätere Weiterentwicklung jenes ursprünglichen PUERTO RICO-Kartenspiels.

Hut ab, wer das alles untersuchen und mein persönliches Lieblingslexikon schreiben möchte!

SAN JUAN fand ich seinerzeit herausragend. Ich war begeistert, wie es gelungen war, wesentliche Elemente von PUERTO RICO in ein Kartenspiel zu übertragen. Ich mochte die Klarheit der Strategien. Und vor allem fand ich die Idee genial, dass ich Karten abwerfen muss, um das Ausspielen anderer Karten zu bezahlen. So gab es keine schlechten Karten. Jede hatte ihren Zweck. Welchen, war meine Entscheidung.

Als aber RACE FOR THE GALAXY erschien, änderte ich teilweise meine Meinung. Obwohl ich die Reduziertheit von SAN JUAN immer als Pluspunkt empfunden hatte, stellte sich heraus, dass mich Vielfalt und Variation wie in RACE FOR THE GALAXY langfristig noch mehr in den Bann zogen. Übrigens auch bei einem Kartenspiel, das 2008 erschien, sehr stilbildend war und bis heute um immer neue Kartenpakete erweitert wird. Aber dazu ein anderes Mal, sobald es 20 Jahre her ist.


Mittwoch, 6. März 2024

Zug um Zug Legacy – Legenden des Westens

Zug um Zug Legacy: Cover

Achtung, der folgende Text enthält Spoiler, unter anderem meine Meinung zu dem Spiel.

Wie geht ZUG UM ZUG LEGACY? Grundsätzlich natürlich wie ZUG UM ZUG. Wir sammeln Farbkarten, die wir später bezahlen müssen, um mit unseren Waggons Routen zu besetzen. Möglichst nicht irgendwelche Routen, sondern entsprechend unseren Verbindungs-Aufträgen.
Bin ich an der Reihe, ziehe ich entweder bis zu zwei Karten oder spiele eine Farbserie aus und übernehme damit eine Route oder ich ziehe neue Aufträge. Erledigte Aufträge zählen Plus-, nicht erledigte Minuspunkte. Im Unterschied zum Grundspiel gibt es nicht generell Punkte beim Besetzen der Routen. Am Ende der Partie aber zählt es Punkte, möglichst viele Waggons aufgestellt zu haben – was auf einfachere Weise ungefähr denselben Effekt hat, indem es lange Routen belohnt.

Zug um Zug Legacy: Material

Während des Bauens kann ich trotzdem Punkte sammeln, zum Beispiel wenn ich eine Route besetze, die meiner Spielfarbe entspricht. Oder bei Ereignissen. In den Stapel der Farbkarten hineingemischt sind „Zeitungen“, die uns eine Ereigniskarte ziehen lassen. Manche Ereignisse bringen einen Sofort-, andere einen Dauereffekt, der bis zur nächsten Ereigniskarte gilt.

Was passiert? Grundsätzlich passiert, was immer bei ZUG UM ZUG passiert: Ich versuche, zielgerichtet Karten anzuhäufen und rechtzeitig auszuspielen, bevor mir jemand eine wichtige Strecke vor der Nase wegschnappt. Ich muss umplanen, wenn es doch geschieht. Ich muss mich beeilen, denn die letzte Runde einer Partie beginnt, sobald jemand nur noch zwei oder weniger Waggons hat.
Ich entscheide, welche und wie viele meiner Startaufträge ich behalte und ob ich während der Partie weitere ziehe. Weil unerledigte Aufträge hart bestraft werden, ist das Finale sehr spannend: Schaffe ich noch alles, was ich mir vorgenommen habe, oder schaffe ich es nicht?
Nun kommen noch Legacy-Elemente hinzu: Nach jeder Partie vergrößern wir den Spielplan um ein Segment, und abhängig davon, welchen Landstrich wir ranpuzzeln, kommen neben neuen Aufträgen auch neue Regeln ins Spiel. Die meisten dieser Regeln gelten nur für einige Partien. Wie lange genau, hängt oft von unserem Spielverhalten ab. Man kann sagen: Jedes Spielplan-Segment bringt seine eigene Mini-Erweiterung mit.
Zum Beispiel initiieren diese Erweiterungen nochmals Wettläufe innerhalb der Partie. Oder sie belohnen oder bestrafen oder verteuern bestimmte Spielzüge. Oder sie bringen Zocker-Elemente. Oder wir verändern durch Aufkleber den Spielplan, möglichst natürlich zum eigenen Vorteil.
Manche Aufträge, sofern erledigt, bringen mir neben Punkten noch eine „Postkarte“. Die kann man sich als eine Aktionskarte vorstellen, deren genauen Inhalt zunächst nur ich kenne. Postkarten zählen ebenfalls Punkte. Bei manchen muss ich dafür erst noch ein bestimmtes Ziel erreichen. So aktiviere ich sie. Manche funktionieren andersherum: Ich deaktiviere sie. Ihr Punktwert sinkt, je häufiger ich die Aktion anwende.

