Montag, 12. September 2011

Eine Million Interviews (4): Sarah Kestering

Sarah Kestering

Die Interviewte: Sarah Kestering (34), Spielekritikerin aus Aachen. Der Name ihrer Internetseite spielenswert.de zeigt, was ihr besonders am Herzen liegt: gute Spiele!

Der Interviewer: Udo Bartsch (43), Spielekritiker aus Hannover. Der Name seiner Internetseite rezensionen-fuer-millionen.de zeigt, was ihm besonders am Herzen liegt: gutes Geld!


Frau Kestering, in den bisherigen Interviews meiner bahnbrechenden Erfolgsserie „Eine Million Interviews“ ging es um Duschhauben, ich wurde von einem unmusikalischen Hund angejault und büßte meine beste Hose ein. Alles ganz schön unbefriedigend. Ich hoffe, mit Ihnen kann ich endlich mal einen gehobenen philosophischen Diskurs führen.

Herr Bartsch, da sind Sie bei der Richtigen gelandet. Auf ein hohes geistig-intellektuelles Niveau lege ich gesteigerten Wert... Immerhin besitze ich mehrere Bücher, unter anderem Weltklassiker wie das Telefonbuch, „Backen macht Freude“ und „Hanni und Nanni gründen einen Klub“.
Um die horrenden Unterhaltskosten für spielenswert zu finanzieren, musste ich allerdings auch Abstriche machen und habe den Duden verkauft. Ist dem einen oder anderem Leser wohl schon aufgefallen...
Gerne bin ich bereit, über Grundsatzfragen des Lebens zu diskutieren, zum Beispiel über die Frage, ob Schildkröten ohne Panzer nur nackt oder eher obdachlos sind.

Ähm, ja. Gewiss ein interessantes Thema. Ich dachte allerdings eher an ein Reflexionsgespräch über Gerechtigkeit. Führen Sie sich doch mal bitte diese Fakten vor Augen: 1. Sie sind jünger als ich. 2. Sie sehen sympathischer aus. 3. Ihre Internetseite hat mehr Leser als meine! Ich weine jede Nacht deswegen. Wie können Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren?

Ach, kein Problem. Ich lasse Ihnen einfach durch meinen Sekretär Dirk eine Familienpackung Taschentücher zukommen, dann sind wir quitt.
Es ist wohl einfach die Komposition von Stil, Eleganz, Anspruch und High-End-Technik, die spielenswert von diesen Kritiken für Tausend – oder wie hieß Ihre Seite denn jetzt noch? – so sehr abhebt. Falls Sie eine Stelle als Praktikant bei spielenswert suchen...

Als Prakt...?! (muss husten)

Vielleicht, Herr Bartsch, ist das Internet in Ihrem Alter auch nicht mehr so das richtige Medium? Mal so als Tipp aus einem Senioren-PC-Buch: Der PC lässt sich auch herunterfahren, ohne den Stecker zu ziehen.

Senio...?! (hustet heftiger)

Mein Leben hat sich durch spielenswert grundlegend geändert. Ich lasse mir schon mal den Herrn Knizia zum Kartenmischen einfliegen. Außerdem ist es einfach unglaublich, wie viele Heiratsanträge ich seit spielenswert schon erhalten habe!

Nicht, dass es mich wirklich interessiert, aber wie viele waren es denn?

Gar keiner. Unglaublich, nicht wahr? Dafür hat spielenswert schon 32 Facebook-Fans. Na gut, einer bin ich, einer mein Bruder, einer die Freundin meines Bruders...

Hm, wenn sonst keiner will und wenn Ihr Mann nichts dagegen hat, könnten wir ja vielleicht heiraten? Wie würden Sie es denn mit der Gütertrennung halten? Treten Sie mir die Hälfte Ihrer Leser ab?

Herr Bartsch! Ich bin entsetzt. Ganz ehrlich und tief in meinen traditionell, christlich-konservativen Grundwerten getroffen! Dieser Vorschlag ist mindestens so anstößig wie die Bäderkarte aus 7 WONDERS.
Ihre Millionen mögen ihre Reize haben, aber sind Sie sich eigentlich der Spätfolgen dieser spontanen Gefühlsregungen bewusst? Nicht auszudenken, was eine Scheidung zur Folge hätte, wenn Sie erst mal jahrelang Ihre schmutzigen Socken vorm Spieleregal liegen gelassen haben. Ich stelle mir das so vor: „DOMINION kommt zu mir!“ – „Nein, du kriegst EMIRA und die Kinder, DOMINION bleibt bei mir!“
Und was sagt Claudia dazu?

Puh, Sie machen’s aber kompliziert. Ich wollte doch nur Ihre Leser! Mit meinen ist nämlich kein Staat zu machen. Seit Ewigkeiten deute ich ganz zart mein Bedürfnis nach einer Million an, und denken Sie, irgendeiner hätte auch mal nur einen Tausender rüberwachsen lassen? Manchmal fragt man sich schon, warum man das überhaupt noch macht, diesen (schluchzt auf) knüppelharten Knochenjob eines Spielekritikers.
Was ist denn eigentlich Ihr Beweggrund?

Sehen Sie, Herr Bartsch, das ist doch wie bei einer Ehe. Da stellt man vorher keine Kosten-Nutzen-Analysen auf und berechnet auch keinen Break-Even-Point. Nein, es ist der Bauch, der sagt...

Huuuunger!

