Mittwoch, 21. Oktober 2009

Nach Feierabend: Les Suprêmes Dindes

„Auszieh´n! Auszieh´n!“ – Ist das eigentlich überall so oder gehe ich in die falschen Konzerte?
Man kann fast drauf wetten: In dem Moment, wo der Lärmpegel von der Bühne ein klein wenig abebbt, weil vielleicht der Gitarrist zwischen zwei Stücken schnell eine neue Saite aufziehen muss oder der Sänger einen Schluck Wasser trinkt, nutzt das durch Alkohol enthemmte Publikum die Gunst des Augenblicks, um mit der Band zu kommunizieren und eine wichtige Botschaft zu loszuwerden: Ausziehen!

Ich kann mich an nur zwei Abende erinnern, an denen dieses Schema auf interessante Weise durchbrochen wurde. Bei einem Konzert von Smoke Blow wartete der Sänger den obligatorischen Schlachtruf gar nicht erst ab, zog sich schon während der ersten Konzertminuten bis auf die Schuhe aus und spielte mit dem Mikrofonkabel an seinem Penis herum. Aus dem peinlich berührten Publikum erhob sich ein zartes Stimmchen: „Anzieh´n! Anzieh´n!“
Und dann waren da noch Les Suprême Dindes, die auf ihrer kleinen Abschiedstournee wesentlich mehr Zuschauer verdient gehabt hätten, aber trotzdem ungerührt so abrockten, als ginge es darum, sich ein Millionenpublikum zu erspielen. Und schon bevor irgendjemand lospöbelte, hatten die zwei Damen und zwei Herren ihre Oberbekleidung abgelegt, und forderten in einem charmanten Kauderwelsch aus Englisch, Französisch und Deutsch das Partyvolk auf, es ihnen gleich zu tun. Aber wir alle nix verstehen. German Publikum très chüüüchtääärn.

Einen Originalitätspreis gewinnen die Franzosen mit ihren Kompositionen vermutlich nicht. Aber wozu auch? Entweder man ist innovativ oder man rockt. Und Les Suprêmes Dindes rocken. Im Anschluss an das Konzert habe ich mir zur Erinnerung die (drei Jahre alte) CD gekauft. Natürlich hätte ich hier lieber eine total aktuelle CD präsentiert, aber eine aktuellere wird es nicht mehr geben, und ich wäre sehr stolz, wenn mein letztes Lebenszeichen dereinst ähnlich frisch und unverbraucht klingt.
In der Besetzung mit zwei Gitarren und weiblichem Sprechgesang, vorangetrieben von einem Bass- und Schlagzeugteppich, geht es mit reichlich Druck nach vorn. Sehr geschickt nimmt man auch immer mal wieder den Fuß vom Gaspedal, um danach wieder gezielt einen neuen Reiz zu setzen. Viele Bands, die ich live als sehr wuchtig erlebte, entpuppten sich auf ihrem Tonträger als enttäuschend weichgespült. Les Suprêmes Dindes nicht.

http://www.myspace.com/lessupremesdindes


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