Zug um Zug Legacy: Spielplan

Während die ersten Partien auf dem kleinen Spielplan und mit zunächst nur 20 Waggons pro Person noch sehr schnell gehen, dauert es im Laufe der Kampagne immer länger, weil wir nun bis zu 56 Waggons besitzen und einen sehr großen Spielplan zu überqueren haben. Es dauert aber auch deshalb länger, weil immer mehr Regeln und Effekte ins Spiel kommen. Auch wenn manches wieder rausfliegt: In Summe wird es immer mehr: Hier muss ich was extra zahlen, da kriege ich was extra, da darf ich eine Figur versetzen und jemandem schaden, an anderer Stelle muss ich würfeln und die Folgen abwickeln, und neben den Aufträgen muss ich auch noch weitere umfangreiche Wertungen mitbedenken, die parallel ablaufen und einiges an Überblick erfordern, welche Städte und Routen mir noch fehlen.
Es sind bald sehr viele Regeln und Kleinigkeiten, die wir kollektiv im Gedächtnis und im Blick behalten müssen. Schon nach wenigen Partien kommt ZUG UM ZUG LEGACY im Kennerspielbereich an.


Zug um Zug Legacy: Karten

Was taugt es? Das sehe ich etwas zwiegespalten. Die vielen Mini-Spiele erzeugen Spannung, was als Nächstes kommt. Man muss entscheiden, wie viel Energie man in das neue Mini-Spiel investieren möchte oder ob man sich zugunsten des Gesamtspiels nicht so sehr darauf fokussiert, auch wenn es vermutlich Punkte kostet. Teilweise kann man bewusst forcieren, dass bestimmte Spielelemente wieder verschwinden. Was man gerne tut, wenn das Vorteile verspricht.
Die Mini-Spiele an sich finde ich unterschiedlich gut gelungen. Es ist einiges ist dabei, was ich nur im Rahmen einer solchen Kampagne akzeptabel finde, weil es mehr als den Spielreiz den Aufwand erhöht. Vieles ist dabei, was eine Redaktion aus Vereinfachungsgründen aus dem Spiel herauswerfen würde – wäre es nicht gerade ein Legacy-Spiel, das auf diesem Mini-Spiel-Prinzip beruht. Und es ist nichts dabei, das ZUG UM ZUG substanziell verbessert und was ich nun immer in ZUG UM ZUG haben wollte.
Ein klarer Schwachpunkt von ZUG UM ZUG LEGACY ist die Spielgeschichte. Sie soll eine inhaltliche Klammer sein, die die Mini-Spiele irgendwie miteinander verbindet, was aber nicht gelingt. Bald begreift man: Es ist für das Spielgeschehen egal, welche Texte da vorgelesen werden. In meiner Runde haben wir teilweise nicht mehr hingehört oder haben uns das Vorlesen gespart.
Andererseits gibt es auch Elemente, die mir gut gefallen: Für jede Partie wählt jede:r von uns einen Charakter, der bestimmte Sonderaktionen ermöglicht. Wer die vorherige Partie verloren hat, wählt zuerst; wer gewonnen hat, wählt zuletzt. Das hat merklich dazu beigetragen, das Feld beisammenzuhalten. Außerdem trifft man hier eine strategische Entscheidung, während ZUG UM ZUG LEGACY ansonsten überwiegend taktisch und situativ geprägt ist. Die Gesamtwertung am Ende der Kampagne ist sehr schlüssig. Zum Glück fällt nicht irgendein überraschender Wertungsdreh vom Himmel.

