SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL. Journalisten, die auf der Basis von Zeilenhonorar schreiben, wissen solch lange Titel zu schätzen. SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL... klingel, klingel (hier das Geräusch einer alten Registrierkasse dazudenken). SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL... klingel, klingel. SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS B... Blöd nur, dass ich Doofmann hier für umme schreibe. Ich denke, ich nenne das Spiel einfach kurz: CIVILIZATION.
Wie geht CIVILIZATION? Jeder Spieler startet mit einer Stadt, einem Pionier und einer Armee. Die beweglichen Einheiten schickt man los, um den Rest der Welt zu entdecken, Eingeborene aus dem Weg zu räumen und ein schönes Plätzchen für eine Zweit- oder gar Drittsiedlung auszukundschaften. Sind die Eingeborenen eliminiert, fühlen sich die Armeen unterbeschäftigt und finden einen neuen natürlichen Feind in Gestalt der Armeen anderer Spieler.
Zusätzliche Städte sind begehrt, denn jede Stadt hat pro Runde eine Aktion, und jede Stadt erhöht das Einkommen an Handelspunkten. Handelspunkte benötigt man für Technologien. Diese erlauben zum Beispiel, bestimmte Gebäude zu bauen, mit Armeen schneller zu laufen oder stärker zu kämpfen oder auch kompliziertere Dinge.
Viele und hochwertige Technologien zu besitzen, ist eine von vier Möglichkeiten, das Spiel zu beenden und zu gewinnen. Eine andere läuft über Kulturpunkte. Mit denen kauft man sich auf einer Kultur-Skala vorwärts bis zum „Du hast gewonnen“-Feld. Wie bekommt man Kultur? Statt zu bauen oder eine Einheit aufzustellen, können Städte ihre Aktion dafür nutzen, alle Kulturpunkte aus dem Umland zu ernten. Das klappt besonders gut, wenn man Gebäude und Weltwunder besitzt, die genau solche Punkte ausschütten. Da diese Gebäude weniger Handelspunkte einbringen, wird man den Technologie-Sektor etwas vernachlässigen müssen.
Eine Mischstrategie ist das Sammeln von Münzmarkern. Wer 15 hat, gewinnt. Verdienen lassen sie sich als Belohnungen oder im Tausch gegen diverse andere Ressourcen. Und schließlich gibt es noch den Militärsieg: Wer eine gegnerische Hauptstadt platt macht, gewinnt ebenfalls.
Was passiert? Am Anfang sieht man sich viel zu vielen Informationen gegenüber, aber gerade die Startphase einer Partie ist auch sehr spannend: Die Hauptstadt und später die Zweitstadt sollen aus dem Quark kommen, es fehlt an allen Ecken und Enden. Mit welchem Gebäude anfangen? Mit welchen Technologien? Eine gewisse Leitlinie ist vorgegeben, da jede Zivilisation diverse Sonderfähigkeiten besitzt. Die Umsetzung bietet trotzdem genügend Freiheiten.
Die Fülle an Details macht CIVILIZATION unübersichtlich. Jede Technologie bringt mehrere Fähigkeiten auf einmal und ständig vergisst man was. „Ach, ich durfte ja...“ „Ach, ich hätte ja...“ „Darf ich noch nachträglich...?“ Und immer wieder muss man rund um seine Städte die genaue Zahl der verschiedenen Symbole auszählen. Waren es nun 16 oder 17 Handelspunkte? Reichen die Produktionspunkte, um eine Schmiede zu bauen, und wenn nein, habe ich Handelspunkte übrig, die ich 3:1 in Produktionspunkte tausche? Oder nehme ich die zwei Punkte vom Pionier dazu? Dazu müsste ich aber erst mal auszählen, wie viel Produktion meine andere Stadt hat. Vielleicht braucht die den Pionier viel dringender? – Nun gut, in einem komplexen Spiel wie diesem finde ich solche Anstrengungen akzeptabel. Aber Spielspaß verursachen sie nicht.
Was taugt es? CIVILIZATION ist ein Spiel, bei dem eine Partie längst nicht genügt, um alles mal gesehen zu haben. Es könnte beispielsweise sein, dass niemand auf Kultur spielt und dieser Bereich (mitsamt der Kultur-Ereigniskarten) komplett außen vor bleibt. Oder anfangs traut sich niemand an bestimmte Technologien heran. (Jeder Spieler hat dieselben 36 zur Auswahl.) Den noch ungenutzten Rest des Spiels zu entdecken und die verschiedenen Zivilisations-Fähigkeiten auszuloten, ist ein Anreiz, um CIVILIZATION häufiger auf den Tisch zu bringen.
