Einer meiner Freunde war nach Abitur und Zivildienst ins Frankenland gezogen, um dort Informatik zu studieren. Oder um so zu tun, als würde er Informatik studieren, tatsächlich aber vor allem viel Weißbier zu trinken. Im Studium lernte er einen Ukrainer namens Vadym kennen. Der studierte für ein oder zwei Semester in Deutschland, war sehr fleißig und verkniff sich das Weißbier meistens, weil er sein Geld lieber nach Hause schickte.
In den Ferien konnte sich Vadym einen Heimaturlaub nicht leisten. Damit er nicht über Weihnachten allein im Studentenwohnheim bleiben musste, brachte mein Freund ihn mit in den Norden, und zu dritt besuchten wir eine Party. Während mein Freund in näheren Kontakt mit einer der Gastgeberinnen trat, freundete ich mich nur mit dem WG-Teddybären an.
Später am Abend überraschte mich mein Freund mit der Nachricht, dass er über Nacht bleiben würde. Ich verlangte von der Gastgeberin im Austausch den Bären – und bekam ihn. Mit gleich zwei neuen Bekannten, Vadym und Teddy, machte ich mich also auf den Heimweg, und fand den Abend ziemlich skurril.
Vadym sprach und verstand sehr gut Deutsch. Aber noch besser verstand er Spiele. Wir spielten damals viel CATHEDRAL. Vadym musste nur eine Partie lang zuschauen, dann hatte er alles Wesentliche begriffen und machte einen nach Strich und Faden fertig.
Durch mich lernte er ADEL VERPFLICHTET kennen – sein neues, absolutes, ultimatives Lieblingsspiel. Zu Recht! Teubers höchst interaktives Werk war seiner Zeit voraus, ein Geniestreich, ein Meilenstein, einer meiner absoluten Favoriten, und gäbe es eine Serie „Vor 24 Jahren“: Ich müsste ADEL VERPFLICHTET gleich mehrere Kapitel widmen.
Gibt es aber nicht. Und Weihnachten war auch bald vorüber. Die Studenten zogen wieder ab in ihr Weißbierparadies, und irgendwann später hörte ich von Vadyms Rückkehr in die Ukraine. Mein Freund und seine Freundin hatten ihm zum Abschied ein Spiel geschenkt – na klar, was denn sonst? Und selbstverständlich war es ADEL VE... nein, war es nicht! Sie hatten es eigentlich kaufen wollen, aber dann war ihnen im Laden DER FEUERSALAMANDER in die Hände gefallen, und das sei doch auch ein so schönes Spiel...
Häh?!
Nichts gegen DER FEUERSALAMANDER. Aber ich verstand diesen Spontankauf überhaupt nicht und möchte nicht wissen, wie Vadym beim Auspacken geguckt hat. Und wer die Verantwortung trägt, dass Mitte der 90er nicht der Samen für einen gigantischen Spieleboom in Osteuropa gelegt wurde: Das weiß ich genau!
Teil 15: Tyranno Ex
Teil 17: Schach
Freitag, 11. April 2014
Vor 20 Jahren (16): Der Feuersalamander
Label:
Vor 20 Jahren
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
2 Kommentare:
Auch für mich ist "Adel verpflichtet" ein absoluter Knaller. Es kommt immer wieder mal auf den Tisch. Habe noch die 1. Edition und die Karten sind auf der Rückseite schon erheblich angekratzt. Wo gibt es heutzutage noch gute Spiele mit viel Interaktion? Meistens ist es doch so, dass jeder Spieler für sich auf seinem eigenen Tableau etwas baut. Zu Recht damals Spiel des Jahres geworden (1990?)
Wunderbar aufgezogene Erzählung. Wann erscheint endlich ein Band mit Kurzgeschichten oder ein Roman von Dir?
Kommentar veröffentlichen
Aufklärung über den Datenschutz
Wenn Sie einen Kommentar abgeben, werden Ihre eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie beispielsweise Ihre IP-Adresse) an den Google-Server übermittelt. Mit dem Absenden Ihres Kommentars erklären Sie sich mit der Aufzeichnung Ihrer angegebenen Daten einverstanden. Auf Wunsch können Sie Ihre Kommentare wieder löschen lassen. Bitte beachten Sie unsere darüber hinaus geltenden Datenschutzbestimmungen sowie die Datenschutzerklärung von Google.