Zug um Zug Legacy: geheime Boxen

Gemessen an meinen hohen Hoffnungen und Erwartungen, bin ich fast sogar enttäuscht von ZUG UM ZUG LEGACY. So manches Element hat mich eher genervt als gereizt. Ich habe deshalb mit der Wertung „solide“ geliebäugelt. Dafür spricht, dass das, was mir an ZUG UM ZUG LEGACY am meisten Spaß macht (das Sammeln der Karten, das Timing beim Ausspielen, das Pokern mit den Aufträgen, die Spannung im Finale), auch schon im Grundspiel enthalten ist. Dafür brauche ich kein Legacy.
Am Ende habe ich mich doch knapp für „reizvoll“ entschieden. Es ist schon interessanter, ZUG UM ZUG LEGACY zu spielen als zwölf Partien ZUG UM ZUG, deren Ergebnisse ich am Ende aufsummiere. Also trägt eindeutig auch die fortwährende Veränderung zum besonderen Spielerlebnis bei. Und würde ich ein zweites ZUG UM ZUG LEGACY spielen wollen, sofern es eines Tages erscheint? Ja. Ich wäre wieder neugierig.
ZUG UM ZUG ist einfach ein sehr gutes Spielprinzip, weshalb es auch schon so viele Versionen und Länderausgaben trägt. Und weshalb es eine saugute Idee war, auf dieses Prinzip ein kompetitives Legacy-Spiel aufzusetzen – auch wenn ich mir einiges darin anders gewünscht hätte.



***** reizvoll

ZUG UM ZUG LEGACY – LEGENDEN DES WESTENS von Rob Daviau, Matt Leacock und Alan R. Moon für zwei bis fünf Spieler:innen, Days of Wonder.

Donnerstag, 29. Februar 2024

Gern gespielt im Februar 2024

PATTERNS: Bei der Musterung.

JEKYLL & HYDE VS. SCOTLAND YARD: Eins, zwei, Polizei.

QUANDO: Sag mir quando, sag mir, wann hören endlich diese schlechten Kalauer auf?

CAT IN THE BOX: Nein, nicht wegen der Katzen. Aber ich bin Schachtel-Fan!

SCHÄTZ IT IF YOU CAN: Ein Schätzchen.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM FEBRUAR:

BIER PIONIERE: Zwar trinken wir auf Spieleabenden üblicherweise kein Bier, trotzdem habe ich das Gefühl, mit Tee-Thema wäre das Spiel weit weniger überzeugend.





Dienstag, 27. Februar 2024

After Us

After Us: Cover

In der Postapokalypse wird die Welt von Affen dominiert! Krassomat. Aber ... was genau ist daran ungewöhnlich?

Wie geht AFTER US? Es ist ein Wettrennen und ein Deckbauspiel. Wer zuerst 80 Punkte erreicht, gewinnt. Und das Ganze funktioniert mit Karten. Acht besitze ich von Beginn an, immer vier ziehe ich für einen Zug auf die Hand. Ich kann Karten entsorgen, ich kann neue Karten kaufen.
Der erste Unterschied zu herkömmlichem Deckbau: Es gibt drei verschiedene Währungen für den Kauf: mit Blumen kaufe ich Mandrille, mit Früchten Orang-Utans, mit Körnern Gorillas. Schimpansen akzeptieren jedes der drei Zahlungsmittel.
Die verschiedenen Affensorten bewirken Unterschiedliches: Mandrille erzeugen tendenziell Punkte, Orang-Utans Batterien (eine vierte Währung, mit der ich Sonderaktionen ausführe), Gorillas erzeugen Zorn (eine fünfte Währung, die zum Entsorgen da ist). Schimpansen haben eine unterstützende Funktion für andere gespielte Affen.

After Us: Tableau

Zweiter und größerer Unterschied: Die Ausspielphase durchlaufen wir gleichzeitig. Und puzzeln mit unseren Karten. Jede Karte zeigt Boxen in drei Zeilen. Viele der Boxen sind am linken oder rechten Rand der Karte abgeschnitten. Das, was in der Box abgebildet ist, erhalte ich dann, wenn ich die vier Karten so nebeneinanderlege, dass die Box geschlossen ist. Das wird nicht mit allen Boxen klappen. Manche bleiben offen und bringen dann eben nichts.
Die Boxen der ersten Zeile (die ich zuerst auswerte) bringen Rohstoffe, die Boxen der anderen Zeilen definieren oft ein Tauschverhältnis. Beispielsweise darf ich eine Blume und eine Batterie abgeben, um einen Punkt zu erhalten. Oder zwei Körner für drei Zorn. Jede:r puzzelt, jede:r wertet aus, jede:r darf anschließend einen Affen kaufen, um ihn direkt auf den Nachziehstapel zu legen.