Allerdings ist das Spiel für mich kein Überflieger: Nach der spannenden Anfangsphase flacht die Dramaturgie ab. Die Städte produzieren jetzt viel Einkommen, die Marschrichtung steht fest. Wer auf den Kultursieg abzielt, wird nun Kulturpunkte, Kulturpunkte, Kulturpunkte produzieren. Wer auf Technologiesieg spielt, vermehrt seine Handelspunkte und entwickelt wie am Fließband Technologien. Was anfangs so voller Möglichkeiten schien, mündet in ein Abarbeitungs-Finale.
Um andere Spieler zu stoppen, gibt es das Militär. Droht einer zu gewinnen, marschiert man hin und versucht, ihm eine Stadt oder zumindest Handelspunkte wegzunehmen. Aufbauspiele mit solchen „Hau den Primus“-Tendenzen sind nicht nach meinem Geschmack. Fans des Genres dürfen gerne Fans bleiben und werden einwenden: Wer militärisch zu schwach ist, hat eben schlecht gespielt. Thematisch gesehen stimmt das vollkommen. Klar können wir vorsichtiger spielen, erst mal aufrüsten und Sicherungen einbauen, bevor es auf den Spielsieg losgeht. Für meine Begriffe (Achtung: Autor bevorzugt Euro Games!) fühlt sich das dann aber einfach nur zäher und langatmiger an, nicht aber tiefer.
SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL von Kevin Wilson für zwei bis vier Spieler, Heidelberger.
Donnerstag, 15. September 2011
Sid Meier´s Civilization - Das Brettspiel
Label:
**** solide
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
3 Kommentare:
Meine Meinung dazu: Brettspiele und Computerspiele sind unterschiedliche Genres und das aus gutem Grund: Computer sind sehr gut darin, uns stupide (Zähl)Arbeiten abzunehmen, in Windeseile ein komplexes Regelwerk auszuwerten und das ganze flüssig in gefällige Bilder zu wandeln. Brettspiele betonen eher das soziale Miteinander, die Wechselwirkung mit einem menschlichen Gegenüber. Beides hat seine Reize. Ein hochkomplexes PC-Spiel wie die Civ-Reihe aufs Brett zu bringen ist m.E. nach eine zum Scheitern verurteilte Idee und obwohl ich ein großer Sid Meier Fan bin, käme ich nie auf die Idee ein solches Spiel auf den Tisch zu tun.
Ich stimme Jerry zu. Civilization mag Brettspielcharakter haben, doch hat es so viele Stellschrauben und Rechnereien, dass es als Brettspiel ungeeignet ist. Wenn man ein PC-Spiel zu einem Brettspiel macht, erwarte ich, dass sich beide Spiele gleich anfühlen. Und das tun sie keineswegs hierbei. Beim PC-Spiel gewinne ich häufiger über den Kultursieg, was mir beim Brettspiel nur selten gelingt. Wer seine Kultur steigert, vernachlässigt den ganzen Rest und wird daraufhin 'platt gemacht'.
Also für jemand der Eclipse ausserordentlich findet wünsche ich mir da etwas mehr objektivität. Das Kampfsystem bei Eclipse ist ein Witz, bei Civil ist es ganz i.O. Ich finde bei Eclipse steigert sich alles bis zur letzten Haut auf Ihn drauf!-Runde. Da läuft es bei Civil in der gleichen Spielzeit gesitteter ab und ich habe schon relativ kampflose Partien erlebt, die durch ein Gleichgewicht des Schreckens gehalten wurden.
Kommentar veröffentlichen
Aufklärung über den Datenschutz
Wenn Sie einen Kommentar abgeben, werden Ihre eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie beispielsweise Ihre IP-Adresse) an den Google-Server übermittelt. Mit dem Absenden Ihres Kommentars erklären Sie sich mit der Aufzeichnung Ihrer angegebenen Daten einverstanden. Auf Wunsch können Sie Ihre Kommentare wieder löschen lassen. Bitte beachten Sie unsere darüber hinaus geltenden Datenschutzbestimmungen sowie die Datenschutzerklärung von Google.