Samstag, 6. September 2014

Tortuga

Wer hat die Dicksten? Oft ist es Queen Games. Die massiven Tableaus liegen wie Stahlplatten auf dem Tisch, mit den Papp-Chips könnte man Münzautomaten in Gang setzen, die Holzteile sehen lecker aus. Mjam! Material wie in TORTUGA macht Spaß. Ein gutes und gleichzeitig gut produziertes Spiel zu spielen, fühlt sich definitiv sinnlicher an als die Beschäftigung mit einem guten, aber schmucklosen Werk.
Spiele, die aufgrund von Ausstattung oder Grafik einen minderwertigen Eindruck machen, verschenken unnötig viel von ihrem Potenzial. Das Fundament, auf dem alles ruht, ist jedoch immer noch das gute Spiel... ähm, ja. Und an dieser Stelle mache ich einfach mal eine Kunstpause.

Wie geht TORTUGA? Wir sind Piraten, also wollen wir Schätze. Die Truhen müssen auf unserem Tableau vom Inselbereich (rechts) nach Tortuga (links) transportiert werden, was zwei Zwischenschritte erfordert. Erst in Tortuga ist die Beute sicher. Sobald jemand sechs Truhen hat, endet das Spiel. Eine Punktwertung, bei der die Farben der Schätze eine Rolle spielt, kürt den Gewinner.
Gesteuert wird TORTUGA von und mit Würfeln. Jeder Spieler besitzt denselben Satz. Die Würfel zeigen Symbole für bestimmte Spielaktionen und zugehörige Werte, beispielsweise „Entern 5“, „Flotte ausbauen 4“, „Schatzsuche 3“, „Überfallen 2“ und „Crew anheuern 1“. Die sechste Seite zeigt ein Jokersymbol. Joker erlauben, den Würfel auf eine beliebige Seite zu drehen.
Alle Spieler würfeln gleichzeitig hinter ihrem Sichtschirm und müssen mindestens einen Würfel liegen lassen. Den Rest nehmen sie wieder in die Hand. Sollen mehrere Würfel liegen bleiben, müssen sie dasselbe Symbol zeigen. Nun wird das Geheimnis gelüftet, und man platziert den oder die Würfel auf dem zugehörigen Symbolfeld des eigenen Tableaus. Mit dem Rest wird erneut gewürfelt. Die Prozedur wiederholt sich, bis alle Spieler sämtliche fünf Würfel platziert haben. Wer weniger Würfe benötigt als die anderen, kassiert eine Belohnung.
Die fünf Aktionen werden nun der Reihe nach ausgewertet. Der Punktbeste bei „Flotte ausbauen“ darf mit seinem Schiffsmarker zwei Schritte auf der „Flottenleiste“ voran, der Zweitplatzierte nur einen. Alle anderen Spieler keinen. Flotten- und Crewleiste bestimmen (unter anderem), wie viele Schatzkisten bei der ersten und der zweiten Zwischenstation abgestellt werden dürfen. Mit „Entern“ oder „Überfallen“ darf eine Truhe von der Zwischenstation eines Mitspielers gestohlen werden. Und mit „Schatzkiste“ bekommt man statt der üblichen einen gleich zwei neue Truhen auf seinen Inselbereich. Anschließend wandern alle Schätze um einen Ort nach links. Ist dort nicht genug Stauraum, geht die Kiste verloren.

Was passiert? TORTUGA ist ein kriegerisches Spiel. Wer auf Entern und Überfall verzichtet (oder die entsprechenden Symbole nicht würfelt), wird nicht gewinnen. Im Gegenteil: Die anderen machen ihn platt. Der Angegriffene muss nämlich zusätzlich zum Verlust seiner Truhe immer auch seinen Schiffs- oder Crewmarker um einen Schritt zurücksetzen. Den Aggressor trifft diese Strafe nur, falls das Opfer bewaffnet ist, also ebenfalls Würfel im Bereich „Entern“ bzw. „Überfall“ ausliegen hat. Das bietet einen hohen Anreiz, unabhängig vom Spielstand auf Schutzlose zu knüppeln. Wer zu Spielbeginn Prügelknabe war, erholt sich davon selten.
Das Spiel in seiner Gesamtheit hinterlässt auch keinen besseren Eindruck, da das Herauslegen der Würfel längst nicht so spannend ist, wie es sich anhört. Der erste Wurf mag noch mehrere Möglichkeiten bieten. Da allerdings in jedem Bereich immer nur der beste und der zweitbeste Spieler eine Aktion gewinnen, steht schnell fest, welche Symbole man auf seinen restlichen Würfeln gut gebrauchen kann und welche nicht. Jetzt kommt es nur noch aufs Würfelhändchen an.
Und schließlich sind sogar die Regeln hakelig. Wer bei wem klauen darf oder nicht klauen darf und ersatzhalber einen Schatz von der zentralen Insel bekommt, ist unintuitiv geregelt und führt immer wieder zu Nachfragen.

Was taugt es? TORTUGA hat echt dicke Pappe. Das Spiel schleppt sich allerdings ohne Höhepunkte dahin, weil man zu selten das Gefühl bekommt, echte Entscheidungen zu treffen. Die destruktiven Elemente wirken willkürlich und ziehen das Spiel in die Länge.

TORTUGA von Jay Cormier und Sen-Foong Lim für zwei bis vier Spieler, Queen Games.

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