After Us: Spielplan

Was passiert? Dass wir nebeneinanderher puzzeln, macht AFTER US zu sechst überhaupt erst sinnvoll spielbar. Dass wir nebeneinanderher puzzeln, bewirkt allerdings auch, dass man ausschließlich mit sich selbst beschäftigt ist und es fast keine Rolle spielt, ob noch andere Personen am Tisch sitzen.
Das Puzzle selbst empfinde ich als mäßig interessant. Man probiert es ein bisschen so und ein bisschen anders, aber weil manche Boxen (vor allem die auf den zugekauften Karten) stärker und wichtiger sind, wird man mit Priorität auf den Abschluss dieser Boxen bald zu einem akzeptablen Ergebnis gelangen, und alles weitere Herumprobieren erzeugt nur Varianten ähnlicher Qualität. (Und wenn jemand vorhätte, sämtliche Varianten von vorne bis hinten systematisch durchzurechnen, säße ich lieber nicht mit am Tisch.)
Man sammelt seine Ressourcen ein, und zumindest teilweise ergibt sich daraus auch schon, welchen Affen man überhaupt kaufen kann. Ich brauche drei Ressourcen einer Sorte für einen schwächeren Affen, sechs für einen stärkeren. Einen Grund, einen schwächeren zu nehmen, wenn ich einen stärkeren haben kann, gibt es üblicherweise nicht.


After Us: Kärtchen

Was taugt es? Was genau der gekaufte Affe kann und wie seine Boxen angeordnet sind, erfahre ich erst hinterher. Denn wir kaufen die Karten von verdeckten Stapeln. Ich sehe ein, dass das Spiel zu kompliziert werden würde, lägen diese Informationen offen und jemand versuchte allen Ernstes, da irgendwas vorauszuberechnen. Also ist es im Rahmen dieses Spiels schon okay so, die Karten verdeckt zu verkaufen.
Mir stellt sich aber die Frage, ob das Spiel als solches okay so ist. Zunächst einmal: Gut finde ich, wie klar die Strategien voneinander abgegrenzt sind. Ich kann mal versuchen, möglichst nur Gorillas zu kaufen, um alle schwächeren Karten aus dem Deck zu entsorgen. Oder nur Mandrille, um mit vielen Punkten schnell ins Ziel zu laufen. Oder eine sinnvolle Kombination aus zwei oder mehr verschiedenen Affen. Es gibt einiges auszuprobieren.
Allerdings fühlt sich AFTER US in keiner Phase für mich spannend an. Das Puzzle finde ich nicht raffiniert genug, um allzu viel Denkzeit in den Versuch investieren zu wollen, ob sich nicht doch noch eine Winzigkeit mehr herausholen ließe.
Und das Ergebnis der Puzzlephase ist einfach nur ein anderer Kontostand: Ich gehe x Schritte auf der Punkteskala voran und erhalte y Rohstoffe in den diversen Währungen. Es passiert nichts, was mich irgendeinen Bezug zum Spielthema herstellen lässt. Es passiert auch nichts Erzählerisches. AFTER US ist emotionslose Mechanik. Und zur Emotionslosigkeit trägt auch das verdeckte Kaufen bei. So kann eben nie irgendwas im Markt sein, von dem ich denke: Das will ich unbedingt haben! Hoffentlich nimmt es mir niemand weg!
Immerhin: Das Spiel kommt mit einer neuen Idee daher, es funktioniert auch gut zu sechst, mechanisch ist es rund und ohne unnötige Verkomplizierungen. Doch in Erinnerung bleibt AFTER US nicht.


*** mäßig

AFTER US von Florian Sirieix für eine:n bis sechs Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Montag, 19. Februar 2024

Die Weiße Burg

Die Weiße Burg: Cover

Zwölf Züge dauert AUF DEN WEGEN VON DARWIN, und man denkt, das sei schon krass reduziert, da kommt DIE WEISSE BURG und unterbietet es mit neun. Man staunt: Wow! Aber natürlich gab es das alles längst. Beim Schach kann ich mich in nur zwei Zügen mattsetzen lassen. Das ist das „königliche Spiel“!

