Einigen Lesern ist aufgefallen, dass sich unter meinen sechs Lieblingsspielen des abgelaufenen Jahrgangs kein einziges der sechs von Spiel des Jahres nominierten Spiele befindet. Muss es aber auch nicht, ätsch!
Mancher denkt vielleicht, als Juror beim Spiel des Jahres und beim Kennerspiel des Jahres gehe es darum, das persönliche Lieblingsspiel zu küren. Doch darum geht es eben nicht. Vielmehr geht es darum, ein möglichst geeignetes Spiel für die entsprechende Zielgruppe auszuwählen. Mein Abstimmungsverhalten bei Spiel des Jahres entspricht also nicht 1:1 meinem Spielegeschmack, sondern beruht auch auf Spielerfahrungen mit der Zielgruppe.
Dass ich die sechs nominierten Spiele dennoch als stark einschätze, kann, wer will, daran erkennen, dass ich sowohl CAMEL UP als auch SPLENDOR als auch ISTANBUL als auch ROKOKO als auch CONCORDIA hier im Blog mit „reizvoll“ bzw. in der spielbox mit 7 Punkten bewertet habe (was für mich dasselbe ist). Nur bei CONCEPT habe ich mich in der spielbox wegen meiner extrem zweispältigen Spielerfahrungen auf keine Note festlegen wollen. Sollte ich CONCEPT eines Tages noch hier im Blog besprechen (aber dazu ist es vermutlich zu spät), wäre mein (in diesem Fall wieder auf persönlichem Geschmack beruhendes) Label „solide“, was aber nichts daran ändert, dass ich CONCEPT als nominiertes Spiel (in diesem Fall wieder mit Blick auf die Zielgruppe) voll auf Augenhöhe mit den anderen Nominierten sehe. – Und wer’s nicht glaubt, der glaubt’s halt nicht.
Mein eigentliches Thema heute: Inwiefern werden die Nominierten für mich übrig bleiben?
Antwort Teil 1: Für den Privatgebrauch kaum. Wobei der Privatgebrauch ja ohnehin nur einen minimalen Bruchteil meines gesamten jährlichen Spieleaufkommens ausmacht und eher ein theoretisches Wunschgebilde ist als spielerische Realität.
Jenseits des Privatgebrauchs und jenseits der privaten Testrunden habe ich aber auch öffentliche Spielegruppen. Zwar müssen auch die dafür herhalten, immer neue Spiele auszuprobieren. Zusätzlich nehme ich als sichere Bank aber gerne bewährte ältere Spiele mit dorthin. Und an dieser Stelle kommen die Nominierten doch wieder ins Spiel.
Deshalb Antwort Teil 2: CAMEL UP wird zukünftig dabei sein und den Slot „Zockerspiel“ füllen, wo AUF TEUFEL KOMM RAUS seinen Platz verliert. Und SPLENDOR wird – wie übrigens auch VOLL SCHAF – als reinrassiges Taktik- / Strategiespiel dabei sein. Eigentlich ist QWIRKLE in dieser Kategorie der Paradekandidat, doch QWIRKLE ist mittlerweile so bekannt, dass neues Futter durchaus gelegen kommt. CONCEPT schließlich werde ich in den Spieleschrank meiner Studentengruppe stellen. Weil CONCEPT wächst, je besser die Mitspieler es beherrschen, scheint es mir dort am besten aufgehoben, wo man es schon kennt. Und an der Uni gibt es einige glühende Fans. Neue Scharen von Wenigspielern mit CONCEPT zu konfrontieren, wäre mir dagegen zu mühsam. Den Platz im Etwas-darstellen-und-raten-Slot kriegt stattdessen vorerst das zugänglichere LEG LOS. Und FINGER WEG bleibt als originelles Quizspiel übrigens auch im Einsatz.
Sehr geeignet für öffentliche Spielegruppen sind Spiele für viele Personen. Sie haben zwei Vorteile: Erstens kann man schnell viele Leute auf einmal zum Losspielen kriegen. Was wichtig ist, weil andere ja auch schon da sitzen und auf Erklärung warten. Zweitens können sich die Spieler in größerer Runde besser untereinander helfen. Bei einer kleinen Dreier-Gruppe besteht häufiger das Problem, dass kein Einziger so recht verstanden hat, was er jetzt tun soll, und man als Erklärer moderierend dabei bleiben muss, bis das Spiel ins Rollen kommt.
Was das mit diesem Jahrgang zu tun hat? Viel! Denn im Hinblick auf gute Spiele für mehr als vier Personen war der abgelaufene Jahrgang außergewöhnlich reichhaltig bestückt!
Dass SPLENDOR, VOLL SCHAF und sogar QWIRKLE in der weiten Welt da draußen als reinrassiges Taktik- / Strategiespiele empfunden werden, mag manchen schockieren; es ist aber so. Kennerspiele kann ich in Normalmenschen-Gruppen kaum einsetzen. ISTANBUL markiert die Obergrenze dessen, was vielleicht noch geht. Unter 25 Teilnehmern sind aber selten mehr als einer oder zwei, die sich für Spiele mit solchem Regelaufwand überhaupt begeistern können. Allein für diese zwei nehme ich ISTANBUL weiter mit. Wenn es nach meinem persönlichen Geschmack ginge, würde ich noch lieber ROKOKO spielen. Das aber scheidet als Volksbespaßungsinstrument genau wie CONCORDIA allein schon wegen seiner Spieldauer aus.
- Was vom Jahrgang übrig bleibt (1): Große Spiele
- Was vom Jahrgang übrig bleibt (2): Kleine Spiele
5 Kommentare:
Studierende, es heißt Studierende! Wann bekommen wir das endlich aus dir raus?! ; )
Jan
Offenbar gab es ja mal eine Rezension zu Splendor ("...dass ich [...] SPLENDOR [...] hier im Blog mit „reizvoll“ [...] bewertet habe."). Jetzt gibt es sie aber nicht mehr. Was ist da passiert? Hat die NSA sie gefressen? ;-)
Marco.
Da hast du die zur Beantwortung deiner Frage entscheidende Passage (nämlich: "bzw. in der spielbox mit 7 Punkten") weggekürzt. Splendor (Heft 4/14) und Rokoko (Heft 7/13) habe ich statt im Blog in der spielbox rezensiert und dort mit 7/10 bewertet.
Ups, wie dumm von mir. Ich hatte nur noch in Erinnerung, dass du alle Nominierten für das Spiel des Jahres hier besprochen hattest, aber das stimmt gar nicht.
Marco.
Naja, das würde es nur heißen, wenn der Autor auf die Tätigkeit verweisen möchte. Wahrscheinlich geht es ihm um den Status.
Ich kenne Studenten, die sind schon lange keine Studierenden mehr. Umgekehrt studiere ich ab und an Lektüre, ohne dadurch ein Student zu sein.
Henning
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