Donnerstag, 13. Februar 2025

Humanity

Humanity: Cover

Um 9:17 Uhr am Morgen des 15. Juli 2073 landen die Schiffe des Humanity-Programms auf Titan. So behauptet es der Schachteltext. Und ich gelobe: Wenn das tatsächlich so eintritt, spendiere ich postwendend um 9:18 Uhr eine Einleitung!

Wie geht HUMANITY? In HUMANITY sind wir schon auf Titan (das ist ein Mond des Saturn) und bauen unsere Basis auf. Logischerweise arbeitet die Menschheit auch im Jahr 2073 noch gegeneinander, folglich entstehen konkurrierende Basen. Und es ist ebenfalls klar, dass es um Punkte geht. Wozu sonst haben wir uns auf diesen irre langen Weg gemacht?
HUMANITY ist ein Figureneinsetzspiel. In jedem Zug benutze ich eine meiner bis zu drei aktiven Figuren. Sie kann entweder auf meiner Basis bleiben und dort Rohstoffe produzieren. Oder ich investiere Rohstoffe und kaufe ein weiteres Modul für meine Basis. Dazu muss ich die Figur ans zentrale Rundtableau stellen, genau an den Ort, wo das erworbene Plättchen liegt.

Humanity: Spielplan

Das ist deshalb von Bedeutung, weil die Figuren nicht automatisch bei Rundenende zurückkehren. Abhängig davon, welche und wie viele Module wir kaufen, dreht sich der Gelenkarm des Tableaus bei Rundenende mehr oder weniger weit. Alle Figuren, an denen er vorbeifährt, dürfen zurück. Um meine Figur schnell zurückzubekommen, möchte ich also tendenziell Module kaufen, die nah am Dreharm liegen. Nur ist eben nicht gesagt, dass das die Module sind, die mir weiterhelfen. Oder dass ich sie bezahlen kann. Oder dass man sie mir lässt.
Die Module bringen andere und bessere Rohstoffe. Oder sie zählen Punkte, wofür ich die Module in einer bestimmten farblichen Anordnung bauen muss. In HUMANITY gibt es zwei Sorten Punkte: neben den „echten“ Siegpunkten zusätzlich solche („Forschungspunkte“), die zunächst nur meinen Marker auf einer Skala vorantreiben. Am Ende jeder der drei Runden wird die Position aller Marker (wie weit bin ich insgesamt gelaufen und wie viele Personen habe ich hinter mir gelassen?) in Siegpunkte umgerechnet, und alle Marker starten wieder bei Null.
Zugleich konkurrieren wir um das schnelle Erfüllen von in jeder Partie anderen Zielen: Ich soll mindestens drei lila Module haben oder fünf Module in einer waagerechten Reihe oder auf meinen Plättchen sollen sich vier Methan- oder Bioplastik-Symbole befinden.

Was passiert? HUMANITY enthält einige Wettlaufelemente: Ich will den anderen bestimmte Plättchen wegschnappen, ich will Ziele zuerst erreichen. Hilfreich wäre da eine Einschätzung, was die Konkurrenz aktuell so kann.

Humanity: Basis

Jedoch: Wer wie viele Rohstoffe besitzt, wird ähnlich wie in DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL (bzw. CATAN – DAS DUELL) auf den Plättchenrändern von Produktionsmodulen angezeigt. Erhalte ich einen Eis-Rohstoff, drehe ich das Eis-Produktions-Modul um 90 Grad, und es zeigt nun eine Ressource mehr an. Die Produktionsmodule verteilen sich relativ beliebig über meine gesamte Basis. Den Überblick über meine Rohstoffe zu behalten, ist umständlich. Will ich auch noch die Vorräte der Konkurrenz abchecken, muss ich lange herumsuchen.
Der klar interessanteste Kniff des Spiels ist das Figurenmanagement. Setze ich eine Figur ein, um ein Plättchen zu kaufen, zahle ich nebst Rohstoffen auch mit der Ressource Zeit. Muss ich eine oder gar mehrere Runden auf die Figur verzichten, gehen mir mögliche Aktionen durch die Lappen. Ob sich das lohnt, ist eine spannende Abwägung.

Was taugt es? Einerseits ist HUMANITY strategisch. Die Anordnung meiner Module konzipiere ich wegen der Ziele mit langfristigem Plan. Kommt eine Figur vom zentralen Tableau zu mir zurück, muss ich sie vorausschauend platzieren, denn genau an diese Stelle müsste ich später das Modul bauen, falls ich diese Figur für einen Kauf entsende. Spielfehler werden spürbar bestraft.
Andererseits ist vieles auch Zufall. Wer die Ziele zuerst erfüllen kann, ist teilweise Glückssache. Es kann schlichtweg davon abhängen, wann die benötigten Teile ins Spiel kommen und wer dann den ersten Zugriff hat. (Kleine Einschränkung: Ja, ähnlich der längsten Handelsstraße in CATAN können einem die erworbenen Ziel-Urkunden wieder abgejagt werden. Aber: Wer sie zuerst hat, ist erst mal im Vorteil.)
Trotz Gemecker würde ich HUMANITY nicht als misslungen bezeichnen. Die Elemente greifen gut ineinander, der Figureneinsatz wird durch die zeitverzögerte Rückholung auf interessante Weise variiert.
Allerdings bringt diese kleine Neuerung nun auch nicht so viel Zusatzreiz, dass es mich zu weiteren Partien verlockt. Der Spielablauf ist gleichförmig, die Handhabung umständlich. HUMANITY fühlt sich überwiegend sattsam bekannt an. Es bietet zwar einiges für den Kopf, aber wenig für Herz und Bauch.

Humanity: Experimente

Die nüchterne, blasse Gestaltung unterstützt das Spiel nicht gut. Sie passt lediglich gut zum nüchternen, blassen Spiel. HUMANITY ist längst nicht so aufregend, wie es uns die Hintergrundgeschichte samt beiliegendem Büchlein mit fiktionaler Story und historischen Informationen suggerieren möchte. Die Rohstoffe heißen zwar mal nicht Holz und Stein, sondern Insekten und Bioplastik; mechanisch aber knüpft nichts an die Sci-Fi-Spielgeschichte an.
Warum bei einem so durchschnittlichen und so wenig thematischen Spiel so viel Aufwand betrieben wird, um es mit aufwendig gemachtem Beibuch besonders thematisch erscheinen zu lassen, ist mir ein Rätsel.


*** mäßig

HUMANITY von Yoann Levet für zwei bis vier Spieler:innen, MM-Spiele.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Aufklärung über den Datenschutz
Wenn Sie einen Kommentar abgeben, werden Ihre eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie beispielsweise Ihre IP-Adresse) an den Google-Server übermittelt. Mit dem Absenden Ihres Kommentars erklären Sie sich mit der Aufzeichnung Ihrer angegebenen Daten einverstanden. Auf Wunsch können Sie Ihre Kommentare wieder löschen lassen. Bitte beachten Sie unsere darüber hinaus geltenden Datenschutzbestimmungen sowie die Datenschutzerklärung von Google.