Wie geht DIE WEISSE BURG? Wir platzieren Würfel, um damit Aktionen auszuführen. Irgendwer hat zu Rundenbeginn alle Würfel geworfen. Aus diesem Vorrat bedienen wir uns. Würfel gibt es in Rot, Schwarz und Weiß. Bei manchen Einsetzfeldern ist die Farbe des Würfels vorgegeben. Bei den meisten Einsetzfeldern bestimmt die Farbe des Würfels, welche Aktion ich ausführen darf. Die Augenzahl des Würfels besagt, ob ich beim Einsetzen Geld erhalte oder Geld zahlen muss.
Je mehr meiner Figuren ich aufs Brett bringe, desto mehr Punkte erhalte ich in der Schlusswertung. Figuren platzieren zu dürfen, erfordert allerdings nicht nur die passende Aktion, sondern kostet auch Rohstoffe. Gleichzeitig wertet es aber drei Aktionsfelder auf meinem Tableau auf: Je mehr Figuren ich einsetzen kann, desto stärker werden diese Aktionen.

Die Weiße Burg: Spielplan

Drei Arten Figuren gibt es: Krieger, Höflinge und Gärtner. Krieger lösen Sofortaktionen aus und gewinnen Punkte für die Anzahl meiner eingesetzten Höflinge. Höflinge können innerhalb der Burg aufsteigen. Dabei erhalten sie einen Sofortbonus, außerdem erwerben sie eine Karte, die – verkürzt gesagt – Aktionen auf meinem Tableau verändert und verbessert. Höflinge in höheren Positionen zählen mehr Punkte als niedere Höflinge.
Und schließlich die Gärtner: Sie zählen einen festen Punktwert, der mit den Rohstoffkosten fürs Einsetzen korreliert. Auch Gärtner bekommen eine Sofortaktion. Und bei Rundenende (nach drei Zügen) dürfen sie diese Aktion noch einmal ausführen, wenn die Würfel einer bestimmten Würfelfarbe nicht aufgebraucht wurden. Einen Gärtner zu platzieren, ist also wie eine Wette auf den Verlauf der Spielrunde. Wobei gehäuft kleine Augenzahlen bei einer Farbe ein ganz guter Indikator sind.


Die Weiße Burg: Tableau

Was passiert? Ich muss mit meinem Geld haushalten, ich brauche immer wieder Rohstoffe, und ich versuche möglichst oft, mit dem gewählten Würfel nicht nur Einnahmen zu erzielen, sondern obendrein eine Figur zu platzieren. Und noch besser natürlich so, dass Kettenzüge entstehen und ich durch das Platzieren einer Figur eine weitere Figur entsenden darf.
Wenn ein Höfling eine der Karten aus der Burg nimmt, wird eine andere vom Stapel nachgelegt. Dadurch verändern sich während der Partie die Aktionsmöglichkeiten auf dem Spielplan, und es existieren mal mehr oder mal weniger Möglichkeiten, um eine bestimmte Figurensorte ins Spiel zu bringen. Ohnehin ist DIE WEISSE BURG variabel angelegt. Der Spielaufbau wird jedes Mal ein bisschen anders sein.

Was taugt es? DIE WEISSE BURG ist ein Optimierungsspiel, in dem es darum geht, neunmal den bestmöglichen Zug zu finden. Dass sich die Auslage durch Aktionen meiner Mitspieler:innen ändert, ist zwar eine Form von Interaktion, jedoch eher die chaotische, zufällige Form, die mich möglicherweise zwingt, einen Zug komplett neu zu durchdenken, weil der ursprüngliche Plan nicht mehr funktioniert.
Es ist ein sehr kompaktes, fast schon minimalistisches Spiel. Kettenzüge dehnen sich nicht ins Unendliche, und mittels der Symbole ist alles schlüssig erklärt. Wenn alle die Regeln beherrschen, kann DIE WEISSE BURG auch zu viert in etwas über einer Stunde gespielt sein, was sich verglichen mit anderen Spielen ähnlicher Komplexität kurz anfühlt – ohne dass dafür Tiefe geopfert wird. (Na gut, mit grübelnden Mitspieler:innen kann es auch locker über zwei Stunden hinausgehen, und dann fühlt es sich natürlich nicht mehr kurz an.)
Obwohl ich anerkenne, dass das Spiel gekonnt konstruiert ist, gehört es doch zu einer Art Spiel, die mich nicht mehr sonderlich lockt. Es ist einerseits kein neuer, augenfällig origineller Mechanismus da, mit dem ich herumspielen und den ich ausloten wollen würde. Und zweitens steckt kein Leben drin. DIE WEISSE BURG ist eine komplexe Verzahnung irgendwelcher abstrakter Mechanismen, die am Ende auf irgendeine Weise Punkte generieren. Sich in der Symbolwelt zurechtzufinden, ist wie Vokabellernen. Das vermeintliche Thema unterstützt die Abläufe nicht.
Es gibt sicher Fans dieser Spielegattung, die versuchen werden, noch mehr Figuren aufzustellen und noch mehr Punkte herauszuholen. Und für solche Optimierer:innen, die die Ästhetik einer gut verzahnten Spielmaschine genießen, ist DIE WEISSE BURG ein gutes Spiel, weil es sauber auf den Punkt kommt. Wie gesagt, gehöre ich nicht zu dieser Fangruppe. Wenn ich über den Spielspaß einer Partie nur berichten kann „Wir haben ganz viel getüftelt und gerechnet“, dann ist mir das angesichts der Konkurrenz auch erzählerisch stärkerer Expert:innenspiele mittlerweile zu wenig.