... das ist deine höhere Daseinsbestimmung. Außerdem kriegste ein schickes weißes Kleid. So lustwandelte ich eines Tages durch die Gegend und fand ein goldenes Buch. Darin stand geschrieben: „Sarah – Du musst unbedingt Spielekritiken schreiben oder die Welt wird in ewige Finsternis versinken.“ Es war der Reiz, es mal selber zu probieren, Spielekritiken zu schreiben, die aber keine reine Regelnacherzählung mit dem aussagekräftigem Fazit sind: „Ein Spiel, das bei Familien sicherlich gut ankommt, es kommt bestimmt noch häufig auf den Tisch“ Kotz!

Frau Kestering, jetzt ist es passiert! Ich habe eine ernsthafte Frage gestellt, und Sie haben ernsthaft darauf geantwortet. Das Interview ist total entgleist! Wir müssen sofort abbrechen, aber eine Frage zum „Graf Ludo“ brennt mir noch unter den Nägeln. Die wollte ich eigentlich Herrn Menzel stellen. Jetzt frage ich Sie: Was ist für Sie das Wichtigste am „Graf Ludo“: Das Preisgeld? Die Ehre? Oder dass „UDO“ im Namen vorkommt?

„Graf Ludo“? Ist das nicht der Film, wo Peter Alexander eine Frau spielt? Oder der Mann von Frauke Ludowig? Es mag ja durchaus sein, dass dies ein nach Ihnen benannter Preis ist, aber solange meine TELESTRATIONS-Bilder nicht nominiert werden, ignoriere ich den.
Vergessen Sie doch mal den Tausender, Ihre Millionen; besinnen Sie sich doch mal auf die wahren Werte, schließlich ist bald Weihnachten. Es gibt da ein altes Sprichwort, ich glaube, es ist von mir: „Spiel gut, alles gut.“

Das könnte ein schönes Schlusswort sein. Ich fürchte nur, Sie möchten trotzdem noch etwas sagen?

Ja.
Ich möchte noch jemanden grüßen. Tante Änne, die Dreifaltigkeits-Schützenbruderschaft Nütheim-Schleckheim, den Döner Grill in Alamogordo, Gaby von Gabys Nagelstudio in Gilching, Dirk – love forever, die Sportfluggruppe Leck, den Fischertechnik Fanclub Deutschland, meinen Bruder, die Freundin von meinem Bruder, die Mutter von der Freundin von meinem Bruder, den Hund von der Mutter von der Freundin von meinem Bruder…

Oh, Scheiße.
Frau Kestering, hallo, ich bin auch noch da, ich danke für das Gespräch.

7 Kommentare:

felix.k hat gesagt…

lol

Andreas und Björn Kalies hat gesagt…

Was für einen Klub gründen denn Hanni und Nanni? Kann man da noch beitreten?

Und Schildkröten ohne Panzer sind höchstwahrscheinlich Pazifisten ....

Tom13 hat gesagt…

Wenn zwei solch wortgewandt-ironische Vielsprecher... äh ...spieler zusammentreffen bleibt eben kein Auge trocken! :)
Danke für diese herrlich amüsanten Alltagserheiterungsinterviews.

Wer wird wohl der/die Nächste sein?

Sarah hat gesagt…

Also Grit ist ein armes Mädchen. Hanni, Nanni, Hilda, Jenny und ein paar andere lustuge Lindenhofer gründen einen Klub. Grit kriegt ne'n Rock und ne Bluse und wird herzlich in die Gemeinschaft der jungen Mädels aufgenommen. Die elitäre Elli macht sich über diese Zitat: Affenliebe zu Grit, lustig, wie einige andere Mädchen auch. Hinterher stellt sich allerdings raus das Grit ne philipinische(?) Prinzessin ist, die sich vor Entführern versteckt hielt......ach ihr seid schon weg? Das Buch kaufen?

Das mit den pazifistischen Schildkröten stimmt mich nachdenklich. Diesen Aspekt habe ich bisher völlig vernächlässigt. Mein Weltbild ist im Begriff sich zu ändern, das das ist wirklich ein guter Punkt.

Andreas und Björn Kalies hat gesagt…

Über sowas macht sich halt keiner Gedanken (warum auch... )
Kaum auszumalen, wie viele pazifistische Schildkröten in Panzerlosen-Heim gesteckt wurden anstatt ordentlichen Schildkröten-Zivildienst leisten zu können!
Aber wir haben ja hier in Udos Rezensionen für Millionen Schildkröten oder so ein wunderbares Forum gefunden uns dieser Problematik bewusst zu werden!

Maddin hat gesagt…

Liebe Sarah,
lieber Björn,
lieber Udo,

ich fürchte, ich muss nach soviel fundiert-faunistischer Sozialkritik noch mal zum Wesentlichen zurückkommen: dem schnöden Mammon nämlich.
Dass Dir, lieber Udo, bisher niemand einen Tausender hat 'rüberwachsen lassen, liegt möglicherweise daran, dass es schon seit vor Gründung dieses Blogs in Mitteleuropa keine Tausender als gesetztliche Zahlungsmittel mehr gibt. Sorry!
Und selbst von meinem hiesigen Wohnort könnte ich Dir allenfalls einen Hunderter (Birr nämlich) vermachen...

Liebe afrikanische Grüße,
der Maddin =:-)

Anonym hat gesagt…

Dass noch niemand auch nur einen Tausender rüberwachsen hat lassen, kiegt wohl daran, dass alle, die diese Seite gelesen haben, ihr Monopoly täglich spielen, und deshalb die darin enthaltenen Geldscheine nicht entbehren können. Aus reine Menschenfreude würde ich mich aber dazu bereiterklären, einen Zehntausender (!) meines alten Monopoly abzugeben, wenn ich mir ein neues kaufe. Das ist doch ein Angebot
Mit besten Grüßen
Groucho Marx

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