Freitag, 16. März 2012

Village

„Wie das Leben so spielt“ lautet der Untertitel von VILLAGE, und in seinen Grundzügen ist das Spiel tatsächlich so öde wie das wahre Leben: Denn einmal mehr schicken wir unsere Pöppel irgendwo hin und kriegen Siegpunkte dafür. Zum Glück verfeinern ein paar Dinge die Angelegenheit. Im wahren Leben sind es Nachmittags-Serien und Erdnussflips, bei VILLAGE das Thema und interessante Regeldetails.

Wie geht VILLAGE? Zu Beginn jedes Durchgangs werden die verschiedenen Orte mit Einfluss-Steinen bestückt. Die Zahl der Steine ist vorgegeben, die Farbe ist Zufall. Um nun an einem Ort eine Aktion durchführen zu dürfen, muss man dort zuerst einen Einfluss-Stein nehmen. Das ist im Grunde eine prima Sache, denn die Steine sind eine Form von Währung. Bestimmte Errungenschaften kosten bestimmte Farb-Kombinationen. Sind die Steine jedoch vergriffen, kann am entsprechenden Ort (normalerweise) keine Aktion mehr stattfinden.
Eine weitere Währung ist Zeit. Viele Aktionen kosten alternativ oder zusätzlich Zeit; eine Aktion durch Nehmen eines schwarzen Einfluss-Würfels („Pest“) auszulösen, kostet ebenfalls Zeit. Pro zehn verbrauchte Zeiteinheiten scheidet eine der eigenen Figuren aus. Zunächst trifft es die Ältesten, die man schon bei Spielbeginn hatte. Später auch diejenigen, die man über Geburten-Aktionen hinzugewinnen konnte.
Die meisten Toten werden im unteren rechten Spielplan-Eck („Chronik“) aufgebahrt. Dort gibt es 15 Plätze, unterteilt nach dem Ort des Ablebens. Wer im Bereich der Handwerker stirbt, kommt ins gelbe Chronik-Segment. Wer im Rathaus den Löffel abgibt, ins rote. Ist ein Bereich voll, müssen zu spät Gestorbene mit anonymen Gräbern vorlieb nehmen, wo sie im Gegensatz zu ihren Kollegen aus der Chronik keine Punkte zählen.

Was passiert? VILLAGE ist eines dieser Spiele, die schon nach der ersten Partie eine glasklare Gewinnstrategie offenbaren: Das Rathaus! Das Rathaus ist ja viel zu stark! Die zweite Partie scheint den Eindruck zu bestätigen, doch in der dritten spielt jemand mal ganz anders, und schon wird klar: Der Markt! Der Markt ist ja viel zu stark! (Oder die Kirche.) (Oder das Reisen.) Und irgendwann kommt man vielleicht drauf: Hm, eigentlich ist alles sehr ausgewogen.
Die Suche nach der absoluten Gewinnstrategie führt auf die falsche Fährte. Hilfreicher wäre subtiles Taktieren und Optimieren: Ungünstig sind übrig behaltene Ressourcen bei Spielende, alle am Markt vorbei produzierten Güter, Gestorbene, die nicht in der Chronik landen, und Aktionen, die nicht das Maximum herausholen, etwa indem man nur einen statt mehrere Getreidesäcke bekommt, weil das eigene Lager voll ist.
Optimieren an sich muss noch kein Vergnügen sein, spannend wird es aber durch den Störfaktor Mitspieler: Man schnappt einander Plätze in der Chronik weg oder die guten Posten im Rathaus oder die letzte Getreidefuhre. Man beschleunigt oder verschleppt das Runden- oder Spielende, je nachdem, was einem nützt oder den anderen schadet. Dadurch ergeben sich immer andere Verläufe und der Wiederspielreiz von VILLAGE bleibt hoch.

Was taugt es? Pöppel in Generationen zu unterteilen und eine Dorfgeschichte mit Geburten und Todesfällen zu erzählen, ist eine erfrischend originelle Idee. Das Spiel verläuft jederzeit spannend und fühlt sich positiv an, weil fast alle Aktionen einen Gewinn bringen. Neuartig am Spielgefühl ist vor allem das Wissen um die Vergänglichkeit der Figuren und ihrer erreichten Positionen. Seine erste, arg kurzlebige Generation möchte man deshalb auch gar nicht zu sehr qualifizieren.
Stellenweise geht für mein Empfinden das Thema allerdings wieder verloren, und es werden dann doch nur Klötzchen abgegeben, um andere Klötzchen oder Siegpunkte zu bekommen. Und man wägt ab, ob es besser ist, einen Planwagen, zwei Zeit und zwei pinkfarbene Steine zu zahlen („Reise“), um dafür drei Siegpunkte und einen Bonus bei Spielende zu erhalten, anstatt („Markt“) drei Siegpunkte für einen Planwagen, eine Zeit und einen grünen Stein. Thematisch etwas unlogisch finde ich auch, dass Gesundheitspflege meist nicht honoriert wird und die Spieler im Gegenteil bestrebt sind, viele ihrer Pöppel in die Chronik zu verabschieden. Am Spielreiz ändert das nichts. Es sind bloß Randerscheinungen, die mich hindern, VILLAGE noch besser zu finden.

VILLAGE von Inka und Markus Brand für zwei bis vier Spieler, eggertspiele.

1 Kommentare:

Wolfgang Ditt hat gesagt…

"Thematisch etwas unlogisch finde ich auch, dass Gesundheitspflege meist nicht honoriert wird und die Spieler im Gegenteil bestrebt sind, viele ihrer Pöppel in die Chronik zu verabschieden."

Es ist eben ein Spiel für Kapitalisten. Ausbeuten, ausbeuten und selbst noch am Tod verdienen. :-)

Danke für die Rezi: :-)

Wolfgang

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