**** solide

DIE WEISSE BURG von Sheila Santos und Isra Cendrero für eine:n bis vier Spieler:innen, Kosmos.

Donnerstag, 15. Februar 2024

Auf den Wegen von Darwin

Auf den Wegen von Darwin: Cover

„Segelt auf der Beagle um die Welt“ steht auf der Schachtel. Aber was für ein Drama: Gerade mal drei mal drei Plättchen misst die Auslage, um die wir herumtuckern. Also, wenn die Welt tatsächlich soo winzig ist, will ich darauf natürlich keinen Platz für meine Einleitungen beanspruchen.

Wie geht AUF DEN WEGEN VON DARWIN? Wir segeln auf der Beagle um die Welt. Aus der Zeile oder Spalte, vor der das Schiff steht, muss ich ein Plättchen wählen und auf meinem Tableau ablegen. Die meisten Plättchen zeigen Tiere und gehören an eine fest definierte Stelle meines Ablagerasters: der Heimatkontinent des Tiers (Farbe) bestimmt die Spalte, die Tierklasse (Symbol) die Zeile.
Kann ich eine komplette Zeile oder Spalte füllen, bringt mir das fünf Punkte. Einige Tiere zählen obendrein einen festen Punktwert, manche geben mir einen Kompassmarker. Und alle Kompassmarker multipliziere ich am Schluss mit allen meinen auf Plättchen sichtbaren Kartografie-Symbolen.
Warum sichtbar? Weil überbaut werden kann – und auch muss, wenn ich ein zweites Tier desselben Kontinents und derselben Klasse nehme. Punktwerte zu überbauen, ist nicht so gut, denn dann sind sie futsch. Kompasse zu überbauen stört nicht, denn den Kompassmarker habe ich schon eingesackt. Überbauen hat übrigens auch Vorteile, denn jedes Mal, wenn ich dies tue, bekomme ich einen „Theorie-Marker“, der eine Punktebedingung für meine Schlusswertung definiert: beispielsweise ein Punkt pro Tier aus Australien oder ein Punkt pro Reptil.


Auf den Wegen von Darwin: Tableau

Was passiert? Ganze zwölfmal komme ich an die Reihe, ein Plättchen zu nehmen. Es ist also unmöglich, mein komplettes Vier-mal-vier-Raster zu befüllen. Man schafft höchstens einige Reihen. Und apropos Reihen: Anfangs zielen viele Spieler:innen intuitiv auf Zeilen und Spalten. Dabei kann es lukrativer sein, ein Tier zu überbauen, das seinen Zweck schon erfüllt hat, und dafür einen Theoriemarker mitzunehmen, der möglicherweise allein schon genauso viele Punkte einbringt wie eine komplette Reihe.
Allerdings bin ich in meiner Wahl eben sehr eingeschränkt. Zwischen gerade mal drei Plättchen wähle ich. Ob ich das vom Schiff aus gesehen erste, zweite oder dritte Plättchen nehme, bewirkt übrigens, dass das Schiff eins, zwei oder drei Schritte weitersegelt. Ich beeinflusse die Möglichkeiten der nachfolgenden Spieler:innen.
Manche Tiere bringen mir „Ortskundige-Marker“. Und diese Marker darf ich verwenden, um das Schiff zu versetzen, bevor ich ein Plättchen wähle. Oft besitzt man aber keinen Marker oder man besitzt nur einen, möchte das Schiff aber am liebsten um zwei bewegen. Oder es liegt auf der ganzen Welt gar kein Plättchen aus, das man gebrauchen könnte. (Nur zu fünft spielen alle Plättchen mit. In kleinerer Besetzung bleiben irgendwelche zufälligen Plättchen draußen.)
Soll in Summe heißen: Man muss es in AUF DEN WEGEN VON DARWIN öfter mal nehmen, wie es kommt. Gerade am Schluss kann es etwas unbefriedigend sein, wenn gar nichts mehr passt. In einem Spiel, das gerade mal zwölf Züge dauert und kaum Regeln hat, darf das aber mal sein.


Auf den Wegen von Darwin: Spielplan

Was taugt es? Die Regeln und die Wertungen sind absolut klar. In den Abläufen steckt nichts Hakeliges oder Überflüssiges. Weil mechanisch wenig Spektakuläres passiert und jeder der zwölf Spielzüge demselben Muster folgt, fühlt sich das Spiel leichtgewichtig an, Vielspieler:innen könnten schnell zu der Bewertung „seicht“ kommen. Die ich so nicht unterschreiben würde. Es lohnt sich schon, AUF DEN WEGEN VON DARWIN mehrmals zu spielen, weil man lernt, auf Auslage und Mitspieler:innen besser zu reagieren.
AUF DEN WEGEN VON DARWIN ist ein sehr rundes Spiel, zumal es auch hübsch gestaltet und hübsch ausgestattet ist. Auf zwei Seiten der Anleitung kann man mehr über Charles Darwin und seine Reisen erfahren. Um mich immer wieder an den Tisch zu locken, fehlen mir dann allerdings Abwechslung und auch irgendetwas Emotionalisierendes.


**** solide

AUF DEN WEGEN VON DARWIN von Grégory Grarg und Matthieu Verdier für zwei bis fünf Spieler:innen, Sorry We Are French.

Sonntag, 11. Februar 2024

e-Mission

e-Mission: Cover

Es ist die A-Mission, die wichtigste Mission, die Mission überhaupt: die globalen Temperaturen nicht immer noch weiter steigen zu lassen. Dass E-MISSION statt des A lediglich das E, also gerade mal den fünften Buchstaben des Alphabets, voranstellt, so als gäbe es von A bis D noch Besseres zu tun, irritiert – bis man das Titelwortspiel versteht: Ach so, es geht um Emission. Bei mir jedenfalls hat das länger gedauert. Aber ich bin ja auch schon über 35 und somit b-tagt.

Wie geht E-MISSION? Wir sind die Welt bzw. verschiedene Weltmächte. Unser Ziel ist es, weniger CO2 in die Luft zu blasen, als von Wäldern und Ozeanen gebunden werden kann. Das muss uns binnen sechs Runden gelingen. Die globale Temperatur darf derweil nicht zu sehr ansteigen, und alle Weltmächte müssen gesellschaftlich stabil bleiben.
Jede:r startet mit etwas anderen Voraussetzungen, China beispielsweise hat einen großen Energiebedarf, in den USA sind die Emissionen durch den Verkehr sehr hoch. Jede Weltmacht startet außerdem mit fünf etwas unterschiedlichen Projekten.

e-Mission: Weltmacht-Tableau

Ein Projekt ist eine Kartereihe. Bei Spielbeginn bestehen alle Projekte aus gerade mal einer Karte. Ich darf später weitere Karten anlegen: entweder obendrauf oder dahinter. Die vorderste Karte eines Projektes definiert, worum es in dem Projekt geht. Man könnte sagen, sie definiert eine Spielregel für mich. Beispielsweise: Ich darf eine Handkarte abwerfen, um meine Erzeugung sauberen Stroms um eine Einheit zu erhöhen.
Und ich könnte für die abgeworfene Karte sogar mehr als einen Marker für sauberen Strom bekommen: nämlich einen pro Stromnetz-Symbol in dem Projekt. Und das ist der Grund, um Karten auch mal hinterzuschieben: um dem Projekt hilfreiche Symbole hinzuzufügen. Alle Karten eines Projekts hinter der vordersten bringen ihre Symbole ein.

e-Mission: Projektkarten

Zu Beginn der nächsten Runde bekommen alle ein paar neue Handkarten: je unstabiler die Weltmacht schon geworden ist, desto weniger. Und bei Rundenende wird auf sehr einfache Weise ausgerechnet, wie viele Emissionen wir produzieren und um wie viele Schritte die globale Durchschnittstemperatur steigt. Höhere Temperaturen haben zur Folge, dass wir mehr negative Ereigniskarten („Krisen“) ausführen und häufiger den Globale-Folgen-Würfel werfen müssen. Dessen Ergebnisse sorgen dafür, dass wir Marker auf Skalen, die „Wetterextreme“ oder „Versauerung der Meere“ heißen, vorwärts schieben müssen, und wenn sie dort bestimmte Felder namens „Kipppunkt“ erreichen, passiert irgendetwas Negatives.


e-Mission: Spielplan

Was passiert? Auch wenn wir kooperativ agieren und uns absprechen dürfen, tüftelt jede:r auch für sich. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, um Karten an andere weiterzugeben, es gibt nur wenige Projekte, an denen sich alle beteiligen dürfen. Im Großen und Ganzen muss ich zusehen, wie ich meine eigene Weltmacht auf Kurs bringe. Deswegen können einige Aktionen parallel abgewickelt werden. Jede:r knobelt mit seinen Handkarten aus, ob und in welche Projekte sie gespielt werden sollen, ob sie zur Bezahlung benutzt oder mit in die nächste Runde genommen werden.
Kartenglück und Würfelglück sind nicht unerheblich. In meinen Runden wurde E-MISSION trotzdem meistens gewonnen, teilweise so ungefährdet, dass ich schon etwas enttäuscht war, wie leicht der Klimawandel im Spiel zu stoppen ist. Und ich war überrascht, hier und da im Netz zu lesen, E-MISSION sei zu schwer. Aber wie auch immer: Die Autoren haben diverse Varianten vorgesehen, um die Schwierigkeit nach oben oder unten anzupassen. Insofern sollte jede Gruppe das für sie passende Level finden können.


e-Mission: Krisenkarten

Was taugt es? Rein mechanisch gesehen ist E-MISSION gar nicht so spektakulär. Mit irgendeinem 08/15-Thema hätte mich das Spiel vermutlich weit weniger gekickt. Aber das ist eine müßige Überlegung, denn E-MISSION hat nun mal das Thema, das es hat. Und es bildet sein Thema hervorragend ab. Natürlich vereinfacht, aber gleichzeitig anschaulich und konkret. Ganz offenbar haben sich die Autoren sehr darum bemüht, den Stand der Forschung abzubilden (wobei mich persönlich stört, dass die Atomenergie im Spiel als positive Alternative gilt).
E-MISSION ist ein ambitioniertes Spiel. Auf jeder Karte befindet sich ein Barcode, den ich scannen kann, um detaillierte Erklärungen und weiterführende Links zu den einzelnen Karten zu erhalten. Theoretisch. Scannt man tatsächlich, erfährt man, dass dies bei der deutschen Ausgabe alles noch in Vorbereitung sei und erst „in Kürze“ realisiert werde.
Ich finde, wenn man ein solches Angebot verspricht, sollte man es vier Monate nach Veröffentlichung des Spiels auch realisiert haben. Und auch bei den wackeligen Tableaus und der Materialaufbewahrung wäre noch Luft nach oben gewesen.
Aber das ändert nichts daran, für wie bedeutsam ich E-MISSION halte: Endlich kommt der Kampf gegen den Klimawandel im Brettspiel an. Und zwar nicht als Alibithema, um dann doch nur wieder Siegpunkte zu sammeln. Endlich geht es um echte Themen, um DAS echte Thema, um das A-Thema. Endlich wird der Beweis angetreten, dass Spiele auch zum Klimadialog beitragen können.
Zu ATIWA hatte ich geschrieben: „Wir leben in der Klimakatastrophe, aber den meisten Spielen merkt man dies nicht an. Sie sind genau wie all die Jahre vorher auch. So als sei nichts.“ Ich bin froh, dass sich dies durch E-MISSION wieder ein bisschen ändert.


****** außerordentlich

E-MISSION von Matt Leacock und Matteo Menapace für eine:n bis vier Spieler:innen, Schmidt.